Entscheidungsdatum: 24.02.2015
In der Beschwerdesache
…
betreffend die Markenanmeldung 30 2012 034 361.9
hat der 29. Senat (Marken-Beschwerdesenat) des Bundespatentgerichts im schriftlichen Verfahren am 24. Februar 2015 unter Mitwirkung der Vorsitzenden Richterin Dr. Mittenberger-Huber und der Richterinnen Uhlmann und Akintche
beschlossen:
Auf die Beschwerde der Anmelderin wird der Beschluss der Markenstelle für Klasse 35 des Deutschen Patent- und Markenamts vom 22. Januar 2013 aufgehoben.
I.
Das Wort-/Bildzeichen
ist am 16. Mai 2012 zur Eintragung als Marke (in schwarz/weiß) in das beim Deutschen Patent- und Markenamt (DPMA) geführte Register für zahlreiche Waren und Dienstleistungen aus den Klassen 16, 18, 24, 27, 28, 35, 36, 41 und 45 angemeldet worden.
Die Markenstelle für Klasse 35 des Deutschen Patent- und Markenamts hat die Anmeldung nach entsprechender Beanstandung mit Beschluss vom 22. Januar 2013 nach §§ 37 Abs. 1, 8 Abs. 2 Nr. 6 MarkenG zurückgewiesen, weil das Anmeldezeichen das Landeswappen des Landes Hessen enthalte und die Befugnis zur Führung des Hoheitszeichens in der Marke nicht nachgewiesen worden sei.
Hiergegen richtet sich die Beschwerde der Anmelderin, mit der sie beantragt,
den Beschluss der Markenstelle für Klasse 35 des DPMA vom 22. Januar 2013 aufzuheben.
Die Beschwerdeführerin macht geltend, sie sei befugt, das Landeswappen zu benutzen, weil es sich bei ihr um eine am 28. November 2011 auf Initiative des Hessischen Ministerpräsidenten vom Land Hessen gegründete Stiftung des Öffentlichen Rechts handle.
Mit Verfahrenshinweis vom 7. August 2014 hat der Senat die Beschwerdeführerin zur Vorlage einer Bestätigung der zuständigen Stelle aufgefordert, dass sie zur Führung des Hoheitszeichens in der Marke berechtigt ist.
Die Beschwerdeführerin hat daraufhin ein Schreiben des Staatsministers des Hessischen Ministeriums des Innern und für Sport vom 4. Februar 2015 eingereicht, in dem dieser unter dem Betreff „Markenanmeldung Landesstiftung „Miteinander in Hessen“ u. a. folgendes erklärt: „…genehmige ich in Ausnahme zu der regelmäßigen Verwendung des Hessischen Landeswappens nach § 1 der Hessischen Hoheitszeichenverordnung die Verwendung des Landeswappens für die Marke „Miteinander in Hessen“. Die Genehmigung bezieht sich ausschließlich auf die Verwendung im Rahmen der genannten Marke…“.
Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf den Akteninhalt Bezug genommen.
II.
Die nach §§ 66 Abs. 1, 64 Abs. 6 MarkenG zulässige Beschwerde hat in der Sache nach der Vorlage der Erlaubnis zum Führen des Hessischen Landeswappens im Sinne des § 8 Abs. 4 Satz 2 MarkenG Erfolg.
Von der Eintragung in das Markenregister sind gemäß § 8 Abs. 2 Nr. 6 MarkenG Marken ausgeschlossen, die Staatswappen, Staatsflaggen, andere staatliche Hoheitszeichen oder bestimmte inländische Wappen enthalten. Diese Vorschrift ist gemäß § 8 Abs. 4 Satz 1 MarkenG auch dann anzuwenden, wenn das Anmeldezeichen die Nachahmung eines dort genannten Hoheitszeichens enthält, wobei es sich um eine Nachahmung im heraldischen Sinne handeln muss.
Das Führen von Hoheitszeichen symbolisiert staatliches oder staatlich autorisiertes Handeln. Die Entscheidung über die Berechtigung zum Führen von Hoheitszeichen ist deshalb dem Hoheitsträger vorbehalten. § 8 Abs. 2 Nr. 6, Abs. 4 Satz 1 MarkenG dient der Umsetzung des Art. 3 Abs. 1 Buchstabe h MarkenRL, der wiederum Art. 6ter PVÜ Rechnung trägt. Sein gesetzgeberischer Zweck liegt darin, zu verhindern, dass öffentliche Hoheitszeichen für geschäftliche Zwecke ausgenutzt oder gar missbraucht werden, zumal sie auch nicht Gegenstand von Monopolrechten einzelner Privater werden dürfen. Eine solche Eintragung oder Benutzung würde nämlich das Recht des Staates verletzen, die Verwendung der Symbole seiner Hoheitsgewalt zu kontrollieren, und könnte außerdem den Verkehr über den Ursprung der mit solchen Marken gekennzeichneten Waren irreführen (Ströbele in Ströbele/Hacker, Markengesetz, 11. Auflage, § 8 Rn. 788, 789; BGH GRUR 2003, 705 - Euro-Billy).
Ausgehend von diesem Gesetzeszweck ist § 8 Abs. 2 Nr. 6 MarkenG eng auszulegen und einer ausdehnenden Interpretation nicht zugänglich (vgl. zu § 4 Abs. 2 Nr. 2 WZG: BGH GRUR 1993, 47 (48) – SHAMROCK; Ströbele in Ströbele/Hacker, a. a. O., § 8 Rn. 790).
Um der ungerechtfertigten Ausnutzung hoheitlicher Symbole entgegenzuwirken, genügt es für die Schutzversagung nach § 8 Abs. 2 Nr. 6, Abs. 4 Satz 1 MarkenG jedoch, wenn das Anmeldezeichen lediglich in einem seiner Bestandteile ein derartiges staatliches Hoheitszeichen enthält, welches aber innerhalb der Marke hinreichend deutlich - d. h. als solches - in Erscheinung treten muss. Ausgenommen vom Schutzbereich der Norm sind daher Abbildungen, bei denen z. B. wegen abweichender Größenverhältnisse, und/oder der Art der Darstellung bzw. der Einbindung in das Gesamtzeichen gar nicht der Eindruck eines hoheitlichen Symbols entsteht, weil es sich auf eine rein dekorative Verwendung ohne Hinweis auf offizielle Legitimationen beschränkt (vgl. GRUR-RR 2014, 17 - G8-Strandkorb; BPaGE 51, 187 - Flaggenball; BPatGE 30, 233, 235 - Verkleinertes Wappen; vgl. Ströbele in Ströbele/Hacker, a. a. O., § 8 Rn. 791; Ingerl/Rohnke, MarkenG, 3. Aufl., § 8 Rn. 287). Maßgeblich ist daher, ob das beanspruchte Zeichen in seiner Gesamtheit unter Berücksichtigung der Auffassung der beteiligten Verkehrskreise den Eindruck eines hoheitlichen Bezugs (z. B. einer staatlichen Prüfung, Empfehlung) erweckt. Hiervon ist im vorliegenden Fall auszugehen.
Das verfahrensgegenständliche Zeichen enthält neben dem Wortbestandteil „EINANDER“ und anderen grafischen Bildelementen auf der linken Brustseite der dargestellten personifizierten Figur die Wiedergabe des Hessischen Landeswappens. Das Hessische Landeswappen
ist nach § 1 des Gesetzes über die Hoheitszeichen des Landes Hessen vom 4. August 1948 (Gesetz- und Verordnungsblatt für das Land Hessen, GVBl. 1948, S. 111) als Hoheitssymbol des Staates geschützt; es zeigt im blauen Schilde einen neunmal silbern und rot geteilten steigenden Löwen mit goldenen Krallen. Auf dem Schilde ruht ein Gewinde aus goldenem Laubwerk mit von blauen Perlen gebildeten Früchten.
Zwar wurde das vorliegende Wort-/Bildzeichen abweichend von dieser festgelegten Farbgebung in Schwarz-Weiß angemeldet. Der hier in Rede stehende Bestandteil gibt das Hessische Landeswappen aber ansonsten unverändert wieder, so dass es sich um eine schwarz-weiße Wiedergabe des Landeswappens und damit um eine heraldische Nachahmung im Sinne des § 8 Abs. 2 Nr. 4 Satz 1 MarkenG handelt (vgl. Ströbele in Ströbele/Hacker, a. a. O., § 8 Rn. 798).
Das Hessische Landeswappen tritt in dem Anmeldezeichen auch als solches, d. h. in seiner hoheitlichen Bedeutung, in Erscheinung. Im maßgeblichen Gesamteindruck wird der hoheitliche Bezug zum Land Hessen nicht aufgehoben, zumal die dargestellte personifizierte Figur über die Wiedergabe des Landeswappens hinaus weitere einzelne Elemente des Landeswappens aufnimmt bzw. andeutet wie z. B. die Querstreifen der Wappenfigur sowie die Schildform. Das Gesamtzeichen erweckt - was von der Anmelderin offensichtlich so auch beabsichtigt ist - den Eindruck, die dadurch gekennzeichneten Waren und Dienstleistungen hätten einen irgendwie gearteten Bezug zur staatlichen Gewalt.
Ein Schutzhindernis besteht vorliegend jedoch gemäß § 8 Abs. 4 Satz 2 MarkenG deshalb nicht, weil die Beschwerdeführerin zur Führung des Hoheitszeichens in der Marke befugt ist.
Der Anmelderin ist durch den für die Fragen der Führung von Hoheitszeichen zuständigen Staatsminister des Inneren des Landes Hessen am 4. Februar 2015 eine solche Genehmigung erteilt worden. Dem Schreiben ist unter Berücksichtigung der Betreffangabe „Markenanmeldung Landesstiftung Miteinander in Hessen“ und im Hinblick auf den konkreten Wortlaut zu entnehmen, dass sich die Erlaubnis nicht nur auf eine bloße Verwendung des Landeswappens bezieht, sondern konkret auf die Verwendung für die Marke und im Rahmen der Marke, mithin zur Führung „in der Marke“, so dass die Berechtigung zur entsprechenden Markenanmeldung umfasst ist.
Zwar lag zum Zeitpunkt der Anmeldung der Marke, der für die Beurteilung der Schutzhindernisse nach § 8 Abs. 2 Nr. 1 bis 9 MarkenG maßgeblich ist (vgl. BGH GRUR 2014, 872 - Gute Laune Drops; GRUR 2014, 565 Rn. 10 - smartbook; GRUR 2013, 1143 Rn. 15 - Aus Akten werden Fakten), eine solche Genehmigung noch nicht vor. Es kann ebenfalls als nicht entscheidungserheblich dahingestellt bleiben, ob die Anmelderin - wie sie selbst geltend macht - von vornherein als Landesstiftung ohne Ausnahmegenehmigung zur Wappenführung berechtigt war.
Denn jedenfalls ist der Beschwerdeführerin vom Hessischen Innenminister nunmehr ausdrücklich in Ausnahme zu dem mittlerweile geltenden § 1 der Verordnung über die Hoheitszeichen des Landes Hessen vom 12. September 2014 (GVBl. 2014, 212), der als wappenführende Stellen ausdrücklich (nur) den Hessischen Landtag sowie die Behörden und Gerichte des Landes Hessen bestimmt, eine solche Genehmigung erteilt worden. Die Frage, ob eine öffentlich-rechtliche Genehmigung auch mit Rückwirkung erteilt werden kann, beurteilt sich nicht nach § 184 BGB, sondern nach dem Genehmigungserfordernis selbst und den mit ihm im Zusammenhang stehenden Bestimmungen (vgl. BSG, Urteil vom 21. Februar 2006 – B 1 KR 22/05 R; BVerwG, Urteil vom 21. Januar 2004 – 6 C 1/03 - BVerwGE 120, 54, 59).
Schon aus dem Wortlaut des Genehmigungsschreibens selbst, welches im Betreff ausdrücklich die – bereits erfolgte - Markenanmeldung nennt, ergibt sich eine Rückwirkung der erteilten Genehmigung auf den Anmeldezeitpunkt. Dem Gesetz über die Hoheitszeichen des Landes Hessen oder der Hessischen Hoheitszeichenverordnung ist ein Verbot einer rückwirkenden Genehmigung nicht zu entnehmen. Auch der Sinn und Zweck der Vorschriften des § 8 Abs. 2 Nr. 6, Abs. 4 Satz 1 MarkenG sowie des § 8 Abs. 4 Satz 2 MarkenG stehen der Annahme einer Rückwirkung nicht entgegen; ist die Entscheidung über die Berechtigung zum Führen von Hoheitszeichen kraft Natur der Sache dem Hoheitsträger vorbehalten, so muss dieser dann auch darüber entscheiden können, ob und zu welchem Zeitpunkt bzw. mit welcher Wirkung er eine Genehmigung erteilt. Zudem schließt § 8 Abs. 4 Satz 2 MarkenG schon die Anwendbarkeit des Schutzhindernisses des § 8 Abs. 2 Nr. 6 MarkenG im Falle der Berechtigung aus.
Ein Eintragungshindernis nach §§ 37 Abs. 1, 8 Abs. 2 Nr. 6, Abs. 4 Satz 1 und 2 MarkenG besteht nicht.
Der angefochtene Beschluss war daher aufzuheben.
Dem DPMA bleibt die weitere Überprüfung der Anmeldung, insbesondere im Hinblick auf die formellen Erfordernisse des Waren- und Dienstleistungsverzeichnisses vorbehalten.