Entscheidungsdatum: 08.02.2012
In der Beschwerdesache
…
betreffend die Markenanmeldung 30 2009 047 485.0
hat der 29. Senat (Marken-Beschwerdesenat) des Bundespatentgerichts am 8. Februar 2012 unter Mitwirkung der Vorsitzenden Richterin Grabrucker und der Richterinnen Kortge und Dorn
beschlossen:
Die Beschwerde wird zurückgewiesen.
I.
Das Wortzeichen
Marketingschmiede
ist am 11. August 2009 zur Eintragung als Marke in das beim Deutschen Patent- und Markenamt (DPMA) geführte Register für nachfolgende Dienstleistungen angemeldet worden:
Klasse 35:
Beratung bei der Organisation und Führung von Unternehmen; Beratung in Fragen der Geschäftsführung; betriebswirtschaftliche Beratung; Dienstleistungen einer Werbeagentur; Herausgabe von Werbetexten; Kundengewinnung und -pflege durch Versandwerbung (Mailing); Layoutgestaltung für Werbezwecke; Marketing [Absatzforschung]; Öffentlichkeitsarbeit [Public Relations]; Organisation und Durchführung von Werbeveranstaltungen; Planung von Werbemaßnahmen; Präsentation von Firmen im Internet und anderen Medien; Unternehmensberatung; Verfassen von Werbetexten; Werbung; Werbung im Internet für Dritte;
Klasse 42:
Beratung bei der Gestaltung von Homepages und Internetseiten; Design und Erstellung von Homepages und Internetseiten; Dienstleistungen eines Grafikdesigners.
Mit Beschlüssen vom 3. März 2010 und 29. Juni 2011, von denen letzterer im Erinnerungsverfahren ergangen ist, hat die Markenstelle für Klasse 35 die Anmeldung gemäß §§ 37 Abs. 1, 8 Abs. 2 Nr. 1 und Nr. 2 MarkenG wegen fehlender Unterscheidungskraft und eines bestehenden Freihaltebedürfnisses zurückgewiesen. Die angemeldete Wortzusammensetzung werde als unmittelbar beschreibender Hinweis auf die Art, Eigenschaften oder Herkunft der angemeldeten Dienstleistungen verstanden. Eine "Schmiede" bezeichne - auch im übertragenen Sinn - eine Stätte, in der etwas geschmiedet, d. h. hergestellt, bearbeitet und gestaltet werde. Der angemeldete Gesamtbegriff "Marketingschmiede" füge sich in die Reihe üblicher Wortbildungen mit dem Begriff "-schmiede", wie z. B. "Talentschmiede" und "Kaderschmiede", ein und weise darauf hin, dass in diesem Betrieb Marketing angeboten, dargebracht und gestaltet werde. Dem Anmeldezeichen fehle damit die Eignung als betrieblicher Herkunftshinweis, zudem sei es für die Mitbewerber freihaltebedürftig.
Hiergegen richtet sich die Beschwerde der Anmelderin, mit der sie sinngemäß beantragt,
die Beschlüsse des DPMA vom 3. März 2010 und 29. Juni 2011 aufzuheben.
Sie ist der Ansicht, dass "Marketingschmiede" nicht beschreibend sei. Das Zeichen bestünde aus zwei Begriffen, die inhaltlich nichts miteinander zu tun hätten. In einer Schmiede werde immer ein handhabbares Produkt erzeugt bzw. bearbeitet. Die einzige gebräuchliche nichttechnische Verwendung des Substantivs "Schmiede" in Wortzusammensetzungen sei der Begriff "Kaderschmiede", wobei in einer solchen im übertragenen Sinn ebenfalls Menschen "bearbeitet", d. h. ausgebildet würden. Es sei nicht ersichtlich, wie "Marketing" – ein vieldeutiger Begriff aus der Betriebswirtschaftslehre – durch "Schmieden" bearbeitet werden könne. Die Zusammensetzung der beiden Begriffe ergebe keinen Sinn und sei phantasievoll.
Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf den Akteninhalt Bezug genommen.
II.
Die zulässige Beschwerde der Anmelderin ist unbegründet.
Der Eintragung des angemeldeten Wortzeichens "Marketingschmiede" als Marke steht hinsichtlich der beanspruchten Dienstleistungen das absolute Schutzhindernis der fehlenden Unterscheidungskraft gemäß § 8 Abs. 2 Nr. 1 MarkenG entgegen. Die Markenstelle hat der angemeldeten Wortverbindung daher zu Recht die Eintragung versagt.
1. Unterscheidungskraft im Sinne des § 8 Abs. 2 Nr. 1 MarkenG ist die einem Zeichen innewohnende (konkrete) Eignung, vom Verkehr als Unterscheidungsmittel aufgefasst zu werden, welches die in Rede stehenden Waren oder Dienstleistungen als von einem bestimmten Unternehmen stammend kennzeichnet und diese Waren oder Dienstleistungen somit von denjenigen anderer Unternehmen unterscheidet (EuGH GRUR 2008, 608, 611 Rdnr. 66 f. - EUROHYPO; BGH GRUR 2010, 825, 826 Rdnr. 13 - Marlene-Dietrich-Bildnis II; GRUR 2006, 850, 854 Rdnr. 18 - FUSSBALL WM 2006). Denn die Hauptfunktion der Marke besteht darin, die Ursprungsidentität der gekennzeichneten Waren oder Dienstleistungen zu gewährleisten. Da allein das Fehlen jeglicher Unterscheidungskraft ein Eintragungshindernis begründet, ist ein großzügiger Maßstab anzulegen, so dass jede auch noch so geringe Unterscheidungskraft genügt, um das Schutzhindernis zu überwinden (BGH a. a. O. - FUSSBALL WM 2006; a. a. O. - Marlene-Dietrich-Bildnis II; GRUR 2009, 411 Rdnr. 8 - STREETBALL; 778, 779 Rdnr. 11 - Willkommen im Leben; 949 f. Rdnr. 10 - My World). Maßgeblich für die Beurteilung der Unterscheidungskraft ist die Auffassung der beteiligten inländischen Verkehrskreise, wobei auf die Wahrnehmung des Handels und/oder des normal informierten, angemessen aufmerksamen und verständigen Durchschnittsverbrauchers der fraglichen Waren oder Dienstleistungen abzustellen ist (vgl. EuGH GRUR 2004, 943, 944 Rdnr. 24 - SAT 2; GRUR 2006, 411, 412 Rdnr. 24 - Matratzen Concord/Hukla; BGH a. a. O. - FUSSBALL WM 2006). Ebenso ist zu berücksichtigen, dass der Verkehr ein als Marke verwendetes Zeichen in seiner Gesamtheit mit allen seinen Bestandteilen so aufnimmt, wie es ihm entgegentritt, ohne es einer analysierenden Betrachtungsweise zu unterziehen (vgl. EuGH GRUR 2004, 428, 431 Rdnr. 53 - Henkel; BGH MarkenR 2000, 420, 421 - RATIONAL SOFTWARE CORPORATION; GRUR 2001, 1151, 1152 - marktfrisch). Ausgehend hiervon besitzen Wortmarken dann keine Unterscheidungskraft, wenn ihnen die maßgeblichen Verkehrskreise lediglich einen im Vordergrund stehenden beschreibenden Begriffsinhalt zuordnen (vgl. u. a. EuGH GRUR 2004, 674, 678 Rdnr. 86 – Postkantoor; BGH GRUR 2001, 1151, 1152 - marktfrisch; GRUR 2001, 1153 - anti KALK; GRUR 2005, 417, 418 – BerlinCard; a. a. O. Rdnr. 19 - FUSSBALL WM 2006; GRUR 2009, 952, 953 Rdnr. 10 - DeutschlandCard) oder wenn diese aus gebräuchlichen Wörtern oder Wendungen der deutschen Sprache oder einer geläufigen Fremdsprache bestehen, die – etwa wegen einer entsprechenden Verwendung in der Werbung oder in den Medien – stets nur als solche und nicht als Unterscheidungsmittel verstanden werden (vgl. u. a. BGH GRUR 2001, 1043, 1044 - Gute Zeiten – Schlechte Zeiten; BGH GRUR 2003, 1050, 1051 - Cityservice; a. a. O. - FUSSBALL WM 2006). Darüber hinaus besitzen keine Unterscheidungskraft vor allem auch Zeichen, die sich auf Umstände beziehen, welche die beanspruchten Waren und Dienstleistungen zwar nicht unmittelbar betreffen, durch die aber ein enger beschreibender Bezug zu diesen hergestellt wird und die sich damit in einer beschreibenden Angabe erschöpfen (BGH a. a. O. 855 Rdnr. 28 f. - FUSSBALL WM 2006).
2. Hiervon ausgehend weist das angemeldete Wortzeichen für die beanspruchten Dienstleistungen einen im Vordergrund stehenden beschreibenden Begriffsinhalt auf.
a) Das Wortelement "Marketing" bezeichnet die "Ausrichtung eines Unternehmens auf die Förderung des Absatzes durch Betreuung der Kunden, Werbung, Beobachtung und Lenkung des Marktes sowie durch entsprechende Steuerung der eigenen Produktion" (http://www.duden.de/rechtschreibung/Marketing).
b) Der weitere Begriff "Schmiede" hat lexikalisch die Bedeutungen "Werkstatt eines Schmieds", "Betrieb, in dem Metall durch Schmieden be-, verarbeitet wird" bzw. "Gebäude, in dem sich eine Schmiede befindet" (http://www.duden.de/rechtschreibung/Schmiede). Das entsprechende Verb "schmieden" wird allerdings häufig synonym verwendet im Sinne von "anfertigen, herstellen, beabsichtigen, machen, planen, verfolgen, vorhaben" (vgl. http://wortschatz.uni-leipzig.de), insbesondere der Ausdruck "Pläne schmieden" ist im deutschen Sprachgebrauch allgemein geläufig. Dementsprechend wird auch das Substantiv "Schmiede" in verschiedenen Wortzusammensetzungen verwendet, um zum einen den Aspekt des Planens und Entwickelns, zum anderen den des Formens und Bearbeitens zum Ausdruck zu bringen. So sind dem Verkehr nicht nur die von der Markenstelle bereits genannten Begriffe wie "Talentschmiede" oder "Kaderschmiede" bekannt, die - wie auch der weitere geläufige Begriff "Ideenschmiede" - auf das Formen und Entwickeln von menschlichen Fähigkeiten oder geistigen Konzepten abzielen (http://www.duden.de/rechtschreibung; http://wortschatz.uni-leipzig.de). Daneben finden ausweislich der vom Senat mit Schreiben vom 2. Dezember 2011 übersandten Recherchebelege auch Wortbildungen wie z. B. "Sportwagenschmiede", "Tuning-Schmiede", "Formel-1-Schmiede" und "Softwareschmiede" im deutschen Sprachgebrauch allgemein Verwendung (vgl. Anlagen 6 - 9 zum o. g. Schreiben des Senats, Bl. 27 - 33 GA). Gemeinsam ist diesen mit dem Begriff "Schmiede" gebildeten Wortzusammensetzungen, dass sie werbemäßig auf die Exklusivität und die besondere handwerkliche oder planerische Leistung/Weiterentwicklung hinweisen sowie die entsprechende Angebots- bzw. Erbringungsstätte oder das jeweilige Etablissement nach der Art der angebotenen Waren und Dienstleistungen bezeichnen (vgl. BPatG 30 W (pat) 554/10 - Haarschmiede).
c) Aus den vom Senat übersandten Recherchebelegen ergibt sich darüber hinaus, dass auch der Begriff "Marketingschmiede" zur Bezeichnung (irgend-)einer Marketingagentur oder Marketingabteilung bereits tatsächlich in beachtenswertem Umfang Verwendung findet (vgl. Anlagen 1 – 3b zum o. g. Schreiben des Senats, Bl. 15 – 22 GA). Bei der angemeldeten Bezeichnung "Marketingschmiede" handelt es sich daher um eine inzwischen geläufige Bezeichnung einer beliebigen Stätte (Abteilung oder Agentur), die für das Marketing innerhalb eines Unternehmens zuständig ist bzw. das Marketing für andere Firmen durchführt.
d) Vor diesem Hintergrund beinhaltet das Anmeldezeichen im Zusammenhang mit den beanspruchten Dienstleistungen eine Sachaussage, die sich ausschließlich in der Beschreibung dieser Dienstleistungen erschöpft.
Die in Klasse 35 angemeldeten Beratungs-, Werbe- und Marketingdienstleistungen sind allesamt typische Dienstleistungen einer mit Marketing befassten Agentur. Auch die in Klasse 42 beanspruchten Dienstleistungen betreffend Design und grafische Gestaltungen von Internetseiten werden regelmäßig als wichtiges Mittel der Werbung und des Marketings eingesetzt.
Die angesprochenen Verkehrskreise werden die Bezeichnung "Marketingschmiede" daher im Zusammenhang mit den beanspruchten Dienstleistungen mangels individualisierender Merkmale lediglich als Sachhinweis auf die Angebots- bzw. Erbringungsstätte und das übliche Dienstleistungsspektrum einer beliebigen Marketingagentur verstehen, nicht hingegen als betrieblichen Herkunftshinweis.
3. Da schon das Schutzhindernis nach § 8 Abs. 2 Nr. 1 MarkenG vorliegt, kann aus Sicht des Senats dahinstehen, ob das angemeldete Zeichen darüber hinaus für die fraglichen Dienstleistungen freihaltungsbedürftig gemäß § 8 Abs. 2 Nr. 2 MarkenG ist.