Bundespatentgericht

Entscheidungsdatum: 11.09.2017


BPatG 11.09.2017 - 29 W (pat) 36/16

Markenbeschwerdeverfahren – "INTOWN" – Unterscheidungskraft – kein Freihaltebedürfnis


Gericht:
Bundespatentgericht
Spruchkörper:
29. Senat
Entscheidungsdatum:
11.09.2017
Aktenzeichen:
29 W (pat) 36/16
Dokumenttyp:
Beschluss
Zitierte Gesetze

Tenor

In der Beschwerdesache

betreffend die Markenanmeldung 30 2015 044 952.0

hat der 29. Senat (Marken-Beschwerdesenat) des Bundespatentgerichts am 11. September 2017 durch die Vorsitzende Richterin Dr. Mittenberger-Huber, die Richterin Akintche und die Richterin Seyfarth

beschlossen:

Auf die Beschwerde der Anmelderin wird der Beschluss der Markenstelle für Klasse 35 des Deutschen Patent- und Markenamtes vom 20. Januar 2016 aufgehoben.

Gründe

I.

1

Das Wortzeichen

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INTOWN

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ist am 6. Juli 2015 zur Eintragung als Marke in das beim Deutschen Patent- und Markenamt (DPMA) geführte Register für die Dienstleistungen der

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Klasse 35: organisatorische und betriebswirtschaftliche Beratung und Betreuung bei der Planung und der Errichtung von Bauobjekten; Vermittlung und Abschluss vonGeneralunternehmer- und/oder Generalunternehmerverträgen, von Werklieferungsverträgen; organisatorische Beratung bei der Durchführung von Bauordnungsmaßnahmen im Zusammenhang mit der Änderung oder dem Abbruch baulicher Anlagen;

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Klasse 36: Kreditberatung und -vermittlung; Grundstücks- und Hausverwaltung; Immobilien- und Hypothekenvermittlung; Wohnungsvermittlung; Vermittlung von Versicherungen; Finanzvermittlung; Erteilung von Auskünften auf dem Gebiet dem Immobilienwesens [Datenbank], auch über Internet;

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Klasse 37: Dienstleistungen im Bau-Reparaturwesen einschließlich Dienstleistungen zur Wiederherstellung von Bauobjekten nach Bauschäden, Zerstörungen, Zerfall und Abnutzung; Reparaturdienstleistungen bezüglich Baumängel;

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Klasse 42: technische Beratung bei der Planung und Errichtung von Bauobjekten; Bauplanung bezüglich Änderung oder dem Abbruch baulicher Anlagen im Zusammenhang mit Bauordnungsmaßnahmen; Dienstleistungen eines Bauträgers, nämlich Erstellung von Bebauungs- und Flächennutzungsplanentwürfen, einschließlich Vermessung von Bauwerken und Parzellen; Projektplanung für technische und ingenieurmäßige Altlastensanierung: Bauplanung bezüglich Mängelbeseitigung an Bauwerken;

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angemeldet worden.

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Mit Beschluss vom 20. Januar 2016 hat die Markenstelle für Klasse 35 des Deutschen Patent- und Markenamts die Anmeldung gemäß §§ 37 Abs. 1 und 5, 8 Abs. 2 Nr. 1 MarkenG wegen fehlender Unterscheidungskraft teilweise zurückgewiesen, und zwar für alle Dienstleistungen, mit Ausnahme der Dienstleistungen „Kreditberatung und –vermittlung“ und „Vermittlung von Versicherungen“ in Klasse 36.

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Zur Begründung hat sie ausgeführt, das angemeldete Zeichen enthalte für die zurückgewiesenen Dienstleistungen eine sachbezogene, beschreibende Angabe und werde daher nicht einem bestimmten Unternehmen zugeordnet. Die Wortkombination sei sprachüblich aus den Wörtern des englischen Grundwortschatzes „IN“ für „in“ und „TOWN“ für „Stadt“ zusammengesetzt, die den breiten inländischen Verkehrskreisen auch ohne weitere Englischkenntnisse bekannt seien. Der Verkehr werde den Begriff „INTOWN“ dahingehend verstehen, dass es sich bei den in Frage stehenden Dienstleistungen um solche handele, die mit dem innerstädtischen Bauen und dem Immobilienwesen zu tun hätten. Es komme nicht darauf an, ob der Begriff lexikalisch nachweisbar sei oder in dem Zusammenhang häufig verwendet werde. Alle in Frage stehenden zurückgewiesenen Dienstleistungen könnten sich auf das Bauen in den Innenstädten und die dort befindlichen Immobilien beziehen. Es müsse nicht genau definiert werden, was alles mit dem innerstädtischen Bau- und Immobilienwesen zusammenhänge; eine gewisse Unschärfe des Begriffs führe nicht zu seiner Schutzfähigkeit, denn aus dem Zusammenhang mit den Dienstleistungen ergebe sich, worum es sich thematisch handele. Lediglich bezüglich der Dienstleistungen „Kreditberatung und –vermittlung“ und „Vermittlung von Versicherungen“ sei dies anders zu beurteilen.

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Hiergegen richtet sich die Beschwerde der Anmelderin vom 17. Februar 2016, mit der sie sinngemäß beantragt,

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den Beschluss der Markenstelle für Klasse 35 des Deutschen Patent- und Markenamts vom 20. Januar 2016 aufzuheben, soweit die Anmeldung zurückgewiesen worden ist.

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Mit Schriftsatz vom 31. Mai 2017, bei Gericht am gleichen Tag eingegangenen, hat die Beschwerdeführerin ihr Dienstleistungsverzeichnis teilweise eingeschränkt. Von den beschwerdegegenständlichen Dienstleistungen beansprucht sie mit der Anmeldung nur noch die Dienstleistungen der

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Klasse 35: Vermittlung und Abschluss von Generalunternehmer- und/oder Generalunternehmerverträgen, von Werklieferungsverträgen;

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Klasse 36: Grundstücks- und Hausverwaltung; Immobilien- und Hypothekenvermittlung; Wohnungsvermittlung; Finanzvermittlung; Erteilung von Auskünften auf dem Gebiet dem Immobilienwesens [Datenbank], auch über Internet.

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Sie ist der Auffassung, der angemeldeten Marke könne die Schutzfähigkeit nicht abgesprochen werden. Es sei zwar richtig, dass das Zeichen aus den englischen Wörtern „IN“ und „TOWN“ zusammengesetzt ist. Wörtlich übersetzt heiße „INTOWN“ so viel wie „innerstädtisch“ oder „in der Stadt“. Es handle sich um einen neutralen Begriff, der sich auf alle Waren und Dienstleistungen beziehen könne, die typischerweise in einer Stadt angeboten und vertrieben würden. In Alleinstellung stelle der Begriff allerdings keine Beziehung zu Immobilien oder zum Immobilienwesen bzw. zu den weiteren beanspruchten Dienstleistungen her. Zudem bestehe eine schutzbegründende Mehrdeutigkeit, da die beteiligten Verkehrskreise nicht von einer naheliegenden Bedeutung ausgehen würden. Jedenfalls nach Einschränkung des Dienstleistungsverzeichnisses könne die Zurückweisung der Anmeldung keinen Bestand haben.

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Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf den Akteninhalt Bezug genommen.

II.

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Die nach § 66 MarkenG zulässige Beschwerde ist nach der Einschränkung des Dienstleistungsverzeichnisses durch die Anmelderin und Beschwerdeführerin begründet.

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Der angegriffene Beschluss war für die nunmehr noch verfahrensgegenständlichen Dienstleistungen aufzuheben, weil der Eintragung des angemeldeten Wortzeichens „INTOWN“ als Marke insoweit keine Schutzhindernisse gem. §§ 37 Abs. 1, 8 Abs. 2 MarkenG entgegenstehen. Insbesondere fehlt es dem Wortzeichen nach der Einschränkung des Verzeichnisses weder an der für die Dienstleistungen erforderlichen Unterscheidungskraft gemäß § 8 Abs. 2 Nr. 1 MarkenG noch handelt es sich dabei um eine freihaltebedürftige Merkmalsangabe gemäß § 8 Abs. 2 Nr. 2 MarkenG.

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1. Dem angemeldeten Zeichen fehlt nicht jegliche Unterscheidungskraft i. S. d. § 8 Abs. 2 Nr. 1 MarkenG.

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Unterscheidungskraft im Sinne des § 8 Abs. 2 Nr. 1 MarkenG ist die einer Marke innewohnende (konkrete) Eignung, vom Verkehr als betrieblicher Herkunftshinweis aufgefasst zu werden. (EuGH MarkenR 2012, 304 Rn. 23 – Smart Technologies/HABM [WIR MACHEN DAS BESONDERE EINFACH]; GRUR 2010, 228 Rn. 33 – Audi AG/ HABM [Vorsprung durch Technik]; GRUR 2008, 608 Rn. 66 f. - EUROHYPO; BGH GRUR 2016, 934 Rn. 9 – OUI; GRUR2015, 173 Rn. 15 – for you; GRUR 2013, 731 Rn. 11 – Kaleido; GRUR 2012, 1143 Rn. 7 - Starsat). Denn die Hauptfunktion der Marke besteht darin, die Ursprungsidentität der gekennzeichneten Waren und Dienstleistungen zu gewährleisten (EuGH a. a. O. – Audi AG / HABM [Vorsprung durch Technik; BGH a. a. O. - Qui). Keine Unterscheidungskraft besitzen insbesondere Bezeichnungen, denen der Verkehr im Zusammenhang mit den beanspruchten Waren bzw. Dienstleistungen lediglich einen im Vordergrund stehenden beschreibenden Begriffsinhalt zuordnet oder die sich auf Umstände beziehen, welche die beanspruchten Waren und Dienstleistungen zwar nicht unmittelbar betreffen, durch die aber ein enger beschreibender Bezug zu diesen hergestellt wird (BGH GRUR 2014, 1204 Rn. 16 – DüsseldorfCongress: a. a. O. Rn. 16 – Gute Laune Drops; a. a. O. Rn. 23 – TOOOR!).

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Maßgeblich für die Beurteilung der Unterscheidungskraft zum relevanten Anmeldezeitpunkt (BGH GRUR 2013, 1143 Rn. 15 – Aus Akten werden Fakten) sind einerseits die beanspruchten Waren oder Dienstleistungen und andererseits die Auffassung der beteiligten inländischen Verkehrskreise, wobei auf die Wahrnehmung des Handels und/oder des normal informierten, angemessen aufmerksamen und verständigen Durchschnittsverbrauchers der fraglichen Waren oder Dienstleistungen abzustellen ist (EuGH GRUR 2006, 411 Rn. 24 – Matratzen Concord/Hukla; GRUR 2004, 943 Rn. 24 – SAT 2; BGH WRP 2014, 449 Rn. 11 – grill meister).

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Gemessen an den vorgenannten Grundsätzen verfügt die angemeldete Bezeichnung „INTOWN“ in Bezug auf die noch verfahrensgegenständlichen Dienstleistungen über das erforderliche Mindestmaß an Unterscheidungskraft.

24

Weder ist die konkrete Wortbildung von Haus aus beschreibend oder weist einen engen sachlichen Bezug zu den in Rede stehenden Dienstleistungen auf noch handelt es sich diesbezüglich um einen gebräuchlichen Begriff.

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Das Wortzeichen „INTOWN“ setzt sich aus den englischen Wörtern „in“ und „town“ zusammen, im Deutschen ohne weiteres verständlich als „in (der) Stadt“. Zwar werden die Wörter „in“ und „town“ nach den Recherchen des Senats in der Regel auseinander geschrieben, dennoch kann das Zusammenschreiben nicht als völlig unüblich angesehen werden. So findet man bei Dictionary.com einen Eintrag, in dem „intown“ mit der Definition „being in the central or metropolitan area of a city or town“ verzeichnet ist (http://www.dictionary.com/browse/intown). Hinzu kommt, dass es sich bei „in“ und „town“ um zwei geläufige Wörter des englischen Grundwortschatzes handelt, die die angesprochenen Verkehrskreise, hier das unternehmerisch tätige Publikum und die Endverbraucher, auch in der konkreten Schreibweise ohne weiteres verstehen.

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Während „INTOWN“ im Hinblick auf die ursprünglich beanspruchten Dienstleistungen, die mit der Planung und Durchführung von Baumaßnahmen zu tun haben, ein Hinweis darauf sein kann, dass diese speziell auf das Bauen in der (Innen-) Stadt, das „innerstädtische Bauen“, ausgerichtet sind, konnten in Bezug auf die zuletzt noch beanspruchten Dienstleistungen aus den Bereichen der Vertrags-, Immobilien- und Finanzvermittlung bzw. der Haus- und Grundstücksverwaltung keine entsprechenden Feststellungen getroffen werden. Die Planung und Durchführung von Baumaßnahmen muss im innerstädtischen Bereich u. a. im Hinblick auf stadtplanerische Vorgaben und Konzepte, technische Vorgehensweise, Logistik oder Koordinierungsmaßnahmen besonderen Anforderungen genügen. Die Anbieter werben deshalb mit einer entsprechenden Spezialisierung, wie die der Beschwerdeführerin bereits mit der Verfügung vom 18. Mai 2017 übersandten Rechercheergebnisse des Senats zeigen. Anders liegt der Fall bei den Dienstleistungen der Vertrags-, Immobilien- und Finanzvermittlung und der Haus- und Grundstücksverwaltung. Diese unterliegen innerhalb einer Stadt keinen anderen fachlichen Voraussetzungen als außerhalb, so dass nach den Recherchen des Senats eine Spezialisierung auf den innerstädtischen Bereich und eine dementsprechende Bezeichnung weder üblich noch naheliegend ist. „INTOWN“ ist daher auch in der Bedeutung „innerstädtisch, in der Stadt“ weder unmittelbar zur Beschreibung der noch beschwerdegegenständlichen Dienstleistungen geeignet, noch lässt sich ein enger sachlicher bzw. funktioneller Bezug zu diesen herstellen. Diesbezüglich kann „INTOWN“ damit nicht jegliche Unterscheidungskraft abgesprochen werden.

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2. Ein Freihaltebedürfnis gemäß § 8 Abs. 2 Nr. 2 MarkenG ist wegen der fehlenden Eignung zur Beschreibung der nach Einschränkung des Verzeichnisses noch verfahrensgegenständlichen Dienstleistungen ebenfalls nicht gegeben. Ausreichende Anhaltspunkte für eine im Anmeldezeitpunkt vernünftigerweise zu erwartende zukünftige beschreibende Verwendung sind nicht erkennbar.

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3. In Bezug auf die Dienstleistung „Vermittlung und Abschluss von Generalunternehmer- und/oder Generalunternehmerverträgen“ wird die Markenstelle zu klären haben, ob die gewählte Formulierung den Bestimmtheitsanforderungen (§ 20 MarkenV) genügt.