Bundespatentgericht

Entscheidungsdatum: 16.05.2012


BPatG 16.05.2012 - 29 W (pat) 519/10

Markenbeschwerdeverfahren – "paper (Wort-Bild-Marke)" – Unterscheidungskraft – kein Freihaltungsbedürfnis


Gericht:
Bundespatentgericht
Spruchkörper:
29. Senat
Entscheidungsdatum:
16.05.2012
Aktenzeichen:
29 W (pat) 519/10
Dokumenttyp:
Beschluss
Zitierte Gesetze

Tenor

In der Beschwerdesache

betreffend die Markenanmeldung 30 2008 076 451.1

hat der 29. Senat (Marken-Beschwerdesenat) des Bundespatentgerichts auf die mündliche Verhandlung vom 9. Mai 2012 durch die Vorsitzende Richterin Grabrucker, die Richterin Kortge und die Richterin am Landgericht Uhlmann

beschlossen:

Der Beschluss des Deutschen Patent- und Markenamtes vom 20. Januar 2010 wird aufgehoben.

Gründe

I.

1

Das Wort-/Bildzeichen (rotbraun, hellblau

Abbildung

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2

ist am 8. Dezember 2008 zur Eintragung als Marke in das beim Deutschen Patent- und Markenamt (DPMA) geführte Register für Waren der Klassen 16, 17 und 40 angemeldet worden, wobei das Warenverzeichnis in der mündlichen Verhandlung vom 9. Mai 2012 auf folgende Waren beschränkt wurde:

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Klasse 16:

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Bedruckte Spezialpapiere, nämlich Dekorpapiere zur Weiterverarbeitung in Fachbetrieben mit Trägermaterialien, insbesondere Kunststoffen, Kunststofffolien, Platten und dergleichen zur Herstellung von Fußboden-, Dach-, Decken-, Wand- oder Möbelbelägen.

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Mit Beschluss vom 20. Januar 2010 hat die Markenstelle für Klasse 16 die Anmeldung gemäß §§ 37 Abs. 1, 8 Abs. 2 Nr. 1 und Nr. 2 MarkenG für die damals noch beanspruchten Waren wegen fehlender Unterscheidungskraft sowie bestehenden Freihaltebedürfnisses zurückgewiesen. Zur Begründung hat sie ausgeführt, das angemeldete Zeichen werde von dem angesprochenen Publikum lediglich als "paper" und damit als englischsprachiger Ausdruck für "Papier, Pappe, Dokument, Zeitungsblatt" verstanden. Dieser Begriff sei allgemein verständlich, da er zur englischen Umgangssprache gehöre, und verkörpere als eine Art Gattungsbegriff für Materialangaben einen rein beschreibenden Sachinhalt. Auch die grafische Ausgestaltung des Zeichens verschaffe diesem nicht ein Mindestmaß an Unterscheidungskraft, da sich die Gestaltung im Rahmen dessen bewege, was in der Werbung zur bloßen Hervorhebung des eigentlichen Markenwortes üblich sei. Aber selbst wenn das Zeichen als "ipaper" verstanden und gelesen werde, sei es beschreibend im Sinne von Magnetpapier (Magnetic-Inkjet-Paper), welches mit Tintenstrahldrucker (Inkjet-Druckern) bedruckt werden könne.

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Hiergegen richtet sich die Beschwerde der Anmelderin, mit der sie beantragt,

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den Beschluss der Markenstelle für Klasse 16 des Deutschen Patent- und Markenamtes vom 20. Januar 2010 aufzuheben.

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Sie vertritt die Ansicht, die Wortbedeutung "paper" des Zeichens werde durch das vorangestellte "i", das in Bezug auf die beanspruchten Waren keine gängige Abkürzung sei, diffus und erschließe sich den angesprochenen Verkehrskreisen nicht auf den ersten Blick. Zudem sei die Unterscheidungskraft bereits durch die originelle grafische Gestaltung des Wort-/Bildzeichens gewährleistet. Insbesondere aufgrund der Zugehörigkeit zur Markenfamilie der Anmelderin würden die angesprochenen Verkehrskreise, nämlich ein enger Abnehmerkreis aus Möbel-, Fußbodenbelägen- und Trägerplattenhersteller, das vorangestellte "i" eindeutig als solches erkennen und das Zeichen entsprechend lesen. Die Beschwerdeführerin sei zusammen mit vier weiteren deutschen Firmen führender Anbieter der beanspruchten Spezialpapiere auf dem Weltmarkt. Sie liefere die beanspruchten Waren nicht an Endverbraucher sondern ausschließlich zur Weiterverarbeitung an eine kleine Gruppe der weiterverarbeitenden Industrie. Diese könne das angemeldete Zeichen wegen der bereits bestehenden Markenserie "impress", "iedge", "ifoil" "itec", Ifloor" "itouch", "iwood" ohne weiteres der Anmelderin zuordnen.

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Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf den Akteninhalt Bezug genommen.

II.

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Die zulässige Beschwerde ist begründet.

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Die Beschwerdeführerin hat nach Einschränkung des Warenverzeichnisses in der mündlichen Verhandlung einen Anspruch auf Eintragung des angemeldeten Wort-/Bildzeichens als Marke gemäß §§ 33 Abs. 2, 41 MarkenG für die nunmehr noch beanspruchten Waren der Klasse 16. Der angemeldeten Wort-/Bildmarke kommt für diese Waren Unterscheidungskraft zu.

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1. Unterscheidungskraft im Sinne des § 8 Abs. 2 Nr. 1 MarkenG ist die einer Marke innewohnende (konkrete) Eignung, vom Verkehr als Unterscheidungsmittel aufgefasst zu werden, das die in Rede stehenden Waren und Dienstleistungen als von einem bestimmten Unternehmen stammend kennzeichnet und diese Waren oder Dienstleistungen somit von denjenigen anderer Unternehmen unterscheidet (EuGH GRUR 2008, 608, 611 Rn. 66 f. – EUROHYPO; BGH GRUR 2010, 825, 826 Rn. 13 – Marlene-Dietrich-Bildnis II; GRUR 2010, 935 Rn. 8 – Die Vision; GRUR 2006, 850, 854 Rn. 18 – FUSSBALL WM 2006). Denn die Hauptfunktion der Marke besteht darin, die Ursprungsidentität der gekennzeichneten Waren und Dienstleistungen zu gewährleisten (EuGH GRUR 2006, 233, 235 Rn. 45 – Standbeutel; GRUR 2006, 229, 230 Rn. 27 – BioID; a. a. O. Rn. 66 – EUROHYPO; BGH GRUR 2008, 710 Rn. 12 – VISAGE; GRUR 2009, 949 Rn. 10 – My World; a. a.  O. – FUSSBALL WM 2006; GRUR 2005, 417, 418 – BerlinCard). Da allein das Fehlen jeglicher Unterscheidungskraft ein Eintragungshindernis begründet, ist ein großzügiger Maßstab anzulegen, so dass jede auch noch so geringe Unterscheidungskraft genügt, um das Schutzhindernis zu überwinden (BGH a. a. O. – Marlene-Dietrich-Bildnis II; GRUR 2009, 411 Rn. 8 – STREETBALL; GRUR 2009, 778, 779 Rn. 11 – Willkommen im Leben; GRUR 2009, 949 f. Rn. 10 – My World; a. a. O. – FUSSBALL WM 2006). Maßgeblich für die Beurteilung der Unterscheidungskraft sind einerseits die beanspruchten Waren oder Dienstleistungen und andererseits die Auffassung der beteiligten inländischen Verkehrskreise. Abnehmer der nunmehr noch beanspruchten Waren ist nicht der Endverbraucher, sondern ausschließlich die weiterverarbeitende Industrie, sodass allein auf deren Wahrnehmung abzustellen ist.

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Für das Fachpublikum ist das angemeldete Zeichen unterscheidungskräftig. Zwar hat der Wortbestandteil der angemeldeten Kombinationsmarke einen im Vordergrund stehenden, die beanspruchten Waren beschreibenden Begriffsgehalt. Ihre graphische Ausgestaltung führt jedoch zur Unterscheidungskraft der angemeldeten Marke.

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aa) Das angemeldete Zeichen setzt sich aus dem Begriff "paper" und einem Bildbestandteil, bestehend aus einem hellblauen waagrechten Strich leicht nach links versetzt über dem Längsstrich des ersten Buchstabens "p" zusammen. Auch für die angesprochenen Fachkreise ist darin nicht der Wortbestandteil "ipaper" zu erkennen, sondern nur der Begriff "paper", der aus dem englischen Grundwortschatz stammt und mit  "Papier, Pappe, Dokument, Zeitungsblatt" übersetzt wird (vgl. Langenscheid Großwörterbuch Englisch, Teil 1, Neubearbeitung 2010). Dass der senkrechte Strich als Teil des Anfangsbuchstaben "p" gleichzeitig in Verbindung mit dem waagerechten hellblauen Strich ein "i" bilden soll, erschließt sich auch dem aufmerksamen Betrachter aus mehreren Gründen nicht. Der senkrechte Strich ragt abweichend von der üblichen Schreibweise des "i" unter die Schriftzeile, was der üblichen Schreibweise des "p" entspricht, sodass es naheliegt, ihn nur als Teil des "p" wahrzunehmen, zumal die nachfolgende nach links geöffnete Rundung ohne den senkrechten Strich keine eigenständige Bedeutung besitzt. Zudem weist er eine andere Farbe als der zugehörige hellblaue Strich auf, was die Erkennbarkeit als Gesamtzeichen zusätzlich erschwert. Schließlich entspricht auch der waagerechte, hellblaue, leicht nach links versetzte Strich weder in seiner Form noch in seiner Position der gewohnten Schreibweise eines i-Punkts.

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Damit ist das Zeichen in der Wortbedeutung "paper" für die in der Klasse 16 angemeldeten Waren unmittelbar beschreibend, der Verkehr wird darin lediglich einen beschreibenden Hinweis auf den Inhalt und den Gegenstand der Waren sehen. Denn die beanspruchten Waren werden als "Papier" bezeichnet.

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bb) Das angemeldete Zeichen erhält jedoch durch die grafische Ausgestaltung die erforderliche Unterscheidungskraft.

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Es ist von dem Grundsatz auszugehen, dass einer Wortelemente enthaltenden Bildmarke – bei fehlender Unterscheidungskraft dieser Wortelemente – als Gesamtheit Unterscheidungskraft nur dann zugesprochen werden kann, wenn die graphischen Elemente ihrerseits charakteristische Merkmale aufweisen, in denen der Verkehr einen Herkunftshinweis sieht (BGH GRUR 1991, 136, 137 – NEW MAN; a. a. O. – anti Kalk; EuGH GRUR 2006, 229, 233 Rn. 73, 74 – BioID). Dabei vermögen allerdings einfache graphische Gestaltungen oder Verzierungen des Schriftbildes, an die sich die angesprochenen Verbraucher etwa durch häufige werbemäßige Verwendung gewöhnt haben, eine fehlende Unterscheidungskraft der Wörter ebenso wenig aufzuwiegen, wie derartige einfache graphische Gestaltungselemente auch für sich wegen fehlender Unterscheidungskraft nicht als Marke eingetragen werden können. Es bedarf vielmehr eines auffallenden Hervortretens der graphischen Elemente, um sich dem Verkehr als Herkunftshinweis einzuprägen (BGH a. a. O. – anti Kalk; GRUR 2008, 710, 711 Rn. 20 – VISAGE).

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Die bildliche Ausgestaltung des Zeichens besteht aus dem in schmuckloser Schrift in Kleinbuchstaben gehaltenen farblich rotbraun gestalteten Wortelement "paper" sowie einem charakteristischen hellblauen Querstrich über dem ersten Buchstaben "p", wobei der senkrechte Strich des Anfangsbuchstabens durch einen geringfügigen Abstand von dem Bogen des "p" getrennt ist. Der hellblaue waagrechte Strich steht nicht mittig über dem senkrechten P-Strich, sondern ist leicht nach links verschoben. Er hat keine erkennbare Bedeutung. Insbesondere ist er wegen seiner ungewöhnlichen Form und leicht versetzten Position nicht geeignet, mit dem senkrechten Strich des ersten Buchstabens zu einem "i" zu verschmelzen. Es fehlt ihm damit ein inhaltlicher Bezug zu der Wortbedeutung des Zeichens. In der vorzunehmenden Gesamtbetrachtung verleiht er dem Zeichen damit einen markanten Akzent.

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cc) Die angesprochenen Fachkreise werden dem Zeichen mit erhöhter Aufmerksamkeit begegnen, da die beanspruchten Waren eine zentrale Rolle in ihrer eigenen Produktion spielen. Sie prägen maßgeblich das Aussehen und die Qualität der daraus entstehenden Waren. Daher ist davon auszugehen, dass das Fachpublikum über den engen Markt der Anbieter und deren wirtschaftliches Auftreten genau informiert ist. Zudem entspricht das Zeichen in seiner graphischen Gestaltung dem Element "impress" im Unternehmenskennzeichen der Beschwerdeführerin und einer Reihe von weiteren Marken für Produkte der Beschwerdeführerin, nämlich "impress", ,"iedge", "foil", "itec", "floor", "itouch" und "wood". Alle Zeichen bestehen aus einem Wort und sind in Farbe und Schriftart identisch. Zudem enthalten alle Zeichen den leicht nach links versetzten hellblauen waagerechten Strich über oder in ihrem Anfangsbuchstaben.

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Da diese einheitliche graphische Gestaltung den gesamten Markenauftritt der Beschwerdeführerin in einem eng begrenzten Markt von nur fünf Unternehmen einschließlich der Anmelderin weltweit bestimmt, ist sie geeignet, als betrieblicher Herkunftshinweis zu dienen und dem angemeldeten Zeichen Unterscheidungskraft zu verleihen.

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2. Das Schutzhindernis nach § 8 Abs. 2 Nr. 2 MarkenG besteht nicht. Denn das angemeldete Zeichen besteht nicht ausschließlich aus beschreibenden Angaben. Der Gesamteindruck der Marke wird durch die graphische Gestaltung, die keine Beschaffenheitsangabe des Zeichens darstellt, wesentlich mitbestimmt.

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Da weitere Schutzhindernisse nicht ersichtlich sind, war der angegriffene Beschluss aufzuheben.

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Dabei ist darauf hinzuweisen, dass der Schutzumfang des verfahrensgegenständlichen Zeichens beschränkt ist, da er sich nicht auf den Wortbestandteil, sondern nur auf die konkrete graphische Ausgestaltung des Zeichens bezieht.