Entscheidungsdatum: 13.12.2017
In der Beschwerdesache
…
betreffend die Marke 30 2012 006 025
hat der 29. Senat (Marken-Beschwerdesenat) des Bundespatentgerichts am 13. Dezember 2017 durch die Vorsitzende Richterin Dr. Mittenberger-Huber, die Richterin Akintche und die Richterin Seyfarth
beschlossen:
Die Beschwerde wird zurückgewiesen.
I.
Die angegriffene farbige Wort-/Bildmarke
ist am 9. Juli 2012 angemeldet und am 15. Oktober 2012 in das beim Deutschen Patent- und Markenamt (DPMA) geführte Register für die Dienstleistungen der
Klasse 35: Einzel- und Großhandelsdienstleistungen auch über das Internet betreffend Kinder- und Babyartikel, Spielwaren; Werbung; Marketing; Zusammenstellung von Waren für Dritte zu Präsentations- und Verkaufszwecken; Präsentation von Waren in Kommunikations-Medien für den Einzelhandel; Vermittlung von Verträgen für Dritte über den An- und Verkauf von Waren; Vermittlung von Handels- und Wirtschaftskontakten, auch über das Internet; Vermittlung von Handelsgeschäften für Dritte, auch im Rahmen von e-commerce; Online-Werbung in einem Computernetzwerk;
eingetragen worden. Die Veröffentlichung erfolgte am 16. November 2012.
Gegen die Eintragung dieser Marke hat die Beschwerdegegnerin aus der international registrierten Wortmarke IR 1 096 531 sowie aus der Unionsmarke UM 001 697 044 Widerspruch erhoben.
Die international registrierten Wortmarke 1 096 531
P‘TIT FILOU
ist am 16. September 2011 angemeldet worden und genießt seit dem 9. Mai 2012 Schutz für die Bundesrepublik Deutschland für folgende Waren:
Klasse 24: Textiles and textile goods, not included in other classes; bed and table covers;
Klasse 25: Clothing, footwear, headgear for children up to 12 years;
Klasse 28: Games and playthings; gymnastic and sporting articles not included in other classes; decorations for Christmas trees.
Die Unionsmarke UM 001 697 044
ist am 6. Juni 2000 angemeldet und am 19. September 2000 für die Waren der
Klasse 03: Seifen, Parfümerien, ätherische Öle, Kosmetika, Haarwässer; Zahnputzmittel;
Klasse 20: Möbel, Spiegel, Rahmen; Waren, soweit sie nicht in anderen Klassen enthalten sind, aus Holz, Kork, Rohr, Binsen, Weide, Horn, Knochen, Elfenbein, Fischbein, Schildpatt, Bernstein, Perlmutter, Meerschaum und deren Ersatzstoffen oder aus Kunststoffen;
Klasse 26: Haarnadeln, Haarschmuck, Haarbänder, Haarklammern, Spitzen und Stickereien, Bänder und Schnürbänder; Knöpfe, Haken und Ösen;
Klasse 28: Spiele, Spielzeug;
Klasse 30: Konditorwaren; Mehle und Getreidepräparate, feine Backwaren, Speiseeis;
eingetragen worden.
Die Markenstelle für Klasse 35 des DPMA hat mit Beschluss vom 12. Juni 2015 auf den Widerspruch aus der international registrierten Marke IR 1 096 531 die Eintragung der angegriffenen Marke teilweise gelöscht, und zwar für die Dienstleistungen der Klasse 35 „Einzel- und Großhandelsdienstleistungen auch über das Internet betreffend Kinder- und Babyartikel, Spielwaren“.
Zur Begründung führt sie aus, zwischen der angegriffenen Marke und der Widerspruchsmarke „P‘TIT FILOU“ bestehe bezüglich der genannten Dienstleistungen eine unmittelbare klangliche Verwechslungsgefahr. Nach der hier maßgeblichen Registerlage seien die Waren der Widerspruchsmarke in den Klassen 25 und 28, die Kinderbekleidung bzw. Spielzeug betreffen, ähnlich zu den Dienstleistungen der angegriffenen Marke, insbesondere zu Einzel- und Großhandelsdienstleistungen betreffend Kinder- und Babyartikel, Spielwaren. Die Widerspruchsmarke verfüge mangels entgegenstehender Anhaltspunkte über eine durchschnittliche Kennzeichnungskraft und damit sei von einem normalen Schutzumfang auszugehen. Den vor diesem Hintergrund einzuhaltenden deutlichen Abstand zu der Widerspruchsmarke halte die jüngere Marke nicht ein. In ihrer Gesamtheit unterschieden sich die Vergleichszeichen durch die grafische Ausgestaltung der angegriffenen Marke in Form einer stilisierten Abbildung zweier sich an den Händen haltender Kinder. Der Gesamteindruck der jüngeren Marke werde jedoch, auch unter Berücksichtigung des Erfahrungssatzes, dass der Verkehr bei Kombinationszeichen dem Wort als einfachster und kürzester Bezeichnungsform die prägende Bedeutung zumisst, durch den Wortbestandteil „Petit Filou“ dominiert. Es stünden sich somit „Petit Filou“ und „P‘TIT FILOU“ gegenüber. Da die Aussprache trotz unterschiedlicher Schreibweise gleich sei, seien die Wortbestandteile klanglich identisch. Im Hinblick auf die übrigen für die angegriffene Marke eingetragenen Dienstleistungen bestehe mangels Waren- und Dienstleistungsähnlichkeit keine Verwechslungsgefahr.
Den Widerspruch aus der Unionsmarke UM 001 697 044 hat die Markenstelle zurückgewiesen, da auf die zulässig erhobene Einrede der Nichtbenutzung eine rechtserhaltende Benutzung der Widerspruchsmarke für die in Rede stehenden Waren nicht glaubhaft gemacht worden sei.
Hiergegen richtet sich die Beschwerde der Inhaberin der angegriffenen Marke.
Sie ist der Auffassung, dem Wortbestandteil der Widerspruchsmarke könne keine durchschnittliche Kennzeichnungskraft zuerkannt werden, da es sich um einen beschreibenden Begriff handele. Ein großer Teil des angesprochenen Verkehrskreises sei der französischen Sprache insoweit mächtig, dass er die Bedeutung von „Petit Filou“, nämlich „kleiner Schlingel“, „kleiner Spitzbub“, verstehe, zumindest sei der Ausdruck im deutschsprachigen Raum bekannt. Die Bezeichnung sei schutzunfähig i. S. d. § 8 Abs. 2 Nr. 2 MarkenG, da sie einen bestimmten Adressatenkreis, nämlich Kinder, die als „Schlingel“ bezeichnet werden könnten, charakterisiere, für den die gegenständlichen Waren gedacht seien. Da glatt beschreibende Bestandteile nicht prägend sein könnten, sei für den Zeichenvergleich auf die konkrete grafische Gestaltung abzustellen, die ausreiche, um den erforderlichen Abstand einzuhalten.
Die Beschwerdeführerin beantragt sinngemäß,
den Beschluss der Markenstelle für Klasse 35 des Deutschen Patent- und Markenamts vom 12. Juni 2015 insoweit aufzuheben, als die Löschung der angegriffenen Marke angeordnet worden ist.
Die Widersprechende hat sich zu der Beschwerde nicht geäußert.
Im Widerspruchsverfahren vor dem DPMA hat sie vorgetragen, die sich gegenüber stehenden Wortbestandteile „petit filou“ und „p‘tit filou“ seien nahezu identisch. Da sich auch korrespondierende Waren und Dienstleistungen gegenüber stünden, bestehe eine hochgradige Verwechslungsgefahr.
Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf den Akteninhalt Bezug genommen.
II.
Die nach §§ 64 Abs. 6, 66 MarkenG zulässige Beschwerde der Inhaberin der angegriffenen Marke hat in der Sache keinen Erfolg. Nachdem die Markenstelle für Klasse 35 des DPMA den Widerspruch aus der Marke UM 001 697 044 vollständig und aus der Marke IR 1 096 531 teilweise zurückgewiesen hat, ist nur noch der Widerspruch aus der Marke IR 1 096 531 „P‘TIT FILOU“ im Umfang der „Einzel- und Großhandelsdienstleistungen auch über das Internet betreffend Kinder- und Babyartikel, Spielwaren“ verfahrensgegenständlich.
Zwischen den Vergleichsmarken besteht im vorgenannten Umfang Verwechslungsgefahr gemäß §§ 42 Abs. 2 Nr. 1, 9 Abs. 1 Nr. 2, 119 Abs. 1, 116 MarkenG, so dass die Markenstelle zu Recht insoweit die Löschung der angegriffenen Marke angeordnet hat.
1. Die Frage der Verwechslungsgefahr im Sinne von § 9 Abs. 1 Nr. 2 MarkenG ist unter Heranziehung aller Umstände des Einzelfalls umfassend zu beurteilen. Dabei ist von einer Wechselwirkung zwischen der Identität oder der Ähnlichkeit der Waren oder Dienstleistungen, dem Grad der Ähnlichkeit der Marken und der Kennzeichnungskraft der prioritätsälteren Marke in der Weise auszugehen, dass ein geringerer Grad der Ähnlichkeit der Waren oder Dienstleistungen durch einen höheren Grad der Ähnlichkeit der Marken oder durch eine gesteigerte Kennzeichnungskraft der älteren Marke ausgeglichen werden kann und umgekehrt (st. Rspr.; vgl. EuGH MarkenR 2014, 245 ff. – Bimbo/HABM [BIMBO DOUGHNUTS/ DOGHNUTS]; GRUR Int. 2012, 754 Rn. 63 – XXXLutz Marken GmbH./.HABM [Linea Natura Natur hat immer Stil]; GRUR 2010, 1098 Rn. 44 – Calvin Klein/ HABM [CK CREATIONES KENNYA/CK CAKVIN KLEIN]; GRUR-RR 2009, 356 Rn. 45 f. – Éditions Albert René/HABM [OBELIX/MOBILIX]; BGH GRUR 2016, 382 Rn. 19 – BioGourmet m. w. N.). Darüber hinaus können für die Beurteilung der Verwechslungsgefahr weitere Faktoren relevant sein, wie unter anderem etwa die Art der Ware, die im Einzelfall angesprochenen Verkehrskreise und daraus folgend die zu erwartende Aufmerksamkeit und das zu erwartende Differenzierungsvermögen dieser Verkehrskreise bei der Wahrnehmung der Kennzeichen.
a) Ausgehend von der allein maßgeblichen Registerlage besteht durchschnittliche Ähnlichkeit zwischen den verfahrensgegenständlichen Dienstleistungen „Einzel- und Großhandelsdienstleistungen auch über das Internet betreffend Kinder- und Babyartikel, Spielwaren“ und den für die Widersprechende eingetragenen Waren der Klasse 25 „Clothing, footwear, headgear for children up to 12 years“ und der Klasse 28 „Games and playthings“.
Eine Ähnlichkeit von beiderseitigen Waren oder Dienstleistungen ist grundsätzlich anzunehmen, wenn diese unter Berücksichtigung aller erheblichen Faktoren, die ihr Verhältnis zueinander kennzeichnen, insbesondere ihrer Beschaffenheit, ihrer regelmäßigen betrieblichen Herkunft, ihrer regelmäßigen Vertriebs- oder Erbringungsart, ihrem Verwendungszweck und ihrer Nutzung, ihrer wirtschaftlichen Bedeutung, ihrer Eigenart als miteinander konkurrierende oder einander ergänzende Produkte oder Leistungen oder anderer für die Frage der Verwechslungsgefahr wesentlichen Gründe so enge Berührungspunkte aufweisen, dass die beteiligten Verkehrskreise der Meinung sein könnten, sie stammten aus demselben oder ggf. wirtschaftlich verbundenen Unternehmen (EuGH GRUR Int. 2009, 397 Rn. 65 – P Les Éditions Albert René Sàrl/HABM [OBELIX/MOBILIX]; BGH, Beschluss vom 09.11.2017, I ZB 45/16 Rn. 11 – OXFORD/Oxford Club; MarkenR 2016, 157 Rn. 21 – BioGourmet; GRUR 2015, 176 Rn. 16 – ZOOM/ ZOOM; GRUR 2004, 601 – d-c-fix/CD-FIX; GRUR 2001, 507, 508 – EVIAN/ REVIAN). Soweit sich Dienstleistungen und Waren gegenüber stehen, ist anerkannt, dass trotz der grundlegenden Abweichung zwischen der Erbringung einer unkörperlichen Dienstleistung und der Herstellung bzw. dem Vertrieb einer körperlichen Ware grundsätzlich eine Ähnlichkeit in Betracht kommt (BGH GRUR 2004, 241 – Ge DIOS; GRUR 1999, 731 – CANON). Maßgeblich ist insoweit die Verkehrsanschauung. Es ist also zu fragen, ob bei den beteiligten Verkehrskreisen der Eindruck aufkommen kann, Ware und Dienstleistung unterlägen der Kontrolle desselben Unternehmens, sei es, dass das Dienstleistungsunternehmen sich selbständig auch mit der Herstellung bzw. dem Vertrieb der Waren befasst, sei es, dass der Warenhersteller oder –vertreiber sich auch auf dem entsprechenden Dienstleistungsbereich selbständig gewerblich betätigt (Ströbele/ Hacker, MarkenG, 11. Auflage, § 9 Rn. 115; BGH GRUR 2012, 1145, 1148 Rn. 35 – Pelikan).
Für die Annahme einer Ähnlichkeit zwischen Einzelhandelsdienstleistungen und den auf sie bezogenen Waren reicht es ferner aus, dass sich die Dienstleistungen auf die entsprechenden Waren beziehen und die angesprochenen Verkehrskreise aufgrund dieses Verhältnisses annehmen, die Waren und Dienstleistungen stammten aus denselben Unternehmen (BGH GRUR 2014, 378 Rn. 39 OTTO CAP; GRUR 2012, 1145 Rn. 35 – Pelikan; Hacker in Ströbele/Hacker, MarkenG, 11. Auflage, § 9 Rn. 115). Davon ist für das Verhältnis zwischen den Waren „Clothing, footwear, headgear for children up to 12 years“ und „Games and playthings“ und den hierauf bezogenen Einzelhandelsdienstleistungen auszugehen, weil große Handelshäuser in diesem Warensektor häufig neben dem Verkauf fremder Waren auch Waren mit eigenen Handelsmarken anbieten (vgl. BGH GRUR 2014, 378 Rn. 39 – OTTO CAP; GRUR 2011, 623 Rn. 24 – Peek & Cloppenburg II).
b) Die hier relevanten Vergleichswaren und -dienstleistungen richten sich an breite Verkehrskreise. Die Aufmerksamkeit bei der Auswahl von Waren der Klasse 25 und 28 wird abhängig von der Preisklasse und dem Qualitätsniveau entweder bei einfachen Artikeln im niedrigen Preissegment gering oder bei Luxusartikeln erhöht sein. Es kann daher insgesamt jedenfalls von einer normalen Aufmerksamkeit ausgegangen werden.
c) Die Widerspruchsmarke verfügt über eine durchschnittliche Kennzeichnungskraft. Eine von der Inhaberin der angegriffenen Marke behauptete Kennzeichnungsschwäche des Begriffs „P‘TIT FILOU“ für den Bereich der im vorliegenden Fall maßgeblichen Widerspruchwaren ist nicht festzustellen. Der inländische Verbraucher dürfte die Bedeutung des Begriffs „filou“ kennen, da es im Deutschen für jemanden steht, der „andere mit Schläue, Raffinesse [in harmloser Weise] zu übervorteilen versteht“ (https://www.duden.de/ rechtschreibung/Filou) Selbst wenn der inländische Verkehr den französischen Begriff „P‘TIT FILOU“ daher mit „kleiner Schlingel/Schelm/Schlawiner/Gauner“ übersetzen sollte, fehlt es an der beschreibenden Bedeutung in Bezug auf die damit gekennzeichneten Waren. Denn zum einen können auch die Worte „Schlingel/Schelm/Schlawiner“ einen Erwachsenen bezeichnen, ebenso wie das Wort „klein“ nicht zwingend auf ein Kind hinweist. Zum anderen erschließt sich nicht, inwiefern Bekleidung, Schuhe, Kopfbedeckungen für Kinder und Spiele durch den Markenbegriff besonders charakterisiert werden. Weder in der Bedeutung „Schlingel/Schelm/Schlawiner“ noch in der von „Gauner“ handelt es sich – entgegen der Auffassung der Markeninhaberin um eine spezielle Zielgruppe. Dass möglicherweise über „Schlingel“ eine Assoziation zu Kindern erweckt wird, ist für die Annahme einer beschreibenden Angabe nicht ausreichend und führt für sich genommen nicht zu einer Kennzeichnungsschwäche des Zeichens (vgl. BGH GRUR 2013, 731 Rn. 22 – Kaleido; GRUR 1999, 988, 990 – House of Blues; Ingerl/Rohnke, Markengesetz, 3. Aufl., § 14 Rn. 563).
d) Bei dieser Ausgangslage hat die angegriffene Marke zum sicheren Ausschluss einer Verwechslungsgefahr im Sinne des § 9 Abs. 1 Nr. 2 MarkenG einen deutlichen Abstand zur Widerspruchsmarke einzuhalten. Diesen Anforderungen wird die angegriffene Marke in Bezug auf die beschwerdegegenständlichen Dienstleistungen in klanglicher Hinsicht nicht mehr gerecht, da eine hohe Zeichenähnlichkeit besteht; die Vergleichsmarken werden klanglich unmittelbar verwechselt.
Maßgeblich für die Beurteilung der Zeichenähnlichkeit ist der Gesamteindruck der Vergleichsmarken unter Berücksichtigung der unterscheidungskräftigen und dominierenden Elemente (EuGH GRUR 2013, 922 Rn. 35 – Specsavers/ Asda; BGH, Beschluss vom 23.10.2014, I ZR 38/14 Rn. 10 – TNT Post; GRUR 2013, 833 Rn. 30 – Culinaria/Villa Culinaria; GRUR 2012, 930 Rn. 22 - Bogner B/Barbie B; GRUR 2012, 64 Rn. 15 – Maalox/Melox-GRY; GRUR 2010, 729 Rn. 23 – MIXI; GRUR 2009, 672 Rn. 33 – OSTSEE-POST; BPatG, Beschluss vom 18.04.2011, 26 W (pat) 30/07 – CITIPOST), wobei von dem allgemeinen Erfahrungsgrundsatz auszugehen ist, dass der Verkehr eine Marke so aufnimmt, wie sie ihm entgegentritt, ohne sie einer analysierenden Betrachtungsweise zu unterziehen (vgl. u. a. EuGH GRUR 2004, 428, Rn. 53 – Henkel; BGH GRUR 2001, 1151, 1152 – marktfrisch). Das schließt nicht aus, dass unter Umständen ein oder mehrere Bestandteile einer komplexen Marke für den durch die Marke im Gedächtnis der angesprochenen Verkehrskreise hervorgerufenen Gesamteindruck prägend sein können (EuGH GRUR 2005, 1042 Rn. 28 f. – THOMSON LIFE; BGH GRUR 2012, 64 Rn. 14 – Maalox/Melox-GRY; GRUR 2009, 487 Rn. 32 – Metrobus; GRUR 2009, 672 Rn. 33 – OSTSEE-POST). Voraussetzung hierfür ist, dass die anderen Bestandteile weitgehend in den Hintergrund treten und den Gesamteindruck der Marke nicht mitbestimmen. Der Grad der Ähnlichkeit der sich gegenüberstehenden Zeichen ist im Klang, im (Schrift)Bild und im Bedeutungs-(Sinn)Gehalt zu ermitteln. Für die Annahme einer Verwechslungsgefahr reicht dabei regelmäßig bereits die hinreichende Übereinstimmung in einem der Wahrnehmungsbereiche aus (BGH GRUR 2017, 1104 Rn. 27 – Medicon-Apotheke/Medico Apotheke; GRUR 2015, 114 Rn. 23 – Springender Pudel; GRUR 2015, 1009 Rn. 24 – BMW-Emblem; GRUR 2009, 1055 Rn. 26 – airdsl; BGHZ 139, 340, 347 – Lions; MarkenR 2008, 393, Rn. 21 – HEITEC).
Die sich gegenüberstehenden Marken zeigen insgesamt wegen des in der angegriffenen Marke zusätzlich enthaltenen Bildbestandteils ausreichende Unterschiede. Eine schriftbildliche Verwechslungsgefahr ist daher nicht zu besorgen.
Die Vergleichsmarken sind jedoch klanglich verwechselbar. Die Markenstelle hat zutreffend eine klangliche Prägung der angegriffenen Marke durch den Bestandteil „Petit Filou“ bejaht. Bei der Feststellung des klanglichen Gesamteindrucks einer Wort-/Bildmarke ist von dem in ständiger Rechtsprechung anerkannten Erfahrungssatz auszugehen, dass der Wortbestandteil – sofern er kennzeichnungskräftig ist – den Gesamteindruck prägt, weil er die einfachste Möglichkeit bietet, die Marke zu benennen (vgl. BGH GRUR 2014, 378 Rn. 39 – OTTO CAP). Zudem ist für den phonetischen Zeichenvergleich maßgeblich, wie die Marken von den angesprochenen Verkehrskreisen mündlich wiedergegeben werden, wenn sie die Marke in ihrer registrierten Form vor sich haben. Die klangliche Wiedergabe kann dabei auch durch die grafische Gestaltung der Marke beeinflusst werden. Schließlich kann sich eine Ausnahme von dem Grundsatz „Wort vor Bild“ ergeben, soweit die grafische Ausgestaltung durch ihren Umfang und ihre kennzeichnende Wirkung die Marke derart beherrscht, dass das Wort kaum mehr beachtet wird; in diesem Fall kann es gerechtfertigt sein, dem Bild auch bei der mündlichen Benennung der Marke den Vorrang einzuräumen (vgl. BGH GRUR 1959, 599 – Teekanne; BPatG GRUR 1994, 124 – Billy the Kid; BPatG, Beschl. v. 10.12.2009, 30 W (pat) 77/09 – Chinese/Mädchen). Von einer solchen Ausnahme ist vorliegend jedoch nicht auszugehen.
Bei dem in der jüngeren Marke enthaltenen Wortbestandteil „Petit Filou“ handelt es sich – wie schon bei der Kennzeichnungskraft der Widerspruchsmarke dargestellt – um eine schutzfähige, normal kennzeichnungskräftige Angabe, so dass dem Wort die Eignung zur Prägung nicht aus normativen Gründen abgesprochen werden kann. Der Bildbestandteil ist die cartoonmäßig dargestellte Zeichnung eines Jungen und eines Mädchens, die sich an den Händen halten. Mit ihnen wird angedeutet, dass sich die angebotenen Einzel- und Großhandelsdienstleistungen auf Waren für Kinder beziehen. Derart kennzeichnungsschwache Elemente können nur im Ausnahmefall zur Prägung der Marke beitragen, wenn Grund zu der Annahme besteht, der Verkehr werde diese Elemente als Herkunftshinweis auffassen. Für eine solche Ausnahme gibt es vorliegend jedoch keine Anhaltspunkte. Auch wenn der Wortbestandteil größenmäßig gegenüber dem Bildbestandteil nicht hervortritt, beherrscht der Bildbestandteil die angegriffene Marke nicht derart (mit), dass die Wörter nicht mehr beachtet werden. Es ist vielmehr davon auszugehen, dass die angesprochenen Verkehrskreise dem Wortbestandteil bei der mündlichen Benennung den Vorrang geben und die jüngere Marke nur mit „Petit Filou“ wiedergeben werden.
Danach stehen sich kollisionsbegründend nur die Wortbestandteile „Petit FILOU“ und „P‘TIT FILOU“ gegenüber.
Beide Bezeichnungen stimmen bis auf den an der Stelle des Buchstaben „e“ in der jüngeren Marke gesetzten Apostroph identisch überein. Das Wort „Filou“ ist ein auch im Deutschen bekannter Begriff (s. o.), der sowohl im Französischen als auch in der deutschen Sprache („du bist vielleicht ein Filou!“) „fi:lu“ ausgesprochen wird. Bei dem Wort „P‘tit“ in der Widerspruchsmarke handelt es sich um eine Verkürzung des in der angegriffenen Marke enthaltenen Wortes „Petit“. Auch der nicht französisch sprechende Teil der angesprochenen Verkehrskreise wird dies ohne weiteres erkennen, da derartige Verkürzungen, insbesondere das Ersetzen des Buchstabens „e“ durch einen Apostroph auch im deutschen Sprachgebrauch üblich sind (z. B. „ein ein‘zger Augenblick“, vgl. www.duden.de/sprachwissen/rechtschreibregeln/apostroph). Die französische Aussprache von „petit“ („pöti“) und p‘tit“ („pti“) ist beinahe identisch, zumal „petit“ insbesondere in der Umgangssprache häufig „pti“ ausgesprochen wird (vgl. https:/fr.wiktionary.org/wiki/p%E2%80%99tit). Bei deutscher Aussprache wiederum ist davon auszugehen, dass das ausgelassene „e“ in „p‘tit“ mitgesprochen wird, so dass sich klanglich identisch „petit“ und „petit“ gegenüber stehen. Angesichts dieser klanglichen Übereinstimmung liegt eine markenrechtlich relevante Verwechslungsgefahr vor.
Die Beschwerde der Inhaberin der angegriffenen Marke war daher zurückzuweisen.
2. Für eine Kostenauferlegung aus Billigkeitsgründen nach § 71 Abs. 1 Satz 1 MarkenG besteht kein Anlass.