Entscheidungsdatum: 23.09.2010
In der Beschwerdesache
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betreffend die Markenanmeldung 307 40 261.4
hat der 29. Senat (Marken-Beschwerdesenat) des Bundespatentgerichts am 23. September 2010 unter Mitwirkung der Vorsitzenden Richterin Grabrucker, des Richters Dr. Kortbein und der Richterin Dorn
beschlossen:
Die Beschlüsse der Markenstelle für Klasse 16 des Deutschen Patent- und Markenamts vom 26. Januar 2009 und 25. Mai 2010 werden aufgehoben.
I.
Das farbige (rot, weiß, schwarz, grau) Wort-/Bildzeichen
ist am 25. Oktober 2007 zur Eintragung als Marke in das beim Deutschen Patent- und Markenamt (DPMA) geführte Register für nachfolgende Waren und Dienstleistungen angemeldet worden:
Klasse 16: Druckereierzeugnisse, Bücher, Zeitschriften, Journale;
Klasse 35: Werbung, auch im Internet;
Klasse 41: Veröffentlichung und Herausgabe von Büchern, Zeitungen und Zeitschriften.
Mit Beschluss vom 26. Januar 2009, bestätigt durch Erinnerungsbeschluss vom 25. Mai 2010, hat die Markenstelle für Klasse 16 die Anmeldung vollständig gemäß §§ 37 Abs. 1, 8 Abs. 2 Nr. 1 MarkenG wegen Fehlens jeglicher Unterscheidungskraft zurückgewiesen. Zur Begründung wurde ausgeführt, dass die Wortelemente des angemeldeten Zeichens “Tip der Woche“ in ihrer Gesamtbedeutung vom angesprochenen Verkehrskreis als “Ratschlag für den Zeitraum einer Woche“ und damit als bloßer Verbraucherhinweis, nicht jedoch als betrieblicher Herkunftshinweis verstanden würden. Ein solcher Hinweis “Tip der Woche“ werde nach dem Ergebnis der Recherche auch von unterschiedlichen Anbietern zur unmittelbaren Angebotsbeschreibung für Waren und Dienstleistungen verwendet. Auch die gestalterischen Elemente würden der Anmeldemarke keine Unterscheidungskraft verleihen. Sowohl die Form des Schriftzuges als auch die Gestaltung des Hintergrundes und der Umrahmung seien für sich allein betrachtet oder zusammen genommen zu üblich, um die Schutzfähigkeit der angemeldeten Kombination begründen zu können. Der überaus größte Teil der angesprochenen Abnehmer werde die Anmeldemarke nur als sachlichen Hinweis auf den Inhalt bzw. das Thema sämtlicher beanspruchter Waren und Dienstleistungen verstehen.
Hiergegen richtet sich die Beschwerde der Anmelderin, mit der sie sinngemäß beantragt,
die Beschlüsse der Markenstelle vom 25. Mai 2010 und vom 26. Januar 2009 aufzuheben.
Zur Begründung trägt sie vor, dass der angemeldeten Marke für die beanspruchten Waren und Dienstleistungen kein im Vordergrund stehender beschreibender Sinngehalt zugeordnet werden könne. Jedenfalls sei das angemeldete Wort-/Bildzeichen wegen der konkreten grafischen Ausgestaltung in seiner Gesamtwirkung ausreichend unterscheidungskräftig. Ein weiteres Indiz für die Schutzfähigkeit sei der Umstand, dass die Anmelderin bereits Inhaberin der quasi identischen deutschen Wort-/Bildmarke Nr. 394 02 168 sei, welche nahezu dieselben Markenbestandteile wie die Anmeldemarke aufweise. Auch sei das Verzeichnis der älteren Marke fast identisch mit dem der Anmeldemarke.
Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf den Akteninhalt Bezug genommen.
II.
Die nach § 66 Abs. 1 und 2 MarkenG zulässige Beschwerde der Anmelderin hat auch in der Sache Erfolg.
Der Eintragung des vorliegenden Wort-/Bildzeichens als Marke gemäß §§ 33 Abs. 2, 41 MarkenG steht kein absolutes Schutzhindernis, insbesondere auch nicht das der fehlenden Unterscheidungskraft oder des Freihaltebedürfnisses nach § 8 Abs. 2 Nr. 1 oder Nr. 2 MarkenG, entgegen.
Unterscheidungskraft im Sinne des § 8 Abs. 2 Nr. 1 MarkenG ist die einem Zeichen innewohnende (konkrete) Eignung, vom Verkehr als Unterscheidungsmittel aufgefasst zu werden, welches die in Rede stehenden Waren oder Dienstleistungen als von einem bestimmten Unternehmen stammend kennzeichnet und diese Waren oder Dienstleistungen somit von denjenigen anderer Unternehmen unterscheidet (BGH GRUR 2006, 850, 854 Rdnr. 18 - FUSSBALL WM 2006; 2008, 1093, 1094 Rdnr. 13 - Marlene-Dietrich-Bildnis). Denn die Hauptfunktion der Marke besteht darin, die Ursprungsidentität der gekennzeichneten Waren oder Dienstleistungen zu gewährleisten. Da allein das Fehlen jeglicher Unterscheidungskraft ein Eintragungshindernis begründet, ist ein großzügiger Maßstab anzulegen, so dass jede auch noch so geringe Unterscheidungskraft genügt, um das Schutzhindernis zu überwinden (BGH a. a. O. - FUSSBALL WM 2006; a. a. O. - Marlene-Dietrich-Bildnis; GRUR 2009, 411 Rdnr. 8 - STREETBALL; 778, 779 Rdnr. 11 - Willkommen im Leben; 949 f. Rdnr. 10 - My World). Wortmarken besitzen dann keine Unterscheidungskraft, wenn ihnen die maßgeblichen Verkehrskreise lediglich einen im Vordergrund stehenden beschreibenden Begriffsinhalt zuordnen (vgl. u. a. EuGH GRUR 2004, 674, 678 Rdnr. 86 - Postkantoor; BGH GRUR 2001, 1153 - anti KALK; GRUR 2005, 417, 418 - BerlinCard; GRUR 2006, 850, 854 Rdnr. 19 - FUSSBALL WM 2006; GRUR 2009, 952, 953 Rdnr. 10 - DeutschlandCard) oder wenn diese aus gebräuchlichen Wörtern oder Wendungen der deutschen Sprache oder einer geläufigen Fremdsprache bestehen, die - etwa wegen einer entsprechenden Verwendung in der Werbung oder in den Medien - stets nur als solche und nicht als Unterscheidungsmittel verstanden werden (vgl. u. a. BGH GRUR 2001, 1043, 1044 - Gute Zeiten - Schlechte Zeiten; BGH GRUR 2003, 1050, 1051 - Cityservice; a. a. O. - FUSSBALL WM 2006). Besteht eine Marke aus mehreren Elementen, ist bei der Beurteilung der Unterscheidungskraft von der Gesamtheit der Marke auszugehen (BGH GRUR 2001, 162, 163 - RATIONAL SOFTWARE CORPORATION; a. a. O. - anti Kalk). Dabei hat sich die Prüfung darauf zu erstrecken, ob die Marke als solche, jedenfalls mit einem ihrer Elemente, den (geringen) Anforderungen an die Unterscheidungskraft genügt.
Nach diesen Grundsätzen kann vorliegend - entgegen der von der Markenstelle vertretenen Auffassung - nicht festgestellt werden, dass das verfahrensgegenständliche Wort-/Bildzeichen dem Schutzhindernis nach § 8 Abs. 2 Nr. 1 MarkenG unterliegt.
Die angemeldete Marke setzt sich aus den Wortelementen “TIP DER WOCHE“ zusammen. Das Wort “Tip“ entstammt dem Englischen mit den Grundbedeutungen “Anstoß, Andeutung“ und ist die frühere Schreibweise des inzwischen in die deutsche Alltagssprache eingegangenen Wortes “Tipp“, welches (umgangssprachlich) ein nützlicher Hinweis oder guter Rat, der jemandem bei etwas hilft, bedeutet (Duden - Deutsches Universalwörterbuch, 6. Aufl. 2006 [CD-ROM]). Die Wortfolge “Tip der Woche” wird vom angesprochenen allgemeinen Publikum in ihrer Gesamtbedeutung entsprechend den Ausführungen der Markenstelle als “Ratschlag für den Zeitraum einer Woche” oder “nützlicher Hinweis für die(se) Woche” verstanden. Dieser Ausdruck wird auch von unterschiedlichen Anbietern zur Anpreisung von Waren- und Dienstleistungen aus diversen Segmenten verwendet, wie “ Tipp der Woche informiert über den wohl besten Verbrauchertipp der letzten Tage, etwa ein kostenloses oder stark vergünstigtes Produkt“ ( www.tippderwoche.eu ); “ Der Tipp der Woche für TOP-Renditen bei Ihrer Geldanlage.“ ( www.geldanlage-aktuell.de/top-renditen/tipp-der-woche ); “ Die Tipps der Woche: Jede Woche stellen wir Kunst-Höhepunkte vor, die Sie nicht verpassen dürfen…” ( www.art-magazin.de/kunst/33292/gib_mir_fuenf_tipps_der_woche ); “ Literaturverlag Droschl - Tipp der Woche. Neuerscheinungen, Auszeichnungen, Veranstaltungen..” (www. droschl.com/neuigkeiten); “ Tipp der Woche: Windows-Ordner farbig markieren - COMPUTER BILD zeigt Schritt für Schritt, wie Sie Ordner unter Windows XP farbig markieren…” (www.computerbild.de/avf-Video-Video-Kurse-3359491.html).
Die angemeldete Wortfolge ist daher eine dem Verkehr aus verschiedenen Zusammenhängen geläufige Werbeaussage, die die Aufmerksamkeit auf die beanspruchten Waren und Dienstleistungen lenken soll und gleichzeitig zum Ausdruck bringt, dass im Zusammenhang mit den jeweils beworbenen Waren und Dienstleistungen ein aktuelles Angebot erbracht wird, das dem angesprochenen Publikum als Entscheidungshilfe dienen soll.
Für die beanspruchten Waren der Klasse 16, nämlich “Druckereierzeugnisse, Bücher, Zeitschriften, Journale”, eignet sich “Tip der Woche” als Angabe über den Inhalt dieser Waren. Unter dem Titel “Tip der Woche” können nützliche Hinweise aus diversen Bereichen gegeben werden, wie Gesundheit, Ernährung, Fernsehen, Bücher, Musik, Finanzen, Wirtschaft, Reisen etc. Für die angesprochenen Verkehrskreise wird im Vordergrund der Hinweis “Tip der Woche” unter einem näher zu spezifizierenden Gesichtspunkt stehen. Sie werden darin jedoch keinen betriebsbezogenen Herkunftshinweis erkennen.
Auch für die angemeldeten Dienstleistungen der Klasse 41 “Veröffentlichung und Herausgabe von Büchern, Zeitungen und Zeitschriften” steht die Wortfolge “Tip der Woche” noch in einem engen sachlichen Zusammenhang zur o. g. inhaltsbezogenen Angabe bei den Waren der Klasse 16 und ist daher nicht unterscheidungskräftig (BGH GRUR 2009, 949 - My World).
Bei den Dienstleistungen der Klasse 35 “Werbung, auch im Internet” sind die Wortbestandteile des angemeldeten Zeichens ebenfalls nicht geeignet, als betrieblicher Herkunftshinweis zu dienen. Hinsichtlich dieser Dienstleistungen kommt der Wortfolge “Tip der Woche“ im Verkehr zwar nicht die Bedeutung einer inhaltsbeschreibenden Angabe zu. Denn es entspricht nicht den Branchengewohnheiten, dass Werbedienstleistungen durch das beworbene Produkt charakterisiert werden, weil eine solche Festlegung auf einen bestimmten Inhalt eine nicht gewollte Beschränkung bedeuten würde. Für die Werbung ist entscheidend, in welchem Medium sie platziert oder in welcher Branche sie eingesetzt wird (BGH GRUR a. a. O. 951 Rdnr. 24 - My World). Auf den thematischen Bezug der verfahrensgegenständlichen Wortfolge zu den Dienstleistungen der Klasse 35 kommt es vorliegend jedoch nicht entscheidend an, da “Tip der Woche” eine geläufige Werbeaussage darstellt, die, wie oben dargestellt, in verschiedenen Zusammenhängen tatsächlich verwendet wird und vom angesprochenen Verkehr stets nur als solche und nicht als Unterscheidungsmittel aufgefasst wird (vgl. u. a. BGH a. a. O. - Gute Zeiten - Schlechte Zeiten; a. a. O. - Cityservice; a. a. O. - FUSSBALL WM 2006).
Dies allein reicht aber nicht aus, um der angemeldeten Marke die Schutzfähigkeit abzusprechen.
Denn es ist von dem Grundsatz auszugehen, dass einer Wortelemente enthaltenden Bildmarke - unbeschadet der fehlenden Unterscheidungskraft dieser Wortelemente - als Gesamtheit Unterscheidungskraft zugesprochen werden kann, wenn die grafischen Elemente ihrerseits charakteristische Merkmale aufweisen, in denen der Verkehr einen Herkunftshinweis sieht (BGH GRUR 1991, 136, 137 - NEW MAN; a. a. O. - anti Kalk; EuGH GRUR 2006, 229, 233 Rdnr. 73, 74 - BioID). Dabei vermögen allerdings einfache grafische Gestaltungen oder Verzierungen des Schriftbildes, an die sich der Verkehr etwa durch häufige werbemäßige Verwendung gewöhnt hat, eine fehlende Unterscheidungskraft der Wörter ebenso wenig aufzuwiegen, wie derartige einfache grafische Gestaltungselemente auch für sich wegen fehlender Unterscheidungskraft nicht als Marke eingetragen werden können. Es bedarf vielmehr eines auffallenden Hervortretens der grafischen Elemente, um sich dem Verkehr als Herkunftshinweis einzuprägen (BGH a. a. O. - anti Kalk; GRUR 2008, 710, 711 Rdnr. 20 - VISAGE). Dies ist vorliegend der Fall.
Die einzelnen - jeweils schräg geschriebenen - Buchstaben des Wortes “TIP“ sind versetzt zueinander angeordnet, wobei der Buchstabe “I“ sich leicht unterhalb des Buchstaben “T“ befindet, während der Buchstabe “P“ wieder ein Stück höher liegt, aber immer noch unterhalb des Buchstabens “T“. Die rechts unterhalb davon angeordneten Wörter “DER WOCHE“ stehen rechtsbündig untereinander und sind - im Unterschied zum Wort “TIP“ - in deutlich kleineren und gerade geschriebenen Buchstaben mit gleichmäßiger Anordnung ausgeführt. Die weißen Buchstaben aller drei Wortelemente sind dreidimensional/schattiert ausgeführt und heben sich farblich deutlich von dem roten Untergrund ab, wobei die drei Buchstaben des Wortes “TIP“ aufgrund ihrer Größe, der versetzten Anordnung und zentralen Stellung besonders hervorstechen. Die beschriebene Anordnung der Wortelemente innerhalb des auffallenden knallroten Rechtecks mit abgerundeten Kanten und schwarzer Umrandung vermitteln einen unverwechselbaren, charakteristischen Gesamteindruck, der geeignet ist, das Erinnerungsvermögen des Verkehrs in herkunftshinweisender Funktion zu beeinflussen. Der nicht unterscheidungskräftige Sinngehalt der Wortbestandteile des angemeldeten Zeichens wird daher durch das auffallende Hervortreten der grafischen Elemente so weit überlagert, dass der Marke in ihrer Gesamtheit die erforderliche Unterscheidungskraft nicht mehr abgesprochen werden kann.
Im Hinblick auf die markante grafische Gestaltung unterliegt die angemeldete Marke ungeachtet ihrer nicht unterscheidungskräftigen Wortelemente auch keinem Freihaltebedürfnis im Sinne von § 8 Abs. 2 Nr. 2 MarkenG. Denn es wird nicht der Schutz für eine zeichenmäßige Verwendung der Wortfolge “Tip der Woche“ in jedweder Form, sondern nur in der gegebenen grafischen Gestaltung begehrt. Diese bestimmt und beschränkt zugleich den Schutzbereich der beanspruchten Bezeichnung (vgl. BGH GRUR a. a. O. - NEW MAN).
In diesem Zusammenhang ist ergänzend darauf hinzuweisen, dass die Anmelderin - neben der von ihr geltend gemachten ähnlichen Voreintragung Nr. 394 02 168 aus dem Jahr 1995 - über eine weitere vergleichbare Voreintragung Nr. 302009025439 der deutschen Wort-/Bildmarke
verfügt, welche am 15. Oktober 2009 eingetragen wurde und - bei identischem Waren- und Dienstleistungsverzeichnis - auch nahezu die gleichen Markenbestandteile wie die verfahrensgegenständliche Anmeldemarke aufweist.