Bundespatentgericht

Entscheidungsdatum: 26.09.2011


BPatG 26.09.2011 - 29 W (pat) 144/10

Markenbeschwerdeverfahren – "Fairplus (Wort-Bild-Marke)" – kein Freihaltungsbedürfnis - Unterscheidungskraft


Gericht:
Bundespatentgericht
Spruchkörper:
29. Senat
Entscheidungsdatum:
26.09.2011
Aktenzeichen:
29 W (pat) 144/10
Dokumenttyp:
Beschluss
Zitierte Gesetze

Tenor

In der Beschwerdesache

betreffend die Markenanmeldung 30 2008 065 407.4

hat der 29. Senat (Marken-Beschwerdesenat) des Bundespatentgerichts auf die mündliche Verhandlung vom 26. September 2011 unter Mitwirkung der Vorsitzenden Richterin Grabrucker sowie der Richterinnen Kortge und Dorn

beschlossen:

Die Beschlüsse der Markenstelle für Klasse 35 des Deutschen Patent- und Markenamtes vom 24. April 2009 und 24. Februar 2010 werden aufgehoben.

Gründe

I.

1

Das Wort-/Bildzeichen (schwarz, grau, weiß)

Abbildung

2

ist am 13. Oktober 2008 zur Eintragung als Marke für nachfolgende Waren und Dienstleistungen angemeldet worden (in der mündlichen Verhandlung durch Streichung von "Elfenbein" in Klasse 20 geringfügig geändertes Verzeichnis vom 26. September 2011, Bl. 36 – 38 GA):

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Klasse 3: Wasch- und Bleichmittel; Seifen; Parfümeriewaren; ätherische Öle, Mittel zur Körper- und Schönheitspflege, Haarpflegemittel; Haarwasser; Zahnputzmittel;

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Klasse 9: Bespielte und unbespielte Ton-, Bild- sowie Datenträger aller Art, soweit in Klasse 9 enthalten (ausgenommen unbelichtete Filme), insbesondere Tonbänder, Kassetten, CDs, Video-Disks, Schallplatten, DAT-Bänder, Audio- und Videoplatten, Audio- und Videokassetten, Audio- und Videofilme sowie Audio- und Videobänder, Disketten, CD-Roms, Digital Versatile Discs (DVDs); Geräte zur Aufzeichnung, Übertragung und Wiedergabe von Ton, Bild und Daten; Rechenmaschinen, Datenverarbeitungsgeräte und Computer; Com-puter-Software [gespeichert oder herunterladbar]; Brillen [Optik), Brillenetuis; elektronische Publikationen [herunterladbar];

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Klasse 14: Schlüsselanhänger; Modeschmuck, insbesondere Ketten, Armbänder, Armreifen, Ringe; Edelmetalle und deren Legierungen sowie daraus hergestellte und damit plattierte Waren, soweit in Klasse 14 enthalten; Juwelierwaren, Schmuckwaren, Edelsteine; Uhren und Zeitmessinstrumente;

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Klasse 16: Papier, Pappe (Karton) und Waren aus diesen Materialien (soweit in Klasse 16 enthalten), insbesondere Papierservietten, Papiertaschentücher, Toilettenpapier, Haushaltspapier und Papierhandtücher; Druckereierzeugnisse, insbesondere Zeitschriften, Zeitungen, Bücher, Kataloge und Prospekte; Buchbinderartikel; Fotografien; Lehr- und Unterrichtsmittel (ausgenommen Apparate); Schreibwaren; Plakate; Abziehbilder; Sammelkarten [Papierwaren]; Klebstoffe für Papier- und Schreibwaren oder für Haushaltszwecke; Künstlerbedarfsartikel; Pinsel; Schreibmaschinen und Büroartikel (ausgenommen Möbel); Verpackungsmaterial aus Kunststoff, soweit in Klasse 16 enthalten; Drucklettern, Druckstöcke;

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Klasse 18: Leder und Lederimitationen sowie Waren daraus, soweit in Klasse 18 enthalten; Häute und Felle; Sonnenschirme, Regenschirme; Spazierstöcke; Taschen, insbesondere Handtaschen, Reisetaschen, Basttaschen, Schminktaschen, Einkaufstaschen, Rucksäcke, Beutel, Kleidersäcke, Handkoffer, Reisekoffer sowie alle Arten von Reisegepäckstücken, insbesondere Reisetaschen und -beutel; Geldbörsen, Brieftaschen;

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Klasse 20: Möbel, Spiegel, Rahmen; Waren, soweit in Klasse 20 enthalten, aus Holz, Kork, Rohr, Binsen, Weide, Horn, Knochen, Fischbein, Schildpatt, Bernstein, Perlmutt, Mehrschaum und deren Ersatzstoffen oder aus Kunststoffen;

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Klasse 21: Geräte und Behälter für Haushalt und Küche; rohes oder teilweise bearbeitetes Glas (mit Ausnahme von Bauglas); Trinkgefäße aller Art, insbesondere Trinkbecher, Gläser, Tassen; Glaswaren, Porzellan und Steingut (soweit in Klasse 21 enthalten); Isoliergefäße für Getränke; Flaschen; Karaffen; Krüge, Kannen; Kämme und Schwämme; Bürsten (mit Ausnahme von Pinseln);

10

Klasse 24: Webstoffe und Textilwaren, soweit in Klasse 24 enthalten; Bett- und Tischdecken; Bettwäsche;

11

Klasse 25: Bekleidungsstücke; Schuhwaren; Kopfbedeckungen;

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Klasse 27: Teppiche, Fußmatten, Linoleum und andere Bodenbeläge; Tapeten (ausgenommen aus textilem Material);

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Klasse 28: Spiele, Spielzeug, insbesondere Stofftiere; Turn- und Sportartikel, soweit in Klasse 28 enthalten; Christbaumschmuck;

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Klasse 30: Kaffee, Tee, Kakao, Zucker, Reis, Mehl und Getreidepräparate; Brot, feine Backwaren und Konditorwaren, Speiseeis; Honig, Melassesirup; Hefe, Backpulver; Salz; Senf; Essig, Soßen (Würzmittel); Gewürze; Kühleis;

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Klasse 35: Werbeforschung, nämlich Absatz-, Markt- und Meinungsforschung; Verteilung von Waren zu Werbezwecken, insbesondere von Flugblättern, Prospekten, Drucksachen und Warenproben; Vermittlung von Werbeverträgen für Dritte; Werbung, insbesondere Rundfunk-, Fernseh-, Kino-, Druck-, Videotext- und Teletextwerbung; Öffentlichkeitsarbeit [Public Relations]; Erstellung von Marketingkonzepten; Vermietung von Werbematerial; Vermietung von Werbefilmen; Vermietung von Werbeflächen, auch in elektronischer Form im Internet; Geschäftsführung; Unternehmensverwaltung; Büroarbeiten; Systematisierung und Zusammenstellung von Daten in Computerdatenbanken; Aktualisierung von Daten in Computerdatenbanken; verwaltungstechnische Bearbeitung von Bestellungen für Waren und Dienstleistungen (auch für Teleshopping-Angebote), insbesondere Bestellannahme, Auftragsbearbeitung, Weiterleitung von Bestellungen, Bearbeitung von Reklamationen und Angebotsnachfragen und Vermittlung von Bestellungen; Erteilung von Auskünften (Information) und Beratung für Verbraucher in Handels- und Geschäftsangelegenheiten [Verbraucherberatung]; Veröffentlichung und Herausgabe von Druckereierzeugnissen für Werbezwecke;

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Klasse 38: Telekommunikation; elektronische Übertragung und Weiterleitung von Tönen, Bildern, Dokumenten, Nachrichten und Daten; Telefondienste, auch mittels einer Hotline oder eines Callcenters; Mobil-Funktelefondienste; E-Mail-Dienste; Telefaxdienste; Dienstleistungen von Presseagenturen; Bereitstellung des Zugriffs auf Datenbanken in Computernetzwerken; Vermietung von Zugriffszeiten zu Datenbanken; elektronische Ausstrahlung, Sendung und Weiterleitung von Film-, Fernseh-, Rundfunk-, Videotext-, Teletext-Programmen oder -Sendungen; Bereitstellung des Zugriffs auf Informationen und Informationsangebote zum Abruf aus dem Internet und aus anderen Datennetzen; Bereitstellung des Zugriffs auf Informationen im Internet über Computerspiele, Videospiele und auf Informationen über damit verwandte Produkte; Telekommunikation mittels Plattformen und Portalen im Internet; Beratung und Auskünfte über Telekommunikation; Bereitstellen des Zugriffs auf ein weltweites Computernetzwerk; Telekonferenzdienstleistungen; Vermietung von Einrichtungen für die Telekommunikation; Bereitstellung von Telekommunikationskanälen für Teleshopping-Dienste und elektronische Marktplätze; elektronischer Austausch von Nachrichten mittels Chatlines, Chatrooms und Internetforen; Weiterleiten von Nachrichten aller Art an Internet-Adressen (Web-Messaging); Verschaffen des Zugriffs zu Datenbanken.

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Mit Beschlüssen vom 24. April 2009 und 24. Februar 2010, von denen letzterer im Erinnerungsverfahren ergangen ist, hat die Markenstelle für Klasse 35 die Anmeldung gemäß §§ 37 Abs. 1, 8 Abs. 2 Nr. 1 MarkenG wegen fehlender Unterscheidungskraft zurückgewiesen. Zur Begründung hat sie ausgeführt, dass sich das angemeldete Zeichen neben dem Bildelement aus den Begriffen "Fair" und "plus" zusammensetze. "Flair" bedeute "den Regeln des Zusammenlebens entsprechend, anständig, gerecht im Verhalten gegenüber anderen, kameradschaftlich". "Plus" komme die positive Bedeutung "mehr" zu und beschreibe in der Regel ein Mehr an Qualität oder Komfort gegenüber dem üblichen Standard, also einen Vorteil, einen Gewinn, eine Steigerung oder Verstärkung. Die grafische Darstellung beschränke sich auf eine unterschiedliche Größe der Wortbestandteile, eine Höherstellung des Wortes "plus" und ein im Hintergrund befindliches graues stilisiertes kugelförmiges Netz aus angedeuteten Längen- und Breitengraden. Sie halte sich im Rahmen des Werbeüblichen und weise nur auf einen Weltbezug hin, zumal solche skizzenhaften Darstellungen der Erde als Mittel zur Veranschaulichung eines weltweiten Bezugs beliebt und verbreitet seien. Beide Begriffe zusammen mit dem Bildelement führten zum Gesamtverständnis im Sinne von "global besonders fair", "globale Fairness als Vorteil" oder "globale Fairness ist positiv". Soweit "Fair" im Sinne von "Messe" verstanden werde, trete die mögliche Bedeutungsvariante "Messe und mehr weltweit" gegenüber dem aktuelleren Begriff der besonderen globalen Gerechtigkeit in den Hintergrund. Das angemeldete Wort-/Bildzeichen stelle somit lediglich einen schlagwortartigen beschreibenden Sachhinweis darauf dar, dass die beanspruchten Waren und Dienstleistungen global (weltökonomisch und weltökologisch) fair produziert oder erbracht und gehandelt würden. Auch aus den angeführten Voreintragungen könne kein Eintragungsanspruch hergeleitet werden.

18

Hiergegen richtet sich die Beschwerde der Anmelderin, mit der sie beantragt,

19

die Beschlüsse der Markenstelle für Klasse 35 des Deutschen Patent- und Markenamtes vom 24. April 2009 und 24. Februar 2010 aufzuheben.

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Sie vertritt die Ansicht, beide Wortbestandteile seien sowohl für sich genommen als auch in ihrer Zusammensetzung mehrdeutig und interpretationsbedürftig. Das aus dem Englischen stammende Wort "fair" habe auch die Bedeutungen "Kirmes, Jahrmarkt, Ausstellung und Messe" sowie "blond, hell" oder "heiter". In seiner Bedeutung "Messe" werde "fair" auch im deutschsprachigen Raum verwendet, wie z. B. die Kunstmesse "ART.FAIR, die Möbelmesse "Designers Fair" in Köln und die internationale Messe für zeitgenössische Kunst "VIENNA-FAIR" in Wien (Anlagenkonvolut B 1, Bl. 45 – 51 VA). Vor dem Hintergrund des bekannten Romans "Vanity Fair" von William Makepeace Thackeray und der gleichnamigen, bekannten Lifestyle-Zeitschrift werde "fair" auch im Inland in seiner Bedeutung "Jahrmarkt" erkannt. Gleiches gelte für das Zeichenelement "plus", das "etwas Zusätzliches", "ein Mehr", einen "Überschuss", "und" oder einen "Gewinn" bedeuten könne. Ein unmittelbar beschreibender Gehalt oder ein greifbarer Bezug zu den konkreten Waren ließen sich der Bezeichnung "fairplus" nicht entnehmen. Dies gelte insbesondere in Bezug auf bespielte und unbespielte Datenträger, Rechenmaschinen und Computer-Software der Klasse 9, Fotografien, Lehr- und Unterrichtsmittel, Pinsel, Druckletter und Druckstöcke der Klasse 16, Werbeforschung, Vermietung von Werbematerial, Unternehmensverwaltung und Büroarbeiten der Klasse 35 sowie Mobil-Funktelefondienste, E-Mail-Dienste und Telekonferenzdienstleistungen der Klasse 38. Hinzu komme, dass das Bildelement den Rahmen einer werbeüblichen Gestaltung verlasse. Dazu gehörten die mathematische Schreibweise des Wortbestandteils "plus" als Potenz sowie die unterbrochenen Längen- und Breitengrade der auf künstlerische Weise abstrahierten Weltkugel. Ein Eintragungsanspruch ergebe sich auch aus der Abweichung des Amtes von seiner bisherigen Entscheidungspraxis.

21

Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf den Akteninhalt Bezug genommen.

II.

22

Die Beschwerde ist zulässig und begründet.

23

Der Eintragung des vorliegenden Wort-/Bildzeichens als Marke steht kein absolutes Schutzhindernis, insbesondere auch nicht das der fehlenden Unterscheidungskraft oder des Freihaltebedürfnisses nach § 8 Abs. 2 Nr. 1 oder Nr. 2 MarkenG, entgegen.

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1. a) Unterscheidungskraft im Sinne des § 8 Abs. 2 Nr. 1 MarkenG ist die einer Marke innewohnende (konkrete) Eignung, vom Verkehr als Unterscheidungsmittel aufgefasst zu werden, das die in Rede stehenden Waren und Dienstleistungen als von einem bestimmten Unternehmen stammend kennzeichnet und diese Waren oder Dienstleistungen somit von denjenigen anderer Unternehmen unterscheidet (EuGH GRUR 2008, 608, 611 Rdnr. 66 f. – EUROHYPO; BGH GRUR 2010, 825, 826 Rdnr. 13 – Marlene-Dietrich-Bildnis II; 935 Rdnr. 8 – Die Vision; GRUR 2006, 850, 854 Rdnr. 18 - FUSSBALL WM 2006). Denn die Hauptfunktion der Marke besteht darin, die Ursprungsidentität der gekennzeichneten Waren und Dienstleistungen zu gewährleisten (EuGH GRUR 2006, 233, 235 Rdnr. 45 - Standbeutel; 229, 230 Rdnr. 27 - BioID; a. a. O. Rdnr. 66 - EUROHYPO; BGH GRUR 2008, 710 Rdnr. 12 - VISAGE; GRUR 2009, 949 Rdnr. 10 - My World; a. a. O. - FUSSBALL WM 2006; GRUR 2005, 417, 418 - BerlinCard;). Da allein das Fehlen jeglicher Unterscheidungskraft ein Eintragungshindernis begründet, ist ein großzügiger Maßstab anzulegen, so dass jede auch noch so geringe Unterscheidungskraft genügt, um das Schutzhindernis zu überwinden (BGH a. a. O. - Marlene-Dietrich-Bildnis II; GRUR 2009, 411 Rdnr. 8 - STREETBALL; 778, 779 Rdnr. 11 - Willkommen im Leben; 949 f. Rdnr. 10 - My World; a. a. O. - FUSSBALL WM 2006). Maßgeblich für die Beurteilung der Unterscheidungskraft sind einerseits die beanspruchten Waren oder Dienstleistungen und andererseits die Auffassung der beteiligten inländischen Verkehrskreise, wobei auf die Wahrnehmung des Handels und/oder des normal informierten, angemessen aufmerksamen und verständigen Durchschnittsverbrauchers der fraglichen Waren oder Dienstleistungen abzustellen ist (EuGH GRUR 2006, 411, 412 Rdnr. 24 - Matratzen Concord/Hukla; GRUR 2004, 943, 944 Rdnr. 24 - SAT 2; BGH a. a. O. – Die Vision; 825, 826 Rdnr. 13 – Marlene-Dietrich-Bildnis II; a. a. O. - FUSSBALL WM 2006). Ebenso ist zu berücksichtigen, dass der Verkehr ein als Marke verwendetes Zeichen in seiner Gesamtheit mit allen seinen Bestandteilen so aufnimmt, wie es ihm entgegentritt, ohne es einer analysierenden Betrachtungsweise zu unterziehen (EuGH GRUR 2004, 428, 431 Rdnr. 53 - Henkel; BGH GRUR 2001, 1151, 1152 - marktfrisch; MarkenR 2000, 420, 421 - RATIONAL SOFTWARE CORPORATION). Ausgehend hiervon besitzen Wortmarken dann keine Unterscheidungskraft, wenn ihnen die maßgeblichen Verkehrskreise lediglich einen im Vordergrund stehenden beschreibenden Begriffsinhalt zuordnen (EuGH GRUR 2004, 674, 678 Rdnr. 86 – Postkantoor; BGH GRUR 2009, 952, 953 Rdnr. 10 - DeutschlandCard; a. a. O. 854 Rdnr. 19 - FUSSBALL WM 2006; GRUR 2005, 417, 418 – BerlinCard; a. a. O. - marktfrisch; GRUR 2001, 1153 - anti KALK) oder wenn diese aus gebräuchlichen Wörtern oder Wendungen der deutschen Sprache oder einer geläufigen Fremdsprache bestehen, die – etwa wegen einer entsprechenden Verwendung in der Werbung oder in den Medien – stets nur als solche und nicht als Unterscheidungsmittel verstanden werden (vgl. u. a. BGH a. a. O. - FUSSBALL WM 2006; GRUR 2003, 1050, 1051 - Cityservice; GRUR 2001, 1043, 1044 - Gute Zeiten – Schlechte Zeiten). Darüber hinaus besitzen keine Unterscheidungskraft vor allem auch Zeichen, die sich auf Umstände beziehen, welche die beanspruchten Waren und Dienstleistungen zwar nicht unmittelbar betreffen, durch die aber ein enger beschreibender Bezug zu diesen hergestellt wird und die sich damit in einer beschreibenden Angabe erschöpfen (BGH GRUR 2010, 1100, 1102 Rdnr. 23 – TOOOR!; a. a. O. 855 Rdnr. 28 f. - FUSSBALL WM 2006). Dabei gilt, dass je bekannter der beschreibende Begriffsgehalt für die Waren oder Dienstleistung ist, desto eher wird er auch nur als solcher erfasst, wenn er im Zusammenhang mit der Kennzeichnung der Ware oder Dienstleistung in Erscheinung tritt (BPatG GRUR 2007, 58, 60 – BuchPartner). Hierfür reicht es aus, dass ein Wortzeichen, selbst wenn es bislang für die beanspruchten Waren und Dienstleistungen nicht beschreibend verwendet wurde oder es sich gar um eine sprachliche Neuschöpfung handelt, in einer seiner möglichen Bedeutungen ein Merkmal dieser Waren und Dienstleistungen bezeichnen kann (EuGH GRUR 2004, 146, 147 f. Rdnr. 32 - DOUBLEMINT; 674, 678 Rdnr. 97 - Postkantoor; 680, 681 Rdnr. 38 - BIOMILD; GRUR 2003, 58, 59 Rdnr. 21 - Companyline); dies gilt auch für ein zusammengesetztes Zeichen, das aus mehreren Begriffen besteht, die nach diesen Vorgaben für sich genommen schutzunfähig sind, sofern das Gesamtzeichen nicht infolge einer ungewöhnlichen Veränderung – etwa syntaktischer oder semantischer Art – hinreichend weit von der bloßen Zusammenfügung ihrer schutzunfähigen Bestandteile abweicht (EuGH MarkenR 2007, 204, 209 Rdnr. 77 f. – CELLTECH; a. a. O. Rdnr. 29 - BioID; a. a. O. Rdnr. 98 - Postkantoor; a. a. O. Rdnr. 39 f. – BIOMILD; a. a. O. Rdnr. 28 – SAT 2).

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Nach diesen Grundsätzen kann vorliegend – entgegen der von der Markenstelle vertretenen Auffassung – nicht festgestellt werden, dass das verfahrensgegenständliche Wort-/Bildzeichen dem Schutzhindernis nach § 8 Abs. 2 Nr. 1 MarkenG unterliegt.

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Dabei ist schon zweifelhaft, ob die Wortbestandteile der angemeldeten Kombinationsmarke überhaupt einen für die beanspruchten Waren und Dienstleistungen im Vordergrund stehenden beschreibenden Sinngehalt aufweisen. Aber selbst wenn dies der Fall wäre, kann dem Anmeldezeichen allein aufgrund der grafischen Ausgestaltung in ihrer Gesamtheit die erforderliche Unterscheidungskraft nicht abgesprochen werden.

27

aa) Der Text des angemeldeten Zeichens setzt sich aus den Begriffen "Fair" und "plus" zusammen.

28

aaa) "Fair" ist ein englisches Adjektiv, das mit "gerecht, fair" übersetzt wird (Duden–Oxford – Großwörterbuch Englisch, 3. Aufl. 2005 [CD-ROM]), mit der Bedeutung "anständig, ehrlich, gerecht; (Sport) den [Spiel]Regeln entsprechend, sie beachtend; kameradschaftlich" auch in die deutsche Sprache eingegangen ist (Duden – Das Fremdwörterbuch, 9. Aufl. 2007 [CD-ROM]) und, wie eine Internetrecherche des Amtes ergeben hat (Anlagen 1 bis 4 zum angefochtenen Erstbeschluss, Bl. 67 – 70 VA), im Zusammenhang mit Sport und Spiel, im Miteinander und im Handel verwendet wird, um auf Anstand, Gerechtigkeit und ein den Regeln des Zusammenlebens entsprechendes Verhalten hinzuweisen. Der Begriff "Fair" wird im Englischen aber auch als Substantiv mit der Bedeutung "Markt, Jahrmarkt, Ausstellung, Messe" gebraucht (Duden–Oxford – Großwörterbuch Englisch, a. a. O.).

29

bbb) Der Bestandteil "plus" bedeutet sowohl im Englischen als auch im Deutschen "zuzüglich, und, Mehrbetrag, Überschuss, Vorteil, Vorzug, Positivum (Duden - Deutsches Universalwörterbuch, 6. Aufl. 2006 [CD-ROM]; Duden – Das Fremdwörterbuch, a. a. O.; Duden–Oxford – Großwörterbuch Englisch, a. a. O.) und zählt als gängige Anpreisung und Qualitätsberühmung in den unterschiedlichsten Waren- und Dienstleistungsbereichen zum elementaren Grundwortschatz der Werbesprache im Sinne eines irgendwie gearteten, positiven Überschusses oder zusätzlichen Vorteils bzw. im Sinne eines "Mehr an Qualität oder Komfort" im Vergleich zum üblichen Standard, den die jeweiligen Waren oder Dienstleistungen bieten (BPatG 28 W (pat) 503/10 – Premium PLUS+; 28 W (pat) 2/10 – Naturplus; 26 W (pat) 81/07 – FRUTA PLUS; 33 W (pat) 47/04 – BUZPlus; 28 W (pat) 296/03 - Plus; 24 W (pat) 51/04 - PROTECTION PLUS; 25 W (pat) 310/03 - medizin plus). Der Verbraucher kennt "plus" im Zusammenhang mit vielfältigen Produkten und Dienstleistungen daher als allgemeinen Hinweis darauf, dass hierbei ein "mehr" an Inhalt, Leistungen oder Neuerungen geboten wird, wie auch die Internetrecherche des Amtes beispielhaft belegt (Anlagen 5 bis 8 zum angefochtenen Erstbeschluss, Bl. 71 – 74 VA).

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ccc) In seiner Gesamtbedeutung werden die von den angemeldeten Waren und Dienstleistungen angesprochenen breiten Verkehrskreise die Wortzusammensetzung "Fairplus" als "besonders fair", "besonders gerecht" oder "ein Mehr an Fairness" verstehen. Dieser Aussagegehalt ist jedoch sinnlos, weil Fairness bzw. Gerechtigkeit entweder gegeben sind oder nicht, sich also nicht mehr steigern lassen. Die ebenfalls mögliche Bedeutung "ein Mehr an Markt" oder "Messe und mehr" macht in Bezug auf die beanspruchten Waren und Dienstleistungen ebenfalls keinen Sinn. Hinzu kommt, dass sich dieser Gesamtbegriff, wenn er in einen sachlichen Fließtext, die beanspruchten Waren und Dienstleistungen betreffend, eingesetzt wird, nicht als beschreibender Hinweis einfügt, sondern unpassend und eigentümlich wirkt (Bingener, Markenrecht, 2007, Teil 3 Rdnr. 133).

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bb) Aber selbst wenn man – wie die Markenstelle – den Wortelementen des angemeldeten Zeichens zusammen mit dem Bildbestandteil in Form eines im Hintergrund befindlichen, stilisierten Globus den schlagwortartigen beschreibenden Sachhinweis entnähme, dass sämtliche beanspruchten Waren und Dienstleistungen global (weltökonomisch und weltökologisch) fair produziert oder erbracht und gehandelt werden, begründet zumindest die bildliche Ausgestaltung des Anmeldezeichens seine Schutzfähigkeit, weil die Grafik in ihrer Gesamtheit noch den an die Unterscheidungskraft zu stellenden (geringen) Mindestanforderungen genügt.

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Denn es ist von dem Grundsatz auszugehen, dass einer Wortelemente enthaltenden Bildmarke - unbeschadet der fehlenden Unterscheidungskraft dieser Wortelemente - als Gesamtheit Unterscheidungskraft zugesprochen werden kann, wenn die grafischen Elemente ihrerseits charakteristische Merkmale aufweisen, in denen der Verkehr einen Herkunftshinweis sieht (BGH GRUR 1991, 136, 137 - NEW MAN; a. a. O. - anti Kalk; EuGH GRUR 2006, 229, 233 Rdnr. 73, 74 - BioID). Dabei vermögen allerdings einfache grafische Gestaltungen oder Verzierungen des Schriftbildes, an die sich der Verkehr etwa durch häufige werbemäßige Verwendung gewöhnt hat, eine fehlende Unterscheidungskraft der Wörter ebenso wenig aufzuwiegen, wie derartige einfache grafische Gestaltungselemente auch für sich wegen fehlender Unterscheidungskraft nicht als Marke eingetragen werden können. Es bedarf vielmehr eines auffallenden Hervortretens der grafischen Elemente, um sich dem Verkehr als Herkunftshinweis einzuprägen (BGH a. a. O. - anti Kalk; GRUR 2008, 710, 711 Rdnr. 20 - VISAGE). Dies ist vorliegend der Fall:

33

Das in schwarzem Fettdruck ausgeführte Wort "Fair" bildet den Vordergrund der Grafik. Ebenfalls im Fettdruck aber in kleinerer Schriftart ist das Wortelement "plus" in "Potenzschreibweise", nämlich gleichsam einer (mathematischen) Potenz, hochgestellt. Hinter den schwarzen Buchstaben der Wortelemente befindet sich ein, die Buchstaben "a" bis "l" umrahmend, in mattem Grau gehaltenes globusartiges Gitternetz mit linksseitig unterbrochenen Breitengraden und einem dünneren äußeren Längengrad, das eine stilisierte Weltkugel wiedergibt.

34

Die einzelnen Bildelemente – die besondere Anordnung der Wortbestandteile, deren unterschiedliche Größe, die den Hintergrund bildende skizzenhaft angedeutete Weltkugel und die Farbgebung – mögen zwar für sich gesehen wegen ihrer Werbeüblichkeit nicht zur Begründung der Schutzfähigkeit des Anmeldezeichens ausreichen. Dies gilt, was auch die Internetbelege des Amtes zeigen (Anlagen 9 bis 15 zum angefochtenen Erstbeschluss, Bl. 75 –81 VA), insbesondere auch für kartografische oder skizzenhafte Darstellungen der Erde mit Längen- und Breitengraden – wie hier – zur Veranschaulichung eines weltweiten Bezuges (26 W (pat) 505/10 – WORLD OF TEA; 25 W (pat) 264/01 – webdesigner). Aber in ihrer konkreten Kombination verleihen sie der Gesamtdarstellung eine in sich geschlossene Form und vermitteln einen unverwechselbaren, charakteristischen Gesamteindruck, der geeignet ist, das Erinnerungsvermögen des Verkehrs in herkunftshinweisender Funktion zu beeinflussen (vgl. auch BPatG 27 W (pat) 184/09 – ANONVIOLENTWORLD; 29 W (pat) 157/10 – Premium Ingredients International).

35

2. Im Hinblick auf die unterscheidungskräftige Gesamtgestaltung unterliegt das angemeldete Zeichen auch keinem Freihaltebedürfnis im Sinne von § 8 Abs. 2 Nr. 2 MarkenG. Denn es wird nicht der Schutz für eine zeichenmäßige Verwendung der Wortkombination "Fairplus" in jedweder Form, sondern nur in der konkreten grafischen Ausgestaltung begehrt. Diese bestimmt und beschränkt zugleich den Schutzbereich der beanspruchten Bezeichnung (BGH GRUR a. a. O. - NEW MAN).