Entscheidungsdatum: 29.02.2012
In der Beschwerdesache
…
betreffend die Markenanmeldung 30 2008 065 382.5
hat der 29. Senat (Marken-Beschwerdesenat) des Bundespatentgerichts in der Sitzung vom 29. Februar 2012 durch die Vorsitzende Richterin Grabrucker, die Richterin Kortge und die Richterin am Landgericht Uhlmann
beschlossen:
Die Beschwerde wird zurückgewiesen.
I.
Die Wortfolge
Call a Scientist
ist am 13. Oktober 2008 zur Eintragung als Marke in das beim Deutschen Patent- und Markenamt (DPMA) geführte Register für nachfolgende Waren und Dienstleistungen angemeldet worden:
Klasse 35:
Öffentlichkeitsarbeit [Public Relations]; Vermittlung von Wissenschaftlern und Ingenieuren für Vortragsveranstaltungen, Konferenzen, Kongressen, Kolloquien oder Symposien, insbesondere für Schulen, Fachhochschulen und Hochschulen, insbesondere auf dem Gebiet der Biotechnologie, Chemie, Physik, Biologie und angrenzender Sachgebiete; Aus- und Fortbildung, insbesondere für Schulen, Fachhochschulen und Hochschulen, insbesondere auf dem Gebiet der Biotechnologie, Chemie, Physik, Biologie und angrenzender Sachgebiete; Zusammenstellung von wissenschaftlichen Informationen in Computerdatenbanken, insbesondere Lehrmaterialien auf dem Gebiet der Biotechnologie, Chemie, Physik, Biologie und angrenzender Sachgebiete;
Klasse 41:
Organisation von Vortragsveranstaltungen, Konferenzen, Kongressen, Kolloquien, Symposien, insbesondere für Schulen, Fachhochschulen und Hochschulen, insbesondere auf dem Gebiet der Biotechnologie, Chemie, Physik, Biologie und angrenzender Sachgebiete; Aus- und Fortbildung, insbesondere für Schulen, Fachhochschulen und Hochschulen, insbesondere auf dem Gebiet der Biotechnologie, Chemie, Physik, Biologie und angrenzender Sachgebiete; Demonstrationsunterricht, insbesondere für Schulen, Fachhochschulen und Hochschulen, insbesondere auf dem Gebiet der Biotechnologie, Chemie, Physik, Biologie und angrenzender Sachgebiete; Publikation von Druckerzeugnissen (auch in elektronischer Form), insbesondere Lehrmaterialien auf dem Gebiet der Biotechnologie, Chemie, Physik, Biologie und angrenzender Sachgebiete.
Mit Beschluss vom 20. August 2009 hat die Markenstelle für Klasse 35 die Anmeldung wegen fehlender Unterscheidungskraft zurückgewiesen. Die Erinnerung des Anmelders wurde durch Beschluss vom 3. Januar 2011 zurückgewiesen.
Die sloganartige Wortfolge "Call a Scientist" sei aus einfachen englischen Begriffen zusammengesetzt und werde von dem angesprochenen Publikum ohne weiteres als "Rufe einen Wissenschaftler" verstanden. Dieses sei bereits durch die Werbung an die Verwendung "Call a.." im Zusammenhang mit Waren und Dienstleistungsangeboten gewöhnt. Damit vermittle das Zeichen lediglich einen Hinweis auf den Gegenstand, das Thema und die Art der Dienstleistung, nämlich, dass es sich um Vermittlung von Diensten handele, die von Wissenschaftlern für Wissenschaftler erbracht würden. Zudem sei das Schutzhindernis nach § 8 Abs. 2 Nr. 2 MarkenG erfüllt, da es sich um beschreibende Angaben handele, an denen ein Freihaltebedürfnis bestehe.
Der Umstand, dass das DPMA die Wortmarken "CALL A BIKE" und "CALL A WIESEN-HENDL" sowie "Coach by call" sowie die Wort-/Bildmarke "Call a driver" eingetragen habe, führe nicht zu einer Selbstbindung der Behörde.
Hiergegen richtet sich Beschwerde des Anmelders, mit der er nur noch den ursprünglichen Hilfsantrag mit eingeschränktem Leistungsverzeichnis stellt und sinngemäß beantragt,
die Beschlüsse des DPMA vom die 20. August 2009 und 3. Januar 2011 aufzuheben, soweit die Eintragung der Wortmarke für die folgenden Dienstleistungen
Klasse 35:
Vermittlung von Wissenschaftlern und Ingenieuren für Vortragsveranstaltungen für Schulen, insbesondere auf dem Gebiet der Biotechnologie, Chemie, Physik, Biologie und angrenzender Sachgebiete;
Klasse 41:
Organisation von Vortragsveranstaltungen für Schulen, insbesondere auf dem Gebiet der Biotechnologie, Chemie, Physik, Biologie und angrenzender Sachgebiete;
zurückgewiesen worden ist.
Das Zeichen enthalte jedenfalls für die verbliebenen Dienstleistungen keine konkrete Beschreibung. Es handele sich um Vermittlungs- und Organisationsdienstleistungen, die für Schulen und nicht etwa für andere Wissenschaftler bestimmt seien. Im Unterschied zu anderen Zeichen wie "Call a Pizza" oder "CALL A WIESN-HENDL" sei bei dem angemeldeten Zeichen nicht unmittelbar erkennbar, welche Leistung bestellt werden könne. Daher sei es nicht beschreibend und damit eintragungsfähig.
Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf den Akteninhalt Bezug genommen.
II.
Der Anmelder hat gemäß §§ 41, 37 Abs. 1, 33 Abs. 2 MarkenG i. V. m. § 8 MarkenG keinen Anspruch auf Eintragung des angemeldeten Wortzeichens, da der Eintragung ein absolutes Eintragungshindernis gemäß § 8 Abs. 2 Nr. 1 MarkenG in Bezug auf die beanspruchten Waren und Dienstleistungen der Klassen 35 und 41 entgegensteht. Danach sind Marken von der Eintragung ausgeschlossen, denen für die beanspruchten Waren oder Dienstleistungen jegliche Unterscheidungskraft fehlt.
Unterscheidungskraft in diesem Sinn ist die einer Marke innewohnende (konkrete) Eignung, vom Verkehr als Unterscheidungsmittel aufgefasst zu werden, das die in Rede stehenden Waren und Dienstleistungen als von einem bestimmten Unternehmen stammend kennzeichnet und diese Waren und Dienstleistungen somit von denjenigen anderer Unternehmen unterscheidet (EuGH GRUR 2008, 608, 611 Rn. 66 g. – EUROHYPO; BGH GRUR 2010, 825, 826 Rn. 133 – Marlene-Dietrich-Bildnis II; 935 Rn. 8 – Die Vision; TRUR 2006, 850, 854 Rn. 18 – FUSSBALL WM 2006). Denn die Hauptfunktion der Marke besteht darin, die Ursprungsidentität der gekennzeichneten Waren und Dienstleistungen zu gewährleisten (EuGH GRUR 2006, 233, 235 Rn. 45 – Standbeutel; 229, 230 Rn. 27 – BioID). Da allein das Fehlen jeglicher Unterscheidungskraft ein Eintragungshindernis begründet, ist ein großzügiger Maßstab anzulegen, so dass jede auch noch so geringe Unterscheidungskraft genügt, um das Schutzhindernis zu überwinden (BGH a. a. O. Marlene-Dietrich-Bildnis II). Maßgeblich für die Beurteilung der Unterscheidungskraft sind einerseits die Auffassung der beteiligten inländischen Verkehrskreise, wobei auf die Wahrnehmung des Handels und/oder des normal informieren, angemessen aufmerksamen und verständigen Durchschnittsverbrauchers der fraglichen Waren oder Dienstleistungen abzustellen ist (EuGH GRUR 2006, 411, 412 Rn. 24 Matratzen Concord/Hukla). Ebenso ist zu berücksichtigen, dass der Verkehr ein als Marke verwendetes Zeichen in seiner Gesamtheit mit allen seinen Bestandteilen so aufnimmt, wie es ihm entgegentritt, ohne es einer analysierenden Betrachtungsweise zu unterziehen (EuGH GRUR 2004, 428, 431 Rn. 53 – Henkel). Ausgehend hiervon besitzen Wortmarken dann keine Unterscheidungskraft, wenn ihnen die maßgeblichen Verkehrskreise lediglich einen im Vordergrund stehenden beschreibenden Begriffsinhalt zuordnen oder wenn diese aus gebräuchlichen Wörtern oder Wendungen der deutschen Sprache oder einer geläufigen Fremdsprache bestehen, die – etwa wegen einer entsprechenden Verwendung in der Werbung oder in den Medien – stets nur als solche und nicht als Unterscheidungsmittel verstanden werden (BGH a. a. O. – FUSSBALL WM 2006). Darüber hinaus besitzen keine Unterscheidungskraft vor allem auch Zeichen, die sich auf Umstände beziehen, welche die beanspruchten Waren und Dienstleistungen zwar nicht unmittelbar betreffen, durch die aber ein enger beschreibender Bezug zu diesen hergestellt wird und die sich damit in einer beschreibenden Angabe erschöpfen (BGH GRUR 2010, 1100, 1102 Rn. 23 – TOOOR!).
Für die markenrechtliche Schutzfähigkeit fremdsprachiger Angaben kommt es grundsätzlich darauf an, ob die beteiligten Verkehrskreise des jeweiligen Landes im Stande sind, die Bedeutung des fremdsprachigen Markenwortes zu erkennen. Die Wortzusammensetzung "Call a Scientist" gehört zum englischen Grundwortschatz und ist leicht verständlich, nicht zuletzt auch deshalb, weil der Verkehr - wie der Beschwerdeführer bereits ausgeführt hat - daran gewöhnt ist, aus der Zusammensetzung "Call a ..." zu schließen, dass er auf Abruf genau das bekommt, was individuell hinter "Call a" angeboten wird (vgl. beispielsweise "Call a pizza", "Call a bike", "Call a Cocktail" etc.).
Das angesprochene inländische Publikum wird die angemeldete, leicht verständliche Wortkombination "Call a Scientist", auch wenn sie lexikalisch nicht nachweisbar ist, mit "Rufe einen Wissenschaftler" übersetzen.
In dieser Gesamtbedeutung weist "Call a Scientist" darauf hin, dass nach bzw. auf Abruf ein "Scientist", also ein "Wissenschaftler" zur Verfügung gestellt wird, um die beanspruchten Dienstleistungen zu erbringen. Da das genaue Fachgebiet offen bleibt, ist für das Publikum auch erkennbar, dass die Dienstleistung verschiedene Fachgebiete abdecken kann, mithin in erster Linie die Vermittlung oder Organisation einer wissenschaftlichen Leistung zum Gegenstand hat.
Die beanspruchten Dienstleistungen gehören auch zum Fachgebiet eines Wissenschaftlers. Zwar handelt es sich nicht unmittelbar um die Vermittlung von Forschungsleistungen, sondern um die Organisation und Vermittlung von wissenschaftlichen Vorträgen für die Allgemeinheit, nämlich für Schüler. Es ist jedoch allgemein bekannt, dass die Tätigkeit von Wissenschaftlern nicht nur die unmittelbare Forschung, sondern auch die Lehre, nämlich die Weitergabe wissenschaftlicher Erkenntnis, erfasst, und zwar nicht nur an andere Wissenschaftler, sondern auch an die Allgemeinheit.
Das angesprochene Publikum wird die angemeldete Wortkombination daher so verstehen, dass zu dem Zweck der im Verzeichnis beanspruchten Dienstleistungen ein Wissenschaftler zur Verfügung steht. In diesem Sinne gebraucht sogar der Anmelder selbst das angemeldete Zeichen, nämlich als nichts anderes als eine allgemeinsprachliche Aussage ohne jeglichen unterscheidungskräftigen Sinngehalt. Damit sind das Freihaltebedürfnis und die fehlende Unterscheidungskraft durch den Anmelder selbst belegt.
- Beschreibung des Programms "Call a Scientist":
"Biowissenschaftler berichten von der Faszination der Forschung", "Antworten zu aktuellen Fragen der Biowissenschaften", "Schüler, Lehrer und Eltern sowie andere interessierte Menschen einerseits mit Wissenschaftlern, Hochschullehrern und Unternehmen aus Berlin und Brandenburg andererseits" (fhttp://call-a-scientist.orq/)
- Pressemitteilung Biotechnologieverbund Berlin-Brandenburg e.V.:
"Call a Scientist' bringt Wissenschaftler [...] in Schulen...";"...einen Wissenschaftler für einen Vortrag aus der Praxis bestellen..."(http://www.biotech-verbund.de/download/PM%20e.V.%20Call%20Scientist%20150.%Vortrag.pdf)
- www.potsdam.de unter der Rubrik "News":
"Call a scientist" ist eine ernst gemeinte Aufforderung: Rufen Sie sich einen echten Wissenschaftler..."(fhttp://www.potsdam.de/cms/beitraq/10039001/26982/)
Daher hat das angemeldete Zeichen einen beschreibenden Inhalt für die nunmehr noch beanspruchten Dienstleistungen und kann nicht als betrieblicher Herkunftshinweis dienen.
Der im Amtsverfahren erhobene Einwand, vergleichbare Zeichen seien vom DPMA eingetragen worden, ist nicht geeignet, das Eintragungshindernis nach § 8 Abs. 2 Nr. 1 MarkenG zu beseitigen. Eine willkürliche Behandlung des Antragstellers durch das DPMA ist nicht erkennbar. Ausweislich einer Registerauskunft des DPMA sind seit 1997 von 24 Eintragungsanträgen für Wortzeichen mit der Wortfolge "Call a" 20 Anträge gescheitert. Die einzige in zeitlicher Nähe zu dem streitgegenständlichen Anmeldetag erfolgte Eintragung betrifft die Marke "Call-a-Cocktailbar" und reicht für den Nachweis des willkürlichen Abweichens von einer ständigen Verwaltungspraxis nicht aus. Dieser Fall ist einem dem Popularverfahren nach § 50 MarkenG vorbehaltenen Löschungsantrag durch die Mitbewerber zugänglich.