Entscheidungsdatum: 26.09.2012
In der Beschwerdesache
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betreffend die Markenanmeldung 30 2010 040 338.1
hat der 29. Senat (Marken-Beschwerdesenat) des Bundespatentgerichts in der Sitzung vom 26. September 2012 durch die Vorsitzende Richterin Grabrucker, die Richterin Kortge und die Richterin am Landgericht Uhlmann
beschlossen:
Die Beschwerde wird zurückgewiesen.
I.
Das Wortzeichen
Scinet
ist am 7. Juli 2010 zur Eintragung als Marke in das beim Deutschen Patent- und Markenamt (DPMA) geführte Register für nachfolgende Waren und Dienstleistungen angemeldet worden:
Klasse 35:
Werbung, Werbung durch Werbeschriften, Werbung im Internet für Dritte, Planung von Werbemaßnahmen, Online-Werbung in einem Computernetzwerk, Schreibdienste, Büroarbeiten, Sekretariatsdienstleistungen, Werbung im Internet für Dritte, Präsentation von Firmen im Internet und anderen Medien;
Klasse 39:
Kurierdienste;
Klasse 42:
Design und Erstellung von Homepages und Internetseiten, Dienstleistungen eines Grafikdesigners.
Mit Beschluss vom 10. Februar 2011 hat die Markenstelle für Klasse 35 die Anmeldung teilweise, nämlich mit Ausnahme der Klasse 39, Kurierdienste, wegen fehlender Unterscheidungskraft und eines bestehenden Freihaltebedürfnisses zurückgewiesen.
Das Zeichen setze sich aus der Abkürzung „sci“ für „serial communications interface“ und dem englischen Begriff „net“ für „Internet“ zusammen. Das inländische Publikum verstehe das Zeichen daher als beschreibenden Sachhinweis auf ein über serielle Schnittstellen verbundenes Computernetzwerk, über das Daten ausgetauscht werden könnten. Alle zurückgewiesenen Dienstleistungen könnten einen Bezug zu einem solchen Netzwerk aufweisen oder mittels eines solchen Netzwerks angeboten und erbracht werden.
Hiergegen richtet sich die Beschwerde der Anmelderin, mit der sie sinngemäß beantragt,
den Beschluss des Deutschen Patent- und Markenamtes vom 10. Februar 2011 aufzuheben.
Die der Abkürzung „sci“ beigelegte Bedeutung „serial communications interface“ sei willkürlich, da die Abkürzung „sci“ für die unterschiedlichsten Wortfolgen dienen könne und diene, wie auch das im Amtsverfahren übersendete Abkürzungsverzeichnis belege. Die Verwendung für „serial communications interface“ sei in Deutschland nicht gebräuchlich. Zudem sei die Gesamtbedeutung im Zusammenhang mit dem zweiten Bestandteil „net“ nicht hinreichend gewürdigt worden. Für die beanspruchten Dienstleistungen habe das Zeichen keinerlei Bedeutung. Auch ein Freihaltebedürfnis bestehe nicht, da nicht erkennbar sei, inwieweit die Mitbewerber den Begriff „scinet“ benötigten.
Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf den Akteninhalt Bezug genommen.
II.
Die gemäß § 66 Abs. 1 i. V. m. § 64 Abs. 6 MarkenG statthafte Beschwerde ist zulässig, aber unbegründet. Der Beschluss des DPMA ist rechtmäßig.
Die Anmelderin hat gemäß §§ 41, 37 Abs. 1, 33 Abs. 2 MarkenG i. V. m. § 8 MarkenG keinen Anspruch auf Eintragung des angemeldeten Wortzeichens, da der Eintragung ein absolutes Eintragungshindernis gemäß § 8 Abs. 2 Nr. 1 MarkenG in Bezug auf die beanspruchten Waren und Dienstleistungen der Klassen 35 und 42 entgegensteht. Danach sind Marken von der Eintragung ausgeschlossen, denen für die beanspruchten Waren oder Dienstleistungen jegliche Unterscheidungskraft fehlt.
Unterscheidungskraft in diesem Sinn ist die einer Marke innewohnende (konkrete) Eignung, vom Verkehr als Unterscheidungsmittel aufgefasst zu werden, das die in Rede stehenden Waren und Dienstleistungen als von einem bestimmten Unternehmen stammend kennzeichnet und diese Waren und Dienstleistungen somit von denjenigen anderer Unternehmen unterscheidet (EuGH GRUR 2008, 608, 611 Rn. 66 g. – EUROHYPO; BGH GRUR 2010, 825, 826 Rn. 133 – Marlene-Dietrich-Bildnis II; 935 Rn. 8 – Die Vision; GRUR 2006, 850, 854 Rn. 18 – FUSSBALL WM 2006). Denn die Hauptfunktion der Marke besteht darin, die Ursprungsidentität der gekennzeichneten Waren und Dienstleistungen zu gewährleisten (EuGH GRUR 2006, 233, 235 Rn. 45 – Standbeutel; 229, 230 Rn. 27 – BioID). Da allein das Fehlen jeglicher Unterscheidungskraft ein Eintragungshindernis begründet, ist ein großzügiger Maßstab anzulegen, so dass jede auch noch so geringe Unterscheidungskraft genügt, um das Schutzhindernis zu überwinden (BGH a. a. O. Marlene-Dietrich-Bildnis II). Maßgeblich für die Beurteilung der Unterscheidungskraft sind einerseits die Auffassung der beteiligten inländischen Verkehrskreise, wobei auf die Wahrnehmung des Handels und/oder des normal informierten, angemessen aufmerksamen und verständigen Durchschnittsverbrauchers der fraglichen Waren oder Dienstleistungen abzustellen ist (EuGH GRUR 2006, 411, 412 Rn. 24 Matratzen Concord/Hukla). Ebenso ist zu berücksichtigen, dass der Verkehr ein als Marke verwendetes Zeichen in seiner Gesamtheit mit allen seinen Bestandteilen so aufnimmt, wie es ihm entgegentritt, ohne es einer analysierenden Betrachtungsweise zu unterziehen (EuG GRUR 2004, 428, 431 Rn. 53 – Henkel). Ausgehend hiervon besitzen Wortmarken dann keine Unterscheidungskraft, wenn ihnen die maßgeblichen Verkehrskreise lediglich einen im Vordergrund stehenden beschreibenden Begriffsinhalt zuordnen oder wenn diese aus gebräuchlichen Wörtern oder Wendungen der deutschen Sprache oder einer geläufigen Fremdsprache bestehen, die – etwa wegen einer entsprechenden Verwendung in der Werbung oder in den Medien – stets nur als solche und nicht als Unterscheidungsmittel verstanden werden (BGH a. a. O. – FUSSBALL WM 2006). Darüber hinaus besitzen keine Unterscheidungskraft vor allem auch Zeichen, die sich auf Umstände beziehen, welche die beanspruchten Waren und Dienstleistungen zwar nicht unmittelbar betreffen, durch die aber ein enger beschreibender Bezug zu diesen hergestellt wird und die sich damit in einer beschreibenden Angabe erschöpfen (BGH GRUR 2010, 1101,1102 Rn. 23 – TOOOR!)
Bei der Beurteilung des Verständnisses des angemeldeten Zeichens ist nicht auf das allgemeine Publikum, sondern auf ein unternehmerisch tätiges Fachpublikum abzustellen, da die beanspruchten Dienstleistungen in der Regel nicht von Endverbrauchern, sondern von Unternehmern in Anspruch genommen werden. Diese treffen die Entscheidung über die Inanspruchnahme der Dienstleistung mit besonderer Sorgfalt und erhöhter Aufmerksamkeit.
Das Wortzeichen besteht aus dem Begriff „scinet“, der lexikalisch weder im Deutschen noch im Englischen nachweisbar ist.
Es dient als Name von verschiedenen wissenschaftlichen Datenbanken, wobei der Begriff in diesem Zusammenhang die Abkürzung für „science net“ oder inhaltsgleich „scientific network“ darstellen dürfte:
- www.scinet.uni-freiburg.de: SCINET der Albert-Ludwigs-Universität Freiburg;
- scinet.supercomputing.org: SCinet: The World’s Fastest Network: SCinet is the very high performance network built to support the annual International Conference for High Performance Computing, Networking, Storage an Analysis /SC)s; An dem Netzwerk arbeiten auch Studenten der Universität Heidelberg mit;
- www.scinethpc.ca: SciNet Science At Scale: Supercomputer Center des Kanadischen Staates, der Universität Toronto und weiterer Institutionen zur Unterstützung von Wissenschaft und Forschung;
- Pri-Sci-Net: EU-Projekt im Bereich der Entwicklung von Techniken zum Forschenden Lernen im Primärschulbereich und Aufbau eines internationalen LehrerInnen-Netzwerk zum Erfahrungsaustausch und Fortbildung;
- Math Sci-Net: Datenbank der American Mathematical Society, die Online-Version des Referateblattes Mathematical Reviews, verlinkt unter anderem mit der Ruhr-Universität-Bochum;
- www.oevg.at: SCIENTIFIC NETWORK /SciNet – Junge ÖVG: Das SciNet, eine Arbeitsgruppe der ÖVG, ist eine unabhängige Diskussions- und Integrations-Plattform für im Verkehrsbereich tätige Wissenschaftler und Praktiker“.
Dass das Zeichen die beiden Silben sci und net ohne Binnengroßschreibung enthält, nimmt ihm nicht den dargelegten Bedeutungsinhalt. Denn die Abkürzung „sci“ für „science“ und „net“ für Internet oder „network“ sind jedenfalls dem angesprochenen Publikum, nämlich Unternehmern, die Werbe- und Bürodienstleistungen, bzw. Design für Internetauftritte und Grafikdesign in Anspruch nehmen, unmittelbar erkennbar.
Damit kann die Zeichenkombination für Schreib- und Büroarbeiten einen Hinweis darauf geben, dass diese Leistungen in wissenschaftlichen Netzen angeboten werden oder Leistungen für Veröffentlichungen im Bereich der Forschung und Wissenschaften erbracht werden. Veröffentlichungen wissenschaftlicher Erkenntnisse sind nicht ohne Schreib- und Büroarbeiten möglich. Gleiches gilt für die Dienstleistungen Erstellung von Homepages und Dienstleistungen eines Grafikdesigners. Auch sie können sich auf den Auftritt in wissenschaftlichen Netzwerken beziehen. Gerade wissenschaftliche Darstellungen benötigen ansprechende verständliche grafische Gestaltungen.
Für die Dienstleistungen „Werbung“, „Werbung durch Werbeschriften“, „Werbung im Internet für Dritte“, „Planung von Werbemaßnahmen“ und „Online-Werbung in einem Computernetzwerk“ ist das Zeichen in der Bedeutung „Science Net“ ebenfalls nicht als betrieblicher Herkunftshinweis geeignet. Denn es kann das Medium oder die Branche angeben, in denen diese Dienstleistungen erbracht werden. Denn die werbende Vermittlung von Forschung und Wissenschaft hat weltweit eine große wirtschaftliche Bedeutung. Sie stellt im Bereich der Werbung und des Designs eine eigene Branche dar, auf die sich Werbeagenturen bereits spezialisiert haben:
- www.anti-aging-forschung.de: Sind Sie Mediziner oder wissenschaftlich tätig und möchten hier einen Gastbeitrag rund um das Thema „Anti Aging“ veröffentlichen. Dann nehmen Sie mit uns Kontakt auf. Wir bieten eine Reihe von Werbemöglichkeiten auf antiaging-forschungs.de an;
- www.dell-arte-hoffmann.de: Werbung für Technik und Wissenschaft…Webdisign – Print – Öffentlichkeitsarbeit;
- www.falcatus.com: Alles ist erklärbar. Als interdisziplinäre Fachagentur für Marketinig-Kommunikation mit ausgeprägter Affinität zu Wissenschaft und Forschung sind wir auf die Vermarktung schwer erklärbarer technischer Produkte spezialisiert;
- contrust design: Kommunikation für Technik und Wissenschaft.
Daneben kann das Zeichen auch die Bedeutung in der Interpretation des Amtes als über „serielle Schnittstellen (serial communications interface SCI) verbundenes Computernetzwerk“ haben. Auch für diese Bedeutung wäre ein sachlicher Bezug zu den beanspruchten Dienstleistungen gegeben, wie das DPMA in dem angegriffenen Beschluss ausgeführt hat.
Der Einwand der Anmelderin, die Abkürzung „sci“ werde für unterschiedlichste Wortfolgen benutzt und habe deshalb keine eindeutige Sachaussage, geht fehl. Der Umstand, dass ein Zeichen mehrere Bedeutungen aufweisen kann, ist nicht geeignet, die fehlende Kennzeichnungskraft zu überwinden, wenn es wie im vorliegenden Fall in einer naheliegenden Bedeutung einen engen sachlichen Bezug zu den beanspruchten Dienstleistungen aufweist (BGH GRUR 2002, 261, 262 - AC).