Entscheidungsdatum: 28.06.2013
In der Beschwerdesache
…
betreffend die Markenanmeldung 30 2010 012 145.9
hat der 29. Senat (Marken-Beschwerdesenat) des Bundespatentgerichts im schriftlichen Verfahren am 28. Juni 2013 unter Mitwirkung der Vorsitzenden Richterin Grabrucker und der Richterinnen Kortge und Uhlmann
beschlossen:
Die Beschwerde wird zurückgewiesen.
I.
Die Wortfolge
Wissen mit Freude erfahren
ist am 1. März 2010 zur Eintragung als Marke in das beim Deutschen Patent- und Markenamt geführte Register für nachfolgende Dienstleistungen angemeldet worden:
Klasse 35: Beratung in Fragen der Geschäftsführung, Beratungsdienste in Fragen der Geschäftsführung, betriebswirtschaftliche Beratung, Organisationsberatung in Geschäftsangelegenheiten, organisatorische Beratung, Unternehmensberatung, Marketing (Absatzforschung);
Klasse 41: Coaching, Aus- und Fortbildungs- sowie Erziehungsberatung, Veranstaltung und Durchführung von Workshops (Ausbildung).
Mit den Beschlüssen vom 17. August 2010 und 7. November 2011, von denen letzterer im Erinnerungsverfahren ergangen ist, hat die Markenstelle für Klasse 35 die Anmeldung wegen fehlender Unterscheidungskraft zurückgewiesen. Sie hat ausgeführt, die angemeldete Wortfolge sei sprachüblich nach Art eines Slogans gebildet und sei für das maßgebliche Publikum, das sich sowohl aus dem Geschäftsverkehr wie auch aus den allgemeinen und breiten Verbraucherkreisen zusammensetze, ohne weiteres als Gesamtaussage verständlich. Der durch die Wörter "Wissen" und "Freude" erzeugte Aussagegehalt erschöpfe sich darin, dass Wissen in einer Art und Weise vermittelt werde, die dem Empfänger Freude bereiten solle. Die Wortfolge enthalte somit einen werbenden appellativen Sachhinweis darauf, dass es um eine Wissensvermittlung mit einer bestimmten Methode gehe, die sich durch ihre angenehme Art auszeichne. Eine individualisierende Kennzeichnungswirkung für einen bestimmten Anbieter der Dienstleistungen werde indessen nicht erreicht. Auch wenn der Wortfolge eine gewisse begriffliche Unschärfe immanent sei, da der konkrete Gegenstand, auf den sich die Wissensvermittlung beziehe, nicht explizit genannt werde, führe dies nicht zu der Annahme einer schutzbegründenden Mehrdeutigkeit, da eine gewisse begriffliche Unbestimmtheit bei Slogans vielfach gewollt sei, um hierdurch einen möglichst weiten Bereich dienstleistungsbezogener Eigenschaften zu erfassen.
Hiergegen richtet sich die Beschwerde der Anmelderin, mit der sie sinngemäß beantragt,
die Beschlüsse des Deutschen Patent- und Markenamts vom 17. August 2010 und 07. November 2011 aufzuheben.
Die Wortfolge weise eine gewisse Kürze und Prägnanz auf. Eine besondere Originalität sei nicht erforderlich, auch dass der Slogan in erster Linie als Werbeaussage wahrgenommen werde, stehe der Unterscheidungskraft nicht entgegen. Maßgeblich sei, dass die Wortfolge dem Verkehr einen gewissen Interpretationsspielraum lasse. Die Aussage sei auch auf andere als die von der Anmelderin beanspruchten Dienstleistungen der Wissensvermittlung anwendbar und deshalb mehrdeutig. Die Dienstleistungen selbst würden nicht konkret dargestellt.
Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf den Akteninhalt Bezug genommen.
II.
Die zulässige Beschwerde der Anmelderin hat in der Sache keinen Erfolg.
Der Eintragung der angemeldeten Wortfolge "Wissen mit Freude erfahren" gemäß § 33 Abs. 2, 41 MarkenG steht in Bezug auf die beanspruchten Dienstleistungen das absolute Schutzhindernis der fehlenden Unterscheidungskraft gemäß § 8 Abs. 2 Nr. 1 MarkenG entgegen. Die Markenstelle hat der angemeldeten Bezeichnung daher zu Recht die Eintragung versagt.
1.
Unterscheidungskraft im Sinne des § 8 Abs. 2 Nr. 1 MarkenG ist die einer Marke innewohnende (konkrete) Eignung, vom Verkehr als Unterscheidungsmittel aufgefasst zu werden, das die in Rede stehenden Waren und Dienstleistungen als von einem bestimmten Unternehmen stammend kennzeichnet und diese Waren oder Dienstleistungen somit von denjenigen anderer Unternehmen unterscheidet (EuGH GRUR 2008, 608, 611 Rdnr. 66 f. – EUROHYPO; BGH GRUR 2010, 825, 826 Rdnr. 13 – Marlene-Dietrich-Bildnis II; 935 Rdnr. 8 – Die Vision; GRUR 2006, 850, 854 Rdnr. 18 - FUSSBALL WM 2006). Denn die Hauptfunktion der Marke besteht darin, die Ursprungsidentität der gekennzeichneten Waren und Dienstleistungen zu gewährleisten (EuGH GRUR 2006, 233, 235 Rdnr. 45 - Standbeutel; 229, 230 Rdnr. 27 - BioID; a. a. O. Rdnr. 66 - EUROHYPO; BGH GRUR 2008, 710 Rdnr. 12 - VISAGE; GRUR 2009, 949 Rdnr. 10 - My World; a. a. O. – FUSSBALL WM 2006; GRUR 2005, 417, 418 - BerlinCard;). Da allein das Fehlen jeglicher Unterscheidungskraft ein Eintragungshindernis begründet, ist ein großzügiger Maßstab anzulegen, so dass jede auch noch so geringe Unterscheidungskraft genügt, um das Schutzhindernis zu überwinden (BGH a. a. O. - Marlene-Dietrich-Bildnis II; GRUR 2009, 411 Rdnr. 8 - STREETBALL; 778, 779 Rdnr. 11 – Willkommen im Leben; 949 f. Rdnr. 10 - My World; a. a. O. - FUSSBALL WM 2006).
Maßgeblich für die Beurteilung der Unterscheidungskraft sind einerseits die beanspruchten Waren oder Dienstleistungen und andererseits die Auffassung der beteiligten inländischen Verkehrskreise, wobei auf die Wahrnehmung des Handels und/oder des normal informierten, angemessen aufmerksamen und verständigen Durchschnittsverbrauchers der fraglichen Waren oder Dienstleistungen abzustellen ist (EuGH GRUR 2006, 411, 412 Rdnr. 24 - Matratzen Concord/Hukla; GRUR 2004, 943, 944 Rdnr. 24 - SAT 2; BGH a. a. O. – Die Vision; 825, 826 Rdnr. 13 – Marlene-Dietrich-Bildnis II; a. a. O. - FUSSBALL WM 2006).
Ebenso ist zu berücksichtigen, dass der Verkehr ein als Marke verwendetes Zeichen in seiner Gesamtheit mit allen seinen Bestandteilen so aufnimmt, wie es ihm entgegentritt, ohne es einer analysierenden Betrachtungsweise zu unterziehen (EuGH GRUR 2004, 428, 431 Rdnr. 53 - Henkel; BGH GRUR 2001, 1151, 1152 - marktfrisch; MarkenR 2000, 420, 421 - RATIONAL SOFTWARE CORPORATION).
Ausgehend hiervon besitzen Wortzeichen dann keine Unterscheidungskraft, wenn ihnen die maßgeblichen Verkehrskreise lediglich einen im Vordergrund stehenden beschreibenden Begriffsinhalt zuordnen (EuGH GRUR 2004, 674, 678 Rdnr. 86 – Postkantoor; BGH GRUR 2009, 952, 953 Rdnr. 10 - DeutschlandCard; a. a. O. 854 Rdnr. 19 - FUSSBALL WM 2006; GRUR 2005, 417, 418 – BerlinCard; a. a. O. - marktfrisch; GRUR 2001, 1153 - anti KALK) oder wenn diese aus gebräuchlichen Wörtern oder Wendungen der deutschen Sprache oder einer geläufigen Fremdsprache bestehen, die – etwa wegen einer entsprechenden Verwendung in der Werbung oder in den Medien – stets nur als solche und nicht als Unterscheidungsmittel verstanden werden (vgl. u. a. BGH a. a. O. - FUSSBALL WM 2006; GRUR 2003, 1050, 1051 - Cityservice; GRUR 2001, 1043, 1044 - Gute Zeiten –Schlechte Zeiten). Darüber hinaus besitzen keine Unterscheidungskraft vor allem auch Zeichen, die sich auf Umstände beziehen, welche die beanspruchten Waren und Dienstleistungen zwar nicht unmittelbar betreffen, durch die aber ein enger beschreibender Bezug zu diesen hergestellt wird und die sich damit in einer beschreibenden Angabe erschöpfen (BGH GRUR 2010, 1100, 1102 Rdnr. 23 – TOOOR!; a. a. O. 855 Rdnr. 28 f. - FUSSBALL WM 2006).
Von diesen Grundsätzen ist auch bei der Beurteilung der Unterscheidungskraft von Wortfolgen (hier: einer sloganartigen Wortfolge) auszugehen, ohne dass unterschiedliche Anforderungen an die Unterscheidungskraft von sloganartigen Wortfolgen gegenüber anderen Wortmarken gerechtfertigt sind (EuGH GRUR 2010, 228, 231 Rdnr. 36 - Vorsprung durch Technik; EuGH GRUR 2004, 1027, 1029 Rdnr. 32 u. 36, 1030 Rdnr. 44 - DAS PRINZIP DER BEQUEMLICHKEIT; BGH a. a. O. Rdnr. 12 - My World; BGH GRUR 2009, 778, 779 Rdnr. 12 - Willkommen im Leben). Vielmehr ist in jedem Fall zu prüfen, ob die Wortfolge einen ausschließlich produktbeschreibenden Inhalt hat oder ihr über diesen hinaus eine, wenn auch noch so geringe Unterscheidungskraft für die angemeldeten Waren oder Dienstleistungen zukommt (BGH a. a. O. - My World u. Willkommen im Leben). Selbst wenn aber Marken, die aus Zeichen oder Angaben bestehen, die sonst als Werbeslogans, Qualitätshinweise oder Aufforderungen zum Kauf der in Bezug genommenen Waren und Dienstleistungen verwendet werden, eine Sachaussage in mehr oder weniger großem Umfang enthalten, ohne unmittelbar beschreibend zu sein, können sie dennoch geeignet sein, den Verbraucher auf die betriebliche Herkunft der in Bezug genommenen Waren oder Dienstleistungen hinzuweisen (EuGH a. a. O. Rdnr. 56 - Vorsprung durch Technik). Dies kann insbesondere dann der Fall sein, wenn diese Marken nicht nur in einer gewöhnlichen Werbemitteilung bestehen, sondern eine gewisse Originalität oder Prägnanz aufweisen, ein Mindestmaß an Interpretationsaufwand erfordern oder bei den angesprochenen Verkehrskreisen einen Denkprozess auslösen (EuGH a. a. O. Rdnr. 57 - Vorsprung durch Technik; BGH a. a. O. - My World).
2.
Diesen Anforderungen an die Unterscheidungskraft im Sinne des § 8 Abs. 2 Nr. 1 MarkenG genügt die angemeldete Wortfolge "Wissen mit Freude erfahren" nicht. Sie ist aus einfach verständlichen Grundwörtern der deutschen Sprache grammatikalisch richtig gebildet. "Wissen" bedeutet die Gesamtheit der Kenntnisse, die jemand auf einem bestimmten Gebiet hat (Duden-online). "Freude" beschreibt einen hochgestimmten Gemütszustand. Sie spiegelt eine helle oder heitere Stimmung, ein Frohgefühl, wider. Das Verb "erfahren" wird in den Bedeutungen "Kenntnis von etwas erhalten", "etwas an sich erleben" und "eine Veränderung mitmachen" benutzt (Duden online). In ihrer Gesamtheit enthält die Wortfolge die Aussage, dass Kenntnisse in heiterer Stimmung erworben werden.
Im Zusammenhang mit den beanspruchten Dienstleistungen der Klasse 41 "Coaching, Aus- und Fortbildungs- sowie Erziehungsberatung, Veranstaltung und Durchführung von Workshops (Ausbildung)" erschöpft sich die angemeldete Wortfolge in einem beschreibenden Sachhinweis. Diesen Dienstleistungen kommt im Wesentlichen die Aufgabe zu, Wissen zu vermitteln. Dass Wissenvermittlung gerade dann erfolgreich ist, wenn sie mit Spaß und Freude verbunden wird, ist allgemein bekannt und wird in der Werbung für die Dienstleistungen der Klasse 41 häufig herausgestellt, wie sich aus den übersandten Recherchebelegen des Senats ergibt:
- www.fehrs-unternehmensberatung.de: In meinen Trainings, Workshops und Seminaren vermittle ich praktisch einsetzbares Wissen und Handwerkszeug, natürlich mit Spaß, Freude und hoher Motivation";
- www.beberco.de: "Mit meinen Vorträgen werden Möglichkeiten geschaffen, Ihnen praxisnah und gut verständlich Wissen mit Freude in einer Spektrumsbreite anzubieten, das in ganz elementaren menschlichen Bereichen zu finden ist";
- www.berendt-partner.de: "Für erfolgreiches Lernen bedarf es somit positiver Erfahrungen…unserer Gefühle (Emotionen, Freude…). Mit Planprojekten erarbeiten die Teilnehmer in unseren Workshops Lösungen und schaffen sich durch das gemeinsame Lösen der Aufgabe eine positive Erfahrung. Der Spaß und Freude an diesen Planprojekten fügt die positiven Emotionen und die Freude bei".
Schließlich weist die angemeldete Wortfolge auch für die Dienstleistung Erziehungsberatung nur einen beschreibenden Charakter auf. Denn die Freude am Lernen ist ein zentrales Erziehungsziel, das Thema der Erziehungsberatung sein kann:
- www.premiumpresse.de: "Mit Spaß und Freude Wissen erfahren … Benannt sind diese Einrichtungen nach der Begründung des freien pädagogischen Bildungskonzepts Maria Montessori";
- www.elternberatung.biz: "Beratung für Eltern von Kindern mit Lernstörungen: PTE – Freude am Lernen."
Daher werden die angesprochenen Verkehrskreise, hier die allgemeinen Verbraucher, die Wortfolge ohne weitere gedankliche Zwischenschritte als Sachhinweis im Rahmen der üblichen Werbeaussagen verstehen. Als betrieblicher Herkunftshinweis auf einen bestimmten Anbieter ist sie nicht geeignet.
Nichts anderes gilt für die Beratungsdienstleistungen der Klasse 35 "Beratung in Fragen der Geschäftsführung, Beratungsdienste in Fragen der Geschäftsführung, betriebswirtschaftliche Beratung, Organisationsberatung in Geschäftsangelegenheiten, organisatorische Beratung, Unternehmensberatung, Marketing (Absatzforschung)". Auch bei betrieblichen Beratungsdienstleistungen steht die Vermittlung von Kenntnissen im Vordergrund, die durch eine freudvolle Atmosphäre erleichtert wird. Die Bedeutung der Vermittlung von Emotionen zum Transport von Botschaften auch im Bereich des Marketing ist allgemein anerkannt:
- www.crystalclear-ccc.de: "Ganzheitliche Beratung für den Mittelstand: "Eines ist uns gemeinsam, wir haben Freude am Arbeiten als Unternehmer. Wir bringen unseren Klienten diese Freude zurück";
- www.lion-solution.de: "Unsere Individualität ist es, ganz auf unsere Kunden einzugehen. Die einen möchten gern bei dem klassischen Weg bleiben – andere jedoch möchten gerne neue Lösungsansätze und auch Spaß dabei haben";
- www.bandao.de: "Die Anpassung an neue Gegebenheiten oder Märkte erfordert eine strukturelle und mentale Adaption der Beteiligten und ihrer Kompetenzen. Wir sorgen für Erfolg und Freude in der Umsetzung";
- www.sensual-marketing.eu: Sinnesfreude sensual Marketing: Und so bedeutet ein gelungenes Marketing, mit den Emotionen zu arbeiten, die – bewusst oder unbewusst – Menschen veranlassen, mit Ihnen Kontakt aufzunehmen";
- www.trainers-excellence.com: Verkaufsspaßseminar: "Wie Sie mit Freude und Spaß mehr verkaufen."
Der Umstand, dass aus dem Slogan nicht eindeutig hervorgeht, welches Wissen erfahren wird und wie die Freude entsteht, genügt nicht, um das Schutzhindernis der fehlenden Unterscheidungskraft zu überwinden. Denn eine gewisse begriffliche Unbestimmtheit steht der Annahme einer beschreibenden Sachangabe nicht entgegen (BGH GRUR 2000 882 - Bücher für eine bessere Welt). Sie ist sogar erforderlich, um ein weites Themengebiet, das mit den Leistungen erfasst werden soll, abzudecken. Insoweit unterscheidet sich das Anmeldezeichen von der mehrdeutigen Wortfolge "Link Economy" (BGH GRUR 2012, 270,271 Rn. 12), die in ihrer Kombination keinen sich aufdrängenden, ohne weiteres ersichtlichen beschreibenden Begriffsgehalt aufwies, sondern deren Bedeutung erst durch mehrere analysierende Zwischenschritte ermittelt werden musste. Gleiches gilt für den Slogan "Vorsprung durch Technik" (EuGH, MarkenR 2010, 79;C-398/08 v. 21. 1. 2010), der sich ebenfalls erst durch ein Mindestmaß an Interpretationsaufwand erschließt.