Entscheidungsdatum: 01.12.2010
In der Beschwerdesache
…
betreffend die Markenanmeldung 30 2008 071 450.6
hat der 29. Senat (Marken-Beschwerdesenat) des Bundespatentgerichts auf die mündliche Verhandlung vom 1. Dezember 2010 durch die Vorsitzende Richterin Grabrucker, den Richter Dr. Kortbein und die Richterin Kortge
beschlossen:
Der Beschluss der Markenstelle für Klasse 16 des Deutschen Patent- und Markenamtes vom 17. Mai 2010 wird aufgehoben.
I.
Das Wortzeichen
Das Örtliche
ist am 5. November 2008 zur Eintragung als Marke in das beim Deutschen Patent- und Markenamt (DPMA) geführte Register für nachfolgende Waren und Dienstleistungen angemeldet worden:
Klasse 9: Computersoftware; CD-ROMs; Datenbanken oder über das Internet gelieferte Veröffentlichungen (herunterladbar); optoelektronische gespeicherte und lesbare Verzeichnisse auf CD-ROM; Computer-Hardware; Apparate zum Empfang, zur Aufzeichnung, Übertragung, Verarbeitung und Wiedergabe von Ton, Bild oder Daten;
Klasse 16: Papier, Pappe (Karton) und Waren aus diesen Materialien, soweit sie nicht in anderen Klassen enthalten sind; Schreibwaren; Druckereierzeugnisse, Buchbinderartikel;
Klasse 35: Werbung; Zusammenstellung von Verzeichnissen zur Veröffentlichung im Internet; Unternehmensverwaltung; Geschäftsführung; Zusammenstellen, Systematisieren und Pflege von Daten und Informationen in Computerdatenbanken; Büroarbeiten;
Klasse 38: Telekommunikation; Übermittlung von Informationen (einschließlich Webseiten) und anderen Daten; Bereitstellung des Zugriffs auf Datenbanken und Informationen über ein globales Computernetz;
Klasse 41: Unterhaltung, Online-Bereitstellung elektronischer Veröffentlichungen; Veröffentlichung und Herausgabe von Verlagsdruckereierzeugnissen;
Klasse 42: Verschaffen des Zugriffs auf einen zentralen Datenbankrechner; Programmierung und Design von Webseiten im Internet; Betrieb von Suchmaschinen; Speicherung von Daten in Computerdatenbanken; Erstellen von Programmen für die Datenverarbeitung; Verschaffen des Zugriffs auf Datenbanken, insbesondere auch im Internet; elektronische Speicherung von Daten für Dritte; Erstellen, Pflege und Wartung von elektronischen Datenbanken und von Software, soweit in dieser Klasse enthalten.
Mit Beschluss vom 17. Mai 2010 hat die Markenstelle für Klasse 16 die Anmeldung gemäß §§ 37 Abs. 1, 8 Abs. 2 Nr. 1 und 2 MarkenG wegen fehlender Unterscheidungskraft und Bestehen eines Freihaltebedürfnisses zurückgewiesen. Sie hat ausgeführt, die den Verkehrskreisen allgemein verständliche Wortverbindung „Das Örtliche“ werde in Verbindung mit den beanspruchten Waren und Dienstleistungen als eine Bezeichnung für ein örtlich begrenztes und an diesen Gegebenheiten orientiertes Verzeichnis im Sinne von regionalen bzw. lokalen Informationen verstanden. Im Unterschied zu Überregionalem oder gar Globalem verdeutliche die angemeldete verkürzte Fassung „Das Örtliche“, dass sämtliche beanspruchten Produkte oder Leistungen das Merkmal besäßen, aus der lokalen Region zu stammen oder sich mit einem bestimmten räumlich begrenzten Bereich zu befassen. Die angemeldete Bezeichnung beschränke sich somit auf eine für die Verkehrskreise ohne weiteres erkennbare Sachaussage zum Gegenstand, Inhalt oder Verbreitungsgebiet bzw. auf eine Beschaffenheits- und Bestimmungsangabe der angemeldeten Waren und Dienstleistungen, wie z. B. bei Druckereierzeugnissen, Datenträgern, Telekommunikation etc., und reihe sich damit in vergleichbare Wortfolgen wie „Das Regionale“ (BPatG 25 W (pat) 20/05), „Das Erste“ usw. ein. Da es sich in erster Linie um eine beschreibende Sachinformation handele, liege darüber hinaus ein Freihaltebedürfnis vor. Eine Überwindung dieser absoluten Schutzhindernisse durch die hilfsweise geltend gemachte Verkehrsdurchsetzung habe die Anmelderin nicht hinreichend glaubhaft gemacht. Da dem von ihr vorgelegten Gutachten der TNS Infratest GmbH vom September 2008 (Bl. 13 - 65 VA) eine im Juli/August 2008 durchgeführte Meinungsumfrage zugrunde liege, biete dieses Gutachten keine ausreichenden Anhaltspunkte für eine Verkehrsdurchsetzung zum Anmeldezeitpunkt, am 5. November 2008, sowie zum Entscheidungszeitpunkt, am 17. Mai 2010. Ferner beziehe sich die Befragung ausschließlich auf die Benutzung des Zeichens für die Ware „regionales Telefonbuch“ und nicht für die übrigen beanspruchten Waren und Dienstleistungen. Das Gutachten belege insoweit zudem nur den für eine Verkehrsdurchsetzung nicht ausreichenden Durchsetzungsgrad von weit unter 50 %. Denn von den 59,7 % der Gesamtbevölkerung, welche die Bezeichnung „Das Örtliche“ einem ganz bestimmten Herausgeber zuordneten, seien aufgrund falscher Zuordnung insgesamt 50,9 % in Abzug zu bringen.
Hiergegen richtet sich die Beschwerde der Anmelderin, die aufgrund der am 18. November 2010 erfolgten Umschreibung der Markenanmeldung (Bl. 525 VA) zur Rechtsnachfolgerin der ursprünglich über 100 Anmelderinnen geworden ist, und beantragt,
den Beschluss der Markenstelle für Klasse 16 des Deutschen Patent- und Markenamtes vom 17. Mai 2010 aufzuheben.
Sie regt hilfsweise die Zulassung der Rechtsbeschwerde an und vertritt die Ansicht, der angemeldeten Wortfolge könne schon mangels beschreibenden Begriffsinhalts, aber selbst bei Vorliegen einer einfachen Sachaussage wegen ihrer Originalität, Prägnanz und Interpretationsbedürftigkeit die Unterscheidungskraft nicht abgesprochen werden. Denn es fehle ein Substantiv, auf das sich „örtlich“ beziehen könne. „Örtlich“ werde zudem nicht adjektivisch, sondern substantivisch gebraucht, so dass ohne Heranziehung weiterer sinntragender Wörter „Das Örtliche“ in Bezug auf die beanspruchten Waren und Dienstleistungen mehrdeutig sei und zum Nachdenken anrege. Es lasse offen, worauf sich das Wort „örtlich“ beziehe, sowie wer damit angesprochen werde, und gebe keinen klaren Hinweis auf die konkreten Waren und Dienstleistungen, wie z. B. Rufnummern, Adress- oder sonstige Auskunfts- oder Informationsangaben bzw. -dienstleistungen. Ein konkreter Bedeutungsgehalt ergebe sich ausschließlich durch eine gedankliche Ergänzung der Wortfolge „Das Örtliche“ und werde auch dann erst im Gesamtkontext ersichtlich. Zwar könne bei einzelnen Waren und Dienstleistungen die Regionalität eine gewisse Rolle spielen. Daraus folge aber nicht, dass die Regionalität eine übliche und nahe liegende (Haupt-)Eigenschaft von ihnen darstelle, die durch die Bezeichnung „Das Örtliche“ beschrieben werde. Die auf eine große Themenvielfalt ausgerichteten Waren und Dienstleistungen stünden nicht notwendigerweise in einem regionalen Bezug. Daher habe das DPMA auch die Wortkombination „Das Lokale“ (30044765) am 17. Juli 2001 für Waren und Dienstleistungen der Klassen 16, 35, 38 und 41, unter anderem für „Druckereierzeugnisse“ und die „Herausgabe und Veröffentlichung von Informationen über Telekommunikationsmittel“ eingetragen (Bl. 79 f. GA). Die Gemeinschaftswortmarke „DAS LOKALE“ (EM04252854) sei am 7. November 2008 ebenfalls für vergleichbare Waren und Dienstleistungen der Klassen 16, 35 und 41, unter anderem für „Druckereierzeugnisse“ und die „Herausgabe und Veröffentlichung von Informationen über Telekommunikationsmittel“ registriert worden (Bl. 81 GA). Auch das Harmonisierungsamt für den Binnenmarkt habe bei seiner am 9. Juni 2009 abgeschlossenen Prüfung der Gemeinschaftsmarkenanmeldung „Das Örtliche“ vom 7. Mai 2009 (Az. 008 329 328) keine absoluten Eintragungshindernisse angenommen. Die weitere Gemeinschaftsmarkenanmeldung „Das Örtliche“ vom 4. Mai 2009 (Az. 008 320 574) sei bereits am 3. Dezember 2009 eingetragen worden. Wegen der fehlenden Eignung des angemeldeten Zeichens zur unmittelbaren Beschreibung der in Rede stehenden Waren und Dienstleistungen könne auch kein Freihaltebedürfnis bejaht werden. Da das DPMA das Vorliegen eines Freihaltebedürfnisses in seinem Beschluss nicht begründet habe, liege zudem ein wesentlicher Verfahrensfehler vor, der schon allein die Aufhebung der Entscheidung rechtfertige.
Vorsorglich macht die Beschwerdeführerin geltend, dass sich das Zeichen „Das Örtliche“ im Verkehr durchgesetzt habe. Ihre Gesellschafter verwendeten dieses Zeichen bereits seit Jahrzehnten bundesweit zur Kennzeichnung der von ihnen gemeinsam herausgegebenen Produkte und Dienstleistungen. Das demoskopische Gutachten des Marktforschungsinstituts TNS Infratest vom September 2008 (B 1) weise einen Kennzeichnungsgrad von 68,6 % bei „Besitzern/Nutzern von regionalen Telefonbüchern“ und von 65 % bei der deutschen Gesamtbevölkerung aus. Entgegen der Ansicht des DPMA seien auch die Nennungen „Das Örtliche“, „Gelbe Seiten“ und „Die Gelben Seiten“ zu ihren Gunsten zu berücksichtigen, weil diese der Unternehmensgruppe des Zeicheninhabers angehörten. Da die Nennung „Telekom/Deutsche Telekom“ sich auf den Mutterkonzern ihrer Gesellschafterin DeTeMedien beziehe und die Nennungen „Post/Deutsche Post (AG) oder ähnliches/Ehemalige Bundespost/Nachfolger der früheren Post oder ähnliches“ auf die „Deutsche Bundespost“ als Rechtsvorgängerin der Deutsche Telekom AG hinwiesen und die Filialen der Deutschen Post AG immer noch die Hauptvertriebspunkte für die Abholung der Printverzeichnisse seien, seien auch diese Antworten zu ihren Gunsten zu werten. Die langjährige und markenmäßige Benutzung des Anmeldezeichens werde durch weitere umfangreiche Unterlagen belegt. Wegen der Einzelheiten dieser Benutzungsnachweise wird auf die Seiten 10 bis 22 der Beschwerdebegründung (Bl. 29 - 41 GA) sowie auf die ihr beigefügten Anlagen B 2 - B 33 verwiesen.
Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf den Akteninhalt Bezug genommen.
II.
Die zulässige Beschwerde hat auch in der Sache Erfolg.
1. Da die angemeldete Wortfolge am 18. November 2010 von den ursprünglich über 100 Anmelderinnen auf die jetzige Anmelderin umgeschrieben worden ist und diese ausweislich ihrer Bezeichnung als „jetzige Beschwerdeführerin“ in der Beschwerdebegründung (Bl. 20 GA) das Verfahren übernimmt, ist das Verfahren mit ihr fortzusetzen.
2. Der Eintragung der angemeldeten Wortfolge „Das Örtliche“ als Marke gemäß §§ 33 Abs. 2, 41 MarkenG steht in Bezug auf die beanspruchten Waren und Dienstleistungen kein absolutes Schutzhindernis, insbesondere auch nicht das der fehlenden Unterscheidungskraft oder des Freihaltebedürfnisses nach § 8 Abs. 2 Nr. 1 oder Nr. 2 MarkenG, entgegen.
a) Unterscheidungskraft im Sinne des § 8 Abs. 2 Nr. 1 MarkenG ist die einer Marke innewohnende (konkrete) Eignung, vom Verkehr als Unterscheidungsmittel aufgefasst zu werden, das die in Rede stehenden Waren und Dienstleistungen als von einem bestimmten Unternehmen stammend kennzeichnet und diese Waren oder Dienstleistungen somit von denjenigen anderer Unternehmen unterscheidet. Denn die Hauptfunktion der Marke besteht darin, die Ursprungsidentität der gekennzeichneten Waren und Dienstleistungen zu gewährleisten (vgl. u. a. EuGH GRUR 2006, 233, 235 Rdnr. 45 - Standbeutel; 229, 230 Rdnr. 27 - BioID; GRUR 2008, 608, 611 Rdnr. 66 - EUROHYPO; BGH GRUR 2006, 850, 854 Rdnr. 18 - FUSSBALL WM 2006; GRUR 2005, 417, 418 - BerlinCard; GRUR 2008, 710 Rdnr. 12 - VISAGE; GRUR 2009, 949 Rdnr. 10 - My World). Da allein das Fehlen jeglicher Unterscheidungskraft ein Eintragungshindernis begründet, ist ein großzügiger Maßstab anzulegen, so dass jede auch noch so geringe Unterscheidungskraft genügt, um das Schutzhindernis zu überwinden (BGH a. a. O. - FUSSBALL WM 2006; GRUR 2008, 1093 Rdnr. 13 - Marlene-Dietrich-Bildnis I; GRUR 2009, 949 f. Rdnr. 10 - My World). Maßgeblich für die Beurteilung der Unterscheidungskraft ist die Auffassung der beteiligten inländischen Verkehrskreise, wobei auf die Wahrnehmung des Handels und/oder des normal informierten, angemessen aufmerksamen und verständigen Durchschnittsverbrauchers der fraglichen Waren oder Dienstleistungen abzustellen ist (EuGH GRUR 2004, 943, 944 Rdnr. 24 - SAT 2; GRUR 2006, 411, 412 Rdnr. 24 - Matratzen Concord/Hukla; BGH a. a. O. - FUSSBALL WM 2006). Ebenso ist zu berücksichtigen, dass der Verkehr ein als Marke verwendetes Zeichen in seiner Gesamtheit mit allen seinen Bestandteilen so aufnimmt, wie es ihm entgegentritt, ohne es einer analysierenden Betrachtungsweise zu unterziehen (vgl. u. a. EuGH GRUR 2004, 428, 431 Rdnr. 53 - Henkel; BGH MarkenR 2000, 420, 421 - RATIONAL SOFTWARE CORPORATION; GRUR 2001, 1151, 1152 - marktfrisch). Ausgehend hiervon besitzen Wortmarken dann keine Unterscheidungskraft, wenn ihnen die maßgeblichen Verkehrskreise lediglich einen im Vordergrund stehenden beschreibenden Begriffsinhalt zuordnen (vgl. u. a. EuGH GRUR 2004, 674, 678 Rdnr. 86 - Postkantoor; BGH a. a. O. - marktfrisch; GRUR 2001, 1153 - anti KALK; GRUR 2005, 417, 418 - BerlinCard; GRUR 2006, 850, 854 Rdnr. 19 - FUSSBALL WM 2006; GRUR 2009, 952, 953 Rdnr. 10 - DeutschlandCard) oder wenn diese aus gebräuchlichen Wörtern oder Wendungen der deutschen Sprache oder einer geläufigen Fremdsprache bestehen, die - etwa wegen einer entsprechenden Verwendung in der Werbung oder in den Medien - stets nur als solche und nicht als Unterscheidungsmittel verstanden werden (vgl. u. a. BGH GRUR 2001, 1043, 1044 - Gute Zeiten - Schlechte Zeiten; BGH GRUR 2003, 1050, 1051 - Cityservice; a. a. O. - FUSSBALL WM 2006). Darüber hinaus besitzen keine Unterscheidungskraft vor allem auch Zeichen, die sich auf Umstände beziehen, welche die beanspruchten Waren und Dienstleistungen zwar nicht unmittelbar betreffen, durch die aber ein enger beschreibender Bezug zu diesen hergestellt wird und die sich damit in einer beschreibenden Angabe erschöpfen (BGH a. a. O. 855 Rdnr. 28 f. - FUSSBALL WM 2006).
b) Diesen Anforderungen an die Unterscheidungskraft im Sinne des § 8 Abs. 2 Nr. 1 MarkenG genügt die angemeldete Wortfolge „Das Örtliche“. Denn sie weist für sämtliche angemeldeten Waren und Dienstleistungen weder einen im Vordergrund stehenden beschreibenden Begriffsgehalt auf, noch handelt es sich um eine Angabe, durch die ein enger beschreibender Bezug zu ihnen hergestellt werden kann.
aa) Die Wortfolge setzt sich aus allgemein bekannten deutschen Wörtern, nämlich dem bestimmten sächlichen Artikel im Nominativ und Akkusativ Singular „Das“ und dem substantivisch als Neutrum gebrauchten Adjektiv „Örtliche“, zusammen.
Das Adjektiv „örtlich“ kann „auf eine bestimmte Stelle beschränkt, begrenzt“ bedeuten, wie dies bei der örtlichen Betäubung im medizinischen Bereich der Fall ist. Ihm kommt aber auch die Bedeutung „nur einen bestimmten Ort betreffend; nur in einem bestimmten Ort“ zu im Sinne von „örtlichen Besonderheiten“ oder „das ist örtlich verschieden“ (Duden - Deutsches Universalwörterbuch, 6. Aufl. 2006, [CD-ROM]).
bb) Der Gesamtbegriff „Das Örtliche“ ist lexikalisch nicht nachweisbar und kommt in der deutschen Umgangssprache in dieser Verkürzung kaum je vor. Wie eine Recherche des Senats, auch im Internet unter www.google.de, ergeben hat, taucht dieser Begriff, soweit er nicht auf das Telefonbuch der Anmelderin hinweist (vgl. B 33), nur ein einziges Mal auf, nämlich als Titel für eine Vortragsreihe an der TU Dortmund zu den „Grundbegriffen der Architektur“, die sich mit dem Ort bzw. dem örtlichen Kontext als Referenzgröße der Architektur befasst (http://www.baunetz.de/Meldungen-Vortragsreihe_in_Dortmund_1073137.html).
cc) In seiner Gesamtbedeutung kann die Wortfolge „Das Örtliche“ dahingehend verstanden werden, dass es um etwas, auf einen bestimmten Ort Beschränktes geht. Dabei handelt es sich um eine unvollständige und interpretationsbedürftige Formulierung, die normalerweise als Attribut eines zugleich konkret benannten Begriffes auftritt. In ihrer Alleinstellung lässt sie völlig offen, worauf sie sich konkret bezieht und an wen sie sich richtet. Eindeutig ist sie nur in der Negativaussage, dass es sich um das Gegenteil von etwas Allumfassendem, Globalem handelt, so dass ihr positiver Sinngehalt nur nach Heranziehung weiterer sinntragender Erläuterungen oder Zusätze ermittelt werden kann. Sie eignet sich in ihrer abstrakten Form daher grundsätzlich nicht, ein Waren- oder Dienstleistungsmerkmal zu beschreiben oder auf ein solches hinzuweisen. Ein Bedeutungsgehalt ergibt sich insoweit ausschließlich durch gedankliche Ergänzungen, wie z. B. dass die in Bezug genommenen Produkte und Dienstleistungen aus einem bestimmten Ort stammen oder sich mit einem bestimmten Ort befassen . Eine konkrete Sachaussage wird daraus aber auch erst dann, wenn klar ist, welcher Ort gemeint ist, also durch eine präzise Ortsangabe, an der es innerhalb des angemeldeten Zeichens aber fehlt.
dd) Auch in Bezug auf die beanspruchten Waren und Dienstleistungen ist der Sinngehalt der angemeldeten Wortfolge nicht aus sich heraus verständlich, sondern interpretations- und ergänzungsbedürftig.
aaa) Selbst hinsichtlich der gedruckten, elektronischen und optoelektronischen (Telefon-)Verzeichnisse sowie der damit unmittelbar in Verbindung stehenden Waren und Dienstleistungen lässt sich ein sinnvoller Aussagegehalt erst in Verbindung mit einer konkreten Orts-, Waren- und/oder Dienstleistungsangabe feststellen.
(1) Die Bezeichnung „Das Örtliche“ ist inhaltlich nicht vage wie die Wortfolge „Bücher für eine bessere Welt“ (BGH GRUR 2000, 882, 883 - Bücher für eine bessere Welt). Diese war nämlich in ihrer Aussage vollständig und vermittelte lediglich innerhalb dieser Aussage eine Vagheit durch die Verwendung der beiden Begriffe „bessere Welt“, deren Deutung dem individuellen Vorstellungshorizont des einzelnen Verbrauchers überlassen blieb. Das angemeldete Wortzeichen verfügt hingegen nur über eine unvollständige Aussage und ist daher ergänzungsbedürftig wie das Wort-/Bildzeichen „á la Carte“, das nur durch den Zusatz weiterer Begriffe einen genauen begrifflichen Inhalt erhielt (BGH GRUR 1997, 627, 628 - á la Carte). Die einer eindeutigen Klarstellung dienenden Substantive „Telefonbuch“ oder „Telefonverzeichnis“ sowie eine bestimmte Ortsangabe dürfen aber nicht hinzugedacht werden. Solche Ergänzungen verändern das Anmeldezeichen, das ausschließlich in seiner angemeldeten Gesamtheit Gegenstand der Prüfung im Eintragungsverfahren ist (BGH Beschl. v. 10. Juni 2010 - I ZB 39/09 Rdnr. 10 - Buchstabe T mit Strich).
(2) Einen beschreibenden (Gattungs-)Begriff für alle auf einen bestimmten Ort bezogenen Telefonbücher jedweder Herkunft bildet die Bezeichnung „Das Örtliche“ ebenfalls nicht, selbst wenn der Verkehr mit ihr regelmäßig solche Telefonbücher in Verbindung bringen sollte. Denn durch sie wird kein gedanklicher Bezug zu irgendeinem Telefonbuch hergestellt, sondern nur zu einem ganz bestimmten, nämlich dem von den Rechtsvorgängerinnen der jetzigen Anmelderin herausgegebenen Verzeichnis. Häufig werden im Verkehr Produktnamen als Synonym für ein einziges ganz bestimmtes Produkt verwendet, ohne dass sie hiermit in den Augen des Verkehrs ihren Charakter als Marke verlieren. Dies wäre erst dann der Fall, wenn der ursprüngliche Produktname vom Publikum mittlerweile für alle gleichartigen Produkte gleich welcher Ausstattung oder Herkunft verwendet würde und sich zum Gattungsbegriff entwickelt hätte. Dies ist aber nicht der Fall, wie die Existenz weiterer örtlich begrenzter Telefon- und Branchentelefonbücher zeigt („Das Regionale“ http://www.dasregionale.net; „Ihr Regionales Telefonbuch“ http://www.ihr-regionales.de; NUSSBAUM-DAS LOKALE Branchen-/Telefonbuch http://www.knvertrieb.net/nussbaum-medien/nussbaum-das-lokale), bei denen es sich ebenfalls um ganz bestimmte Telefonverzeichnisse handelt und deren Produktnamen markenmäßig und nicht als bloß beschreibende Angaben verwendet werden.
bbb) Bei allen übrigen Waren und Dienstleistungen fehlt ebenfalls jeglicher Bezug zum angemeldeten Zeichen, so dass ihm nur die Bedeutung eines betrieblichen Herkunftshinweises zukommen kann.
ee) Diese Entscheidung steht auch nicht im Widerspruch zum Beschluss des Senats in der Anmeldesache „Ihr Regionales Telefonbuch“ (29 W (pat) 419/98 - Ihr Regionales Telefonbuch), in welcher er ein Freihaltebedürfnis des angemeldeten Zeichens angenommen hat. Denn auch wenn man „Regional“ mit „Örtlich“ gleichsetzt, besteht der entscheidende Unterschied darin, dass das Adjektiv „Regional“ in dem angemeldeten Zeichen „Ihr Regionales Telefonbuch“ zum Substantiv „Telefonbuch“ in Beziehung gesetzt und dadurch die Unbestimmtheit des ersten Teils „Ihr Regionales“ zugunsten einer konkreten unmittelbaren Sachaussage aufgehoben wird.
ff) Die Entscheidung des 25. Senats des Bundespatentgerichts vom 21. Juli 2005 (25 W (pat) 20/05 - Das Regionale), in welchem dieser dem Anmeldezeichen „Das Regionale“ für die vergleichbaren Waren und Dienstleistungen „Drucksachen; Werbung, Verbreitung von Werbeanzeigen, Herausgabe und Veröffentlichung von Dateien, Texten (ausgenommen Werbetexte), Büchern und anderen Drucksachen, Dienstleistungen eines Telefonbuchverlegers (ausgenommen Druckarbeiten)“ die Unterscheidungskraft mit der Begründung abgesprochen hat, dass dem Anmeldezeichen eine konkret beschreibende Angabe entnommen werden könne, ist aus den oben genannten Gründen überholt. Denn auch die Bezeichnung „Das Regionale“ ist unvollständig und die Heranziehung weiterer gedanklicher Ergänzungen, dass die so bezeichneten Waren oder Dienstleistungen in einer bestimmten Region angeboten oder sich inhaltlich auf eine bestimmte Region beziehen , ist unzulässig (vgl. BGH a. a. O. - Buchstabe T mit Strich).
3. Wegen der fehlenden Eignung zur unmittelbaren Beschreibung der beanspruchten Waren und Dienstleistungen kann bei der angemeldeten Wortfolge auch ein Freihaltebedürfnis nach § 8 Abs. 2 Nr. 2 MarkenG nicht bejaht werden.
4. Vor einer Eintragung der angemeldeten Wortfolge wird die Markenstelle jedoch noch Unklarheiten in den Klassen 41 und 42 des Waren-/Dienstleistungsverzeichnisses (Bl. 12 VA) zu klären haben, welche sie im Beanstandungsbescheid vom 19. Februar 2009 (Bl. 71 ff., 73 VA) vorläufig zurückgestellt hat.