Entscheidungsdatum: 29.03.2016
In der Beschwerdesache
…
betreffend die Markenanmeldung 30 2013 034 888.5
hat der 29. Senat (Marken-Beschwerdesenat) des Bundespatentgerichts im schriftlichen Verfahren am 29. März 2016 durch die Vorsitzende Richterin Dr. Mittenberger-Huber, die Richterin Akintche und den Richter am Landgericht Dr. von Hartz
beschlossen:
Der Beschluss der Markenstelle für Klasse 16 des Deutschen Patent- und Markenamts vom 16. Dezember 2013 wird aufgehoben.
I.
Das Wortzeichen
clips to go
ist am 3. Juni 2013 zur Eintragung als Marke in das beim Deutschen Patent- und Markenamt (DPMA) geführte Register für nachfolgende Waren und Dienstleistungen angemeldet worden:
Klasse 09: Geräte zur Aufzeichnung, Übertragung und Wiedergabe von Ton und Bild; CDs, DVDs und andere digitale Aufzeichnungsträger; Hardware für die Datenverarbeitung, Computer; Computersoftware;
Klasse 16: Papier, Pappe (Karton) und Waren aus diesen Materialien, soweit sie nicht in anderen Klassen enthalten sind; Druckereierzeugnisse; Fotografien;
Klasse 41: Erziehung; Ausbildung; Unterhaltung; sportliche und kulturelle Aktivitäten; Aufzeichnung von Videoaufnahmen; Montage von Videobändern; Vermietung von Videokameras; Videofilmproduktion; Fotografieren; Filmproduktion; Filmproduktion, ausgenommen Werbefilmproduktion; Videofilmproduktion; Unterhaltung.
Mit Beschluss vom 16. Dezember 2013 hat die Markenstelle für Klasse 16 die Anmeldung für alle Waren und Dienstleistungen zurückgewiesen und auf ihren Beanstandungsbescheid vom 13. September 2013 verwiesen.
In diesem Amtsbescheid hat die Markenstelle ausgeführt, dass das angemeldete Zeichen „clips to go“ gemäß § 8 Abs. 2 Nr. 1 als nicht unterscheidungskräftige Angabe von der Eintragung ausgeschlossen sei. Das Zeichen sei sprachüblich gebildet und setze sich aus den Begriffen „clips“ als Bezeichnung für meist kurze Filme, Musikvideos bzw. audiovisuelle Sequenzen und „to go“ als werbeüblichem Hinweis auf eine sofortige Mitnahmemöglichkeit bzw. eine sofortige/unkomplizierte Verfügbarkeit zusammen. Es weise insgesamt in werbeüblicher Form auf die Waren selbst und die Möglichkeit hin, diese unterwegs zu nutzen. Die Dienstleistungen stünden in unmittelbarem Zusammenhang mit der Produktion eines solchen Clips und könnten sich inhaltlich/thematisch mit Erziehung/Ausbildung befassen und/oder unterhaltenden Charakter haben. Daher erkenne der Verkehr lediglich einen beschreibenden und anpreisenden Sachhinweis und entnehme dem Zeichen keinen betrieblichen Herkunftshinweis. Das Zeichen stelle zudem für die beanspruchten Waren und Dienstleistungen eine unmittelbar beschreibende Angabe dar, so dass auch das Schutzhindernis nach § 8 Abs. 2 Nr. 2 MarkenG bestehe.
Hiergegen richtet sich die Beschwerde der Anmelderin.
Die Beschwerdeführerin hat ihr Waren- und Dienstleistungsverzeichnis durch bei Gericht am gleichen Tag eingegangenen Schriftsatz vom 17. März 2016 eingeschränkt und beansprucht mit der Anmeldung nur noch folgende Waren:
Klasse 16: Papier, Pappe (Karton) und Waren aus diesen Materialien, soweit sie nicht in anderen Klassen enthalten sind; Druckereierzeugnisse; Fotografien.
Sie beantragt sinngemäß,
den Beschluss der Markenstelle für Klasse 16 des Deutschen Patent- und Markenamtes vom 16. Dezember 2013 aufzuheben.
Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf den Akteninhalt Bezug genommen.
II.
Die nach §§ 66, 64 Abs. 6 MarkenG zulässige Beschwerde ist nach Einschränkung des Waren- und Dienstleistungsverzeichnisses durch die Anmelderin begründet.
Der angegriffene Beschluss war aufzuheben, weil der Eintragung des Wortzeichens „clips to go“ für die allein noch beanspruchten Waren der Klasse 16 keine Schutzhindernisse gemäß §§ 37 Abs. 1, 8 Abs. 2 MarkenG entgegenstehen. Insbesondere fehlt es dem Anmeldezeichen für die Waren „Papier, Pappe (Karton) und Waren aus diesen Materialien, soweit sie nicht in anderen Klassen enthalten sind; Druckereierzeugnisse; Fotografien“ weder an der erforderlichen Unterscheidungskraft gemäß § 8 Abs. 2 Nr. 1 MarkenG noch handelt es sich dabei um eine freihaltebedürftige Angabe gemäß § 8 Abs. 2 Nr. 2 MarkenG.
Unterscheidungskraft im Sinne des § 8 Abs. 2 Nr. 1 MarkenG ist die einer Marke innewohnende (konkrete) Eignung, vom Verkehr als Unterscheidungsmittel aufgefasst zu werden, das die in Rede stehenden Waren und Dienstleistungen als von einem bestimmten Unternehmen stammend kennzeichnet und diese Waren oder Dienstleistungen somit von denjenigen anderer Unternehmen unterscheidet (EuGH, GRUR 2010, 228 Rn. 33 - Audi AG/ HABM [Vorsprung durch Technik]; BGH, GRUR 2013, 731 Rn. 11 - Kaleido; GRUR 2012, 270 Rdnr. 8 - Link economy). Die Hauptfunktion der Marke besteht darin, die Ursprungsidentität der gekennzeichneten Waren oder Dienstleistungen zu gewährleisten. Da allein das Fehlen jeglicher Unterscheidungskraft ein Eintragungshindernis begründet, ist ein großzügiger Maßstab anzulegen, so dass jede auch noch so geringe Unterscheidungskraft genügt, um das Schutzhindernis zu überwinden (BGH, GRUR 2014, 565 Rn. 12 - smartbook; GRUR 2012, 1143 Rn. 7 - Starsat; GRUR 2010, 1100 Rn. 10 - TOOOR!).
Maßgeblich für die Beurteilung der Unterscheidungskraft zum relevanten Anmeldezeitpunkt (BGH, GRUR 2013, 1143 Rn. 15 - Aus Akten werden Fakten) sind einerseits die beanspruchten Waren oder Dienstleistungen und andererseits die Auffassung der beteiligten inländischen Verkehrskreise, wobei auf die Wahrnehmung des Handels und/oder des normal informierten, angemessen aufmerksamen und verständigen Durchschnittsverbrauchers der fraglichen Waren oder Dienstleistungen abzustellen ist (EuGH, GRUR 2006, 411 Rn. 24 - Matratzen Concord/Hukla; GRUR, 2004, 943 Rn. 24 - SAT 2; BGH, WRP 2014, 449 Rn. 11 - grill meister). Ebenso ist zu berücksichtigen, dass der Verkehr ein als Marke verwendetes Zeichen in seiner Gesamtheit mit allen seinen Bestandteilen so aufnimmt, wie es ihm entgegentritt, ohne es einer analysierenden Betrachtungsweise zu unterziehen (EuGH, GRUR 2004, 428 Rn. 53 -Henkel; BGH, GRUR 2014, 573 Rn. 11 - HOT; a. a. O. Rn. 12 - Link economy; MarkenR 2000, 420 - RATIONAL SOFTWARE CORPORATION).
Ausgehend hiervon besitzen Wortzeichen dann keine Unterscheidungskraft, wenn ihnen die angesprochenen Verkehrskreise lediglich einen im Vordergrund stehenden beschreibenden Begriffsinhalt zuordnen (EuGH, GRUR 2004, 674 Rn. 86 - Postkantoor; BGH, a. a. O. Rn. 11 - Link economy) oder wenn diese aus gebräuchlichen Wörtern oder Wendungen der deutschen Sprache oder einer geläufigen Fremdsprache bestehen, die - etwa wegen einer entsprechenden Verwendung in der Werbung oder in den Medien - stets nur als solche und nicht als Unterscheidungsmittel verstanden werden (BGH, a. a .O. Rn. 20 – TOOOR!; GRUR 2010, 640 Rn. 13 - hey!).
Gemessen an diesen Grundsätzen verfügt das Anmeldezeichen über das erforderliche Mindestmaß an Unterscheidungskraft.
Der Senat teilt die Auffassung der Markenstelle, wonach die englischen Begriffe „clips“ und „to go“ - aus denen sich das Anmeldezeichen zusammensetzt - Eingang in den deutschen Sprachgebrauch gefunden haben; dies belegen die der Beschwerdeführerin vorab übersandten Ergebnisse der Senatsrecherche.
Der Begriff „Clip“ hat die Bedeutung „Klemme, Klammer“; daneben wird er als Kurzform für „Videoclip“ verwendet (vgl. DUDEN Online unter www.duden.de) und ist auch lexikalisch entsprechend erfasst (Wahrig, Deutsches Wörterbuch, 8. Auflage 2006). Unter „Videoclip“ versteht man einen Kurzfilm bzw. eine audiovisuelle Sequenz. Der Begriff ist nicht nur im englischen Sprachraum verbreitet, sondern hat sich auch im inländischen Verkehr als Kurzform für Videoclip etabliert.
Der weitere Zeichenbestandteil „to go“ stammt ebenfalls ursprünglich aus dem englischen Sprachraum und bedeutet in seiner Verwendung als Adjektiv „für unterwegs“/„zum Mitnehmen“. Im Umfeld von gastronomischen Waren und Dienstleistungen hat sich auch im Inland „to go“ als Ausdruck dafür entwickelt, dass eine Ware zumindest ebenfalls zum Mitnehmen angeboten wird und nicht nur vor Ort konsumiert werden kann („coffee to go“, „pizza to go“, „food to go“). Diese Bedeutung ist mittlerweile auch im Deutschen lexikalisch erfasst (vgl. DUDEN Online: „to go“ = zum Mitnehmen). Die Bezeichnung „to go“ ist jedoch nicht auf eine Verwendung in Bezug auf Essen und Getränke begrenzt, sondern wird seit längerem – vor allem in der Werbesprache – als Hinweis auf die sofortige, unkomplizierte Mitnahme- oder Inanspruchnahmemöglichkeit eingesetzt; zudem gibt der Begriff einen Hinweis auf eine „mobile Verwendung“, wobei insbesondere verschiedene Anwendungsmöglichkeiten auf dem Smartphone mittels einer App mit „…to go“ bezeichnet werden.
Das angemeldete Zeichen „clips to go“ kann damit einerseits mit „Videoclip zum Mitnehmen“, „Videoclip zur mobilen Verwendung“ bzw. „Videoclip mit sofortiger/unkomplizierter Verfügbarkeit“ und andererseits mit „Klammer, Klemme zum Mitnehmen“ übersetzt werden.
In keiner dieser Bedeutungen ist aber ein beschreibender - sei es ein unmittelbarer oder ein enger sachlicher bzw. funktionaler - Bezug zwischen dem Anmeldezeichen und den noch beanspruchten Waren der Klasse 16 erkennbar. Soweit die Markenstelle hier pauschal ausgeführt hat, das Zeichen weise in werbeüblicher Form auf die Waren selbst und die Möglichkeit hin, diese unterwegs zu nutzen, vermag dies schon deshalb nicht zu überzeugen, weil die Waren „Papier, Pappe (Karton) und Waren aus diesen Materialien, soweit sie nicht in anderen Klassen enthalten sind; Druckereierzeugnisse; Fotografien“ nicht durch den Begriff „clips“ bezeichnet werden.
Zwar können aus Filmsequenzen bzw. aus „(Video)Clips“ auch Standbilder - zur sofortigen Mitnahme - ausgedruckt oder ggf. abfotografiert werden. Allerdings ist es weder naheliegend oder üblich, diese Wiedergaben aus einem Clip selbst als „Clip“ zu bezeichnen, noch werden die angesprochenen Verkehrskreise ernsthaft davon ausgehen, dass es sich bei den Druckereierzeugnissen und Fotografien um Komplettausdrucke eines Videoclips oder Musikclips (im Sinne eines „Daumenkinos“) handelt. Für die Waren Papier, Pappe und Waren aus Papier und Pappe kommt „clips to go“ dementsprechend als Bestimmungsangabe ebenfalls nicht in Betracht. Nicht zuletzt mögen die angesprochenen breiten Verkehrskreise im Hinblick darauf, dass aus dem Büroartikelbereich sog. Fotoklemmen, Fotoclips, Papierclips etc. bekannt sind, auch an die weitere Bedeutung von „Clip“ als „Klemme/Klammer“ und mithin an „Klammer/Klemme zum Mitnehmen“ denken; auch hierdurch ergibt sich aber keine auf der Hand liegende Beschreibung der hier relevanten Waren.
Zu einem denkbaren beschreibenden Gehalt des Anmeldezeichens gelangt der angesprochene Verkehr nach alledem allenfalls über mehrere Gedankenschritte. Im Rahmen der Beurteilung der Unterscheidungskraft ist eine derartige analysierende Betrachtungsweise aber unzulässig, weil sich aus ihr keine in den Vordergrund drängende, für den Durchschnittsverbraucher ohne Weiteres ersichtliche Beschreibung der Waren ergibt (vgl. BGH GRUR 2014, 565 Rn. 24 - smartbook; GRUR 2012, 270 Rn. 12 - Link economy).
Dem Anmeldezeichen kann daher die Eignung als betrieblicher Herkunftshinweis nicht abgesprochen werden.
Aus den genannten Gründen besteht auch kein Freihaltungsbedürfnis nach § 8 Abs. 2 Nr. 2 MarkenG.