Entscheidungsdatum: 24.04.2013
In der Beschwerdesache
…
betreffend die Markenanmeldung 30 2008 032 862
hat der 29. Senat (Marken-Beschwerdesenat) des Bundespatentgerichts auf die mündliche Verhandlung vom 24. April 2013 unter Mitwirkung der Vorsitzenden Richterin Grabrucker sowie der Richterinnen Kortge und Uhlmann
beschlossen:
Der Präsidentin des Deutschen Patent- und Markenamtes wird anheimgegeben, dem Beschwerdeverfahren beizutreten.
I.
Das Wortzeichen
Procura
ist am 9. Mai 2008 zur Eintragung als Marke in das beim Deutschen Patent- und Markenamt (DPMA) geführte Register für Waren und Dienstleistungen der Klassen 16, 35, 41, 43 und 44 angemeldet worden.
Nachdem die Anmeldung zunächst wegen fehlender Unterscheidungskraft teilweise zurückgewiesen worden war, hat der erkennende Senat das Verfahren wegen unzureichender Differenzierung in der Begründung mit Beschluss vom 18. April 2012 zur erneuten Entscheidung an das DPMA zurückverwiesen. Dabei hatte er darauf hingewiesen, dass das Waren- und Dienstleistungsverzeichnis Doppelnennungen enthalte.
Durch Beschluss der Markenstelle für Klasse 16 vom 16. August 2012 hat das DPMA die Anmeldung für folgende Waren und Dienstleistungen zurückgewiesen:
Klasse 16:
Druckereierzeugnisse; Lehr- und Unterrichtsmittel (ausgenommen Apparate); Broschüren; Bücher; Bücher [kleine]; grafische Darstellungen; grafische Reproduktionen; Magazine [Zeitschriften]; Rundschreiben; Veröffentlichungen [Schriften]; Zeitschriften; Zeitschriften [Magazine]; Zeitungen;
Klasse 35:
Beratung bei der Organisation und Führung von Unternehmen; betriebswirtschaftliche Beratung; Erteilung von Wirtschaftsauskünften; Hilfe bei der Führung von gewerblichen oder Handelsbetrieben; Informationen in Geschäftsangelegenheiten; Nachforschungen in Geschäftsangelegenheiten; Organisationsberatung in Geschäftsangelegenheiten; organisatorische Beratung; Outsourcing-Dienste [Hilfe bei Geschäftsangelegenheiten]; Personal-, Stellenvermittlung; Personalanwerbung; Personalauswahl mit Hilfe von psychologischen Eignungstests; Personalmanagementberatung; Planung und Überwachung von Unternehmensentwicklungen in organisatorischer Hinsicht; Planungen [Hilfe] bei der Geschäftsführung; Überlassung von Zeitarbeitskräften; Unternehmensberatung; Verwaltung fremder Geschäftsinteressen;
Klasse 41:
Ausbildung; Ausbildungsberatung und Fortbildungsberatung sowie Erziehungsberatung; Berufsberatung; Coaching; Unterricht; Fernkurse; Fernunterricht; Organisation und Veranstaltung von Konferenzen; Organisation und Veranstaltung von Kongressen; Organisation und Veranstaltung von Symposien; Personalentwicklung durch Aus- und Fortbildung; Veranstaltung und Durchführung von Seminaren; Veranstaltung und Durchführung von Workshops [Ausbildung]; Veranstaltung und Leitung von Kolloquien.
Zur Begründung hat die Markenstelle ausgeführt, dass der Begriff „Procura“ eine sachbezogene Angabe enthalte und der Verkehr in den oben genannten Klassen das Zeichen daher allein beschreibend verstehen werde. „Procura“ stelle einen Hinweis dafür dar, dass die zurückgewiesenen Waren und Dienstleistungen im Zusammenhang mit der handelsrechtlichen Prokura stünden. Zwar entstamme der Begriff „Proc(k)ura“ nicht der deutschen Sprache, doch würden die hier angesprochenen Fachkreise aus Handel und Wirtschaft sowie interessierte Laien darunter die geschäftliche Handlungsvollmacht verstehen. Bei allen zurückgewiesenen Waren und Dienstleistungen bestehe die Möglichkeit, dass diese sich mit der Handlungsvollmacht beschäftigen. Mithin sei das Zeichen nicht geeignet, bei den betroffenen Waren und Dienstleistungen auf ein bestimmtes Unternehmen hinzuweisen. Anders als bei der BGH-Entscheidung "logo" (GRUR 2000, 722 f.) liege hier keine Mehrdeutigkeit vor. Im Übrigen hätten die vergleichbaren Anmeldungen 307 24 952.2 "TELECURA", 307 38 645.7 "MaXCura" und B 101 256 "procura" ebenfalls nicht zu einer Eintragung als Marke geführt.
Hiergegen richtet sich die Beschwerde der Anmelderin, mit der sie beantragt,
den Beschluss des Deutschen Patent- und Markenamtes vom 16. August 2012 aufzuheben.
Sie vertritt die Ansicht, dass der Begriff „Procura“ wegen seiner Mehrdeutigkeit nicht nur im Sinne einer Handlungsvollmacht verstanden werde. Denn der Verkehr könne den Begriff auch mit „Fürsorge“ (pro = dt. für; cura = dt. sorgen, pflegen) übersetzen. Auch werde der Begriff in Verbindung mit Pflegedienstleistungen nicht als ein deutsches, sondern als ein eigens kreiertes Wort gesehen. Zudem seien diverse andere Marken eingetragen, die den Wortteil "cura" beinhalteten und mit anderen Zusätzen unterscheidungskräftig seien.
Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf den Akteninhalt verwiesen.
II.
Der Senat erachtet es wegen einer Rechtsfrage von grundsätzlicher Bedeutung gemäß § 68 Abs. 2 MarkenG für angemessen, der Präsidentin des Deutschen Patent- und Markenamtes anheimzugeben, dem Beschwerdeverfahren beizutreten. Er hält den Beitritt zur Klärung der Verwendung von Klammern bei der Bezeichnung der beanspruchten Waren und Dienstleistungen im Anmeldeverfahren für erforderlich.
Das beschwerdegegenständliche Waren- und Dienstleistungsverzeichnis der Anmeldung enthält Bezeichnungen, deren Bedeutung nicht eindeutig ist, da sie mit runden und eckigen Klammern versehen sind, und zwar „Bücher [kleine]“, „Lehr- und Unterrichtsmittel (ausgenommen Apparate)“, „Magazine [Zeitschriften]“, Veröffentlichungen [Schriften]“, „Magazine [Zeitschriften]“, „Zeitschriften [Magazine]“, „Outsourcing-Dienste [Hilfe bei Geschäftsangelegenheiten]“, „Planungen [Hilfe] bei der Geschäftsführung“, „Veranstaltung und Durchführung von Workshops [Ausbildung]“.
Es herrscht Übereinstimmung, dass das bei Anmeldung gemäß § 32 MarkenG einzureichende Verzeichnis der Waren und Dienstleistungen eine eindeutige Bestimmung der beanspruchten Waren und Dienstleistungen ermöglichen muss. Nur auf diese Weise kann der Schutzumfang einer Eintragung eindeutig bestimmt werden (BGH, GRUR 1985, 1055 f. – Datenverarbeitungsprogramme). Daran fehlt es bei der Verwendung von Klammern, deren Bedeutung nicht eindeutig festgelegt ist. Je nachdem, ob sie in der Bedeutung „nämlich“ oder „insbesondere“ zu verstehen sind, umfassen die vorangestellten Bezeichnungen eine unterschiedliche Bandbreite von Waren und Dienstleistungen. Zwar ist die Abfassung des Verzeichnisses dem Anmelder überlassen, die Registerbehörde hat jedoch auf die Klärung des Verzeichnisses hinzuwirken und die Anmeldung zurückzuweisen, falls der Anmelder den Hinweisen des Amtes nicht nachkommt, § 36 Abs. 1 MarkenG.
Bei den genannten Begriffen handelt es sich – mit Ausnahme des Begriffs „Bücher [kleine]“ - ausschließlich um Begriffe aus der Liste des Waren- und Dienstleistungsverzeichnisses nach der Klassifikation von Nizza. Sie sind auch in den Anhängen 2 und 3 zur MarkenV enthalten, auf die in §§ 19 Abs. 2, 20 Abs. 2 MarkenV in der bei Erlass des Amtsbescheides geltenden Fassung verwiesen wird.
Punkt 6 und 7 der Anleitung für den Benutzer der Markenklassifikation gemäß Abkommen von Nizza lauten wie folgt:
„6. Ein Begriff, der in der alphabetischen Liste in eckigen Klammern erscheint, dient in den meisten Fällen der Präzisierung des der Klammer vorangehenden Textes, da dieser mehrdeutig oder für Klassifikationszwecke zu unbestimmt ist.
7. Ein Begriff, der in der alphabetischen Liste in runden Klammern erscheint (ein so genannter Querverweis), kann auf unterschiedliche Bezeichnungen zu ein und derselben Ware oder Dienstleistung hinweisen, die in diesem Fall auch an der zutreffenden Stelle in der alphabetischen Liste erscheinen.
In anderen Fällen kann der Ausdruck innerhalb der runden Klammer mit einer allgemeinen Bezeichnung beginnen /z.B. Apparate, leitfähig, Maschinen), unter der die Ware oder Dienstleistung nicht in der alphabetischen Liste aufgeführt werden kann.
Der Text vor der runden Klammer wird als der wichtigere Teil des Eintrags der fraglichen Ware oder Dienstleistung angesehen und ist in der Klammer durch *-* ersetzt.“
Aus dieser Anleitung lässt sich ein eindeutiges Verständnis der Bedeutung der Klammern ebenfalls nicht herleiten, wie sich schon aus dem Ausdruck „in den meisten Fällen“ und dem Ausdruck „In anderen Fällen“ ergibt.
Damit entsprechen die verwendeten und durch das DPMA vorgegebenen Begriffe nicht den gesetzlichen Anforderungen an die Bestimmtheit des Waren- und Dienstleistungsverzeichnisses. Die Praxis der Verwendung dieser Begriffe steht nach Auffassung des Senats nur dann in Übereinstimmung mit der gesetzlichen Rechtsgrundlage, wenn eine verbindliche Anweisung existiert, aus der die Bedeutung der Klammern und ihre Verwendung bei der Klärung des Waren- und Dienstleistungsverzeichnisses eindeutig hervorgeht.
Die Präsidentin des Deutschen Patent- und Markenamtes wird deshalb gebeten mitzuteilen, ob es eine verbindliche Anweisung gibt, in welcher Bedeutung eckige und runde Klammern in der alphabetischen Liste der Waren und Dienstleistungen zu verstehen und wie diese bei der Bezeichnung von Waren und Dienstleistungen zu verwenden sind.