Bundespatentgericht

Entscheidungsdatum: 14.08.2013


BPatG 14.08.2013 - 29 W (pat) 52/13

Markenbeschwerdeverfahren – "tagungshotel.com (Wort-Bild-Marke)" – Unterscheidungskraft – kein Freihaltungsbedürfnis


Gericht:
Bundespatentgericht
Spruchkörper:
29. Senat
Entscheidungsdatum:
14.08.2013
Aktenzeichen:
29 W (pat) 52/13
Dokumenttyp:
Beschluss
Zitierte Gesetze

Tenor

In der Beschwerdesache

betreffend die Markenanmeldung 30 2012 039 791.3

hat der 29. Senat (Marken-Beschwerdesenat) des Bundespatentgerichts am 14. August 2013 unter Mitwirkung der Richterin Kortge als Vorsitzender, der Richterin Uhlmann und des Richters Jacobi

beschlossen:

Der Beschluss des Deutschen Patent- und Markenamts vom 22. Mai 2013 wird aufgehoben.

Gründe

I.

1

Das Wort-/Bildzeichen (blau, orange)

Abbildung

Abbildung in Originalgröße in neuem Fenster öffnen

2

ist am 14. Juli 2012 zur Eintragung als Marke in das beim Deutschen Patent- und Markenamt (DPMA) geführte Register für Dienstleistungen der Klassen 35, 39, 42 und 43 angemeldet worden.

3

Mit Beschluss vom 22. Mai 2013 hat die Markenstelle für Klasse 35 die Anmeldung gemäß §§ 37 Abs. 1 und 5, 8 Abs. 2 Nr. 1 MarkenG teilweise wegen fehlender Unterscheidungskraft, nämlich für folgende Dienstleistungen zurückgewiesen:

4

Klasse 35: Dateienverwaltung mittels Computer; Zusammenstellen von Daten in Computerdatenbanken; Systematisierung von Daten in Computerdatenbanken; verwaltungstechnische Bearbeitung von Bestellungen;

5

Klasse 39: Buchung von Reisen; Reservierungsdienste [Reisen]; Reservierungsdienste [Transportwesen]; Veranstaltung von Reisen und Ausflugsfahrten; Transportlogistik; Transportwesen; Auskünfte über Transportangelegenheiten; Beförderung von Reisenden; Beförderung von Passagieren; Chauffeurdienste; Taxidienste; Dienstleistungen eines Transportmaklers; Vermietung von Fahrzeugen;

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Klasse 43: Hotelreservierung; Reservierung von Pensionsunterkünften; Zimmerreservierung, insbesondere in Hotels und Pensionen; Zimmervermittlung [Hotels, Pensionen]; Dienstleistungen zur Verpflegung und Beherbergung von Gästen; Betrieb von Hotels; Vermietung von Versammlungsräumen.

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Zur Begründung hat die Markenstelle ausgeführt, der Wortbestandteil „tagungshotel.com“ sei in der Art einer werbeüblich unvollständigen Internetadresse gebildet. Das Element „.com“ sei eine Top-Level-Domain, die lediglich ein regionales oder organisatorisches Zuordnungskriterium darstelle und deshalb über keine schutzbegründende Eigenschaft verfüge. Aber auch die Second-Level-Domain „tagungshotel“ könne nicht zur Schutzfähigkeit des Zeichens führen, weil sie nur auf die inhaltliche Ausrichtung der über die Internetadresse zur Verfügung gestellten Angebote hinweise. Den sprachüblich aus Wörtern der deutschen Alltagssprache gebildeten Begriff „tagungshotel.com“ würden die angesprochenen breiten Verkehrskreise dahingehend verstehen, dass die damit gekennzeichneten Dienstleistungen mit einer Internetadresse für ein beliebiges Tagungshotel in Verbindung stünden. Alle zurückgewiesenen Dienstleistungen könnten von einem solchen Tagungshotel, auch über das Internet, angeboten oder erbracht werden oder für seine Tätigkeit benötigt werden. Heutzutage würden z. B. so genannte Pakete angeboten, in denen Transport, Verpflegung, Unterkunft, Karten für kulturelle Veranstaltungen usw. enthalten seien. Der in Rede stehende Begriff könne bewusst weit gefasst sein, um ein möglichst breites Feld abzudecken. Auch die grafische Gestaltung könne dem Anmeldezeichen keine Schutzfähigkeit verleihen. Die gewählte Schriftart, die Farbgebung, der Bogen und die Hervorhebung des Anfangsbuchstabens seien werbeüblich. Wie eine Internetrecherche ergeben habe, würden vergleichbare Begriffe wie „Tagungshotels online“, „Tagungshotel.at“, „Tagungshotels.com”, „TAGUNGSHOTELS“ oder „Tagungshotel“ (Anlagen 1 bis 10 zum angefochtenen Beschluss, Bl. 42 – 51 VA) bereits verwendet. Die angesprochenen Verkehrskreise würden nicht davon ausgehen, dass nur ein Unternehmen Dienstleistungen im Zusammenhang mit einem Tagungshotel über das Internet anbiete, erbringe oder für seine Tätigkeit benötige. Die vergleichbaren Anmeldungen Abbildung (30 2010 009 087.1), Abbildung (30 2009 046 163.5), Abbildung (30 2009 011 729.2), Abbildung (307 82 488.8) und Abbildung (306 09 368.5) hätten ebenfalls nicht zu einer Eintragung geführt.

8

Hiergegen richtet sich die Beschwerde der Anmelderin, mit der sie sinngemäß beantragt,

9

den Beschluss vom 22. Mai 2013 aufzuheben.

10

Sie hat sich im Beschwerdeverfahren noch nicht geäußert. Im Verfahren vor dem Amt hat sie die Ansicht vertreten, dass schon das Wortelement nicht geläufig oder alltäglich sei. Jedenfalls verleihe die besondere graphische Gestaltung dem Zeichen die notwendige Unterscheidungskraft und schließe ein Freihaltebedürfnis aus.

11

Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf den Akteninhalt Bezug genommen.

II.

12

Die Beschwerde ist zulässig und begründet.

13

Der Eintragung des vorliegenden Wort-/Bildzeichens Abbildung als Marke steht kein absolutes Schutzhindernis, insbesondere auch nicht das der fehlenden Unterscheidungskraft oder des Freihaltebedürfnisses nach § 8 Abs. 2 Nr. 1 oder Nr. 2 MarkenG, entgegen.

1.

a)

14

Unterscheidungskraft im Sinne des § 8 Abs. 2 Nr. 1 MarkenG ist die einer Marke innewohnende (konkrete) Eignung, vom Verkehr als Unterscheidungsmittel aufgefasst zu werden, das die in Rede stehenden Waren und Dienstleistungen als von einem bestimmten Unternehmen stammend kennzeichnet und diese Waren oder Dienstleistungen somit von denjenigen anderer Unternehmen unterscheidet (EuGH GRUR 2010, 228, 229 Rdnr. 33 – Vorsprung durch Technik; BGH GRUR 2010, 935 Rdnr. 8 – Die Vision). Denn die Hauptfunktion der Marke besteht darin, die Ursprungsidentität der gekennzeichneten Waren und Dienstleistungen zu gewährleisten (EuGH GRUR 2006, 233, 235 Rdnr. 45 - Standbeutel; BGH GRUR 2012, 1044, 1045 Rdnr. 9 - Neuschwanstein). Da allein das Fehlen jeglicher Unterscheidungskraft ein Eintragungshindernis begründet, ist ein großzügiger Maßstab anzulegen, so dass jede auch noch so geringe Unterscheidungskraft genügt, um das Schutzhindernis zu überwinden (BGH GRUR 2012, 270 Rdnr. 8 – Link economy; a. a. O. - Neuschwanstein).

b)

15

Nach diesen Grundsätzen kann vorliegend – entgegen der von der Markenstelle vertretenen Auffassung – nicht festgestellt werden, dass das verfahrensgegenständliche Wort-/Bildzeichen in seiner Gesamtheit jeglicher Unterscheidungskraft (§ 8 Abs. 2 Nr. 1 MarkenG) entbehrt.

16

Denn es ist von dem Grundsatz auszugehen, dass einer Wortelemente enthaltenden Bildmarke - unbeschadet der fehlenden Unterscheidungskraft dieser Wortelemente - als Gesamtheit Unterscheidungskraft zugesprochen werden kann, wenn die grafischen Elemente ihrerseits charakteristische Merkmale aufweisen, in denen der Verkehr einen Herkunftshinweis sieht (BGH GRUR 1991, 136, 137 -NEW MAN; GRUR 2001, 1153 - anti Kalk; EuGH GRUR 2006, 229, 233 Rdnr. 73, 74 - BioID). Dabei vermögen allerdings einfache grafische Gestaltungen oder Verzierungen des Schriftbildes, an die sich der Verkehr etwa durch häufige werbemäßige Verwendung gewöhnt hat, eine fehlende Unterscheidungskraft der Wörter ebenso wenig aufzuwiegen, wie derartige einfache grafische Gestaltungselemente auch für sich wegen fehlender Unterscheidungskraft nicht als Marke eingetragen werden können. Es bedarf vielmehr eines auffallenden Hervortretens der grafischen Elemente, um sich dem Verkehr als Herkunftshinweis einzuprägen (BGH a. a. O. - anti Kalk; GRUR 2008, 710, 711 Rdnr. 20 – VISAGE; GRUR 2009, 954 Rdnr. 16 – Kinder III). Dabei gilt ferner der Grundsatz, dass an die Grafik umso stärkere Anforderungen zu stellen sind, je beschreibender die Wortbestandteile eines Bildzeichens sind.

17

Selbst wenn hier von einem unmittelbar beschreibenden Begriffsinhalt der Wortbestandteile ausgegangen würde, so dass an die Grafik die strengsten Anforderungen zu stellen wären, ist wegen der Komplexität der konkreten Gesamtgestaltung eine Schutzfähigkeit des Anmeldezeichens zu bejahen.

18

Zwar mögen die einzelnen Gestaltungsmittel, aus denen das vorliegend zu beurteilende Wort-/Bildzeichen Abbildung zusammengesetzt ist, wie die Schriftart, die Kleinschreibung, die Hervorhebung des Anfangsbuchstabens, der geschwungene Bogen und die Zweifarbigkeit, je für sich genommen noch als werbeüblich anzusehen sein.

19

Bei der Beurteilung der Schutzfähigkeit eines Zeichens ist aber nicht in einer analysierenden Betrachtung allein auf die für sich genommen schutzunfähigen Bestandteile abzustellen, vielmehr ist der Beurteilung der Schutzfähigkeit im Rahmen einer Einzelfallbetrachtung die ganz konkrete Gesamtgestaltung zugrunde zu legen; nur sofern diese selbst ebenfalls als werbeüblich anzusehen ist, kommt eine Schutzversagung in Betracht. Dabei ist auch die Komplexität der Gestaltung ein Indiz für die Schutzfähigkeit, denn je höher diese ausfällt, umso eher wird der Verkehr geneigt sein, in der grafischen Wiedergabe des Gesamtzeichens nicht nur den beschreibenden Inhalt der Wortbestandteile wahrzunehmen, sondern sie als Herkunftshinweis aufzufassen.

20

Eine solche Komplexität und Eigentümlichkeit kann beim vorliegenden Wort-/Bildzeichen Abbildung festgestellt werden.

21

Der Anfangsbuchstabe „t“ fällt nicht nur durch seine starke Vergrößerung und den Fettdruck markant ins Auge, sondern auch weil dessen überdimensionierte Unterlänge das nachfolgende „a“ umrahmt, das wie alle übrigen Buchstaben in einem wesentlich kleineren Schrifttyp dargestellt ist. Über den durchgehend blau gefärbten Buchstaben und dem orangefarbenen Punkt zwischen „tagungshotel“ und „com“ erstreckt sich ferner ein eng anliegender, orangefarbener Bogen, der über den Buchstaben „u“ und „n“ zunächst relativ breit beginnt, über dem „h“ und dem „l“ von „hotel“ kontinuierlich an Breite verliert, mit dem stark verjüngten Ende das „m“ des Wortbestandteils „com“ von links oben nach rechts unten diagonal kreuzt und sogar noch darüber hinaus eine kurze Strecke nach unten weiter läuft.

22

Die grafische Ausgestaltung erweckt insgesamt den Eindruck, dass der Bogen in blauer Farbe, nämlich mit dem überdimensionierten „t“ hakenförmig beginnt, in der Unterlänge des stark vergrößerten Anfangsbuchstabens weiterläuft und sich in einer unsichtbaren, den Buchstaben „g“ durchquerenden Linie fortsetzt, um sich dann in oranger Farbe über dem Buchstaben „u“ zu verbreitern, über „h“ und „l“ die maximale Höhe zu erreichen, dabei im Umfang kontinuierlich abzunehmen, am Ende in stark verjüngter Form den Buchstaben „m“ zu durchschneiden, diesen nur noch als feine Linie zu verlassen und noch ein kurzes Stück nach unten auszulaufen.

23

Diese konkrete Gesamtgestaltung des angemeldeten Wort-/Bildzeichens weist somit ein hinreichendes Maß an Charakteristik auf, die bewirkt, dass es in erster Linie nicht als Wortkombination, sondern als grafisches Gebilde wahrgenommen wird, das geeignet ist, sich dem Publikum als betriebliches Unterscheidungsmittel einzuprägen.

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Die von der Markenstelle angeführten, zurückgewiesenen Anmeldungen

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Abbildung (30 2010 009 087.1),

26

Abbildung (30 2009 046 63.5),

27

Abbildung (30 2009 011 729.2),

28

Abbildung (307 82 488.8) und

29

d Abbildung (306 09 368.5)

30

sind nicht vergleichbar, weil keine von ihnen über grafische Elemente verfügt, die eine unmittelbare Verbindung mit dem Wortbestandteil eingehen oder sie auch nur berühren, während bei dem vorliegenden Wort-/Bildzeichen der Anfangsbuchstabe in den Bogen integriert wird, der anschließend den Buchstaben „g“ unsichtbar und den Endbuchstaben „m“ deutlich erkennbar durchquert.

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Soweit die Markenstelle aufgrund einer Internetrecherche festgestellt hat, dass vergleichbare Begriffe wie „Tagungshotels online“, „Tagungshotel.at“, „Tagungshotels.com”, „TAGUNGSHOTELS“ oder „Tagungshotel“ (Anlagen 1 bis 10 zum angefochtenen Beschluss, Bl. 42 – 51 VA) bereits verwendet werden, sind diesen Begriffen entweder andere oder gar keine grafischen Elemente beigefügt, so dass diese Zeichen nicht mit dem in Rede stehenden verglichen werden können.

32

Die hier vorliegende konkrete Kombination verschiedener Gestaltungsmittel vermittelt einen unverwechselbaren charakteristischen Gesamteindruck und genügt daher, eine Schutzfähigkeit des angemeldeten Zeichens selbst dann noch zu begründen, wenn ein beschreibender Begriffsinhalt seiner Wortbestandteile unterstellt wird.

2.

33

Im Hinblick auf die unterscheidungskräftige Gesamtgestaltung unterliegt das angemeldete Zeichen auch keinem Freihaltebedürfnis im Sinne von § 8 Abs. 2 Nr. 2 MarkenG. Denn es wird nicht der Schutz für eine zeichenmäßige Verwendung der Wortkombination „tagungshotel.com“ in jedweder Form, sondern nur in der konkreten grafischen Ausgestaltung begehrt. Diese bestimmt und beschränkt zugleich den Schutzbereich des beanspruchten Zeichens (BGH GRUR a. a. O. - NEW MAN).