Entscheidungsdatum: 18.12.2013
In der Beschwerdesache
…
betreffend die Marke 30 2009 059 782
hat der 29. Senat (Marken-Beschwerdesenat) des Bundespatentgerichts in der Sitzung vom 18. Dezember 2013 unter Mitwirkung der Richterin Kortge als Vorsitzender, der Richterin Uhlmann und der Richterin kraft Auftrags Akintche
beschlossen:
Die Beschwerde wird zurückgewiesen.
I.
Die Wort-/Bildmarke (gelb, schwarz)
ist am 8. Oktober 2009 angemeldet und am 3. Februar 2010 unter der Nummer 30 2009 059 782 als Marke in das beim Deutschen Patent- und Markenamt (DPMA) geführte Register eingetragen worden u.a. für Waren der
Klasse 25: Bekleidungsstücke, Schuhwaren, Kopfbedeckungen.
Gegen diese Marke, deren Eintragung am 5. März 2010 veröffentlicht wurde, haben die Inhaber der älteren Gemeinschaftsbildmarke
die am 17. Januar 2006 unter der Nummer EM 004079836 eingetragen wurde für Waren der
Klasse 3: Wasch- und Bleichmittel; Putz-, Polier-, Fettentfernungs- und Schleifmittel; Seifen; Parfümeriewaren, ätherische Öle, Mittel zur Körper- und Schönheitspflege, Haarwässer; Zahnputzmittel;
Klasse 18: Leder und Lederimitationen sowie Waren daraus, soweit in Klasse 18 enthalten; Häute und Felle; Reise- und Handkoffer, Regenschirme, Sonnenschirme und Spazierstöcke; Peitschen, Pferdegeschirre und Sattlerwaren;
Klasse 25: Bekleidungsstücke, Schuhwaren, Kopfbedeckungen
Widerspruch erhoben, der sich aber nur gegen die angegriffenen Waren in Klasse 25 richtet.
Mit Beschluss vom 8. November 2011 hat die Markenstelle für Klasse 16 des DPMA eine Verwechslungsgefahr zwischen den beiden Marken verneint und den Widerspruch zurückgewiesen. Zur Begründung hat sie ausgeführt, die widersprechende Marke besitze von Haus aus durchschnittliche Kennzeichnungskraft. Eine gesteigerte Kennzeichnungskraft für Bekleidungswaren habe die Widersprechende nicht belegt. Sie habe lediglich mitgeteilt, dass die Marke für Bekleidungswaren benutzt werde. Mit den identischen Waren in Klasse 25 „Bekleidungsstücke, Schuhwaren, Kopfbedeckungen“ werde ein breites Publikum angesprochen, das diesen Waren des täglichen Bedarfs keine besondere Aufmerksamkeit entgegen bringe. Eine schriftbildliche Verwechslungsgefahr sei aufgrund der unterschiedlichen Grafik der beiden Wort-/Bildmarken ausgeschlossen. Selbst wenn sich nur die Marken „SADDIES“ und „gaddi's“ gegenüberstünden, sei eine klangliche Verwechselbarkeit zu verneinen, weil die Anfangsbuchstaben „S“ und „g“ unterschiedlich artikuliert würden. Während es sich bei dem Buchstaben „S“ um einen Sprenglaut handele, werde der Buchstabe „g“ am Gaumen gebildet. Da Unterschiede an den Wortanfängen stärker beachtet würden, könne diese Abweichung nicht überhört werden. Ferner könne der Artikel „THE“ in der jüngeren Marke nicht vernachlässigt werden. So weise ein fremdsprachiger Artikel nicht nur auf die sprachliche Herkunft des nachfolgenden Substantivs und die damit verbundene Aussprache der Gesamtbezeichnung hin, sondern unter Umständen auch auf die Herkunft der unter dieser Bezeichnung vertriebenen Waren. Eine klangliche Ähnlichkeit der Vergleichsmarken sei bereits aufgrund unterschiedlicher Silbenzahl und Vokalfolge sowie abweichender Sprech- und Betonungsrhythmen zu verneinen. Ferner scheide eine Annäherung in begrifflicher Sicht ebenfalls aus, weil es sich bei beiden Markenwörtern um reine Fantasiebegriffe handele. Anhaltspunkte dafür, dass die Vergleichsmarken gedanklich miteinander in Verbindung gebracht werden könnten, seien nicht gegeben.
Hiergegen richtet sich die Beschwerde der Widersprechenden, mit der sie sinngemäß beantragt,
den Beschluss des DPMA vom 8. November 2011 aufzuheben und das DPMA anzuweisen, die Löschung der angegriffenen Marke anzuordnen.
Sie ist der Ansicht, es bestehe eine hochgradige klangliche Ähnlichkeit zwischen den beiden Markenwörtern. Entgegen der Auffassung der Markenstelle sei der Bestandteil „THE“ in der angegriffenen Marke verschwindend klein und kaum erkennbar, so dass es absolut fernliegend sei, dass der Verbraucher ihn überhaupt wahrnehmen und mit aussprechen werde. Dieser nahezu unleserliche Bestandteil werde eher als Verzierung oder als kleiner Punkt erkannt, so dass sich nur die klanglich nahezu identischen Markenwörter „SADDIES“ und „gaddi's“ gegenüber stünden.
Die Inhaber der angegriffenen Marke haben sich im Beschwerdeverfahren nicht geäußert. Im Amtsverfahren haben sie die Ansicht vertreten, die Vergleichsmarken kämen sich nicht verwechselbar nahe, weil die Widerspruchsmarke ein Modelabel für Bekleidung sei, während die jüngere Marke den Namen von Comiccharakteren und Cartoonfiguren auf Merchandise-Artikeln schützen solle. Ferner werde auf die vergleichbare Entscheidung des 27. Senats vom 16. November 2004 (BPatG 27 W (pat) 279/03) Bezug genommen, in der eine Verwechslung zwischen gaddi´s und Paddy ebenfalls verneint worden sei. Ferner würden die Widerspruchsmarke „gahdis“ und die jüngere Marke „sädihs“ und somit unterschiedlich ausgesprochen. Der Artikel „THE“ gehöre zur angegriffenen Marke wie z.B. bei „the Simpsons“ oder „the Flodders“.
Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf den Akteninhalt Bezug genommen.
II.
Die nach § 66 Abs. 1 i.V.m. § 64 Abs. 6 MarkenG statthafte Beschwerde ist zulässig, hat aber in der Sache keinen Erfolg.
Der Senat teilt die Auffassung der Markenstelle, dass zwischen den beiden Marken keine Verwechslungsgefahr im Sinne von §§ 42 Abs. 2 Nr. 1, 9 Abs. 1 Nr. 2, 125b Nr. 1 MarkenG besteht.
Die Frage der Verwechslungsgefahr im Sinne von § 9 Abs. 1 Nr. 2 MarkenG ist nach ständiger höchstrichterlicher Rechtsprechung unter Berücksichtigung aller Umstände, insbesondere der zueinander in Wechselbeziehung stehenden Faktoren der Ähnlichkeit der Marken, der Ähnlichkeit der damit gekennzeichneten Waren oder Dienstleistungen sowie der Kennzeichnungskraft der prioritätsälteren Marke zu beurteilen, wobei insbesondere ein geringerer Grad der Ähnlichkeit der Marken durch einen höheren Grad der Ähnlichkeit der Waren oder Dienstleistungen oder durch eine erhöhte Kennzeichnungskraft der älteren Marke ausgeglichen werden kann und umgekehrt (BGH GRUR 2004, 865, 866 – Mustang; GRUR 2004, 598, 599 – Kleiner Feigling; GRUR 2004, 783, 784 – NEURO-VIBOLEX/NEURO-FIBRAFLEX; GRUR 2006, 60, 61 Rdnr. 12 – coccodrillo; GRUR 2006, 859, 860 Rdnr. 16 – Malteserkreuz I; MarkenR 2008, 405 Tz. 10 – SIERRA ANTIGUO; GRUR 2008, 906 – Pantohexal; GRUR 2008, 258, 260 Rdnr. 20 – INTERCONNECT/T-InterConnect; GRUR 2009, 484, 486 Rdnr. 23 – METROBUS; GRUR 2010, 235 Rdnr. 15 – AIDA/AIDU; EuGH GRUR 2006, 237, 238 – PICARO/PICASSO).
1. Ausgehend von der Registerlage werden die Vergleichsmarken zur Kennzeichnung identischer Waren verwendet.
Die für die jüngere Marke beanspruchten Waren der Klasse 25 „Bekleidungsstücke, Schuhwaren, Kopfbedeckungen“ sind identisch im Warenverzeichnis der Widerspruchsmarke enthalten.
2. Die sich gegenüberstehenden identischen Waren der Vergleichsmarken richten sich sowohl an breite allgemeine Verbraucherkreise als auch an die am Handel beteiligten Fachverkehrskreise.
Soweit allgemeine Verkehrskreise zu berücksichtigen sind, ist auf einen durchschnittlich informierten, aufmerksamen und verständigen Durchschnittsverbraucher abzustellen, dessen Aufmerksamkeit je nach Art der Ware bzw. der in Anspruch genommenen Dienstleistung unterschiedlich hoch sein kann (BGH MarkenR 2000, 140, 144 – ATTACHÉ/TISSERAND; GRUR 1998, 942, 943 linke Spalte – ALKA-SELTZER; EuGH MarkenR 1999, 236, 239 Rdnr. 24 – Lloyd/Loint´s).
Dabei kommen Verbraucher aus der gesamten Bevölkerung in Betracht, die auf dem hier maßgeblichen Modesektor generell markenbewusst sind, so dass mithin nicht auf einen flüchtigen und unaufmerksamen Interessenten abgestellt werden kann (27 W (pat) 150/99 - LIOR/DIOR; BPatG GRUR 1998, 148 - SAINT MORIS/St. Moritz), sondern von einer zumindest normalen Aufmerksamkeit der Erwerber dieser Produkte ausgegangen werden kann.
3. Die Kennzeichnungskraft der Widerspruchsmarke ist als durchschnittlich einzustufen.
a) Von Haus aus kommt ihr ein normaler Schutzumfang zu, weil sich diese Bezeichnung nicht zur Beschreibung der Widerspruchswaren aus der Bekleidungsbranche eignet.
b) Eine gesteigerte Kennzeichnungskraft kann ihr entgegen der Ansicht der Widersprechenden nicht beigemessen werden.
Für die Annahme einer erhöhten Kennzeichnungskraft durch eine gesteigerte Verkehrsbekanntheit bedarf es hinreichend konkreter Angaben zum Marktanteil, zu Intensität, geografischer Verbreitung und Dauer der Benutzung der Marke, zum Werbeaufwand des Unternehmens inklusive Investitionsumfangs zur Förderung der Marke sowie zu demoskopischen Befragungen zwecks Ermittlung des Anteils der beteiligten Verkehrskreise, die die Waren oder Dienstleistungen auf Grund der Marke als von einem bestimmten Unternehmen stammend erkennen (vgl. BGH GRUR 2008, 903, 904 – SIERRA ANTIGUO). Daran fehlt es hier.
Soweit die Widersprechende vorträgt, der Vertrieb von Bekleidungsstücken unter dem Kennzeichen erfolge in Deutschland durch die Modehäuser „Peek & Cloppenburg“ in Düsseldorf, reicht dies allein zum Nachweis erhöhter Kennzeichnungskraft nicht aus.
4. Ausgehend von einer durchschnittlichen Kennzeichnungskraft der Widerspruchsmarke bei identischen Waren und Anwendung durchschnittlicher Sorgfalt hält die angegriffene Marke den erforderlichen Abstand noch ein.
Maßgebend für die Beurteilung der Markenähnlichkeit ist der Gesamteindruck der Vergleichsmarken, wobei von dem allgemeinen Erfahrungsgrundsatz auszugehen ist, dass der Verkehr eine Marke so aufnimmt, wie sie ihm entgegentritt, ohne sie einer analysierenden Betrachtungsweise zu unterziehen (vgl. u.a. EuGH GRUR 2004, 428, 431 Rdnr. 53 – Henkel; BGH MarkenR 2000, 420, 421 – RATIONAL SOFTWARE CORPORATION; GRUR 2001, 1151, 1152 – marktfrisch). Der Grad der Ähnlichkeit der sich gegenüberstehenden Zeichen ist dabei im Klang, im (Schrift-)Bild und im Bedeutungs-(Sinn-)Gehalt zu ermitteln.
Die sich hier gegenüberstehenden Marken werden weder klanglich noch schriftbildlich noch begrifflich ähnlich wahrgenommen.
a) In visueller Hinsicht bewirkt die besondere, individuell gestaltete Schriftart und die Zweifarbigkeit der angegriffenen Marke
im Gegensatz zu den schwarz wiedergegebenen Druckbuchstaben der älteren Marke
einen deutlich wahrnehmbaren Unterschied.
b) Eine klangliche Verwechslungsgefahr scheidet ebenfalls aus.
Der englische bestimmte Artikel „The“ in der jüngeren Marke kann – auch wenn er graphisch kleiner dargestellt ist als das Wortelement „SADDIES“ – nicht völlig vernachlässigt werden (BGH GRUR 2005, 326, 327 – il Padrone/Il Portone; BPatG 32 W (pat) 138/03 – THE BOY’Z/Boy). Aber selbst wenn er unberücksichtigt bliebe, unterschieden sich die Vergleichsmarken in phonetischer Hinsicht hinreichend deutlich. Denn es handelte sich dann um kürzere, zweisilbige Bezeichnungen, bei denen Abweichungen stärker ins Gewicht fallen. Dies gilt umso mehr, als sich die Abweichungen am Wortanfang befinden, der erfahrungsgemäß stärker beachtet wird. Dem stimmlosen Zahn- und Zischlaut „S“, der am Anfang der jüngeren Marke klanglich besonders markant in Erscheinung tritt, steht der stimmhafte Gaumenlaut „g“ am Anfang der älteren Marke gegenüber, so dass sich die zu vergleichenden Marken deutlich genug unterscheiden, um für ein abweichendes Gesamtklangbild zu sorgen (vgl. auch BPatG 32 W (pat) 311/99 – Gimmy/Simmy).
c) Auch in begrifflicher Hinsicht kommen sich die Vergleichsmarken nicht verwechselbar nahe.
aa) Die angegriffene Marke setzt sich aus den Wörtern „THE“ und „SADDIES“ zusammen.
aaa) „The“ ist der englische bestimmte Artikel mit der Bedeutung „der, die, das“ (www.leo.org).
bbb) „Saddies“ ist als Substantiv lexikalisch nicht nachweisbar (www.leo.org). Abstammend vom Adjektiv „sad“ mit den Bedeutungen „traurig, schlimm, betrübt, kummervoll, schmerzlich, trist“ (ww.leo.org) kann man das Wort „saddies“ mit gleicher Bedeutung in der englischen Umgangssprache finden (http://www.urbandictionary.com/define.php?term=Saddies), allerdings ist dies den hier angesprochenen inländischen Verkehrskreisen nicht bekannt.
ccc) Dasselbe gilt für die gleichnamigen Comicfiguren, so dass das Markenwort der jüngeren Marke als Fantasiebezeichnung aufgefasst wird.
bb) Das mit dem Genitiv „s“ versehene Markenwort „gaddi“ ist der Familienname von drei Malern und zwei Bischöfen sowie der Name einer ethnischen Gruppe am Südrand des Himalaya in den indischen Bundesstaaten Himachal Pradesh und Jammu und Kashmir (http://de.wikipedia.org/wiki/Gaddi). Ferner ist „Gaddi“ auch der Name einer biblischen Gestalt, die Sohn Susis und ein Ältester der Israeliten vom Stamme Josefs war und die zu den Männern gehörte, die Moses während des Exodus aussandte, um das Land Kanaan zu erkunden (http://www.web-fortbildung.de/bibel/index.php/Gaddi). Wegen seiner Ungebräuchlichkeit im deutschen Sprachraum ist ganz überwiegenden Teilen der angesprochenen Verkehrskreise dieser biblische Name aber nicht geläufig, so dass diese das Wort „gaddi“ ebenfalls als reinen Fantasiebegriff betrachten.
Keinem der beiden Markenwörter kann daher ein die begriffliche Verwechslungsgefahr begründender übereinstimmender Sinngehalt entnommen werden.
5. Für andere Arten von Verwechslungsgefahren ist nichts dargetan oder ersichtlich.