Bundespatentgericht

Entscheidungsdatum: 11.09.2013


BPatG 11.09.2013 - 29 W (pat) 147/10

Markenbeschwerdeverfahren – "Moleskipedia/MOLESKINE (Gemeinschaftswortmarke)" – zur Kennzeichnungskraft – Warenidentität - keine unmittelbare Verwechslungsgefahr - keine Verwechslungsgefahr unter dem Gesichtspunkt der Markenusurpation - keine mittelbare Verwechslungsgefahr unter dem Aspekt des Serienzeichens


Gericht:
Bundespatentgericht
Spruchkörper:
29. Senat
Entscheidungsdatum:
11.09.2013
Aktenzeichen:
29 W (pat) 147/10
Dokumenttyp:
Beschluss
Zitierte Gesetze

Tenor

In der Beschwerdesache

betreffend die Marke 307 61 027

hat der 29. Senat (Marken-Beschwerdesenat) des Bundespatentgerichts im schriftlichen Verfahren am 11. September 2013 unter Mitwirkung der Richterin Kortge als Vorsitzender, der Richterin Uhlmann und des Richters Jacobi

beschlossen:

Die Beschwerde wird zurückgewiesen.

Gründe

I.

1

Die Wortmarke 307 61 027

2

Moleskipedia

3

des Beschwerdegegners ist am am 9. Juni 2008 in das beim Deutschen Patent- und Markenamt (DPMA) geführte Register eingetragen worden für die Waren und Dienstleistungen der

4

Klasse 16: Papier, Pappe (Karton) und Waren aus diesen Materialien, soweit sie nicht in anderen Klassen enthalten sind; Druckereierzeugnisse; Buchbinderartikel; Fotografien; Schreibwaren; Klebstoffe für Papier- und Schreibwaren oder für Haushaltszwecke; Künstlerbedarfsartikel; Pinsel, Schreibmaschinen und Büroartikel (ausgenommen Möbel); Lehr- und Unterrichtsmittel (ausgenommen Apparate); Verpackungsmaterial aus Kunststoff, soweit es nicht in anderen Klassen enthalten ist; Drucklettern; Druckstöcke;

5

Klasse 18: Leder und Lederimitationen sowie Waren daraus, soweit in Klasse 18 enthalten; Häute und Felle; Reise- und Handkoffer; Regenschirme, Sonnenschirme und Spazierstöcke; Peitschen, Pferdegeschirre und Sattlerwaren;

6

Klasse 45: persönliche und soziale Dienstleistungen betreffend individuelle Bedürfnisse.

7

Die Veröffentlichung der Eintragung erfolgte am 11. Juli 2008.

8

Die Beschwerdeführerin hat gegen die Eintragung Widerspruch erhoben aus der am 8. Juni 1999 eingetragenen Wortmarke EM 000 689 794

9

MOLESKINE

10

die eingetragen ist für die Waren der

11

Klasse 16: Papier, Pappe (Karton) und Waren aus diesen Materialien, soweit sie nicht in anderen Klassen enthalten sind; Druckereierzeugnisse; Buchbinderartikel; Photographien; Schreibwaren; Klebstoffe für Papier- und Schreibwaren oder für Haushaltszwecke; Künstlerbedarfsartikel; Pinsel; Schreibmaschinen und Büroartikel (ausgenommen Möbel); Lehr- und Unterrichtsmittel (ausgenommen Apparate); Verpackungsmaterial aus Kunststoff, soweit es nicht in anderen Klassen enthalten ist; Spielkarten; Drucklettern; Druckstöcke;

12

Klasse 18: Regenschirme, Sonnenschirme und Spazierstöcke; Peitschen; alle diese Produkte außer: Polyvinylchlorid-Rohstoff (PVC); mit speziellen Prägungen und Verzierungen in Form von Blättern, die Leder imitieren.

13

Durch Beschluss vom 25. Februar 2010 hat die Markenstelle für Klasse 16 des DPMA den Widerspruch zurückgewiesen.

14

Zur Begründung hat sie ausgeführt, die einander gegenüberstehenden Waren seien zwar teilweise identisch. Auch verfüge die Widerspruchsmarke für Notizbücher, Kalender etc. über eine gesteigerte, im übrigen über eine durchschnittliche Kennzeichnungskraft. Der dadurch erforderliche große Abstand werde von der jüngeren Marke jedoch eingehalten, da die Vergleichsmarken weder in klanglicher, bildlicher noch in begrifflicher Hinsicht ähnlich seien. Durch die unterschiedliche Silbenzahl und den Anklang der jüngeren Marke an „Enzyklopädie“ bestehe ein deutlicher Unterschied. Der Verbraucher werde das angegriffene Zeichen auch nicht für ein weiteres Produkt der Widersprechenden halten, weil diese mit Enzyklopädien nichts zu tun habe.

15

Gegen diesen Beschluss richtet sich die Beschwerde der Widersprechenden, mit der sie sinngemäß beantragt,

16

den Beschluss des Deutschen Patent- und Markenamtes vom 25. Februar 2010 aufzuheben und das DPMA anzuweisen, die Löschung der angegriffenen Marke anzuordnen.

17

Der Widerspruchsmarke komme aufgrund ihrer Bekanntheit für Kalender und Notizbücher eine gesteigerte Kennzeichnungskraft zu. Insbesondere die Notizbücher der Widerspruchsmarke hätten in Deutschland und weltweit Kultstatus. Da die ersten drei Silben der gegenüberstehenden Marken Mo-les-ki übereinstimmten und „ipedia“ oder „pedia“ allgemein als Hinweis auf eine Enzyklopädie diene, könne die angegriffene Marke als Hinweis auf eine umfassende Übersicht und Beschreibung der Produkte der Widerspruchsmarke verstanden und damit unmittelbar mit der Widerspruchsmarke in Verbindung gebracht werden.

18

Der Inhaber der angegriffenen Marke beantragt,

19

die Beschwerde zurückzuweisen.

20

Er hat die Einrede der Nichtbenutzung erhoben, diese aber für die Waren der Klasse 16 in der mündlichen Verhandlung vom 19. September 2012 fallen gelassen.

21

Er ist der Auffassung, eine erhöhte Kennzeichnungskraft komme der Widerspruchsmarke allenfalls für Notizbücher zu. Da das Markenwort „MOLESKINE“ aber deren Einbandmaterial, einen bestimmten Baumwollstoff, beschreibe, könne auch insoweit nur von einer normalen Kennzeichnungskraft ausgegangen werden. Der völlig klangschwache Fantasiebestandteil „molesk“ trete hinter dem zweiten Bestandteil der angegriffenen Marke „ipedia“ zurück, der den Verbrauchern von dem berühmten Internetlexikon „Wikipedia“ als Hinweis auf Nachschlagewerke jeglicher Art bekannt sei.

22

Zum weiteren Vortrag wird auf den Akteninhalt verwiesen.

II.

23

Die Beschwerde ist unbegründet.

24

Zwischen den Marken besteht keine Verwechslungsgefahr im Sinne von §§ 42 Abs. 2 Nr. 1, 9 Abs. 1 Nr. 2, 125b Nr. 1 MarkenG MarkenG.

25

Die Frage der Verwechslungsgefahr im Sinne von § 9 Abs. 1 Nr. 2 MarkenG ist nach ständiger höchstrichterlicher Rechtsprechung unter Berücksichtigung aller Umstände, insbesondere der zueinander in Wechselbeziehung stehenden Faktoren der Ähnlichkeit der Marken, der Ähnlichkeit der damit gekennzeichneten Waren oder Dienstleistungen sowie der Kennzeichnungskraft der prioritätsälteren Marke zu beurteilen, wobei insbesondere ein geringerer Grad der Ähnlichkeit der Marken durch einen höheren Grad der Ähnlichkeit der Waren oder Dienstleistungen oder durch eine erhöhte Kennzeichnungskraft der älteren Marke ausgeglichen werden kann und umgekehrt (BGH GRUR 2004, 865, 866 - Mustang; GRUR 2004, 598, 599 - Kleiner Feigling; GRUR 2004, 783, 784 -  NEUROVIBOLEX/NEURO-FIBRAFLEX ; GRUR 2006, 60, 61 Rdnr. 12 - coccodrillo; GRUR 2006, 859, 860 Rdnr.16 – Malteserkreuz I; MarkenR 2008, 405 Tz. 10 -  SIERRA ANTIGUO ; GRUR 2008, 906 - Pantohexal; GRUR 2008, 258, 260 Rdnr. 20 – INTERCONNECT/T-InterConnect; GRUR 2009, 484, 486 Rdnr. 23 – Metrobus; GRUR 2010, 235 Rdnr. 15 -  AIDA/AIDU ; EuGH GRUR 2006, 237, 238 - PICASSO).

26

Eine Ähnlichkeit von beiderseitigen Waren oder Dienstleistungen ist dabei grundsätzlich anzunehmen, wenn diese unter Berücksichtigung aller erheblichen Faktoren, die ihr Verhältnis zueinander kennzeichnen, insbesondere ihrer Beschaffenheit, ihrer regelmäßigen betrieblichen Herkunft, ihrer regelmäßigen Vertriebs- oder Erbringungsart, ihrem Verwendungszweck und ihrer Nutzung, ihrer wirtschaftlichen Bedeutung, ihrer Eigenart als miteinander konkurrierende oder einander ergänzende Produkte oder Leistungen oder anderer für die Frage der Verwechslungsgefahr wesentlichen Gründe so enge Berührungspunkte aufweisen, dass die beteiligten Verkehrskreise der Meinung sein könnten, sie stammten aus demselben oder ggf. wirtschaftlich verbundenen Unternehmen (BGH GRUR 2001, 507, 508 – EVIAN/REVIAN, GRUR 2004, 601 - d-c-fix/CD-FIX, EuGH MarkenR 2009, 47, 53 Rdnr. 65 – Edition Albert René).

1.

27

In den Ähnlichkeitsvergleich sind nur die in Klasse 16 eingetragenen Waren der Widerspruchsmarke einzubeziehen. Denn der Beschwerdegegner hat die Einrede der Nichtbenutzung gemäß § 43 Abs. 1 MarkenG erhoben. Da die Einrede nicht nach den Tatbestandsalternativen gemäß § 43 Abs. 1 Satz 1 und 2 MarkenG differenziert, gilt sie als für beide Zeiträume erhoben. Sie war zulässig, da die fünfjährige Benutzungsschonfrist der am 8. Juni 1999 eingetragenen älteren Gemeinschaftsmarke bei Veröffentlichung der jüngeren Marke am 11. Juli 2008 bereits verstrichen war. Deshalb hatte die Beschwerdeführerin die ernsthafte Benutzung für die Zeiträume von Juli 2003 bis Juli 2008 gemäß § 43 Abs. 1 Satz 1 und für die letzten fünf Jahre vor der Entscheidung also von September 2008 bis September 2013 glaubhaft zu machen. Dies ist ihr für die Waren der Klasse 18 nicht gelungen. Sie hat lediglich Benutzungsunterlagen für Waren der Klasse 16 vorgelegt. Insoweit hat der Beschwerdegegner die Nichtbenutzungseinrede aber in der mündlichen Verhandlung fallen gelassen.

a)

28

Die für die angegriffene Marke beanspruchten Waren der Klasse 16 „Papier, Pappe (Karton) und Waren aus diesen Materialien, soweit sie nicht in anderen Klassen enthalten sind“, „Druckereierzeugnisse“, „Buchbinderartikel“, „Fotografien“, „Schreibwaren“, „Klebstoffe für Papier- und Schreibwaren oder für Haushaltszwecke“, „Künstlerbedarfsartikel“, „Pinsel, Schreibmaschinen und Büroartikel (ausgenommen Möbel)“, „Lehr- und Unterrichtsmittel (ausgenommen Apparate)“, „Verpackungsmaterial aus Kunststoff, soweit es nicht in anderen Klassen enthalten ist“, „Drucklettern“ und „Druckstöcke“ sind im Verzeichnis der Widerspruchsmarke identisch enthalten, sodass die angegriffene Marke einen großen Abstand zur älteren Marke einhalten muss.

b)

29

Zwischen den Waren der angegriffenen Marke in Klasse 18 „Leder und Lederimitationen sowie Waren daraus, soweit in Klasse 18 enthalten“, „Häute und Felle“, „Reise- und Handkoffer“, „Regenschirme, Sonnenschirme und Spazierstöcke“, „Peitschen, Pferdegeschirre und Sattlerwaren“ und den für den Warenvergleich relevanten Widerspruchswaren der Klasse 16 besteht keine Ähnlichkeit. Denn die Waren der jüngeren Marke in Klasse 18 dienen anderen Verwendungszwecken als die Widerspruchswaren in Klasse 16. Sie haben in der Regel nicht den gleichen Hersteller und werden auch nicht aus einer Hand angeboten. Die Waren der jüngeren Marke „Leder und Lederimitationen sowie Waren daraus, soweit in Klasse 18 enthalten“ und „Häute und Felle“ weisen keine Ähnlichkeit zu den Widerspruchswaren „Buchbinderartikel“ auf. Zwar können Buchdeckel mit Leder bezogen sein. Zwischen dem Rohstoff Leder und dem verarbeiteten Buchbinderartikel, etwa einer Lederhülle für Bücher oder Hefte, fehlt es jedoch an Ähnlichkeit, weil ersteres nur ein Zwischenprodukt zur Herstellung der Buchbinderartikel darstellt. Gleiches gilt für Schreibwaren.

c)

30

Keine Ähnlichkeit besteht zwischen den in Klasse 45 aufgeführten Dienstleistungen der angegriffenen Marke „persönliche und soziale Dienstleistungen betreffend individuelle Bedürfnisse“ und den Widerspruchswaren der Klasse 16. Entgegen der Auffassung der Beschwerdeführerin fällt die Individualisierung von Gegenständen, etwa durch Verzierung, Prägung oder Gravur von Buchstaben oder Logos nicht unter die Dienstleistungen der Klasse 45, sondern ist der Klasse 40 (Materialbearbeitung) zuzuordnen. Wird der bearbeitete Gegenstand durch denjenigen auf den Markt gebracht, der ihn verarbeitet oder umgewandelt hat, ist das Zeichen als Marke der betreffenden Ware anzusehen (Internationale Klassifikation von Waren und Dienstleistungen für die Eintragung von Marken, Klassifikation von Nizza, Klasseneinteilung mit erläuternden Anmerkungen, 10. Ausgabe 2012, Erläuternde Anmerkungen zu Klasse 40, S. 31).

31

Eine Verwechslungsgefahr scheidet für die von der jüngeren Marke beanspruchten Waren der Klasse 18 und die Dienstleistungen der angegriffenen Marke in Klasse 45 daher schon wegen Unähnlichkeit aus.

2.

32

Der nur wegen Warenidentität in Klasse 16 zwischen den Marken erforderliche deutliche Abstand verändert sich im Hinblick auf den Grad der Aufmerksamkeit, mit dem die angesprochenen Verkehrskreise mit den Vergleichsmarken gekennzeichneten Waren begegnen, nicht. Bei den zu vergleichenden Waren handelt sich um Alltagsgegenstände, die sich an den Endverbraucher und den Fachverkehr, also Wettbewerber und den Handel, richten und denen daher keine besondere Aufmerksamkeit entgegen gebracht wird.

3.

33

Die Widerspruchsmarke MOLESKINE verfügt von Haus aus über eine durchschnittliche Kennzeichnungskraft, die jedoch für Buchbinderartikel gemindert ist.

a)

34

„Moleskine“ ist die französische Schreibweise des deutschen und englischen Fachbegriffs „Moleskin“. Unter dem „Moleskin“ (wörtlich übersetzt „Maulwurfsfell“) bezeichnet man in der Textilwirtschaft einen besonders robusten Baumwollstoff (Duden online und Wikipedia zu Moleskin). Er wird auch „Englischleder“ genannt und in erster Linie zur Herstellung von warmer Berufskleidung verwendet. Zwar kann man die Kenntnis des Fachbegriffs „Moleskin“ beim durchschnittlichen Verbraucher nicht voraussetzen. Der ebenfalls angesprochene Fachverkehr erkennt dagegen das deutsche Fachwort „Moleskin“ und wird ihn dahingehend verstehen, dass die damit gekennzeichneten Waren zum Teil, etwa hinsichtlich des Einbandes, aus Englischleder bestehen. Aus den von dem Beschwerdegegner vorgelegten Unterlagen (Annexe AST 5 Bl. 45 ff. der Akten) geht hervor, dass der Stoff Moleskin jedenfalls in der Vergangenheit als Einband für Notizbücher benutzt wurde, für diesen Zweck also grundsätzlich geeignet ist. Auch heute sind noch Notizbücher mit Einband aus Englischleder gebräuchlich (FHB-Notizbuch, www.zunft.de).

b)

35

Als Gattungsbezeichnung für eine bestimmte Art von Notizbüchern ist der Begriff dagegen entgegen der Auffassung des Beschwerdegegners nicht nachweisbar. Zwar wirbt die Widersprechende damit, das Notizbuch „Moleskine“ sei bereits von berühmten Malern und Schriftstellern im 19. und 20. Jahrhundert benutzt worden, dies lässt sich allerdings nach den Recherchen des Senats nicht belegen, sondern stellt eine Legendenbildung der Beschwerdeführerin zu Marketingzwecken dar, wie sie in der mündlichen Verhandlung bestätigt hat.

36

Ähnliche wie die von der Widersprechenden unter der Widerspruchsmarke vertriebenen Notizbücher wurden – allerdings ohne einen besonderen Namen - bereits vor über 100 Jahren hergestellt und waren bei Künstlern und Reisenden beliebt, weil sie überall leicht zu benutzen waren. Der Name „molescine“ für diese Bücher taucht laut der Internet-Enzyklopädie Wikipedia erstmals in dem Roman „Traumpfade“ von C aus dem Jahr 1986 auf, wo der Autor beschreibt, dass der Hersteller des Notizbuches „Molescine“, ein kleines französisches Familienunternehmen, die Produktion eingestellt habe, sodass sein Pariser Händler es nicht mehr habe liefern können. Aufgrund dieser fiktiven Erzählung hat die Widersprechende die Marke im Jahr 1997 entwickelt und vertreibt unter ihr Notizbücher und Kalender, die sich durch ein bestimmtes Aussehen auszeichnen. Von einer Verwendung des Begriffs „moleskine“ als Gattungsbezeichnung für Notizbücher ist daher nicht auszugehen.

c)

37

Hinsichtlich der übrigen Widerspruchswaren der Klasse 16 ist die Kennzeichnungskraft der Widerspruchsmarke nicht gemindert. Wegen der französischen Schreibweise des Begriffs ist es nicht naheliegend, „moleskine“ im Sinne von „Englischleder“ als Inhaltsangabe für inländische Druckereierzeugnisse zu verstehen, Für die sonstigen Widerspruchswaren der Klasse 16 findet der Baumwollstoff Moleskin nach den Recherchen des Senats keine Verwendung, sodass die Widerspruchsmarke keine Sachaussage für diese Waren enthält.

d)

38

Von einer durch intensive Benutzung gesteigerten Kennzeichnungskraft der Marke geht der Senat nicht aus. Für die Annahme einer erworbenen erhöhten Kennzeichnungskraft durch eine gesteigerte Verkehrsbekanntheit bedarf es hinreichend konkreter Angaben zum Marktanteil, zur Intensität, geografischen Verbreitung, Dauer der Benutzung und zum Werbeaufwand (vgl. BGH GRUR 2008, 903, 904 – SIERRA ANTIGUO ; GRUR 2013, 833, 836 Rdnr. 41 –  Culinaria /Villa  Culinaria ). Eine solche Bekanntheit der Widerspruchsmarke ist nicht dargetan und belegt worden und für den Senat auch aus sonstigen Anhaltspunkten nicht erkennbar. Die behauptete, schon im 19. Jahrhundert legendäre Bekanntheit des „Moleskine“ bei berühmten Künstlern und Schriftstellern entspricht wie bereits dargelegt, nicht den Tatsachen. Als Beleg für die durch intensive Benutzung gesteigerte Kennzeichnungskraft der Marke kann sie daher nicht dienen. Die eidesstattliche Versicherung, die Beschwerdeführerin habe mit der Widerspruchsmarke ihre Umsätze in den Jahren 2004 bis 2008 erheblich gesteigert und im Jahr 2008 Umsätze von über … Mio € europaweit und über … Mio deutschlandweit mit Papierwaren erzielt, genügt als Darlegung einer gesteigerten Kennzeichnungskraft ebenfalls nicht. Denn aus den Unterlagen ist der prozentuale Umsatzanteil der Marke am Gesamtumsatz für Notizbücher nicht erkennbar. Zudem fehlt eine Aufschlüsselung der Umsätze auf die beanspruchten Waren. Auch die vorgelegte Pressebehauptung aus dem Jahr 2004, die Widerspruchsmarke sei Marktführerin, ist ohne konkrete Belege nicht nachvollziehbar und daher als Mittel der Glaubhaftmachung nicht geeignet. Auch die durch Unterlagen belegten Werbeausgaben im Jahr 2010 von … € erreichen keine Größenordnung, die als Indiz für eine intensive Nutzung  der Marke dienen kann. Für die übrigen Jahre liegen keine Aussagen dazu vor.

4.

39

Selbst wenn man aber zugunsten der Beschwerdeführerin von einer erhöhten Kennzeichnungskraft für Notizbücher ausgeht, hält die angegriffene Marke den erforderlichen weiten Abstand zu der Widerspruchsmarke noch ein.

40

Maßgebend für die Beurteilung der Markenähnlichkeit ist der Gesamteindruck der Vergleichsmarken, wobei von dem allgemeinen Erfahrungssatz auszugehen ist, dass der Verkehr eine Marke so aufnimmt, wie sie ihm entgegentritt, ohne sie einer analysierenden Betrachtungsweise zu unterziehen (vgl. u.a. EuGH GRUR 2004, 428, 431 Rdnr. 53 - Henkel; BGH MarkenR 2000, 420, 421 -  RATIONAL SOFTWARE CORPORATION ; GRUR 2001, 1151, 1152 - marktfrisch). Der Grad der Ähnlichkeit der sich gegenüberstehenden Zeichen ist dabei im Klang, im (Schrift)Bild und im Bedeutungs-(Sinn-)Gehalt zu ermitteln. Für die Annahme einer Verwechslungsgefahr reicht dabei regelmäßig bereits die hinreichende Übereinstimmung in einer Hinsicht aus (BGHZ 139, 340, 347 - Lions; BGH MarkenR 2008, 393, 395 Rdnr. 21 - HEITEC). Zudem ist bei der Prüfung der Verwechslungsgefahr grundsätzlich mehr auf die gegebenen Übereinstimmungen der zu vergleichenden Marken abzuheben als auf die Abweichungen, weil erstere stärker im Erinnerungsbild zu haften pflegen. Für den Gesamteindruck eines Zeichens ist insbesondere der Wortanfang von Bedeutung, weil der Verkehr diesem regelmäßig größere Beachtung schenkt als Endsilben (BGH GRUR 2004, 783, 784 – NEURO-VIBOLEX/NEURO-FIBRAFLEX).

a)

41

Eine unmittelbare Verwechslungsgefahr ist weder in schriftbildlicher noch in klanglicher oder begrifflicher Hinsicht gegeben.

42

Die angegriffene Marke besteht aus dem Begriff „moleskipedia“. Dieser ist lexikalisch nicht nachweisbar und stellt eine Fantasiebezeichnung dar.

aa)

43

Es besteht kein Anlass, bei der Gesamtbetrachtung allein auf die Identität des in beiden Zeichen enthaltenen Bestandteils „moleski“ abzustellen, da er weder die Widerspruchsmarke noch die angegriffene Marke prägt.

44

Von einer prägenden Stellung eines Zeichenbestandteils ist nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs auszugehen, wenn die weiteren Zeichenbestandteile für die angesprochenen Verkehrskreise in einer Weise zurücktreten, dass sie für den Gesamteindruck vernachlässigt werden können (EuGH GRUR 2007, 700 Rdnr. 41 –HABM/Shaker [Limoncello]; EuGH GRUR 2005, 1042 Rdnr. 28 f. –THOMSON LIFE; BGH GRUR 2006, 859 Rdnr. 18 – Malteserkreuz I; GRUR 2007, 888 Rdnr. 22 u. 31 – Euro Telekom; MarkenR 2008, 405, 406 Rdnr. 18 –  SIERRA ANTIGUO ; GRUR 2009, 772, 776 Rdnr. 57 – Augsburger Puppenkiste).

45

In der Widerspruchsmarke stellt „moleski“ einen unselbständigen Bestandteil des Gesamtbegriffs „moleskine“ dar, der erst durch das nachfolgende „–n“ von einem Fantasie- zu einem Sachbegriff für einen Baumwollstoff wird. Deshalb besteht kein Anlass, die Endung „–ne“ in der Widerspruchsmarke bei dem Zeichenvergleich zu vernachlässigen.

46

Auch in der jüngeren Marke „moleskipedia“ tritt der Bestandteil „pedia“ gegenüber „moleski“ nicht vollständig zurück. In der deutschen Sprache existiert kein lexikalisch nachweisbarer Begriff „pedia“ mit einer eigenständigen Bedeutung. Auch als Wortendung ist die Buchstabenfolge in der deutschen Sprache nicht nachweisbar. Lediglich in „Pädiater“ oder „Pädiatrie“ kommt ein klanglich ähnlicher Bestandteil vor, der auf die Kinderheilkunde verweist. Ein ähnlicher Bestandteil, nämlich „pädie“ ist in dem Begriff Enzyklopädie enthalten, wo es abgeleitet aus der  griechischen Sprache „paideia“ für „Lehre, Ausbildung“ auf eine Wissenssammlung hinweist. Allerdings enthält der englische Begriff „encyclop(a)edia“ in der amerikanischen Schreibweise den Bestandteil „pedia“. Der Wortbestandteil „pedia“ ist auch in dem Namen der freien Internet-Enzyklopädie „wikipedia“ enthalten, die dem inländischen Endverbraucher bekannt ist. Er taucht zunehmend im Internet in der Bedeutung „Datensammlung über“ auf, wobei das Thema der Datensammlung dem Begriff vorangestellt wird. Themen sind spezielle Wissensgebiete, Fernsehserien, Computerspiele oder Warensortimente („Islam-Pedia“, „Jedipedia“, „ft:pedia“, „SO-pedia“, „WC-PEDIA“, „Game-pedia“, „e-travel-pedia“, „SpongePedia“, „SW-Pedia“, „LOBBYPEDIA“, GIGAPedia; WOOD-TEC-PEDIA). Entsprechend wird der Begriff „pedia“ auf der englischsprachigen Internetseite en.wiktionary.org unter anderem als „a specialized encyclopaedia about the prefix or a general encyclopedia in the structure(d) of the prefix“ bezeichnet. Auch weite Teile der inländischen Endverbraucher werden wegen der Bekanntheit der Datenbank „wikipedia“ und ihrer klanglichen Anlehnung an Enzyklopädie den Wortbestandteil „pedia“ im Sinne von „Datenbank über“ verstehen, wenn er mit einem Sachbegriff zusammengesetzt ist. Gleichwohl kommt ihm wegen seiner ausschließlichen Verwendung für Datenbanken im Internet für die beanspruchten „Druckereierzeugnisse“ keine unmittelbar beschreibende Bedeutung zu, die es rechtfertigen würde, ihn im Zeichenvergleich zu vernachlässigen. In der Zusammensetzung mit „moleski“ ergibt der Wortbestandteil „pedia“ zudem keinen Sinn, weil „moleski“ durch das fehlende „n“ nicht als Fachbegriff, sondern als Fantasiebezeichnung wahrgenommen wird und kein Wissensgebiet darstellt, auf das sich der Begriff „Wissenssammlung über“ beziehen könnte. Aber auch wenn der Bestandteil „pedia“ als Wissensammlung über“ verstanden wird, tritt er in der Wahrnehmung nicht zurück, sondern bezieht sich auf das vorangehende „moleski“ und verbindet sich mit ihm zu einem fantasievollen Gesamtbegriff, sodass eine Prägung durch den Bestandteil „moleski“ auch aus diesem Grund ausscheidet. Daher sind die zu vergleichenden Marken bei der Prüfung der unmittelbaren Verwechslungsgefahr in ihrer Gesamtheit gegenüberzustellen.

bb)

47

Eine unmittelbare Verwechslungsgefahr wegen schriftbildlicher Ähnlichkeit liegt schon wegen der unterschiedlichen Länge der Vergleichszeichen nicht vor. Zwar sind beide Zeichen in den ersten drei Silben identisch, das Zeichen moleskipedia verfügt aber über fünf weitere Buchstaben, während „MOLESKINE“ nur zwei weitere Buchstaben und eine abweichende Endung hat. „-ne“ ist in der deutschen Sprache eine typische Endsilbe (Apfelsine, Banane, Sonne, Tanne, Biene), während „pe-di-a“ auf ein Fremdwort hinweist. Eine schriftbildliche Verwechslung scheidet daher aus.

cc)

48

Auch eine klangliche Verwechslungsgefahr ist nicht gegeben. Zwar besteht klangliche Identität zwischen den ersten drei Silben der Vergleichszeichen, wenn sie wie geschrieben ausgesprochen werden. Dies ist aber bei der Widerspruchsmarke zweifelhaft. Denn jedenfalls der Fachverkehr, der die Bedeutung „Maulwurfsfell“ oder „Englischleder“ in der Widerspruchsmarke erkennt, wird sie nicht „Mo-les-ki-ne“, sondern „Mo-les-kin“ oder englisch „moul-skin“ aussprechen. „Moleskipedia“ wird dagegen wie geschrieben „mo-les-ki-pe-di-a“ ausgesprochen werden, denn der Begriff „Moleskin“ ist in dem angegriffenen Zeichen nicht mehr ohne weiteres erkennbar, da der letzte Buchstabe „n“ fehlt und statt dessen drei weitere Silben folgen. Aber auch, wenn die ersten drei Silben in beiden Zeichen identisch ausgesprochen werden, unterscheidet sich das jüngere Zeichen deutlich aufgrund der drei nachfolgenden klangstarken Silben „pe-di-a“. Insbesondere die darin enthaltenen Vokale e, i und a werden hell und betont ausgesprochen, während die Folgesilbe „ne“ in der Widerspruchsmarke nicht betont wird. Das „e“ wird als Endlaut bei fallender Stimme kurz und dumpf ausgesprochen wie in „Banane“. Wegen dieser markanten Unterschiede ist auch bei Berücksichtigung des Grundsatzes, dass Anfänge stärker wahrgenommen werden als die Folgesilben eines Wortes, eine unmittelbare klangliche Verwechslungsgefahr ausgeschlossen.

dd)

49

Eine unmittelbare begriffliche Ähnlichkeit liegt ebenfalls nicht vor. Der durchschnittliche Endverbraucher nimmt beide Begriffe als Fantasieworte wahr, denen jeder Sinn fehlt und die deshalb begrifflich auch nicht verwechselt werden können. Der Fachverkehr wird dagegen in der Widerspruchsmarke den Fachbegriff „moleskin“ erkennen, während dies bei der angegriffenen Marke moleskipedia nicht der Fall ist, da das „n“ in Moleskin durch die unklare Silbenfolge „pedia“ ersetzt ist, sodass das Fachwort Moleskin in der angegriffenen Marke nicht vollständig enthalten ist und der fehlende Buchstabe auch nicht ohne weiteres hinzugedacht wird.

b)

50

Auch eine mittelbare Verwechslungsgefahr unter dem Gesichtspunkt der Markenusurpation besteht nicht.

51

Die Gefahr, dass Marken miteinander gedanklich in Verbindung gebracht werden, obwohl die beteiligten Verkehrskreise die Unterschiede zwischen den Vergleichsmarken erkennen, wird angenommen, wenn ein mit der älteren Marke übereinstimmender Bestandteil identisch oder ähnlich in eine zusammengesetzte Marke oder komplexe Kennzeichnung aufgenommen wird, in der er - insbesondere neben einem Unternehmenskennzeichen oder Serienzeichen des Inhabers der jüngeren Marke - eine selbständig kennzeichnende Stellung behält, und wenn wegen der Übereinstimmung dieses Bestandteils mit der älteren Marke bei den angesprochenen Verkehrskreisen der Eindruck hervorgerufen wird, dass die fraglichen Waren oder Dienstleistungen zumindest aus wirtschaftlich miteinander verbundenen Unternehmen stammen (EuGH GRUR 2005, 1042 Rdnr. 28 f. - THOMSON LIFE; BGH GRUR 2006, 859 Rdnr. 18 –  Malteserkreuz I; BGH GRUR 2008, 258 Rdnr. 33 - INTERCONNECT/T-InterConnect; GRUR 2010, 646 Rdnr. 15 -OFFROAD).

52

Neben der Beteiligung eines Unternehmenskennzeichens oder eines Stammbestandteils auf der Seite des Inhabers des jüngeren Zeichens sind auch andere Fallgestaltungen denkbar, in denen ein Zeichen, das als Bestandteil in eine zusammengesetzte Marke oder eine komplexe Kennzeichnung aufgenommen wird, eine selbständig kennzeichnende Stellung behält, ohne dass es das Erscheinungsbild der zusammengesetzten Marke oder komplexen Kennzeichnung dominiert oder prägt. Es müssen aber besondere Umstände vorliegen, die diese Annahme rechtfertigen (BGH GRUR 2006, 859, 861 Rdnr. 22 - Malteserkreuz I; GRUR 2009, 484, 491 Rdnr. 80 - Metrobus; BGH a.a.O. Rdnr. 69 –  Culinaria /Villa  Culinaria ).

53

Vorliegend fehlt es bereits an einer vollständigen Übernahme des älteren Zeichens in die jüngere Marke. Denn nur die ersten drei Silben „moleski-„ sind identisch in der jüngeren Marke enthalten. In der jüngeren Marke sind die übernommenen Bestandteile der älteren Marke zudem auf den weiteren Bestandteil „pedia“ bezogen und verschmelzen mit ihm zu einem einheitlich wirkenden Fantasiebegriff. Deshalb ist nicht anzunehmen, dass das Publikum die Vergleichszeichen gedanklich in der Weise verbindet, dass es die jüngere Marke als dem Unternehmen des eingeführten älteren Zeichens zugehörig ansieht und somit eine Verwechslung hinsichtlich der wirtschaftlichen Unternehmenszugehörigkeit der Produktherkunftsidentität der Marken entstehen kann.

c)

54

Auch unter dem Gesichtspunkt des Serienzeichens besteht keine Verwechslungsgefahr, da die Widersprechende nicht über eine bei Anmeldung des jüngeren Zeichens benutzte Markenserie verfügt.

d)

55

Schließlich scheidet auch eine Verwechslungsgefahr im weiteren Sinne aus. Eine solche wird angenommen, wenn die teilweise übereinstimmenden Vergleichskennzeichnungen zwar als unterschiedlich und als solche verschiedener Unternehmen aufgefasst werden, jedoch gleichwohl aufgrund besonderer Umstände (BGH a.a.O. Rdnr. 69 –  Culinaria /Villa  Culinaria ) geschlossen wird, dass zwischen den Unternehmen Beziehungen wirtschaftlicher oder organisatorischer Art bestehen. Von einer solchen Verwechslungsgefahr kann nach höchstrichterlicher Rechtsprechung regelmäßig dann ausgegangen werden, wenn die ältere Marke zugleich Unternehmenskennzeichen ist (BGH GRUR 2004, 598, 599 – Kleiner Feigling; GRUR 2004, 865, 867 - Mustang).

56

Zwar hat sich die Widerspruchsmarke zu einem Unternehmenskennzeichen entwickelt, wie aus den von der Beschwerdeführerin vorgelegten Unterlagen erkennbar ist. Sie ist jedoch weder vollständig noch in ihren wesentlichen Elementen in die jüngere Marke übernommen worden. Es fehlt die letzte Silbe „ne“. Diese kann auch nicht als unerheblich vernachlässigt werden. Denn erst durch sie wird für den Fachverkehr aus einer Fantasiebezeichnung der Fachbegriff für „Englischleder“ erkennbar. Zudem verändert sich auch für den Endverbraucher, der den Begriff nicht kennt, das Fantasiewort „moleskine“, wenn die Endung weggelassen wird. Er wird in dem verkürzten Bestandteil das Element „Ski“ erkennen, das er als Wintersportgerät kennt, während diese Assoziation bei dem vollständigen Wort „moleskine“ nicht entsteht. Außerdem ist der aus der Widerspruchsmarke übernommene Teil in der jüngeren Marke zu einem Gesamtbegriff verschmolzen, was ein Wiedererkennen des Unternehmenskennzeichens in der jüngeren Marke unmöglich macht.