Bundespatentgericht

Entscheidungsdatum: 20.07.2012


BPatG 20.07.2012 - 29 W (pat) 37/11

Markenbeschwerdeverfahren – "FairStromPlus" – keine Unterscheidungskraft - Anmelderin verfügt über eine ähnliche Wort-Bild-Marke: kein Grund für die Überwindung des absoluten Schutzhindernisses – keine Verkehrsdurchsetzung


Gericht:
Bundespatentgericht
Spruchkörper:
29. Senat
Entscheidungsdatum:
20.07.2012
Aktenzeichen:
29 W (pat) 37/11
Dokumenttyp:
Beschluss
Zitierte Gesetze

Tenor

In der Beschwerdesache

…       

betreffend die Markenanmeldung 30 2009 023 477.9

hat der 29. Senat (Marken-Beschwerdesenat) des Bundespatentgerichts in der Sitzung vom 20. Juli 2012 durch die Vorsitzende Richterin Grabrucker, die Richterin Kortge und die Richterin am Landgericht Uhlmann

beschlossen:

Die Beschwerde wird zurückgewiesen.

Gründe

I.

1

Das Wortzeichen

2

FairStromPlus

3

wurde am 21. April 2009 zur Eintragung in das Markenregister für die folgenden Dienstleistungen angemeldet:

4

Klasse 35:

5

Vermittlung von Verträgen mit Stromlieferanten sowie Lieferanten von Erdgas, Trinkwasser und Fernwärme; Verbrauchsabrechnung auf den Gebieten Energie- und Wasserversorgung;

6

Klasse 37:

7

Förderung von Erdgas oder Trinkwasser;

8

Klasse 39:

9

Durchleitung und Transport von elektrischem Strom, Fernwärme, Erdgas oder Trinkwasser; Versorgung von Verbrauchern durch Anlieferung von elektrischem Strom, Heizwärme, Gas oder Wasser;

10

Klasse 40:

11

Erzeugung von Strom.

12

Durch Beschlüsse des Deutschen Patent- und Markenamtes vom 22. Oktober 2009 und 12. Januar 2011 wurde die Eintragung wegen fehlender Unterscheidungskraft zurückgewiesen.

13

Das Wortzeichen sei für die beanspruchten Dienstleistungen, die sämtlich in einem unmittelbaren Zusammenhang mit Strom stünden, beschreibend. Es setze sich aus den drei Wörtern "Fair", "Strom" und "Plus" zusammen und vermittle für diese Dienstleistungen die Aussage, dass sie zu fairen Konditionen erbracht würden und zusätzliche Leistungen umfassten. Der Umstand, dass die Wortverbindung lexikalisch nicht nachweisbar sei, verleihe ihr keine Unterscheidungskraft, da die in ihr enthaltene Sachinformation vom Verkehr erkannt werde. Auch die lokale Bekanntheit des Zeichens als Hinweis auf Produkte der Anmelderin im Netzgebiet der Anmelderin genüge für die Eintragungsfähigkeit nicht, da für das Verständnis des Zeichens wegen des nationalen Schutzumfangs der Eintragung auf die allgemeinen Verkehrskreise im Inland abzustellen sei. Auch die von der Anmelderin zitierten Voreintragungen rechtfertigten kein anderes Ergebnis.

14

Hiergegen wendet sich die Beschwerde der Anmelderin, mit der sie sinngemäß beantragt,

15

die Beschlüsse des DPMA vom 22. Oktober 2009 und 12. Januar 2011 aufzuheben.

16

Sie trägt vor, das Zeichen sei als Bestandteil der Produktfamilie der Anmelderin für das angesprochene Publikum ohne weiteres erkennbar. Es sei eine Wortneubildung und damit nicht gebräuchlich. Auch ergebe es keinen klaren Sinn, Produkte wie Strom oder Gas könnten nicht fair sein. Nur die Anmelderin verwende es als Herkunftshinweis. Die Voreintragungen vergleichbarer Zeichen seien nicht hinreichend berücksichtigt.

17

Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf den Akteninhalt Bezug genommen.

II.

18

Die zulässige Beschwerde ist unbegründet.

19

Die Anmelderin hat keinen Anspruch auf Eintragung des angemeldeten Wortzeichens für die beanspruchten Dienstleistungen der Klassen 35, 37, 39 und 40 gemäß §§ 41, 37 Abs. 1, 33 Abs. 2 MarkenG, da der Eintragung das Schutzhindernis der fehlenden Unterscheidungskraft nach § 8 Abs. 2 Nr. 1 MarkenG entgegensteht.

1.

20

Unterscheidungskraft in diesem Sinn ist die einer Marke innewohnende (konkrete) Eignung, vom Verkehr als Unterscheidungsmittel aufgefasst zu werden, das die in Rede stehenden Waren und Dienstleistungen als von einem bestimmten Unternehmen stammend kennzeichnet und diese Waren und Dienstleistungen somit von denjenigen anderer Unternehmen unterscheidet (EuGH GRUR 2008, 608, 611 Rn. 66 – EUROHYPO; BGH GRUR 2010, 825, 826 Rn. 133 – Marlene-Dietrich-Bildnis II; 935 Rn. 8 – Die Vision; GRUR 2006, 850, 854 Rn. 18 – FUSSBALL WM 2006). Denn die Hauptfunktion der Marke besteht darin, die Ursprungsidentität der gekennzeichneten Waren und Dienstleistungen zu gewährleisten (EuGH GRUR 2006, 233, 235 Rn. 45 – Standbeutel; 229, 230 Rn. 27 – BioID). Da allein das Fehlen jeglicher Unterscheidungskraft ein Eintragungshindernis begründet, ist ein großzügiger Maßstab anzulegen, so dass jede auch noch so geringe Unterscheidungskraft genügt, um das Schutzhindernis zu überwinden (BGH a. a. O. Marlene-Dietrich-Bildnis II). Maßgeblich für die Beurteilung der Unterscheidungskraft sind einerseits die Auffassung der beteiligten inländischen Verkehrskreise, wobei auf die Wahrnehmung des Handels und/oder des normal informieren, angemessen aufmerksamen und verständigen Durchschnittsverbrauchers der fraglichen Waren oder Dienstleistungen abzustellen ist (EuGH GRUR 2006, 411, 412 Rn. 24 Matratzen Concord/Hukla). Ebenso ist zu berücksichtigen, dass der Verkehr ein als Marke verwendetes Zeichen in seiner Gesamtheit mit allen seinen Bestandteilen so aufnimmt, wie es ihm entgegentritt, ohne es einer analysierenden Betrachtungsweise zu unterziehen (EuGH GRUR 2004, 428, 431 Rn. 53 – Henkel). Ausgehend hiervon besitzen Wortmarken dann keine Unterscheidungskraft, wenn ihnen die maßgeblichen Verkehrskreise lediglich einen im Vordergrund stehenden beschreibenden Begriffsinhalt zuordnen oder wenn diese aus gebräuchlichen Wörtern oder Wendungen der deutschen Sprache oder einer geläufigen Fremdsprache bestehen, die – etwa wegen einer entsprechenden Verwendung in der Werbung oder in den Medien – stets nur als solche und nicht als Unterscheidungsmittel verstanden werden (BGH a. a. O. – FUSSBALL WM 2006). Darüber hinaus besitzen keine Unterscheidungskraft vor allem auch Zeichen, die sich auf Umstände beziehen, welche die beanspruchten Waren und Dienstleistungen zwar nicht unmittelbar betreffen, durch die aber ein enger beschreibender Bezug zu diesen hergestellt wird und die sich damit in einer beschreibenden Angabe erschöpfen (BGH GRUR 2010, 110 1102 Rn. 23 – TOOOR!).

2.

21

Das Wortzeichen setzt sich aus den drei Wörtern "Fair", "Strom" und "Plus" zusammen.

a)

22

"Fair" ist ein englisches Adjektiv, das auch in die deutsche Sprache Eingang gefunden hat in der Bedeutung "den Regeln des Zusammenlebens entsprechend; anständig; gerecht im Verhalten gegenüber anderen". Im Sport bezeichnet es ein den (Spiel-)Regeln entsprechendes und kameradschaftliches Verhalten. (Duden Universalwörterbuch 4. Auflage 2001). Es wird in Zusammenhang mit Sport und Spiel, im Miteinander und im Handel verwendet wird, um auf Anstand, Gerechtigkeit und ein den Regeln des Zusammenlebens entsprechendes Verhalten hinzuweisen. Im Englischen hat das Adjektiv "fair" außerdem die Bedeutungen "hell" und "schön", in diesen Bedeutungen wird es im Deutschen aber nicht benutzt. Das englische Substantiv "Fair" bedeutet "Markt, Jahrmarkt, Ausstellung, Messe" (Pons Großwörterbuch Englisch – Deutsch, Stuttgart, 1. Auflage 2008).

b)

23

Das deutsche Wort "Strom" bezeichnet einen großen, meist ins Meer mündenden Fluss, des weiteren eine strömende, in großen Mengen sich ergießende Flüssigkeit oder sonstige Menge und drittens fließende Elektrizität.

c)

24

Der Bestandteil "Plus" bedeutet sowohl im Englischen als auch im Deutschen "zuzüglich, und, Mehrbetrag, Überschuss, Vorteil, Vorzug, Positivum" (Duden -Deutsches Universalwörterbuch a. a. O.) und zählt als gängige Anpreisung und Qualitätsberühmung in den unterschiedlichsten Waren- und Dienstleistungsbereichen zum elementaren Grundwortschatz der Werbesprache im Sinne eines "irgendwie gearteten, positiven Überschusses oder zusätzlichen Vorteils" bzw. im Sinne eines "Mehr an Qualität oder Komfort" im Vergleich zum üblichen Standard, den die jeweiligen Waren oder Dienstleistungen bieten (BPatG 28 W (pat) 503/10 – Premium PLUS+; 28 W (pat) 2/10 – Naturplus; 26 W (pat) 81/07 – FRUTA PLUS; 33 W (pat) 47/04 – BUZPlus; 28 W (pat) 296/03 – Plus). Der Verbraucher kennt "plus" im Zusammenhang mit vielfältigen Produkten und Dienstleistungen daher als allgemeinen Hinweis darauf, dass hierbei ein "mehr" an Inhalt, Leistungen oder Neuerungen geboten wird.

d)

25

In seiner konkreten Zusammensetzung "FairStromPlus" ist das Wort lexikalisch nicht nachweisbar, stellt also eine Wortschöpfung dar. Dies schließt jedoch seine Eignung als Sachangabe nicht aus. Denn der Verkehr ist an Wortneubildungen im Geschäftsleben gewöhnt, die sachbezogene Informationen in einprägsamer Form vermitteln. Insbesondere auch wegen der Binnengroßschreibung der Wortbestandteile erkennen die angesprochenen Kreise, die Lieferanten und Nutzer von elektrischer Energie, Heizwärme, Gas und Wasser, dass sich das Zeichen in einer bloßen Aneinanderreihung von Wörtern erschöpft, die allesamt Sachangaben für die beanspruchten Dienstleistungen darstellen und damit die schlagwortartige Gesamtbedeutung "Strom zu fairen Bedingungen plus zusätzliche Vorteile" hat.

aa)

26

Für die Dienstleistungen "Vermittlung von Verträgen mit Stromlieferanten sowie Lieferanten von Erdgas, Trinkwasser und Fernwärme" und "Versorgung von Verbrauchern durch Anlieferung von elektrischem Strom, Heizwärme, Gas oder Wasser" scheidet das angemeldete Zeichen als betriebliche Herkunftsangabe aus, da es unmittelbar als Sachaussage über den Gegenstand und die Bedingungen der Lieferungen, die von der Anmelderin vermittelt oder selbst erbracht werden, verstanden wird. Gegenstand der Leistungen ist die Lieferung von elektrischer Energie zu fairen, also die Interessen des Abnehmers berücksichtigenden Bedingungen, wobei der Vertragspartner zusätzliche Vorteile, etwa in Form von besonderen Serviceleistungen, erhält.

27

Soweit sich die beanspruchten Dienstleistungen nicht auf Strom, sondern auf Erdgas, Trinkwasser oder Fernwärme beziehen, besteht ein enger sachlicher Bezug zu dem angemeldeten Zeichen "FairStromPlus". Denn diese Leistungen werden vielfach von Energieversorgern aus einer Hand angeboten und von den Verbrauchern gleichzeitig nachgefragt. Daher kann das Zeichen insoweit als Hinweis darauf verstanden werden, dass nicht nur Strom, sondern auch diese Energien zu fairen Bedingungen geliefert, also als Gesamtpaket angeboten werden.

bb)

28

Zu der Dienstleistung "Verbrauchsabrechnung auf den Gebieten Energie- und Wasserversorgung" besteht ebenfalls ein enger sachlicher, nämlich ein funktioneller Bezug. Denn die Verbrauchsabrechnung ist eine Hilfsleistung für die Lieferung der entsprechenden Energien, ohne die diese nicht erbracht werden können.

cc)

29

Für die Dienstleistungen "Förderung von Erdgas oder Trinkwasser", "Durchleitung und Transport von elektrischem Strom, Fernwärme, Erdgas oder Trinkwasser" und "Erzeugung von Strom" enthält das Zeichen die gleiche Sachaussage, nämlich dass die Dienstleistungen zu für die Vertragspartner, hier für gewerbliche Abnehmer, fairen Bedingungen erfolgt und mit zusätzlichen Vorteilen verbunden ist.

e)

30

Die Wahrnehmung der Wortfolge als Sachangabe für die beanspruchten Dienstleistungen liegt für das Publikum auch deshalb nahe, da Fairness und Service wesentliche Qualitätskriterien für die Beurteilung von Energielieferverträgen darstellen. Entsprechend ist es in der Energiebranche üblich, damit zu werben, dass die angebotene Energie zu fairen Bedingungen geliefert wird und der Kunde besonders gute Serviceleistungen erhält, wie sich aus den der Anmelderin bereits übersandten Recherchebelegen des Senats ergibt.

31

- www-buergerenergiepool.de: Die e:veen Energie eG bietet ihren Stromkunden faire Volumentarife …ist… nicht ausschließlich daran interessiert, eine möglichst hohen Preis zu erzielen, sondern sie will den Kunden Strom zu einem fairen Preis liefern …",

32

- www.fairtarif.de: "Stadtwerke Osnabrück: Beim FAIRTARIF passt immer alles perfekt zusammen: Der günstige Preis, die fairen Bedingungen und ein Service, der seinen Namen verdient.";

33

- www.energienutzer.de: "Wie fair sind Stromanbieter? Service Value hat für die Erstellung eines Rankings folgende fünf Kategorien ermittelt: Faires Preis-Leistungsverhältnis, fairer Service, Produkt und Beratung, Kundenkommunikation, Nachhaltigkeit";

34

- www.stadtwerke–elbtal.de: "Unser Stromprodukt für Entscheider! Mit  FairStrom-Individual entscheiden Sie sich für die klassische Vollstromlieferung durch Ihren Energieservicedienstleister...";

35

- www.stromtipp.de: "Studie: Yello Strom gehört zu fairsten Stromanbietern";

36

- www.swb-gruppe: "Setzen Sie auf fair – und gut! Immer da für ein angenehmes Leben…kostenlose Beratung, Informationen und Services inclusive";

37

- www.stadtwerke-versmold.de: "FAIRStrom: Unser Unternehmensziel war und ist es, unsere Kunden zu fairen und marktgerechten Konditionen zu beliefern und Kostenvorteile selbstverständlich an Sie weiterzugeben. Vor diesem Hintergrund haben wir das Bonussystem "FAIRStrom" eingeführt."

38

- www.rheinernergie.com: "Unser erster Tarif mit Heimvorteil. FairRegio Strom plus für Privatkunden: FairRegio Strom plus mit kostenloser Heimvorteil-Option ist da. Sichern Sie sich jetzt neben günstigem Strom auch exklusive Rabatt-Gutscheine…";

f)

39

Der Umstand, dass offen bleibt, in welcher Weise die Dienstleistungen "fair" sind und welches "Plus" erbracht wird, ändert nichts an dem beschreibenden Charakter des Zeichens. Denn eine gewisse begriffliche Unbestimmtheit steht der Annahme einer beschreibenden Sachangabe nicht entgegen (BGH GRUR 2000 882 - Bücher für eine bessere Welt).

g)

40

Das Zeichen kann das Schutzhindernis der fehlenden Unterscheidungskraft auch dann nicht überwinden, wenn die Anmelderin über eine ähnliche Wort-/Bildmarke mit dem Wortbestandteil "Fair-Energie" verfügt und das Zeichen ein Bestandteil ihrer Produktfamilie ist. Gemäß § 8 Abs. 3 MarkenG ist Voraussetzung für die Überwindung des Schutzhindernisses nach § 8 Abs. 2 Nr. 1 MarkenG die Durchsetzung der angemeldeten Marke selbst und nicht nur einer Stammmarke bei über 50 Prozent der beteiligten Verbraucher im gesamten Inland.

h)

41

Auch die Vorteintragungen sind nicht geeignet, einen Eintragungsanspruch der Anmelderin zu begründen. Denn eine willkürliche Abweichung des DPMA von seiner Eintragungspraxis erschließt sich aus dem Vortrag der Anmelderin nicht. Dazu hätte substantiiert zur Vergleichbarkeit des Eintragungszeitpunkts, des Waren- und Dienstleistungsverzeichnisses, der Zeichen selbst und der jeweiligen Rechtsprechungssituation vorgetragen werden müssen. Es genügt nicht, – wie hier – eine Vielzahl von ähnlich gearteten Voreintragungen ohne eigene Auswertung nach den vorgenannten Kriterien schlicht aufzuzählen (BPatG GRUR 2009, 1173, 1175).