Bundespatentgericht

Entscheidungsdatum: 14.12.2011


BPatG 14.12.2011 - 29 W (pat) 3/11

Markenbeschwerdeverfahren – "EuroShop (Wort-Bild-Marke)" – Freihaltungsbedürfnis - keine Unterscheidungskraft


Gericht:
Bundespatentgericht
Spruchkörper:
29. Senat
Entscheidungsdatum:
14.12.2011
Aktenzeichen:
29 W (pat) 3/11
Dokumenttyp:
Beschluss
Zitierte Gesetze

Tenor

In der Beschwerdesache

betreffend die Markenanmeldung 30 2008 060 461.1

hat der 29. Senat (Marken-Beschwerdesenat) des Bundespatentgerichts auf die mündliche Verhandlung vom 2. November 2011 unter Mitwirkung der Vorsitzenden Richterin Grabrucker sowie der Richterinnen Kortge und Dorn

beschlossen:

Die Beschwerde wird zurückgewiesen.

Gründe

I.

1

Das farbige Wort-/Bildzeichen (rot, weiß)

Abbildung

2

ist am 18. September 2008 zur Eintragung als Marke in das beim Deutschen Patent- und Markenamt (DPMA) geführte Register für nachfolgende Waren und Dienstleistungen angemeldet worden:

3

Klasse 16: Papier, Pappe (Karton) und Waren aus diesen Materialien, soweit in Klasse 16 enthalten; Druckereierzeugnisse; Buchbindeartikel; Photographien; Schreibwaren; Klebstoffe für Papier- und Schreibwaren;

4

Klasse 21: Geräte und Behälter für Haushalt und Küche (nicht aus Edelmetall oder plattiert); Kämme und Schwämme; Bürsten (mit Ausnahme von Pinseln), Putzzeug; Glaswaren, Porzellan und Steingut, soweit in Klasse 21 enthalten;

5

Klasse 35: Groß- und Einzelhandelsdienstleistungen betreffend Drogerie-, Kosmetik- und Haushaltswaren, Brenn- und Treibstoffe, Waren des Gesundheitssektors, Werkzeuge und Metallwaren, Bau-, Heimwerker- und Gartenartikel, Hobby- und Bastelbedarf, Elektro- und Elektronikwaren, Ton- und Datenträger, Fahrzeuge und Fahrzeugzubehör, Uhren und Schmuckwaren, Musikinstrumente, Druckereierzeugnisse, Papier- und Schreibwaren, Büroartikel, Täschner- und Sattlerwaren, Einrichtungs- und Dekorationswaren, Bekleidungsartikel, Schuhe und Textilwaren, Spielwaren, Sportwaren, Lebensmittel und Getränke, Tabakwaren und sonstige Genussmittel.

6

Mit Beschlüssen vom 25. Mai 2009 und 12. Oktober 2010, von denen letzterer im Erinnerungsverfahren ergangen ist, hat die Markenstelle für Klasse 16 die Anmeldung gemäß §§ 37 Abs. 1, 8 Abs. 2 Nr. 1 MarkenG wegen fehlender Unterscheidungskraft zurückgewiesen. Zur Begründung hat sie ausgeführt, die aus den beiden Elementen "Euro" und "Shop" bestehende Wortzusammensetzung werde von den angesprochenen Verkehrskreisen nur als Sachhinweis auf eine Vertriebsstätte in Europa, für Europa, für europäische Waren oder europaweite Dienstleistungen verstanden. Der Verkehr sei an vergleichbare Sachangaben wie Asiashop, Asienshop, Afrikashop, Afroshop, Amerikashop, Italienshop, Frankreichshop, Chinashop, Polenshop und Russenshop gewöhnt. Auch die grafische Gestaltung könne nicht zur Schutzfähigkeit führen, weil sie sich im Rahmen des Werbeüblichen bewege. Sie bestehe aus einem roten Rechteck mit weißer Schrift in einer gewöhnlichen Schriftart und sei daher einfach gehalten und überaus unauffällig. Zudem sei der Verkehr an die Verwendung der Farbkombination weiß/rot gewöhnt. In Bezug auf die beanspruchten Waren und Dienstleistungen liege daher nur ein beschreibender Hinweis auf die Art der Vertriebsstätte vor.

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Hiergegen richtet sich die Beschwerde der Anmelderin, mit der sie sinngemäß beantragt,

8

die Beschlüsse der Markenstelle 16 des DPMA vom 25. Mai 2009 und 12. Oktober 2010 aufzuheben.

9

Sie vertritt die Ansicht, die Bezeichnungen "Asiashop, Asienshop, Afrikashop, Afroshop und Amerikashop" würden nur deswegen als Sachhinweis verstanden, weil es sich um Produkte eher ungewöhnlicher Herkunft handele, die von anderen Geschäften nicht in der Sortimentstiefe geführt würden, welche ein darauf spezialisiertes Geschäft anbieten könne. Demgegenüber gebe die Bezeichnung "EuroShop" als ein Shop mit Waren aus Europa keinen Hinweis auf eine bestimmte zu erwartende Produktauswahl. Die verwendete Schriftart "Extra Fette" sei zudem kein üblicher Schriftfont, weil sie in üblichen Fontbibliotheken (Adobe, Linotype, Fontshop) nicht erhältlich sei. Die mit dem ersten gerichtlichen Hinweis übersandten Internetbelege des Senats zeigten durchgehend eine marken- oder firmenmäßige Benutzung der Bezeichnung "Euroshop" (Bl. 43 – 49 GA) sowie eine marken- oder firmenmäßige Verwendung weißer Schrift auf rotem Grund (Bl. 50 – 54 GA). Ersteres gelte auch für einen Teil der mit der Ladung zum ersten Termin übersandten Belege des Senats (Anlagen 1 bis 20, Bl. 98 – 121 GA). Vor dem Hintergrund des vom Senat eingeholten Gutachtens werde das Wort "EuroShop" von den betroffenen allgemeinen Verkehrskreisen als Unternehmenshinweis und nicht als Sachangabe verstanden. Es sei auch nicht davon auszugehen, dass sich der Begriff "Euroshop" in Zukunft zu einer Sachangabe entwickeln werde, weil er sich aufgrund der intensiven Benutzung und der Expansion ihrer Geschäftslokale als ein Herkunftshinweis etabliert habe. Eine Verkehrsdurchsetzung werde allerdings nicht geltend gemacht. Im Übrigen seien die Anforderungen an die grafische Ausgestaltung reduziert, wenn die Schutzfähigkeit des Wortelements aufgrund einer Prognoseentscheidung verneint werde. Insoweit regt sie daher die Zulassung der Rechtsbeschwerde an.

10

Das Gericht hat Beweis erhoben gemäß Beweisbeschluss vom 18. Mai 2011 (Bl. 138 GA) durch Einholung eines Sachverständigengutachtens. Wegen des Ergebnisses der Beweisaufnahme wird auf das Gutachten der Gesellschaft für deutsche Sprache vom 19. September 2011 (Bl. 153, 155 – 160 GA) Bezug genommen.

11

Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf den Akteninhalt verwiesen.

II.

12

Der Eintragung des angemeldeten Wort-/Bildzeichens Abbildung als Marke gemäß §§ 33 Abs. 2, 41 MarkenG stehen hinsichtlich der beanspruchten Waren und Dienstleistungen die absoluten Schutzhindernisse der Freihaltebedürftigkeit gemäß § 8 Abs. 2 Nr. 2 MarkenG und der fehlenden Unterscheidungskraft nach § 8 Abs. 2 Nr. 1 MarkenG entgegen.

13

Das DPMA hat in seinen Beschlüssen die Eintragung des angemeldeten Wort-/Bildzeichens im Ergebnis zu Recht versagt, weil dessen Wortbestandteil sich dazu eignet, Merkmale der angemeldeten Waren und Dienstleistungen zu beschreiben, und die grafische Ausgestaltung keine Schutzfähigkeit begründen kann.

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1. Gemäß § 8 Abs. 2 Nr. 2 MarkenG sind solche Marken nicht schutzfähig, die ausschließlich aus Zeichen oder Angaben bestehen, die im Verkehr zur Bezeichnung der Art, der Beschaffenheit, der Bestimmung oder sonstiger Merkmale der angemeldeten Waren oder Dienstleistungen dienen können. Mit diesem Schutzhindernis wird das im Allgemeininteresse liegende Ziel verfolgt, dass alle Zeichen oder Angaben, die Merkmale der angemeldeten Waren oder Dienstleistungen beschreiben, von allen Unternehmen frei verwendet werden können und nicht aufgrund ihrer Eintragung als Marke einem Unternehmen vorbehalten werden (vgl. EuGH GRUR 1999, 723, 725 Rdnr. 25 - Chiemsee; GRUR 2004, 680, 681 Rdnr. 35, 36 - BIOMILD). Als beschreibend im Sinne dieser Vorschrift können dabei auch sprachliche Neuschöpfungen angesehen werden, die aus mehreren Bestandteilen zusammengesetzt sind, wenn für die Neuschöpfung selbst in ihrer Gesamtheit ein beschreibender Charakter feststellbar ist (EuGH a. a. O. Rdnr. 37 - BIOMILD). Ferner erfordert das Schutzhindernis des § 8 Abs. 2 Nr. 2 MarkenG nicht, dass die fraglichen Zeichen oder Angaben bereits tatsächlich zu beschreibenden Zwecken für Waren oder Dienstleistungen der angemeldeten Art verwendet werden, vielmehr genügt, dass sie zu diesen Zwecken verwendet werden können (EuGH GRUR 2004, 146, 147 Rdnr. 32 - DOUBLEMINT; a. a. O. Rdnr. 38 - BIOMILD). Dies ist bei einem Wortzeichen dann der Fall, wenn es - in üblicher Sprachform und für die beteiligten Verkehrskreise verständlich - ein Merkmal der in Rede stehenden Waren oder Dienstleistungen bezeichnet (EuGH a. a. O. Rdnr. 32 - DOUBLEMINT; a. a. O. Rdnr. 38, 39 - BIOMILD). Diese Voraussetzungen liegen hier vor.

15

a) Der Wortbestandteil des Anmeldezeichens setzt sich aus den Elementen "Euro" und "Shop" zusammen. "Euro" ist als Präfix eine im Deutschen und Englischen geläufige Abkürzung für "Europa betreffend, in Europa befindlich, gültig" (Duden - Das Fremdwörterbuch, 9. Aufl. 2007 [CD-ROM]; Duden-Oxford – Großwörterbuch Englisch, 3. Aufl. 2005 [CD-ROM]) oder als Substantiv in beiden Sprachen die Bezeichnung für die Währungseinheit der Europäischen Währungsunion (Duden - Das Fremdwörterbuch, a. a. O.; Duden-Oxford – Großwörterbuch Englisch, a. a. O.). Das dem englischen Grundwortschatz entstammende Wort "Shop", das mit "Laden, Geschäft" übersetzt wird (Duden-Oxford – Großwörterbuch Englisch, a. a. O.), ist in diesem Sinne bereits in den deutschen Wortschatz eingegangen (Duden – Deutsches Universalwörterbuch, 6. Aufl. 2006 [CD-ROM]). Die Wortkombination "EuroShop" lässt sich zwar lexikalisch nicht nachweisen (http://dict.leo.org). Vor dem Hintergrund der vom Senat durchgeführten Internetrecherche kann aber vernünftigerweise nicht ausgeschlossen werden, dass die angesprochenen inländischen Verkehrskreise die Wortkombination nur als Hinweis auf einen Betrieb verstehen, der Produkte im untersten Europreissegment, also etwa zwischen 0 und 10 €, anbietet.

16

b) Zwar haben die Gutachter Dr. K… und R… … in ihrem Gutachten vom 19. September 2011 die an sie gerichtete Beweisfrage, ob sich der Begriff "Euroshop" in der deutschen Sprache bei der allgemeinen Bevölkerung (einschließlich der Kinder) als Sachangabe/Synonym für eine bestimmte Gruppe von Einzelhändlern, nämlich Billigstdiscounter, bei denen Waren nach Preisklassen differenziert eingeteilt werden und pauschal so erhältlich sind (0,– € bis 10,– €), bereits eingebürgert habe, verneint. Dieser Ausdruck sei bisher in keinem gängigen Wörterbuch bzw. keiner aktuellen Enzyklopädie verzeichnet, was bedeute, dass sich dieses Wort noch nicht vollständig etabliert habe. Die weiterführende Frage, ob bei vernünftiger Betrachtung der bisherigen Entwicklung eine Prognose möglich sei, dass sich in den nächsten Jahren der Gebrauch des Begriffs "Euroshop" mit der Bedeutung "Billigstdiscounter" in der Sprachgemeinschaft durchsetzen wird, haben sie nicht beantworten können. Sprache sei lebendig und befinde sich in ständigem Wandel, bei dem viele Faktoren eine Rolle spielten, die nicht alle fassbar bzw. nachvollziehbar und keinesfalls kontrollier- bzw. lenkbar seien. Es sei daher nicht vorherzusehen, wie sich die Sprache entwickeln werde und ob der Ausdruck "Euroshop" in Zukunft mit einer eindeutigen, unmissverständlichen Bedeutung versehen werde und in welcher Weise dieser sich im öffentlichen Bewusstsein verankern werde.

17

c) Dem Senat liegen aufgrund seiner Internetrecherche jedoch zahlreiche Anhaltspunkte für eine solche mögliche Entwicklung vor. Bei einer Gesamtzahl von 20 Belegen wird das Wort "Euroshop" sechzehnmal ent-weder unter Voranstellung verschiedener niedriger Eurobeträge (nachfolgend unterstrichen) oder in Alleinstellung ohne Euroangabe (nachfolgend im Fettdruck) zur Bezeichnung eines Billig(st)discounters und damit bereits als Sachangabe verwendet:

18

- "Catania, Piazza Cavour, sizilianischer 1-Euro-Shop” (www.flickr.com, Anlage 2, Bl. 99 GA);

19

- "Das 1-Euro-Shop Phänomen Seit einiger Zeit kann man beobachten und dass sicher nicht nur in D…, dass immer mehr 1-

Euro-Shops eröffnen. ... Kaufe ich also beispielsweise im Euro-Geschäft ein paar Zahnstocher für 1,00 EUR finde ich das natürlich billig, aber im Konsum hätte ich sie vielleicht für 0,75 EUR bekommen, aber das stört niemanden, man bekommt das Gefühl vermittelt ein Schnäppchen gemacht zu haben. ..." (12. März 2008, www.dresden01.de, Anlage 4, Bl. 101 GA);

20

- "Sparzwang: Schnäppchenjagd im Ein-Euro-Shop ... Ein-Euro-Shops boomen ..." (Presseartikel unter www.stern.de vom 10. November 2008, Anlage 5, Bl. 102 f. GA);

21

- "Wie ist die Garantieleistung auf Elektrogeräte (z. B. eine Lichterkette), die in 1-Euro-Shops gekauft wurden? Hat man das Recht auf Geldrückgabe sofern das Elektrogerät nicht funktioniert? ..." (COSMiQ-Forum, Anlage 6, Bl. 104 GA);

22

- "Geld verdienen mit dem 2 Euro Shop – Wollen Sie auch schon lange ein eigenes Internet Geschäft? ..." (www.thai-thomas.com, Anlage 7, Bl.105 GA);

23

- "EuroDiscount der Kleinpreismarkt – 1 Euro Shop – Trend Shop – Sonderpostenmarkt ... Kategorien » 1 Euro Shop" (Anlage 8, Bl. 106 GA);

24

- "Würzburg: Ein-Euro-Shop sorgt für Wallung – Passt Billigladen in die Dornstraße als Toplage – Kritik am Hauseigentümer ... Statt Buchladen 1-Euro-Shop in der Dornstraße ... Diese Ansiedlung des Ein-Euro-Shops schädigt nicht nur den Standort Innenstadt, sondern auch die Qualität einer Haupteinkaufsstraße ... Die Ansiedlung eines Ein-Euro-Shops gelte ... als Hinweis für ein Downgrading ... Auch ... Kreisvorsitzender des Einzelhandelsverbandes ist nicht glücklich über den Ein-Euro-Shop in der Dornstraße". (Presseartikel in der Main Post online vom 10. Juli 2009, Anlage 9, Bl. 107 GA);

25

- "T-Mobile Shop = 1 Euro Shop? Seit geraumer Zeit fallen im Online- aber auch Hotline Angebot von T-Mobile reihenweise die neusten höher- und hochwertigen Handy's aus. Mittlerweile gibt es bis auf ganz wenige Ausnahmen ... nur noch Brot und Butter Wegschmeiß Handy's für 1 Euro ..." (areamobile-Forum, Anlage 10, Bl. 108 GA);

26

- "Gibt's 1 Euro Shop auch im Netz? An jeder Ecke gibt es mittlerweile 1 Euro Shops. Findet man so was eigentlich auch im Internet? ... Einen integrierten '1 Euro Shop' gibt es beispielsweise auf schnäppchenwelten.de, wo es neben 1-Euro Artikeln zwar auch andere Angebote gibt, aber die Auswahl im Bereich '1 Euro' dennoch sehr groß ist ..." (Antwort vom 3. September 2010  im  PAPERBALL-Forum,  Anlage  11,  Bl. 109

 GA);

27

- "1-Euro-Shop – Endlich können Sie die beliebten 1-Euro-Artikel auch online kaufen! Wählen Sie einfach die gewünschte Kategorie und greifen Sie zu, solange der Vorrat reicht! 50ct/1 €/1,50 €/2 €/3 €/5 €/ 7 €/ 10 €" (www.schnäppchenwelten.de, Anlage 12, Bl. 110 GA);

28

- "10-EUROSHOP Neckermann ... 10 Euro bei Neckermann: über 100 Artikel in dieser Kategorie sind unter 10 Euro! ..." (BLOG-ARCHIV 2007, Anlage 13, Bl. 111 GA);

29

- "0-Euro Shop – Nur kostenlos ist gut genug!" (Anlage 14, Bl. 112 GA);

30

- "AquaHobby Fischfutterhandel – Der 1,– EURO Shop – Hier finden Sie Futterproben, Fischfutter Kleingebinde, Restposten, Neue Produkte zum Probierpreis * Alles für 1 Euro *" (Anlage 16, Bl. 114 GA);

31

- "Boom der Billig-Discounter – Auf Schatzsuche im Ein-Euro-Reich

32

– Nach Aldi, Lidl und Co. erlebt in Deutschland eine weitere Kategorie von Billig-Discountern einen Boom: Ein-Euro-Shops bieten vom Abwaschlappen bis zum Zahnstocher allerhand Krimskrams zum Kleinstpreis an ... Die junge Mutter ... genießt den kurzen Einkauf ... bei 'Mäc-Geiz' ... Fast immer wenn sie Einkaufen gehe, statte sie auch dem Geschäft einen Besuch ab. 'Ich kann mich guten Gewissens als Euro-Shop-Gängerin outen', sagt die 25-Jährige. ... erleben nun die drei großen 'Non-Food'-Ketten Tedi, EuroShop und Mäc-Geiz einen Boom. ... Tatsächlich gebe es einige Artikel, die selbst ihren geringen Preis nicht wert seien, sagt Euro-Shopperin Bostelmann. ..." (Presseartikel in Spiegel online vom 14. Februar 2009, Anlage 17, Bl. 115 ff. GA);

33

- "Ein-Euro-Shop unter freiem Himmel – Handy's, Toilettendeckel, saure Gurken: Auf dem Flohmarkt gibt es kaum etwas, das es nicht gibt. Nur richtig alter Trödel zum Stöbern ist Mangelware ..." (Presseartikel unter www.derwesten.de vom 10. Februar 2008, Anlage 18, Bl. 118 GA);

34

- "Vorsicht 'Schnäppchen' – Ein-Euro-Shop teurer als Drogerie-Markt – Ob Schwammtücher für die Spüle, die Tube Zahnpasta oder die Flasche Cola – hier gibt es alles für einen Euro. Neben Discountern boomen derzeit vor allem Ein-Euro-Shops. ..." (Presseartikel unter www.bergedorfer-zeitung.de vom 27. Februar 2009, Anlage 19, Bl. 119 GA).

35

Das Ergebnis der vorgenannten Internetrecherche belegt, dass sich am Markt zahlreiche 0-Euro-, Ein-Euro, 2-Euro- bis zu 10-Euro-Läden, stationär und im Internet, etabliert haben und dass der Begriff "Euroshop" als Oberbegriff für einen Kleinpreismarkt bzw. Billig(st)discounter fungiert. Ferner finden sich auch einige Belegstellen für eine Benutzung des Begriffs ohne den Zusatz eines bestimmten Eurobetrages, wie z. B. "Euro-Geschäft", "Euro-Shop-Gängerin" und "Euro-Shopperin". Aus diesem bisher gewonnenen Gesamteindruck lässt sich zumindest ein starkes Indiz für eine zukünftige Sprachentwicklung dahingehend entnehmen, dass "Euroshop" als Oberbegriff für eine semantische Untergruppenbildung von Billigdiscountern verstanden werden kann. Auch in wirtschaftlicher Hinsicht belegen die Fundstellen einen starken Zuwachs solcher kleinpreisiger Schnäppchenmärkte. Aufgrund all dieser Umstände kann bei der im Rahmen des § 8 Abs. 2 Nr. 2 MarkenG vorzunehmenden realitätsbezogenen Prognose vernünftigerweise nicht ausgeschlossen werden, dass sich "Euroshop" in der deutschen Sprache zu einem Sachbegriff entwickeln und damit als Synonym für Billig(st)laden/Billig(st)discounter verstanden wird.

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d) In Bezug auf die in den Klassen 16 und 21 beanspruchten Waren gibt die Bezeichnung "EuroShop" nur deren Vertriebsart, Bestimmungszweck oder Preisgünstigkeit an. Denn es kann nicht ausgeschlossen werden, dass künftig ein erheblicher Teil der angesprochenen inländischen Verkehrskreise die Kennzeichnung der so bezeichneten Waren dahingehend verstehen wird, dass es sich um für Billig(st)läden hergestellte, für den Verkauf in solchen Geschäften bestimmte und/oder im Niedrigpreissegment angesiedelte Waren handelt. Papierwaren, "Druckereierzeugnisse, Buchbindeartikel; Photographien; Schreibwaren; Klebstoffe für Papier- und Schreibwaren" der Klasse 16 sowie die in Klasse 21 angemeldeten "Geräte und Behälter für Haushalt und Küche (nicht aus Edelmetall oder plattiert); Kämme und Schwämme; Bürsten (mit Ausnahme von Pinseln), Putzzeug; Glaswaren, Porzellan und Steingut, soweit in Klasse 21 enthalten" können für Billigdiscounter produziert und in solchen Verkaufsstätten zu Preisen von unter 1,– € bis zu 10,– € angeboten werden.

37

e) Hinsichtlich der in Klasse 35 angemeldeten Groß- und Einzelhandelsdienstleistungen mit den Waren "Drogerie-, Kosmetik- und Haushaltswaren, Brenn- und Treibstoffe, Waren des Gesundheitssektors, Werkzeuge und Metallwaren, Bau-, Heimwerker- und Gartenartikel, Hobby- und Bastelbedarf, Elektro- und Elektronikwaren, Ton- und Datenträger, Fahrzeuge und Fahrzeugzubehör, Uhren und Schmuckwaren, Musikinstrumente, Druckereierzeugnisse, Papier- und Schreibwaren, Büroartikel, Täschner- und Sattlerwaren, Einrichtungs- und Dekorationswaren, Bekleidungsartikel, Schuhe und Textilwaren, Spielwaren, Sportwaren, Lebensmittel und Getränke, Tabakwaren und sonstige Genussmittel" weist das Anmeldezeichen ebenfalls auf deren Bestimmungszweck und/oder Erbringungsort hin, nämlich dass sie für einen und/oder in einem Billig(st)discounter erbracht werden.

38

2. Das angemeldete Zeichen Abbildung erhält auch nicht durch die grafische Ausgestaltung die Funktion eines Unterscheidungsmittels im Sinne des § 8 Abs. 2 Nr. 1 MarkenG.

39

Grundsätzlich kann einer Wortelemente enthaltenden Bildmarke, unbeschadet der Freihaltebedürftigkeit oder fehlenden Unterscheidungskraft dieser Wortelemente, als Gesamtheit Unterscheidungskraft zugesprochen werden, wenn die grafischen Elemente ihrerseits charakteristische Merkmale aufweisen, in denen der Verkehr einen Herkunftshinweis sieht (BGH GRUR 1991, 136, 137 - NEW MAN; GRUR 2001, 1153 - anti Kalk; EuGH GRUR 2006, 229, 233 Rdnr. 73, 74 - BioID). Dabei vermögen allerdings einfache grafische Gestaltungen oder Verzierungen des Schriftbilds, an die sich der Verkehr etwa durch häufige werbemäßige Verwendung gewöhnt hat, eine fehlende Unterscheidungskraft der Wörter ebenso wenig aufzuwiegen, wie derartige einfache grafische Gestaltungselemente auch für sich wegen fehlender Unterscheidungskraft nicht als Marke eingetragen werden können. Es bedarf vielmehr eines auffallenden Hervortretens der grafischen Elemente, um sich dem Verkehr als Herkunftshinweis einzuprägen (BGH a. a. O. 1153, 1154 – anti Kalk; GRUR 2008, 710, 711 Rdnr. 20 - VISAGE). Dies ist vorliegend aber nicht der Fall.

40

Abgesehen davon, dass der beschreibende Wortbestandteil "EuroShop" im Vordergrund des Gesamtzeichens steht, kann die einfache bildliche Ausgestaltung aufgrund ihrer Werbe- und Branchenüblichkeit nicht als Herkunftshinweis dienen.

41

Das verfahrensgegenständliche Zeichen zeigt zwei zusammengeschriebene Wortelemente in weißer Farbe auf rotem Untergrund, wobei das zweite Element "Shop" mit einem Großbuchstaben beginnt. Die Buchstaben der beiden Wortelemente sind gleichmäßig in einem roten Rechteck angeordnet.

42

Die Hinterlegung von in weißer Schreibschrift ("Extra Fette") wiedergegebenen Wortelementen mit einer roten Hintergrundfarbe und die Binnengroßschreibung verbessern zwar als einfache bildliche Hintergrund- und Hervorhebungsmuster die visuelle Wahrnehmung der Wortbestandteile, treten aber aufgrund ihrer Werbeüblichkeit gegenüber den Wortelementen im Gesamteindruck des angemeldeten Zeichens zurück und bleiben nicht prägnant als betriebskennzeichnend in Erinnerung (vgl. auch BGH a. a. O. - anti Kalk; BPatG MarkenR 2010, 145 - Linuxwerkstatt).

43

Wie eine Internetrecherche des Senats ergeben hat, gehören gleichmäßig angeordnete weiße Buchstaben auf rotem Untergrund für Vertriebsstätten mit vergleichbaren Waren zu werbeüblichen Gestaltungsmitteln, an die der Verbraucher gewöhnt ist (Lebensmittel-Discounter "Norma", http://de.wikipedia.org/w/in-dex.php?title=Norma_(Handelskette)&printable=yes, Bl. 50 GA; Textileinzelhändler "NKD", http://de.wikipedia.org/w/index.php?title=NKD&prin-table=yes, Bl. 51 GA; Textil-Discounter "KiK", http://de.wikipedia.org/w/index.php?title=KiK&printable=yeshttp://de.wikipedia.org/w/index.php?title=KiK&printable=yes, Bl. 52 GA; Möbelhandelsunternehmen http://de.wikipedia.org/w/index.php?title=KiK&printable=yes, Bl. 52 GA; Möbelhandelsunternehmen "Höffner", www.hoeffner.de, Bl. 54 GA; Lebensmitteleinzelhändler "REWE", www.rewe.de, Bl. 53 GA). Dies hat auch schon die Anmelderin festgestellt (Seite 3 letzter Absatz der Beschwerdebegründung, Bl. 21 GA) und weitere Belege dafür überreicht (Fotos der Außenbeschilderung mit weißer Schrift vor rotem Hintergrund der Firmen: WISSMACH, CASTRO, Bl. 129 GA; Spar-kasse, Lunch BOX, FILIZ Restaurant Döner Kebaphaus, Bl. 130 GA; Regina Pelze, Bl. 131 GA; LEGO, JOB AG, PALM FASHION, Bl. 132 GA; Ni HAO Asiatische Spezialitäten, vodafone, The North FACE, Bl. 133 GA; ESPRIT, McDonald's, Bl. 134 GA).

44

Die Binnengroßschreibung gehört ebenfalls zu häufig verwendeten, werbeüblichen Stilmitteln.

45

Auch der Umstand, dass die verwendete Schreibschrift "Extra Fette" in üblichen Fontbibliotheken (Adobe, Linotype, Fontshop) nicht erhältlich ist, reicht nicht aus, der grafischen Ausgestaltung ein herkunftshinweisendes Merkmal zu verleihen, weil sie über kein charakteristisches Merkmal verfügt, das sie aus dem Formenschatz geläufiger Handschriften hervorhebt. Eine nahezu identische Schreibschrift wurde zudem bei der Belegstelle "0-Euro Shop" (Anlage 14, Bl. 112 GA) verwendet.

46

Ein Anlass, die Rechtsbeschwerde zuzulassen, besteht nicht. Die von der Beschwerdeführerin aufgeworfene Frage, ob die Anforderungen an die grafische Ausgestaltung der Wort-/Bildmarke geringer anzusetzen seien, wenn die Schutzfähigkeit des Wortelements aufgrund einer Prognoseentscheidung verneint werde, ist nach Ansicht des Senats keine Rechts-, sondern eine Tatsachenfrage und damit der Rechtsbeschwerde nicht zugänglich.

47

Der nicht nachgelassene Schriftsatz der Beschwerdeführerin vom 14. November 2011 gibt keine Veranlassung zur Wiedereröffnung der mündlichen Verhandlung.