Entscheidungsdatum: 18.05.2011
In der Beschwerdesache
…
betreffend die Markenanmeldung 30 2008 047 962.0
hat der 29. Senat (Marken-Beschwerdesenat) des Bundespatentgerichts am 18. Mai 2011 unter Mitwirkung der Vorsitzenden Richterin Grabrucker, der Richterin Kortge und der Richterin Dorn
beschlossen:
Der Beschluss der Markenstelle für Klasse 8 des Deutschen Patent- und Markenamts vom 4. Januar 2011 wird aufgehoben.
I.
Das farbige (rot, schwarz, weiß, grau) Wort-/Bildzeichen
ist am 17. September 2008 zur Eintragung als Marke in das beim Deutschen Patent- und Markenamt (DPMA) geführte Register für nachfolgende Waren und Dienstleistungen angemeldet worden (im Laufe des Beschwerdeverfahrens geändertes Verzeichnis vom 20. April 2011, Bl. 11/12 GA):
Klasse 3: Messerschmiedewaren, Rasierapparate, elektrisch oder nicht elektrisch; Etuis für Rasierapparate; Rasierklingen; Rasiermesser;
Klasse 8: Mittel zur Körper- und Gesichtspflege (soweit in Klasse 3 enthalten); Toilettemittel [Körperpflege]; Rasiermittel; Rasierseife, Rasierwasser, Rasiersteine [antiseptisch];
Klasse 35: Merchandising (Verkaufsförderung); Verkaufsförderung [Sales promotion für Dritte, Cross promotion mit und für Dritte]; Einzel- und Großhandelsdienstleistungen im Bereich von Waren für die persönliche Pflege, insbesondere Gesichtspflege, auch für den Versandhandel, auch mittels Teleshopping-Sendungen; Online-Dienstleistungen eines e-Commerce-Abwicklers, nämlich Waren- und Dienstleistungspräsentation für Werbezwecke, Bestellannahme, Lieferauftragsservice und Rechnungsabwicklung, auch im Rahmen von e-commerce; Rechnungsabwicklung für elektronische Bestellsysteme; Vermittlung von Handelsgeschäften für Dritte über Online-Shops; telefonische und/oder computerisierte Bestellannahme für Teleshopping-Angebote für Dritte; Vermittlung von Handels- und Wirtschaftskontakten, auch über das Internet; Vermittlung von Verträgen über den An- und Verkauf von Waren und/oder die Erbringung von Dienstleistungen für Dritte; Beschaffungsdienstleistungen für Dritte (Erwerb von Waren und Dienstleistungen für andere Unternehmen); Zusammenstellung und Systematisierung von Daten in Computerdatenbanken; Pflege von Daten in Computerdatenbanken; Geschäftsführung, Beratung in Fragen der Geschäftsführung, Beratung bei der Organisation und Führung von Unternehmen; betriebswirtschaftliche und organisatorische Beratung; Werbung; Dienstleistungen einer Werbeagentur; Werbung in allen Medien, einschließlich Rundfunk-, Fernseh-, Kino-, Print-, Videotext-, Online- und Teletextwerbung; Organisation und Veranstaltung von Werbeveranstaltungen, sowie von Ausstellungen und Messen für wirtschaftliche und Werbezwecke; Vermietung von Werbeflächen im Internet; Verteilung von Werbematerial (Flugblätter, Prospekte, Drucksachen, Warenproben); Vorführung von Waren für Werbezwecke; Waren- und Dienstleistungspräsentationen für Werbezwecke; Aktualisierung von Werbematerial; Planung und Gestaltung von Werbemaßnahmen; Marketing [Absatzforschung]; Marketing für Dritte in digitalen Netzen; Markt- und Meinungsforschung; Öffentlichkeitsarbeit [Public Relations]; Werbung im Internet für Dritte; Präsentation von Firmen im Internet und anderen Medien; Sponsoring in Form von Werbung; Durchführung von Ausschreibungen, Auktionen, auch rückläufigen Auktionen, und Versteigerungen, auch im Internet; Durchführung von Preisvergleichen; Durchführung von Versteigerungen und Auktionen, insbesondere im Internet; Entwicklung von Prämienprogrammen als Kundenbindungsmaßnahmen für Marketingzwecke; Durchführung von Auktionen und Versteigerungen, auch im Internet;
Klasse 38: Bereitstellung des Zugriffs auf Informationen im Internet; Bereitstellung von Internet-Chatrooms; elektronischer Austausch von Nachrichten mittels Chatlines, Chatrooms und Internetforen; E-Mail-Dienste; Telekommunikation; Telekommunikation mittels Plattformen und Portalen im Internet; Bereitstellung von Telekommunikationskanälen für Teleshopping-Dienste; Weiterleiten von Nachrichten aller Art an Internet-Adressen (Web-Messaging); elektronische Anzeigenvermittlung (Telekommunikation); Bereitstellung eines Zugangs zu einer e-commerce-Plattform im Internet; Bereitstellung des Zugriffs auf Software in Datennetzen für Internetzugänge; Dienstleistungen eines Internet-Providers, nämlich Vermietung von Zugriffszeiten zu Datennetzen, insbesondere zum Internet; Telefondienste für eine Hotline oder Callcenter; Erbringen von Dienstleistungen in Verbindung mit Onlinediensten, nämlich Liefern von Nachrichten (Presseagenturen) und Übermittlung von Informationen in Computernetzwerken, einschließlich On-Demand und anderen elektronischen Mediendiensten; Bereitstellen eines Zugriffs auf Informationen im Internet, insbesondere auch vermittels interaktiv kommunizierender (Computer-)Systeme; Sammeln und Liefern von Nachrichten und allgemeinen Nachrichteninformationen (Presseagenturen), auch elektronischer Art, sowie Ausstrahlung von (TV/Radio)-Programmen im World Wide Web; Ausstrahlen von Rundfunksendungen (Funk und Fernsehfunk); Dienste von Presseagenturen.
Mit Beschluss vom 4. Januar 2011 hat die Markenstelle für Klasse 8 die Anmeldung gemäß §§ 37 Abs. 1, 8 Abs. 2 Nr. 1 MarkenG wegen Fehlens jeglicher Unterscheidungskraft zurückgewiesen. Zur Begründung wurde ausgeführt, dass das ohne weiteres verständliche deutsche Wort „Volks-Rasierer“ in seiner Gesamtbedeutung von den angesprochenen Verkehrskreisen so verstanden werde, dass es sich um einen Rasierer für das Volk, insbesondere um einen besonders preiswerten, günstigen Rasierer handele. Der Begriff reihe sich nahtlos in eine Reihe vergleichbar gebildeter Begriffe wie „Volks-Aktie“, „Volks-Auto“, „Volks-Computer“ oder auch „Volks-PC“ usw. ein. Dieses auf der Hand liegende Verständnis des Begriffs „Volks-Rasierer“ führe bei einer Kennzeichnung der beanspruchten Waren und Dienstleistungen mit dem Anmeldezeichen zu der Vorstellung, dass dieselben, soweit es sich nicht ohnehin um die entsprechende Warengattung selbst handele (Klasse 8: „Rasierapparate, elektrisch oder nicht elektrisch“), so jedenfalls in der einen oder anderen Weise mit einem solchen Volksrasierer in einem bestimmten Zusammenhang stünden, beispielsweise die durchgeführten Preisvergleiche dazu dienen könnten, einen solchen (preisgünstigen) Volksrasierer zu finden. Jede Vorstellung über den Bezug zwischen dem Anmeldezeichen und den damit gekennzeichneten Waren und Dienstleistungen werde in irgendeiner Weise sachbezogen sein, so dass der Begriff nicht als betrieblicher Herkunftshinweis verstanden werde. Auch die grafische Gestaltung verleihe dem Anmeldezeichen keine Unterscheidungskraft. Bei der unterschiedlichen farbigen Gestaltung des Hintergrundes der einzelnen Wortbestandteile unter Verwendung der Signalfarbe Rot und der rechteckigen Umrahmung des Gesamtzeichens handele es sich um verbreitete, werbeübliche Gestaltungsmittel, mit denen lediglich die durch die Wortbestandteile verkörperte (Werbe-)Botschaft für den Verkehr leicht wahrnehmbar gestaltet werden solle. Auch die Eintragung der entsprechenden Bildmarke
(306 73 949) führe entgegen der Auffassung der Anmelderin zu keiner anderen Beurteilung, da bei Würdigung des hier angemeldeten Gesamtzeichens diese grafische Gestaltung vollkommen in den Hintergrund trete, so dass sie nicht als Herkunftshinweis dienen könne. Ebenso wenig schutzbegründend für das Anmeldezeichen könne auch die Eintragung der Gemeinschaftsmarke
(CTM 005514443) sein, da die Kennzeichnungskraft und damit auch der Schutzumfang des Wortbestandteils „Volks-“ in Alleinstellung vollkommen anders sei, als bei einem mit diesem Bestandteil zusammengesetzten Gesamtbegriff. Die für die Anmelderin bereits eingetragenen gleichgebildeten Marken der „Volks“-Markenserie könnten - auch unter Berücksichtigung der Entscheidung des EuGH vom 12. Februar 2009 (verbundene Rechtssachen C-39/08 und C-43/08 - Volks.Handy, Volks.Camcorder, Volks.Kredit und SCHWABENPOST) - an der fehlenden Eintragbarkeit des Anmeldezeichens nichts ändern, da das DPMA nicht verpflichtet sei, sich mit vergleichbaren Voreintragungen zu befassen. Zur Begründung seiner diesbezüglichen Rechtsauffassung bezieht sich das DPMA auf die Entscheidung des BPatG 33 W (pat) 52/08 - Burg Lissingen.
Nachdem die Anmelderin mit Schreiben vom 20. Januar 2011 auf die angemeldeten Waren der Klasse 8 verzichtet hat, wurde nach entsprechender Teillöschung durch das DPMA als neue Leitklasse für die Anmeldung die Klasse 35 bestimmt (Bl. 37 VA).
Gegen den o. g. Beschluss richtet sich die Beschwerde der Anmelderin, mit der sie sinngemäß beantragt,
den Beschluss des DPMA vom 4. Januar 2011 aufzuheben.
Der Beschwerde liegt senatsbekannt aus neun Parallelverfahren (29 W (pat) 195/10 u. a.), in denen ausführlich vorgetragen und mündlich erörtert wurde, folgendes Vorbringen der Beschwerdeführerin zugrunde:
Ein Kernpunkt ihrer geschäftlichen Tätigkeit sei die crossmediale Zusammenarbeit mit anderen Unternehmen zur Bewerbung, Vertreibung und zum Absatz von sogenannten „Volks-Produkten“. Seit 2002 führe sie - die Beschwerdeführerin, eine 100 %ige Tochter des deutschen Konzerns Axel Springer AG - sogenannte „Volks-Aktionen“ durch, im Rahmen derer sie und ihr jeweiliger Kooperationspartner gemeinsam ein Produkt auswählten, welches dann exklusiv als „Volks-Produkt“ herausgebracht werde. Sie habe in der Zeit von September 2002 bis November 2010 über 100 solcher „Volks-Aktionen“ durchgeführt. Neben der Konzeption und den jeweiligen Namen/Logos bringe sie ihrerseits eine besondere Werbeleistung in die Kooperation ein, indem sie die - von ihrem jeweiligen Kooperationspartner eingebrachten - Produkte umfangreich in Zeitungsbeilagen, gegenseitigen Anzeigen in der BILD-Zeitung, der „BILD am Sonntag“ sowie anderen Titeln der Axel Springer AG, auf dem eigenen Internetportal und in diversen anderen Medien bewerbe.
Bis Ende Oktober 2010 seien 54 gleichgebildete „Volks“-Marken beim DPMA registriert worden, daneben eine Vielzahl von entsprechenden Gemeinschaftsmarken. Die Marken seien jeweils aus dem Bestandteil „Volks“ und der Gattungsbezeichnung, die das konkrete Produkt beschreibe, sowie in einer dem Corporate Identity der BILD entsprechenden bildlichen Ausgestaltung zusammengesetzt. Die im Streit stehende Marke reihe sich zwanglos in die bekannte „Volks“-Markenserie ein. Ein besonderes Kennzeichen der „Volks“-Markenserie sei die unmittelbar erkennbare Verwandtschaft zur Stammmarke
(30135695) der Axel Springer AG. Die in allen Marken der Serie wiederkehrende bildliche Gestaltung (rot-schwarzer Balken, der Begriff „Volks“ auf rotem Hintergrund, sowie eine Gattungsbezeichnung auf schwarzem Hintergrund) spreche für die Wiedererkennbarkeit der einzelnen Marken sowie die Zuordnung zu ihrem Herkunftsbetrieb.
II.
Der Eintragung des vorliegenden Wort-/Bildzeichens als Marke gemäß §§ 33 Abs. 2, 41 MarkenG steht kein absolutes Schutzhindernis, insbesondere auch nicht das der fehlenden Unterscheidungskraft oder des Freihaltebedürfnisses nach § 8 Abs. 2 Nr. 1 oder Nr. 2 MarkenG, entgegen.
1. Unterscheidungskraft im Sinne des § 8 Abs. 2 Nr. 1 MarkenG ist die einem Zeichen innewohnende (konkrete) Eignung, vom Verkehr als Unterscheidungsmittel aufgefasst zu werden, welches die in Rede stehenden Waren oder Dienstleistungen als von einem bestimmten Unternehmen stammend kennzeichnet und diese Waren oder Dienstleistungen somit von denjenigen anderer Unternehmen unterscheidet (BGH GRUR 2006, 850, 854 Rdnr. 18 - FUSSBALL WM 2006; 2008, 1093, 1094 Rdnr. 13 - Marlene-Dietrich-Bildnis I). Denn die Hauptfunktion der Marke besteht darin, die Ursprungsidentität der gekennzeichneten Waren oder Dienstleistungen zu gewährleisten. Da allein das Fehlen jeglicher Unterscheidungskraft ein Eintragungshindernis begründet, ist ein großzügiger Maßstab anzulegen, so dass jede auch noch so geringe Unterscheidungskraft genügt, um das Schutzhindernis zu überwinden (BGH a. a. O. - FUSSBALL WM 2006; a. a. O. - Marlene-Dietrich-Bildnis I; GRUR 2009, 411 Rdnr. 8 - STREETBALL; 778, 779 Rdnr. 11 - Willkommen im Leben; 949 f. Rdnr. 10 - My World). Wortmarken besitzen dann keine Unterscheidungskraft, wenn ihnen die maßgeblichen Verkehrskreise lediglich einen im Vordergrund stehenden beschreibenden Begriffsinhalt zuordnen (vgl. u. a. EuGH GRUR 2004, 674, 678 Rdnr. 86 - Postkantoor; BGH GRUR 2001, 1153 - anti KALK; GRUR 2005, 417, 418 - BerlinCard; a. a. O. Rdnr. 19 - FUSSBALL WM 2006; GRUR 2009, 952, 953 Rdnr. 10 - DeutschlandCard) oder wenn diese aus gebräuchlichen Wörtern oder Wendungen der deutschen Sprache oder einer geläufigen Fremdsprache bestehen, die - etwa wegen einer entsprechenden Verwendung in der Werbung oder in den Medien - stets nur als solche und nicht als Unterscheidungsmittel verstanden werden (vgl. u. a. BGH GRUR 2001, 1043, 1044 - Gute Zeiten - Schlechte Zeiten; BGH GRUR 2003, 1050, 1051 - Cityservice; a. a. O. - FUSSBALL WM 2006). Besteht eine Marke aus mehreren Elementen, ist bei der Beurteilung der Unterscheidungskraft von der Gesamtheit der Marke auszugehen (BGH GRUR 2001, 162, 163 - RATIONAL SOFTWARE CORPORATION; a. a. O. - anti Kalk; GRUR 2011, 65 Rdnr. 10 - Buchstabe T mit Strich). Dabei hat sich die Prüfung darauf zu erstrecken, ob die Marke als solche, jedenfalls mit einem ihrer Elemente, den (geringen) Anforderungen an die Unterscheidungskraft genügt.
2. Nach diesen Grundsätzen kann vorliegend - entgegen der vom DPMA vertretenen Auffassung - nicht festgestellt werden, dass das verfahrensgegenständliche Wort-/Bildzeichen dem Schutzhindernis nach § 8 Abs. 2 Nr. 1 MarkenG unterliegt.
Das angemeldete Zeichen, das sich aus Wort- und Bildelementen zusammensetzt, weist in seiner Gesamtheit keinen für die beanspruchten Waren und Dienstleistungen im Vordergrund stehenden beschreibenden Begriffsgehalt auf. Ein beschreibender Sinngehalt seiner Einzelbestandteile wird jedenfalls durch den eigenartigen Gesamtbegriff und die - die Mindestanforderungen an das Vorliegen einer noch so geringen Unterscheidungskraft erfüllende - grafische Ausgestaltung so weit überlagert, dass der Marke in ihrer Gesamtheit die erforderliche Unterscheidungskraft nicht mehr abgesprochen werden kann.
a) Der Text des angemeldeten Zeichens enthält die beiden in der deutschen Sprache geläufigen Wortelemente „Volks“ und „Rasierer“, die durch einen Punkt getrennt sind.
aa) „Volks“ ist der Genitiv des Substantivs „Volk“, welches eine „durch gemeinsame Kultur, Geschichte (und Sprache) verbundene große Gemeinschaft von Menschen“ bzw. die „Masse der Angehörigen einer Gesellschaft, der Bevölkerung eine Landes, eines Staates“ bezeichnet (Duden - Deutsches Universalwörterbuch, 6. Aufl. 2006 [CD-ROM]). In der deutschen Sprache gibt es eine Reihe von geläufigen Begriffen, die aus einem Substantiv mit einem vorangestelltem „Volks-“ gebildet sind. Diese zusammengesetzten Begriffe lassen sich in fünf Gruppen einteilen:
(1) Begriffe, bei denen dem Bestandteil „Volks-“ die Bedeutung „für alle/jedermann, von allen/jedermann, allen/jedermann zugänglich, alle/jedermann betreffend, sich an alle/jedermann wendend, von allen/jedermann ausgeübt“ zukommt, wie „Volksaufstand, Volksbelustigung, Volksbrauch, Volksbücherei, Volkseinkommen, Volksempfinden, Volksfeind, Volksfest, Volksgemeinschaft, Volksgesundheit, Volksglaube, Volksheld, Volkshochschule, Volksnahrungsmittel, Volksschule, Volksseele, Volksseuche, Volkssport, Volkssprache, Volksstamm, Volkstracht, Volkstrauertag, Volkswirtschaft“ (vgl. Duden - Deutsches Universalwörterbuch a. a. O.; Wortschatzportal Universität Leipzig, http://wortschatz.uni-leipzig.de).
(2) Begriffe mit politischer Bedeutung, wie „Volksabstimmung, Volksarmee, Volksbefragung, Volksbegehren, Volksdemokratie, Volksentscheid, Volksfront, Volkspartei, Volkssouveränität“ (vgl. Duden - Deutsches Universalwörterbuch a. a. O.).
(3) Begriffe, bei denen der Bestandteil „Volks-“ auf etwas hinweist, das volkstümlich bzw. vom Geist und von der Überlieferung des Volkes geprägt oder getragen ist, wie „Volksdichtung, Volkskunst, Volkslied, Volksmedizin, Volksmärchen, Volksmund, Volksstück“ (vgl. Duden - Deutsches Universalwörterbuch a. a. O.). Volkstümlich bedeutet „in seiner Art dem Denken und Fühlen des Volkes entsprechend, entgegenkommend“ bzw. „dem Volk eigen“, „populär, gemeinverständlich“ (Duden - Deutsches Universalwörterbuch a. a. O.). Es beinhaltet nicht das Verständnis von „einfaches/gehobenes Volk“ bzw. „Schichten“.
(4) Nur bei einem dieser zusammengesetzten Begriffe weist der Bestandteil „Volks-“ einen Bezug zu sozialen Schichten auf, nämlich „Volkstheater“ mit der Bedeutung „Theater, das (im Unterschied zum höfischen Theater) inhaltlich und finanziell von allen sozialen Schichten getragen wird (Duden - Deutsches Universalwörterbuch a. a. O.).
(5) Vereinzelt und lediglich bei veralteten Begriffen kommt dem vorangestellten Element „Volks-“ die Bedeutung „günstig, billig, preiswert“ zu, wie etwa bei dem (veralteten) Begriff „Volksausgabe“ mit der Bedeutung „einfach ausgestattete, preiswerte Buchausgabe“ (Duden - Deutsches Universalwörterbuch a. a. O.). Die sogenannten „Volksprodukte“ aus der Zeit des Dritten Reiches, wie „Volkswagen“ und „Volksempfänger“, implizierten zwar, dass die Ware preiswert und für jedermann erschwinglich war und die niedrigen Preise diese Produkte für jedermann zugänglich machen sollten (vgl. Aufsatz „Luxus fürs Volk“ vom 16. Dezember 2003 von Prof. Dr. König, TU Berlin, www.uni-protokolle.de/nachrichten/text/27195/); sie wurden damals als Mittel der Politik zur Sympathieerregung für die Ziele des Dritten Reiches eingesetzt. An Konnotationen aus der Zeit des Dritten Reiches, von der sich die deutsche Bevölkerung seit der Entstehung der Bundesrepublik distanziert hat und die im heutigen deutschen Sprachgebrauch nicht mehr üblich sind, knüpft der Senat nicht an, und dies nicht nur, weil sie ihm veraltet erscheinen, was im Übrigen dadurch belegt wird, dass ein „Volkswagen“ heutzutage teurer ist als manch andere Kraftfahrzeugmodelle.
bb) Das Wort „Rasierer“ ist die umgangssprachliche Bezeichnung für einen „elektrischen Rasierapparat“ (Duden - Deutsches Universalwörterbuch a. a. O.).
cc) Der Punkt zwischen den beiden Wortelementen ist optisch eine Zäsur und darf nicht unbeachtet bleiben. Denn auch ein für sich genommen schutzunfähiger Bestandteil kann für die Schutzfähigkeit des Gesamtzeichens Bedeutung erlangen. Der Umstand, dass ein Bindestrich oder - wie hier - ein Punkt aufgrund seiner orthografischen Funktion vom Verkehr nicht als eigenständiges Zeichen wahrgenommen werden mag, rechtfertigt es nicht, diesen Zeichenbestandteil bei der Prüfung der Schutzfähigkeit des angemeldeten Zeichens unberücksichtigt zu lassen. Da es sich um die Anmeldung eines zusammengesetzten Zeichens handelt, ist maßgeblich, welchen Gesamteindruck der Verkehr mit dem zusammengesetzten Zeichen verbindet (BGH a. a. O. Rdnr. 12 - Buchstabe T mit Strich).
dd) Die beiden Wortbestandteile verbinden sich im Sprachfluss zu dem sprachüblich gebildeten Gesamtbegriff „Volksrasierer“. Dieser Gesamtbegriff ist in den gängigen Lexika und Wortschatzdatenbanken (Duden - Deutsches Universalwörterbuch, a. a. O.; Wortschatzportal Universität Leipzig a. a. O.) nicht nachweisbar und stellt daher eine sprachliche Neuschöpfung dar. Wie eine Recherche des Senats, auch unter www.google.de, ergeben hat, taucht dieser Begriff nur in Verbindung mit der Anmelderin bzw. ihren „Volks-Aktionen“ auf.
Ausgehend von den obigen Feststellungen, dass das vorangestellte Wort „Volks-“ bei zusammengesetzten Substantiven, insbesondere bei solchen, die Gegenstände bzw. Waren bezeichnen, im heutigen Sprachgebrauch überwiegend die Bedeutung „für alle/jedermann“ hat (vgl. „Volksnahrungsmittel“, „Volkstracht“), kann die Wortverbindung „Volksrasierer“ in ihrer Gesamtbedeutung allenfalls dahingehend verstanden werden, dass es sich um einen Rasierer für alle, für jedermann handelt. Jedoch ist im Einzelfall zu prüfen, ob dieser Wortkombination überhaupt ein sinnvoller Aussagegehalt entnommen werden kann.
ee) In Bezug auf die noch beanspruchten Waren und Dienstleistungen ist die angemeldete Wortverbindung in den Verkehrsgewohnheiten der fraglichen Branche jedenfalls keine Sachaussage.
Selbst hinsichtlich der in Klasse 35 beanspruchten „Einzel- und Großhandelsdienstleistungen im Bereich von Waren für die persönliche Pflege, insbesondere Gesichtspflege, auch für den Versandhandel, auch mittels Teleshopping-Sendungen“, die Rasierer zum Gegenstand haben können, lässt sich ein sinnvoller Aussagegehalt der Wortelemente des Anmeldezeichens für das angesprochene breite Publikum nicht feststellen. In dieser Branche wird in den Angeboten für Rasierer differenziert nach Hersteller, der Ausführung als Nass- oder Trockenrasierer bzw. als Netz- oder Akkurasierer, der Art des Schersystems (mehrere Scherköpfe, Einfolienschersystem, beweglicher Scherkopf) sowie besonderen Ausstattungsmerkmalen und Funktionen, zu denen u. a. ein ausklappbarer Langhaarschneider, eine Ladestandsanzeige oder eine Haarauffangkammer gehören (vgl. Angebote für Rasierer unter www.gimahhot.de, www.discount24.de, www.cyberport.de, www.otto.de, www.neckermann.de, www.idealo.de). Es entspricht nach den Rechercheergebnissen nicht den Kennzeichnungsgewohnheiten in dieser Branche, dass sich die Angebote für elektrische Rasierapparate an bestimmte soziologische Zielgruppen (Ober-/Mittel-/Unterschicht) richten, zumal eine solche Festlegung unsinnig wäre und die geschäftlichen Möglichkeiten von solchen Anbietern unnötig einschränken würde. Es gibt auch keine Verkehrsgewohnheit in diesem Bereich, dass Rasierer nur für das deutsche Volk (vgl. „DEM DEUTSCHEN VOLKE“ über dem Reichstag) angeboten werden. Entgegen der vom DPMA vertretenen Auffassung ist der Begriff „Volksrasierer“ auch nicht dahingehend zu verstehen, dass es sich um einen besonders preiswerten, günstigen Rasierer handelt, da dem Element „Volks-“ im heutigen Sprachgebrauch - wie oben dargelegt - nicht (mehr) die Bedeutung von „günstig, billig, preiswert“ zukommt. Selbst wenn man einen solchen Bedeutungsgehalt hier annehmen würde, weist das angemeldete Zeichen trotzdem keinen sinnvollen Aussagegehalt auf, da es sich bei einem Rasierer um keinen Luxusartikel handelt, heutzutage vielmehr (nahezu) jeder sich einen elektrischen Rasierapparat, welchen es bereits ab ca. 25 Euro zu kaufen gibt, leisten kann. Vor diesem Hintergrund macht der Begriff „Volksrasierer“ mit der Bedeutung, dass es sich um einen Rasierer für jedermann handelt, ebenfalls keinen Sinn und legt darüber hinaus den Unsinn einer solchen Aussage dar.
Mangels eines sinnvollen Aussagegehalts der Bezeichnung „Volksrasierer“ in Bezug auf die vorgenannten, beanspruchten Dienstleistungen kann ihr somit nicht jegliche Unterscheidungskraft abgesprochen werden.
Die obigen Ausführungen gelten entsprechend für die weiteren noch beanspruchten Waren und Dienstleistungen in den Klassen 3, 35 und 38, soweit ihnen nicht ohnehin jeglicher Bezug zu Rasierern fehlt.
b) Das angemeldete Zeichen erhält zusätzlich durch die grafische Ausgestaltung die Funktion eines Unterscheidungsmittels.
Grundsätzlich kann einer Wortelemente enthaltenden Bildmarke - unbeschadet einer etwaigen fehlenden Unterscheidungskraft dieser Wortelemente - als Gesamtheit Unterscheidungskraft zugesprochen werden, wenn die grafischen Elemente ihrerseits charakteristische Merkmale aufweisen, in denen der Verkehr einen Herkunftshinweis sieht (BGH GRUR 1991, 136, 137 - NEW MAN; a. a. O. - anti Kalk; EuGH GRUR 2006, 229, 233 Rdnr. 73, 74 - BioID). Dabei vermögen allerdings einfache grafische Gestaltungen oder Verzierungen des Schriftbilds, an die sich der Verkehr etwa durch häufige werbemäßige Verwendung gewöhnt hat, eine fehlende Unterscheidungskraft der Wörter ebenso wenig aufzuwiegen, wie derartige einfache grafische Gestaltungselemente auch für sich wegen fehlender Unterscheidungskraft nicht als Marke eingetragen werden können. Es bedarf vielmehr eines auffallenden Hervortretens der grafischen Elemente, um sich dem Verkehr als Herkunftshinweis einzuprägen (BGH a. a. O. 1153, 1154 - anti Kalk; GRUR 2008, 710, 711 Rdnr. 20 - VISAGE).
aa) Das verfahrensgegenständliche Zeichen zeigt zwei Wortelemente in weißer Farbe und einheitlicher Schriftart auf einem rot/schwarzen Balken mit grauer Umrandung, wobei das Wortelement „Volks“ auf rotem und das Wortelement „Rasierer“ auf schwarzem Hintergrund steht. Das (kleinere) rote und das (größere) schwarze Rechteck innerhalb des Balkens werden durch eine vertikale weiße Linie voneinander getrennt. Diese Linie wird wiederum von einem rechteckigen weißen Punkt, der sich zwischen den beiden Wortelementen an der Textunterkante befindet, durchbrochen.
bb) Diese bildliche Ausgestaltung des Anmeldezeichens genügt noch den an die Unterscheidungskraft zu stellenden (geringen) Mindestanforderungen.
Die einzelnen Gestaltungsmittel, aus denen das vorliegend zu beurteilende Zeichen zusammengesetzt ist - insbesondere die rechteckigen Formen, in denen die Wortelemente untergebracht sind, die Inverswiedergabe der Wortbestandteile (d. h. in Form von weißen Buchstaben auf dunklem farbigen Hintergrund) sowie die Umrahmung der Gesamtmarke - mögen hier je für sich genommen noch als werbeüblich anzusehen sein. Der Beurteilung der Schutzfähigkeit ist jedoch im Rahmen einer Einzelfallbetrachtung die ganz konkrete Gesamtgestaltung zugrunde zu legen; nur sofern diese selbst ebenfalls als werbeüblich anzusehen ist, kommt eine Schutzversagung in Betracht. Die Bedeutung, die einem einzelnen Bestandteil für den Gesamteindruck eines mehrgliedrigen Zeichens zukommt, hängt maßgeblich auch davon ab, in welcher Beziehung er innerhalb der konkreten Gestaltung des jeweiligen Gesamtzeichens zu den übrigen Zeichenbestandteilen steht (BGH GRUR 2011, 148 - Goldhase II). Auch die Komplexität der Gestaltung ist ein Indiz für die Schutzfähigkeit, denn je höher diese ausfällt, umso eher wird der Verkehr geneigt sein, in der grafischen Wiedergabe der Gesamtmarke nicht nur den beschreibenden Inhalt der Wortbestandteile wahrzunehmen, sondern sie als Herkunftshinweis aufzufassen (BPatG 27 W (pat) 32/08 - Neue Post). Eine solche schutzbegründende Komplexität kann vorliegend aber nicht verneint werden. So werden die jeweiligen Hintergründe der Wortbestandteile verschiedenfarbig gehalten; die Gesamtmarke enthält insgesamt vier Farben (rot, schwarz, weiß, grau). Hinzu tritt der in Form eines weißen Rechtecks dargestellte Punkt zwischen den beiden Wortelementen, der die zwischen den Farbfeldern vertikal verlaufende weiße Linie durchbricht, wodurch der Punkt besonders auffällt und charakteristisch wirkt. Die ganz konkrete Zusammenstellung dieser verschiedenen Gestaltungsmittel, auch wenn sie für sich genommen werbeüblich sein mögen, genügt damit noch, um der bildlichen Ausgestaltung des Anmeldezeichens nicht jegliche Unterscheidungskraft absprechen zu können.
cc) Weiter ist zu berücksichtigen, dass für die Beschwerdeführerin von 2004 bis Ende 2010 bereits 62 entsprechend gebildete deutsche Wort-/Bildmarken aus der „Volks“-Markenfamilie u. a. für Dienstleistungen der Klassen 35 und 38 eingetragen sind, die jeweils aus dem Bestandteil „Volks“ und der Gattungsbezeichnung, die das konkrete Produkt beschreibt, sowie einer der Grafik des vorliegenden Zeichens entsprechenden bildlichen Ausgestaltung (rot/schwarzer Balken mit grauer Umrahmung, der Begriff „Volks“ auf rotem Hintergrund, die jeweilige Gattungsbezeichnung auf schwarzem Hintergrund, weiße Buchstaben, weiße Trennlinie, rechteckiger Punkt zwischen den Wortelementen) zusammengesetzt sind, wie u. a. die zuletzt eingetragenen Marken
(30 2008 007 702, eingetragen am 21. April 2008 für Waren und Dienstleistungen der Klassen 25, 35, 38);
(30 2009 000 798, eingetragen am 8. Juli 2009 für Waren und Dienstleistungen der Klasen 25, 35, 38);
(30 2009 000 5672, eingetragen am 1. Juli 2009 für Waren und Dienstleistungen der Klassen 3, 5, 35, 38);
(30 2009 016 935, eingetragen am 27. Oktober 2009 für Waren und Dienstleistungen der Klassen 30, 35, 38);
(30 2009 016 945, eingetragen am 27. Oktober 2009 für Dienstleistungen der Klassen 35, 38, 42);
(30 2009 016 921, eingetragen am 4. November 2009 für Waren und Dienstleistungen der Klassen 20, 35, 38);
(30 2009 068 410, eingetragen am 19. Mai 2010 für Waren und Dienstleistungen der Klassen 3, 5, 35, 38);
(30 2009 061 595, eingetragen am 2. August 2010 für Waren und Dienstleistungen der Klassen 9, 35, 38, 41);
(30 2009 061 597, eingetragen am 2. August 2010 für Waren und Dienstleistungen der Klassen 9, 35. 38, 41).
Die Beschwerdeführerin hat in den o. g. Parallelverfahren glaubhaft dargelegt, dass sie von September 2002 bis Februar 2011 im Rahmen der crossmedialen Zusammenarbeit mit anderen Unternehmen insgesamt 122 sog. „Volks-Aktionen“ durchgeführt hat, die jeweils wenige Wochen angedauert haben (vgl. Übersicht „Volks-Aktionen“ - Stand 7. Februar 2011, Anlage zum Protokoll der mündlichen Verhandlung vom 9. Februar 2011, Bl. 173/174 GA 29 W (pat) 195/10). Neben der Konzeption und den jeweiligen Namen/Logos bringt die Beschwerdeführerin eine besondere Werbeleistung in die Kooperation ein, indem sie die - von ihrem jeweiligen Kooperationspartner eingebrachten - Produkte umfangreich in Zeitungsbeilagen, gegenseitigen Anzeigen in der BILD-Zeitung, der „BILD am Sonntag“ sowie anderen Titeln der Axel Springer AG, auf dem eigenen Internetportal und in diversen anderen Medien bewirbt. Die Absatzzahlen der bisherigen „Volks-Aktionen“ belaufen sich auf insgesamt über … Euro (vgl. Anlage H 8 zum Schriftsatz vom 19. November 2010, Bl. 69/70 GA 29 W (pat) 195/10), insgesamt sind rund … „Volks-Produkte“ verkauft worden, d. h. im Durchschnitt hat jeder zweite Bundesbürger ein solches Produkt erworben. Die Bewerbung von verschiedenen „Volks-Produkten“ ergibt sich aus den von der Beschwerdeführerin vorgelegten Unterlagen (Anzeigen zu verschiedenen „Volks-Aktionen“, Anlage H 12 zum Schreiben vom 7. Februar 2011, Bl. 152 - 161 GA 29 W (pat) 195/10, und Anlage H 17 zum Schriftsatz vom 14. März 2011, Bl. 218 - 235 GA 29 W (pat) 195/10; Pressestimmen zu den Volks-Produkten, Anlage zum o. g. Protokoll, Bl. 175 GA 29 W (pat) 195/10; Plakat zur 100. Volks-Aktion, Anlage zum o. g. Protokoll) und ist dem Senat auch aus eigener Wahrnehmung in den Medien bekannt.
Die ständige Präsenz einer Vielzahl von - insbesondere hinsichtlich Layout, Design, Farbgebung und Struktur - gleichartig aufgebauten Wort-/Bildzeichen aus der „Volks“-Markenfamilie auf dem deutschen Markt seit nunmehr mindestens sieben Jahren rechtfertigt den Schluss, dass sich der Verkehr inzwischen an diese Art der Aufmachung als Kennzeichnung der jeweiligen Produkte gewöhnt hat und darin einen betrieblichen Herkunftshinweis sieht (EuGH GRUR 2010, 228 Rdnr. 59 - Vorsprung durch Technik). Hierfür spricht zudem die erkennbare Verwandtschaft der „Volks“-Marken zur Stammmarke
(30135695) der Axel Springer AG, die Hauptgesellschafterin der Beschwerdeführerin ist, und der offensichtliche Bezug zu der beim deutschen Publikum allgemein bekannten BILD-Zeitung.
dd) Indiziell für die Schutzfähigkeit des Anmeldezeichens spricht, dass die Grafik für sich allein schon als Bildmarke
(306 73 949) eingetragen ist, so dass von einer Schutzfähigkeit der bildlichen Ausgestaltung als solcher ausgegangen werden muss. Es mag sich zwar lediglich um eine Platzhaltermarke handeln, was dem DPMA zweifellos erkennbar sein musste, dennoch kam es zu ihrer Eintragung. Eine Schutzfähigkeit nunmehr zu verneinen, bleibt allein dem Verfahren nach § 50 MarkenG vorbehalten. Dieser grafischen Gestaltung kann daher innerhalb des angemeldeten Gesamtzeichens nicht jegliche Unterscheidungskraft abgesprochen und sie nur als werbemäßig angesehen werden. Abgesehen davon tritt sie auch entgegen der Ansicht des DPMA durch die - nicht sachbezogenen - Wortbestandteile nicht vollkommen in den Hintergrund, sondern ist zumindest als gleichwertig anzusehen (siehe oben unter bb).
Der Senat geht zudem nicht von einem grundsätzlich rechtswidrigen Handeln des DPMA bei der Eintragung dieser Vielzahl von 62 „Volks“-Marken und der obigen Bildmarke aus.
ee) Eine andere Beurteilung folgt auch nicht daraus, dass die angesprochenen Verkehrskreise in dem Anmeldezeichen neben dem Herkunftshinweis auch gleichzeitig eine Werbebotschaft für die damit gekennzeichneten Waren und Dienstleistungen erkennen. Denn zum einen schließen sich die Identifizierungsfunktion der Marke einerseits und die Werbewirkung andererseits nicht aus, zum anderen steht der anpreisende Charakter des Anmeldezeichens nicht derart im Vordergrund, dass der Verkehr ihm nicht mehr einen Herkunftshinweis entnehmen kann (EuGH a. a. O. Rdnr. 44 und 45 - Vorsprung durch Technik; BGH a. a. O. Rdnr. 28 - My World). Die betriebliche Herkunftshinweiswirkung der Marken aus der „Volks“-Markenfamilie ergibt sich für das Publikum insbesondere aus folgenden Faktoren, die zum Teil kumulativ auftreten:
- Die Bewerbung der „Volks-Aktionen“ durch prominente Testpersonen, wie beispielsweise die „Volks-Farbe“ durch Fußball-Weltmeister Andy Brehme, der „Volks-Wanderschuh“ durch Biathlon-Olympiasiegerin Uschi Disl, das „Volks-Los“ durch TV-Moderator Frank Elstner, der „Volks-Rasierer“ durch Ex-Tennisprofi Carl-Uwe Steeb, die „Volks-Arznei“ durch die Skisportlegenden Rosi Mittermaier und Christian Neureuther, das „Volks-Frühstück“ durch Fußball-Weltmeister Karl-Heinz Riedle und die „Volks-Fernbedienung“ durch TV-Moderator Hendrik Hey. Hieraus entnimmt der Verkehr einen Qualitätshinweis, da die Prominenten das Produkt laut den Anzeigen getestet haben und hiervon überzeugt („begeistert“) sind.
- Ein günstiger (Aktions-)Preis, wie beispielsweise das „Volks-Profispray“ zum „Aktionspreis: 5,49 €“, die „Volks-Fernbedienung“ zum „Aktionspreis: 24,99 €“, der „Volks-Wanderschuh“ für „nur 79,75 €“, der „Volks-Rasierer“ als „unschlagbares Ass zum fairen Preis von nur 99,00 €“; das „Volks-Telefon“ als „Höchstkomfort zum Niedrigpreis ... nur 59,99 €“, die „Volks-Zahnbürste“ für „€ 29,99 statt € 44,99“, das „Volks-Sandwich nur für kurze Zeit zum Probierpreis 2,22 €“ das „Volks-Notebook“ für „nur 449 €“.
- Eine Zugabe zum eigentlichen Produkt bzw. eine Sonderabgabegröße, wie z. B. bei der „Volks-Farbe“, bei der es zu jedem 750 ml Aktionsgebinde eine Magnetfahne fürs Auto gratis dazu gibt, beim „Volks-Profispray“ mit 300 ml Inhalt „+ 30 ml EXTRA“, bei der „Volks-Versicherung“, bei der es beim Beratungsgespräch einen MP4-Player gratis gibt, beim „Volks-Menü“ mit „+ 1 von 4 Design-Gläsern nach Wahl“, bei der „Volks-Arznei … mit den besonderen Extras: Kräutertee + Honig + Honig-Löffel“ bzw. „nur jetzt mit dem gratis Designer-Teeglas“, oder beim „Volks-Notebook“, bei dessen Kauf man eine Notebook-Tasche oder einen Rucksack zum „einmaligen Vorzugspreis von jeweils nur 29,90 €“ erhält.
- Besondere Ausstattungsmerkmale bzw. Leistungsinhalte, wie die „Volks-Versicherung“ mit „mehr Sicherheit dank 110 %iger Beitragsgarantie“, das „Volks-Los“ mit „zusätzlichen Gewinnchancen für alle“, das „Volks-Telefon … jetzt mit dem neuen KX-TG7521“, das „neue Volks-Sandwich“ mit „der Extraportion Vollkorn-Geschmack“, das „Volks-Frühstück“ mit „SuperSnack und Kaffee“ oder das „Volks-Notebook“, bei dem der Kunde ohne Aufpreis aus acht verschiedenen Abdeckungen wählen kann.
- Der jeweils gut sichtbare Hinweis in den Anzeigen und auf den Waren, dass es sich um „Eine gemeinsame Volks-Aktion von … (dem jeweiligen Kooperationspartner und) Bild.de“ handelt (vgl. zu den obigen Ausführungen insgesamt die von der Beschwerdeführerin vorgelegten Anzeigen zu verschiedenen Volks-Aktionen, Bl. 152 - 169 und Bl. 218 - 235 GA 29 W (pat) 195/10, sowie die Pressestimmen zu den Volks-Produkten S. 13, 17, 18, 20, 24, 28, 30, 32, 34, 36. 38, 58, Anlage zum o. g. Protokoll).
Die o. g. Faktoren vermitteln dem angesprochenen Publikum den Eindruck, dass die jeweiligen Produkte nicht lediglich von dem hinter Bild.de stehenden Unternehmen werbemäßig empfohlen werden, sondern dieses vielmehr auch Einfluss auf deren Auswahl und Besonderheiten hat verbunden mit der Botschaft, dass es das jeweilige Produkt nur im Rahmen seiner Volks-Aktionen zu diesem Preis bzw. mit den besonderen Dreingaben und/oder Ausstattungsmerkmalen gibt. Damit verfügen die Zeichen der „Volks“-Markenserie über die Eignung, die damit gekennzeichneten Produkte als solche eines bestimmten Unternehmens zu individualisieren.
ff) Darüber hinaus ist auch bei den zur Kennzeichnung der beanspruchten Waren und Dienstleistungen praktisch bedeutsamen und naheliegenden Verwendungsmöglichkeiten des Anmeldezeichens auf der Verpackung der Waren sowie auf Gegenständen, die bei der Erbringung der fraglichen Dienstleistungen zum Einsatz gelangen, wie insbesondere auf der Berufskleidung, auf Geschäftsbriefen und -papieren, Prospekten, Preislisten, Rechnungen, Ankündigungen und Werbedrucksachen, anzunehmen, dass der angesprochene Verkehr das Zeichen ohne weiteres als Marke verstehen wird (BGH GRUR 2010, 825 Rdnr. 21 f. - Marlene-Dietrich-Bildnis II).
Sämtliche oben dargestellten Umstände hat das DPMA bei der Prüfung der Unterscheidungskraft des Anmeldezeichens im vorliegenden Einzelfall nicht gewürdigt.
3. Im Hinblick auf die fehlende Eignung der Wortverbindung des Anmeldezeichens zur unmittelbaren Beschreibung der beanspruchten Waren und Dienstleistungen sowie die unterscheidungskräftige grafische Gestaltung unterliegt das angemeldete Zeichen auch keinem Freihaltebedürfnis nach § 8 Abs. 2 Nr. 2 MarkenG. Denn es wird nicht der Schutz für eine zeichenmäßige Verwendung der Wörter „Volks“ und „Rasierer“ in jedweder Form, sondern nur in der gegebenen grafischen Gestaltung begehrt. Diese bestimmt und beschränkt zugleich den Schutzbereich der beanspruchten Bezeichnung (vgl. BGH a. a. O. - NEW MAN).
Der angefochtene Beschluss war daher aufzuheben.