Bundespatentgericht

Entscheidungsdatum: 20.09.2016


BPatG 20.09.2016 - 29 W (pat) 41/15

Markenbeschwerdeverfahren – "BAYSTARTUP" – Unterscheidungskraft – kein Freihaltungsbedürfnis


Gericht:
Bundespatentgericht
Spruchkörper:
29. Senat
Entscheidungsdatum:
20.09.2016
Aktenzeichen:
29 W (pat) 41/15
Dokumenttyp:
Beschluss
Zitierte Gesetze

Tenor

In der Beschwerdesache

betreffend die Markenanmeldung 30 2014 063 000.1

hat der 29. Senat (Marken-Beschwerdesenat) des Bundespatentgerichts im schriftlichen Verfahren am 20. September 2016 unter Mitwirkung der Vorsitzenden Richterin Dr. Mittenberger-Huber, der Richterin Akintche und des Richters Dr. von Hartz

beschlossen:

Auf die Beschwerde der Anmelderin wird der Beschluss der Markenstelle für Klasse 35 des Deutschen Patent- und Markenamts vom 6. Mai 2015 aufgehoben.

Gründe

I.

1

Die Bezeichnung

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BAYSTARTUP

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ist am 17. Oktober 2014 zur Eintragung als Marke in das beim Deutschen Patent- und Markenamt (DPMA) geführte Register für die folgenden Waren und Dienstleistungen angemeldet worden:

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Klasse 16: Papier, Pappe [Karton] und Waren aus diesen Materialien, soweit in Klasse 16 enthalten; Druckereierzeugnisse; Buchbinderartikel; Fotographien; Lehr- und Unterrichtsmittel [ausgenommen Apparate]; Verpackungsmaterial aus Kunststoff soweit in Klasse 16 enthalten; Drucklettern;

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Klasse 35: Werbung; Geschäftsführung; Unternehmensverwaltung; Büroarbeiten; Auskünfte in Geschäftsangelegenheiten; Beratung bei der Organisation und Führung von Unternehmen; Beratungsdienste in Fragen der Geschäftsführung; Beschaffungsdienstleistungen für Dritte; Erwerb von Waren und Dienstleistungen für andere Unternehmen; betriebswirtschaftliche Beratung; Büroarbeiten; Dienstleistungen einer Werbeagentur; Erstellung von betriebswirtschaftlichen Gutachten und von Geschäftsgutachten; Hilfe bei der Führung von gewerblichen oder Handelsbetrieben; Informationen in Geschäftsangelegenheiten; Nachforschungen in Geschäftsangelegenheiten; Organisation und Durchführung von Werbeveranstaltungen, von Ausstellungen und Messen für wirtschaftliche und Werbezwecke; Organisationsberatung in Geschäftsangelegenheiten; organisatorische Beratung; Planungen und Hilfe bei der Geschäftsführung; Präsentation von Firmen im Internet und anderen Medien; Publikation von Druckerzeugnissen [auch in elektronischer Form] für Werbezwecke; Sponsorensuche; Unternehmensberatung; Verbreiten und Verfassen von Werbetexten; Vermietung von Werbeflächen im Internet; Vermittlung von Handels- und Wirtschaftskontakten, auch über das Internet; Vermittlung von Verträgen für Dritte, über die Erbringung von Dienstleistungen; Werbung im Internet für Dritte; Beratung und Hilfe bei der Gründung von Unternehmen; Beratung bei der Erstellung von Businessplänen; Vermittlung von Beratern, insbesondere im Zusammenhang mit der Gründung von Unternehmen; Sponsorensuche; Beratung bei der Organisation und Führung von Unternehmen; betriebswirtschaftliche Beratung; Marketing; Öffentlichkeitsarbeit; Interim-Management [Geschäftsführung]; organisatorische und betriebswirtschaftliche Beratungsleistungen in Organisation, Vertrieb, Marketing, Betriebswirtschaft, Controlling, insbesondere für Existenzgründungen und Unternehmensnachfolgen; Unternehmensberatung hinsichtlich Unternehmensgründungen; Marketing, Marktforschung; Marktanalysen; Bürodienstleistungen; Organisationsberatung in allen Geschäftsangelegenheiten;

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Klasse 36: Finanzwesen; Geldgeschäfte; Erteilung von Finanzauskünften; finanzielle Beratung, insbesondere im Zusammenhang mit der Gründung von Unternehmen, finanzielle Förderung; finanzielles Sponsoring; Finanzierungen; Finanzierungsberatung; Investmentberatung; Sammeln von Spenden für Dritte; Vermittlung von Finanzierungen und Krediten, insbesondere für Dritte; Mikrofinanzdienstleistungen; finanzielle Beratung und Vermittlung von Sponsoring und Investoren in finanzieller Hinsicht sowie von Risikokapitalfinanzierungen [Venture Capital]; Vermittlung von finanziellen Unternehmensbeteiligungen;

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Klasse 41: Ausbildung; Coaching; Erziehung; Unterricht; Unterhaltung; sportliche Aktivitäten; kulturelle Aktivitäten; Fortbildung; Herausgabe von Texten, ausgenommen Werbetexte; Organisation und Veranstaltung von Konferenzen, Symposien, Lehrgängen, Schulungen und Kongressen; Personalentwicklung durch Aus- und Fortbildung; Veranstaltung und Durchführung von Wettbewerben, Seminaren und Workshops [Ausbildung]; Berufsberatung; Veranstaltung von Wettbewerben [Erziehung und Unterhaltung].

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Mit Beschluss vom 6. Mai 2015 hat die Markenstelle für Klasse 35 die Anmeldung teilweise, nämlich mit Ausnahme der kursiv gedruckten Waren und Dienstleistungen „Papier, Pappe [Karton] und Waren aus diesen Materialien, soweit in Klasse 16 enthalten; Buchbinderartikel; Verpackungsmaterial aus Kunststoff soweit in Klasse 16 enthalten; Drucklettern“ aus der Klasse 16, „Sammeln von Spenden für Dritte“ der Klasse 36 und „Unterhaltung; sportliche Aktivitäten; kulturelle Aktivitäten“ der Klasse 41, gemäß §§ 37 Abs. 1 und Abs. 5, 8 Abs. 2 Nr. 1 MarkenG zurückgewiesen. Im Umfang der Zurückweisung fehle der Bezeichnung „BAYSTARTUP“ die erforderliche Unterscheidungskraft. Die Wortzusammensetzung sei sprachüblich aus dem Landeskürzel „BAY“ für das Land Bayern, also einer geografischen Angabe, und dem inzwischen in die deutsche Sprache eingegangenen Begriff „STARTUP“ für neu gegründete Wirtschaftsunternehmen gebildet. Der Verkehr werde das Zeichen daher nur als sachbezogene Angabe, nämlich dahingehend verstehen, dass es sich bei den zurückgewiesenen Waren und Dienstleistungen um solche handele, die einen Bezug zu Neugründungen von Wirtschaftsunternehmen in Bayern hätten, dafür erbracht oder von diesen für ihre Arbeit benötigt würden. Unerheblich sei, ob der angemeldete Begriff lexikalisch nachweisbar sei oder häufig verwendet werde. Eine schutzbegründende Mehrdeutigkeit sei ebenfalls nicht ersichtlich; es reiche aus, wenn eine der denkbaren Bedeutungen beschreibend sei, fernliegende Bedeutungen – wie hier etwa eine englische Bedeutung für den Bestandteil „BAY“ im Sinne von „Bucht, Seitenbahnsteig, Erker“ – könnten außer Betracht bleiben. Die Zusammenschreibung ändere an der Verständlichkeit des Zeichens nichts und sei in der Werbung üblich. Folglich gebe das Anmeldezeichen im Umfang der zurückgewiesenen Waren und Dienstleistungen keinen Hinweis auf ein bestimmtes Unternehmen, sondern weise insoweit direkt, in glatt beschreibender Form auf deren Art, Thema, angesprochene Kreise, Bestimmungszweck und geografischen Bezug hin.

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Gegen diesen Teilzurückweisungsbeschluss richtet sich die Beschwerde der Anmelderin.

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Sie ist der Auffassung, dass das angemeldete Zeichen ein Fantasiebegriff sei; weder in der deutschen noch in der englischen Sprache gebe es das Wort „BAYSTARTUP“. Der deutsche Durchschnittsverbraucher werde gegebenenfalls versuchen, zunächst in kleineren Buchstabengruppen einen Sinn zu ergründen, wie z. B. in „BAY“, „STAR“, „START“, „ART“, „TUP“ und „UP“. Die Schlussfolgerung der Markenstelle, wonach es sich bei dem Anmeldezeichen lediglich um eine Wortzusammensetzung aus „BAY“ und „STARTUP“ handle, sei zu eng. Vielmehr führe die Aufspaltung der Buchstabenkombination zu mehreren Wörtern mit zunächst unterschiedlichen Bedeutungen und Interpretationsmöglichkeiten und es bedürfe mehrerer gedanklicher Schritte, um die Begriffskombination „start-up“ zu erfassen. Zudem werde das Wort „BAY“ gerade nicht als Abkürzung für Bayern erkannt – zumal in offiziellen Bundesländerverzeichnissen Bayern mit dem Kürzel „BY“ geführt werde –, sondern stattdessen in seiner englischen Bedeutung als „Golf“ oder „Bucht“. Die Beschwerdeführerin verweist schließlich auf eingetragene Marken mit dem Bestandteil „BAY“/„bay“, in denen das Wort als englischer Begriff verwendet werde.

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Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf den Akteninhalt Bezug genommen.

II.

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Die nach § 66 MarkenG zulässige Beschwerde hat auch in der Sache Erfolg. Der Eintragung des Zeichens „BAYSTARTUP“ stehen für die verfahrensgegenständlichen Waren und Dienstleistungen entgegen der Auffassung der Markenstelle keine Schutzhindernisse gemäß §§ 37 Abs. 1, 8 Abs. 2 MarkenG entgegen.

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1. Dem Anmeldezeichen fehlt es insbesondere nicht an der erforderlichen Unterscheidungskraft im Sinne des § 8 Abs. 2 Nr. 1 MarkenG.

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a) Unterscheidungskraft im Sinne des § 8 Abs. 2 Nr. 1 MarkenG ist die einer Marke innewohnende (konkrete) Eignung, vom Verkehr als Unterscheidungsmittel aufgefasst zu werden, das die in Rede stehenden Waren und Dienstleistungen als von einem bestimmten Unternehmen stammend kennzeichnet und diese Waren oder Dienstleistungen somit von denjenigen anderer Unternehmen unterscheidet (EuGH GRUR 2010, 228 Rn.  33 – Audi AG/ HABM [Vorsprung durch Technik]; GRUR 2008, 608 Rn. 66 f. – EUROHYPO; BGH GRUR 2016, 934 Rn. 9 – OUI; GRUR 2015, 173, 174 Rn. 15 – for you; GRUR 2013, 731 Rn. 11 – Kaleido; GRUR 2012, 1396 – Starsat). Denn die Hauptfunktion der Marke besteht darin, die Ursprungsidentität der gekennzeichneten Waren und Dienstleistungen zu gewährleisten (EuGH a. a. O. – Audi AG/ HABM [Vorsprung durch Technik]; BGH a. a. O. – OUI; a. a. O. – for you). Da allein das Fehlen jeglicher Unterscheidungskraft ein Eintragungshindernis begründet, ist ein großzügiger Maßstab anzulegen, so dass jede auch noch so geringe Unterscheidungskraft genügt, um das Schutzhindernis zu überwinden (BGH a. a. O. – OUI; a. a. O. – for you). Ebenso ist zu berücksichtigen, dass der Verkehr ein als Marke verwendetes Zeichen in seiner Gesamtheit mit allen seinen Bestandteilen so aufnimmt, wie es ihm entgegentritt, ohne es einer analysierenden Betrachtungsweise zu unterziehen (EuGH GRUR 2004, 428 Rn. 53 – Henkel; BGH a. a. O. Rn. 10 – OUI; a. a. O. Rn. 16 – for you; BGH GRUR 2001, 1151 – marktfrisch; MarkenR 2000, 420 – RATIONAL SOFTWARE CORPORATION).

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Maßgeblich für die Beurteilung der Unterscheidungskraft zum relevanten Anmeldezeitpunkt (BGH GRUR 2013, 1143 Rn. 15 – Aus Akten werden Fakten) sind einerseits die beanspruchten Waren oder Dienstleistungen und andererseits die Auffassung der beteiligten inländischen Verkehrskreise, wobei auf die Wahrnehmung des Handels und/oder des normal informierten, angemessen aufmerksamen und verständigen Durchschnittsverbrauchers der fraglichen Waren oder Dienstleistungen abzustellen ist (EuGH GRUR 2006, 411 Rn. 24 – Matratzen Concord/Hukla; GRUR 2004, 943 Rn. 24 – SAT 2; BGH WRP 2014, 449 Rn. 11 – grill meister).

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Ausgehend hiervon besitzen Wortzeichen dann keine Unterscheidungskraft, wenn ihnen die angesprochenen Verkehrskreise lediglich einen im Vordergrund stehenden beschreibenden Begriffsinhalt zuordnen (EuGH GRUR 2004, 674, Rn. 86 – Postkantoor; BGH GRUR 2012, 1143 Rn. 9 – Starsat; GRUR 2012, 270 Rn. 11 – Link economy) oder wenn diese aus gebräuchlichen Wörtern oder Wendungen der deutschen Sprache oder einer geläufigen Fremdsprache bestehen, die – etwa wegen einer entsprechenden Verwendung in der Werbung oder in den Medien – stets nur als solche und nicht als Unterscheidungsmittel verstanden werden (BGH GRUR 2014, 872 Rn. 21 – Gute Laune Drops; GRUR 2010, 1100 Rn. 20 – TOOOR!). Darüber hinaus besitzen keine Unterscheidungskraft vor allem auch Zeichen, die sich auf Umstände beziehen, welche die beanspruchten Waren und Dienstleistungen zwar nicht unmittelbar betreffen, durch die aber ein enger beschreibender Bezug zu diesen hergestellt wird und die sich damit in einer beschreibenden Angabe erschöpfen (BGH GRUR 2014, 1204 Rn. 16 – DüsseldorfCongress; a. a. O. Rn. 16 – Gute Laune Drops; a. a. O. Rn. 23 – TOOOR!). Hierfür reicht es aus, dass ein Wortzeichen, selbst wenn es bislang für die beanspruchten Waren und Dienstleistungen nicht beschreibend verwendet wurde oder es sich gar um eine sprachliche Neuschöpfung handelt, in einer seiner möglichen Bedeutungen ein Merkmal dieser Waren und Dienstleistungen bezeichnen kann (EuGH GRUR 2004, 146 Rn. 32 – DOUBLEMINT; 674 Rn. 97 – Postkantoor; GRUR 2004, 680 Rn. 38 – BIOMILD; GRUR 2003, 58 Rn. 21 – Companyline); dies gilt auch für ein zusammengesetztes Zeichen, das aus mehreren Begriffen besteht, die nach diesen Vorgaben für sich genommen schutzunfähig sind. Der Charakter einer Sachangabe entfällt bei der Zusammenfügung beschreibender Begriffe jedoch dann, wenn die beschreibenden Angaben durch die Kombination eine ungewöhnliche Änderung erfahren, die hinreichend weit von der Sachangabe wegführt (EuGH MarkenR 2007, 204 Rn. 77 f. – CELLTECH; a. a. O. Rn. 98 – Postkantoor; a. a. O. Rn. 39 f. – BIOMILD; a. a. O. Rn. 28 – SAT 2; BGH, a. a. O. – DüsseldorfCongress).

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b) Gemessen an den vorgenannten Grundsätzen verfügt die angemeldete Bezeichnung „BAYSTARTUP“ auch in Bezug zu den von der Markenstelle zurückgewiesenen Waren und Dienstleistungen gerade noch über das erforderliche Mindestmaß an Unterscheidungskraft.

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aa) Entgegen der Auffassung der Beschwerdeführerin drängt sich allerdings bezüglich der Buchstabenfolge „STARTUP“ nur die Bedeutung als neu gegründetes Unternehmen auf und dies nicht nur bei denjenigen Dienstleistungen, die sich ausdrücklich auf Unternehmensgründungen beziehen; andere Lesarten sind fern liegend. Der Begriff „Start-up“ mag im „DUDEN Wörterbuch der Deutschen Sprache“ nur in der Schreibweise mit Bindestrich erfasst sein, worauf die Beschwerdeführerin zutreffend hinweist. Gleichwohl ist der Begriff auch in anderen Schreibweisen – z. B. Startup, Start Up, Start-Up –, mithin insbesondere auch in Zusammenschreibung, allgemein gebräuchlich (vgl. Wahrig Deutsches Wörterbuch, 8. Aufl. 2006, Stichwort: Start-up auch Startup; Lexikon Gründerszene unter www.gruenderszene.de, Definition Startup). Dass „STARTUP“ für die hier maßgeblichen Waren und Dienstleistungen beschreibend ist, dürfte außer Frage stehen. Sofern schließlich die vorangestellte Buchstabenfolge „BAY“ als Abkürzung für das Bundesland Bayern aufgefasst würde, wäre es ebenfalls als geografische Angabe beschreibend. Der Bedeutung „bayerische Unternehmensneugründung“ bzw. „bayerisches Startup(-Unternehmen)“ ist dann auch ein Sachhinweis zu entnehmen.

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Diese rein formale Betrachtung greift jedoch zu kurz.

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bb) Soweit die Markenstelle nämlich davon ausgeht, dass es sich auch bei dem angemeldeten Wortzeichen BAYSTARTUP in der konkreten Schreibweise um eine für den Verkehr ohne weiteres erkennbare Kombination aus zwei unmittelbar beschreibenden Bestandteilen handelt und daher ein beschreibender Aussagegehalt im Vordergrund steht, wird eine derartige Betrachtung der Bezeichnung in ihrer Gesamtheit nicht gerecht. Dass der angesprochene Verkehr in der Buchstabenfolge „BAY“ ohne Zwischenschritte zwanglos das Länderkürzel für Bayern sieht, das zudem sprachüblich mit „STARTUP“ verbunden sein soll, hat die Markenstelle nämlich nur behauptet, aber in keiner Weise belegt. Ausreichende Anhaltspunkte für eine solche Auffassung sind auch nicht erkennbar.

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Die dem Begriff „STARTUP“ unmittelbar vorangestellte Buchstabenfolge „BAY“ bzw. das Wort „BAY/Bay/bay“ hat unterschiedlichste Bedeutungen.

22

Als englisches Wort wird „BAY“ bzw. „Bay/bay“ unter anderem mit „Bucht, Golf, Brauner (Pferd), Seitenbahnsteig, Erker, Arbeitsfeld“ übersetzt (vgl. LEO Wörterbuch Englisch-Deutsch unter dict.leo.org; PONS Online Wörterbuch Englisch-Deutsch). Der Begriff steht ferner für ein Myrtengewächs, eine Station der Toronto Subway, eine besondere Flöte aus Nepal und einen altägyptischen Schatzmeister; des Weiteren ist „Bay“ sowohl Nachname wie auch Vorname (vgl. hierzu Wikipedia, Begriffserklärung zu „Bay“, dortige Auflistung bekannter, auch deutscher, Namensträger sowie Vornamenlexikon unter www.babyclub.de). Nicht zuletzt ist „Bay“ der Name bzw. Namensbestandteil zahlreicher geografischer Orte (insbesondere in den USA).

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In „Sokoll Handbuch der Abkürzungen“, einem umfangreichen Abkürzungshandbuch für alle Bibliotheken, Institute, Industriebetriebe und Verwaltungen wird „BAY“ unter anderem als Abkürzung für „Baia Mare“ (Flughafen in Rumänien nach dem IATA-Code), „Bay Financial Corporation/USA“, „Bayonet“, „Bay Public Library/USA“ und „Bayrock Utility Securities, Inc./USA“ genannt.

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Demgegenüber ist die Buchstabenfolge „BAY“ in Großschreibung nicht die offizielle Abkürzung für Bayern; das Länderkürzel für „Bayern“ ist „BY“ bzw. „DE-BY“ (vgl. zu Abkürzungen der Bundesländer unter www.bmel-statistik.de; www.abkuerzungen.biz; Online-Lexikon Wikipedia zu: Liste der ISO 3166-2:DE- Codes für Deutschland). Ferner wird Bayern/bayerisch allgemein mit „Bay.“ bzw. „bay.“ abgekürzt (vgl. z. B. Lexikon der Abkürzungen, Bertelsmann Verlag; Wörterbuch Abkürzungen, garant Verlag; Handbuch der Abkürzungen, Alkos Verlag); auch im juristischen Bereich werden als Abkürzung hierfür „Bay/bay“ verwendet (BayGO, BayVGH, BayBG u. v. m. in Verzeichnis der juristischen Abkürzungen bei beck-shop.de). Die Recherche des Senats hat zudem ergeben, dass die Buchstabenfolge als Abkürzung für das Bundesland Bayern in Großschreibung nur vereinzelt nachweisbar ist (z. B. unter www.natur-lexikon.de zu Der Wald: Waldgebiete). In Wortkombinationen ist „BAY“ allerdings in sachlichem Zusammenhang amtlich, publizistisch oder ansonsten nicht gebräuchlich; hier wird „BAY“ nahezu ausschließlich in kennzeichenmäßiger Weise verwendet (z. B. BAYLAT, Bayerisches Hochschulzentrum für Lateinamerika; BAYARENA, Fußballstadion von Bayer 04 Leverkusen).

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Darüber hinaus ist – anders als die Markenstelle meint – „BAY“ ohne weiteres als englisches Wort für „Bucht“ erkennbar und im Hinblick auf den nachfolgenden, zwar eingedeutschten, aber aus dem Englischen kommenden Fachbegriff „STARTUP“ auch als solches durchaus nahegelegt. Im Zusammenhang mit Startup-Unternehmen mag dem hier angesprochenen Verkehr zudem die Bay Area (Kurzform für die San Francisco Bay Area) bekannt sein, in deren Gegend sich zahlreiche Unternehmen aus dem Bereich neuer Technologien angesiedelt und mittlerweile auch etabliert haben, so beispielsweise auch das Unternehmen eBay. Es kann daher nicht davon ausgegangen werden, dass das eigenständige englische Wort „BAY“ in dem hier zu beurteilenden Kontext, also in Kombination mit einem ursprünglich englischen Begriff, ohne weiteres und ohne gedankliche Zwischenschritte als Abkürzung für „bay./Bay.“ aufgefasst wird.

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Das Anmeldezeichen in seiner Gesamtheit dürfte vielmehr von den hier angesprochenen Verkehrskreisen, bei denen es sich um ein unternehmerisch tätiges Publikum in der Phase der bzw. mit Schwerpunkt Existenzgründung handelt, in einem ersten Schritt als englische Wortkombination „[beɪ] [stɑ:rt] [ʌp]“ erfasst werden. Dies gilt umso mehr als Englisch hier Sach-, Fach- und Werbesprache ist und gerade auch deutsche Startup-Unternehmen in großem Umfang englische Namen wählen (vgl. Auflistung von Startup-Unternehmen auf www.deutsche-startups.de). In der Bedeutung „Bucht-Unternehmensneugründung“ hat das Zeichen aber keine beschreibende Bedeutung, allenfalls wird der angesprochene Verkehr damit beschreibende Assoziationen zu einem Startup-Unternehmen aus der Bay Area verbinden.

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Dass bei „BAYSTARTUP“ in Bezug zu den verfahrensgegenständlichen Waren und Dienstleistungen ein beschreibender Aussagehalt im Sinne von „bayerisches Startup-Unternehmen“ so deutlich und unmissverständlich im Vordergrund steht, dass er für die beteiligten Verkehrskreise unmittelbar und ohne weiteres Nachdenken erkennbar ist, lässt sich nach dem Vorgesagten daher nicht feststellen. Der inländische Verkehr, welcher Kennzeichen regelmäßig in der Gesamtform aufnimmt, in der sie ihm entgegentreten und erfahrungsgemäß wenig geneigt ist, sie begrifflich näher zu analysieren, um beschreibende Bedeutungen herauslesen zu können (vgl. Ströbele in Ströbele/ Hacker, MarkenG, 11. Aufl., § 8 Rn. 180), hat keinen Anlass, in dem Anmeldezeichen in erster Linie eine Kombination aus einer in dieser Form eher unüblichen deutschen Abkürzung, die zudem ein eigenständiges englisches Wort bildet, mit einem ursprünglich englischen Fachbegriff zu erkennen.

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Das von der Markenstelle angenommene Verständnis von BAYSTARTUP als Kombination der Abkürzung für Bayern/bayerisch und der Angabe „Startup“ erschließt sich erst in einem zweiten Schritt, setzt mithin einen analysierenden Zwischenschritt – nämlich den Ausschluss des eigenständigen englischen Begriffs „BAY/Bay“ im Sinne von „Bucht“ – voraus, wobei der Name der Anmelderin (vormals „B… GmbH“) mit Sitz in B… zweifellos Rückschlüsse auf die (beabsichtigte) Bedeutung von „BAY“ zulässt. Der damit verbundene Erkenntnis- und Interpretationsaufwand steht aber der Annahme einer fehlenden Unterscheidungskraft nach § 8 Abs. 2 Nr. 1 MarkenG entgegen (vgl. BGH GRUR 2012, 1143 – Starsat; GRUR 2012, 270 – Link economy). Zudem ist die Beurteilung der Unterscheidungskraft grundsätzlich unabhängig von der Person des Anmelders vorzunehmen (BGH WRP 2006, 475 – Casino Bremen).

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cc) Damit kann dem Anmeldezeichen ein äußerst geringer Schutz letztlich nicht abgesprochen werden. Dem stehen auch Belange der Allgemeinheit nicht entgegen, weil vorliegend der Schutz der Anmeldemarke ihrer Eigenprägung nach auf die ganz konkrete Schreibweise beschränkt ist, also insbesondere nicht gegenüber Kennzeichnungen oder sonstigen Angaben besteht, welche zwar ebenfalls die beiden Wortteile „BAY/Bay“ und „STARTUP/Startup“ allein oder gemeinsam enthalten, aber nicht die konkrete Schreibweise aufgreifen, so dass bereits eine leicht veränderte Gestaltung der Wortteile, in welchen die Abkürzung „bay./Bay.“ als solche erkennbar bleibt – wie z. B. aufgrund einer getrennten Schreibweise „BAY.-STARTUP“, „bay-STARTUP“, „bay. Startup“ –, der Allgemeinheit weiterhin offen steht (vgl. hierzu BPatG, Beschluss vom 25.02.2016, 30 W (pat) 513/14 – ramuc).

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2. Ein Freihaltebedürfnis gemäß § 8 Abs. 2 Nr. 2 MarkenG ist wegen der fehlenden Eignung zur Beschreibung der verfahrensgegenständlichen Waren und Dienstleistungen ebenfalls nicht gegeben. Denn „BAYSTARTUP“ hat aus den oben dargelegten Gründen keine sich sofort und ohne weiteres erschließende unmittelbar beschreibende Bedeutung.