Bundespatentgericht

Entscheidungsdatum: 20.02.2013


BPatG 20.02.2013 - 28 W (pat) 97/11

Markenbeschwerdeverfahren - "POWDERstream" - Unterscheidungskraft – kein Freihaltungsbedürfnis


Gericht:
Bundespatentgericht
Spruchkörper:
28. Senat
Entscheidungsdatum:
20.02.2013
Aktenzeichen:
28 W (pat) 97/11
Dokumenttyp:
Beschluss
Zitierte Gesetze

Tenor

In der Beschwerdesache

betreffend die Markenanmeldung 30 2008 022 423.1

hat der 28. Senat (Marken-Beschwerdesenat) des Bundespatentgerichts auf die mündliche Verhandlung vom 20. Februar 2013 durch die Vorsitzende Richterin Klante, die Richterin Dorn und den Richter am Amtsgericht Jacobi

beschlossen:

Die Beschlüsse des Deutschen Patent- und Markenamts, Markenstelle für Klasse 07, vom 29. Juli 2009 und 13. Oktober 2011 werden aufgehoben, soweit die Anmeldung für die Ware „Eisproduktionsanlagen (Maschinen)“zurückgewiesen worden ist.

Gründe

I.

1

Das Wortzeichen 30 2008 022 423.1

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POWDERstream

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ist am 4. April 2008 zur Eintragung als Marke in das beim Deutschen Patent- und Markenamt (DPMA) geführte Register für verschiedene Waren und Dienstleistungen der Klassen 07, 11 35 und 41 angemeldet worden.

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Die Markenstelle für Klasse 07 hat mit Beschlüssen vom 29. Juli 2009 und 13. Oktober 2011, von denen letzterer – unter teilweiser Aufhebung des Erstbeschlusses – im Erinnerungsverfahren ergangen ist, die Anmeldung wegen fehlender Unterscheidungskraft teilweise zurückgewiesen, und zwar für die Waren der

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Klasse 07: Maschinen; Schneekanonen; Beschneiungsanlagen und Geräte, insbesondere auch Schneedüsen; Schneeerzeugungsanlagen, Eisproduktionsanlagen (Maschinen); Schneelanzen.

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Zur Begründung hat sie ausgeführt, das aus den beiden zum Englischen Grundwortschatz gehörenden Wortbestandteilen „POWDER“ (= Puder, Pulver) und „stream“ (= Strom, Strahl) zusammengesetzte Anmeldezeichen werde in seiner Gesamtbedeutung von den angesprochenen Verkehrskreisen ohne Weiteres im Sinne von „Pulverstrahl“ oder „Puderstrom“ verstanden. Im Zusammenhang mit den zurückgewiesenen Waren aus dem Bereich der Schneeherstellung weise das angemeldete Wortzeichen beschreibend darauf hin, dass diese ihrer Konstruktion nach speziell für einen „Pulverstrahl“ bestimmt und geeignet seien, z. B. für eine kontinuierliche Abgabe eines solchen Schneestrahls bzw. Pulver(schnee)stroms. Dieses Verständnis sei naheliegend, zumal es üblich sei, Schnee auch als „Pulver“ zu bezeichnen. Das Zeichen eigne sich daher insoweit nicht als betrieblicher Herkunftshinweis.

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Hiergegen richtet sich die Beschwerde der Anmelderin, mit der sie vorträgt, das angemeldete Zeichen „POWDERstream“ stelle eine Wortneuschöpfung dar, die syntaktisch fehlerhaft und nicht sprachüblich gebildet sei. Die hier angesprochenen speziellen Fachkreise würden Kunstschnee auch in der Regel mit dem englischen Wort „artificial snow“ bezeichnen. Kunstschnee bestehe im Übrigen aus härteren Eiskristallen und nicht aus einem weichen Pulverstrom. Es sei auch nicht ersichtlich, dass „Eisproduktionsanlagen (Maschinen) einen Bezug zu einem „Pulverstrahl“ haben könnten.

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Nachdem die Beschwerdeführerin vom Senat im Termin zur mündlichen Verhandlung am 20. Februar 2013 auf die fehlende Erfolgsaussicht ihrer Beschwerde hinsichtlich eines Teils der fraglichen Waren hingewiesen worden ist, hat sie die Anmeldung für die Waren der Klasse 07 „Maschinen; Schneekanonen; Beschneiungsanlagen und Geräte, insbesondere auch Schneedüsen; Schneeerzeugungsanlagen; Schneelanzen“ zurückgenommen.

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Sie beantragt mit dieser Maßgabe,

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die Beschlüsse des Deutschen Patent- und Markenamts, Markenstelle für Klasse 07, vom 29. Juli 2009 und 13. Oktober 2011 aufzuheben, soweit die Anmeldung für die Waren der Klasse 07 „Eisproduktionsanlagen (Maschinen)“ zurückgewiesen worden ist.

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Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf den Akteninhalt Bezug genommen.

II.

12

Die zulässige Beschwerde ist auf der Grundlage des im Beschwerdeverfahren eingeschränkten Warenverzeichnisses begründet.

13

Der Eintragung des angemeldeten Wortzeichens „POWDERstream“ als Marke stehen in Bezug auf die noch beschwerdegegenständlichen Waren keine Schutzhindernisse nach § 8 Abs. 2 Nr. 1 und Nr. 2 MarkenG entgegen.

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1. Dem Anmeldezeichen kann nicht jegliche Unterscheidungskraft abgesprochen werden.

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a) Unterscheidungskraft im Sinne des § 8 Abs. 2 Nr. 1 MarkenG ist die einem Zeichen innewohnende (konkrete) Eignung, vom Verkehr als Unterscheidungsmittel aufgefasst zu werden, welches die in Rede stehenden Waren oder Dienstleistungen als von einem bestimmten Unternehmen stammend kennzeichnet und diese Waren oder Dienstleistungen somit von denjenigen anderer Unternehmen unterscheidet. Da allein das Fehlen jeglicher Unterscheidungskraft ein Eintragungshindernis begründet, ist ein großzügiger Maßstab anzulegen, so dass jede auch noch so geringe Unterscheidungskraft genügt, um das Schutzhindernis zu überwinden (BGH GRUR 2012, 1143 – Starsat; MarkenR 2012, 19, Rdnr. 8 - Link economy; GRUR 2010, 1100, Rdnr. 10 - TOOOR!; GRUR 2010, 825, 826, Rdnr. 13 - Marlene-Dietrich-Bildnis II; GRUR 2006, 850, 854, Rdnr. 18 - FUSSBALL WM 2006). Maßgeblich für die Beurteilung der Unterscheidungskraft ist die Auffassung der beteiligten inländischen Verkehrskreise, wobei auf die Wahrnehmung des Handels und/oder des normal informierten, angemessen aufmerksamen und verständigen Durchschnittsverbrauchers der fraglichen Waren oder Dienstleistungen abzustellen ist (vgl. EuGH GRUR 2006, 411, 412, Rdnr. 24 - Matratzen Concord/Hukla; GRUR 2004, 943, 944, Rdnr. 24 - SAT 2; BGH a. a. O. - FUSSBALL WM 2006). Ebenso ist zu berücksichtigen, dass der Verkehr ein als Marke verwendetes Zeichen in seiner Gesamtheit mit allen seinen Bestandteilen so aufnimmt, wie es ihm entgegentritt, ohne es einer analysierenden Betrachtungsweise zu unterziehen (vgl. EuGH GRUR 2004, 428, 431 Rdnr. 53 -Henkel; BGH GRUR 2001, 1151, 1152 - marktfrisch; MarkenR 2000, 420, 421 - RATIONAL SOFTWARE CORPORATION). Ausgehend hiervon besitzen Wortmarken dann keine Unterscheidungskraft, wenn ihnen die maßgeblichen Verkehrskreise lediglich einen im Vordergrund stehenden beschreibenden Begriffsinhalt zuordnen (vgl. u. a. EuGH GRUR 2004, 674, 678 Rdnr. 86 – Postkantoor; BGH GRUR 2009, 952, 953 Rdnr. 10 - DeutschlandCard; a. a. O. Rdnr. 19 - FUSSBALL WM 2006; GRUR 2005, 417, 418 – BerlinCard; a. a. O. - marktfrisch; GRUR 2001, 1153 - anti KALK) oder wenn diese aus gebräuchlichen Wörtern oder Wendungen der deutschen Sprache oder einer geläufigen Fremdsprache bestehen, die – etwa wegen einer entsprechenden Verwendung in der Werbung oder in den Medien – stets nur als solche und nicht als Unterscheidungsmittel verstanden werden (vgl. u. a. BGH a. a. O. – FUSSBALL WM 2006; GRUR 2003, 1050, 1051 - Cityservice; GRUR 2001, 1043, 1044 - Gute Zeiten – Schlechte Zeiten). Darüber hinaus besitzen keine Unterscheidungskraft vor allem auch Zeichen, die sich auf Umstände beziehen, welche die beanspruchten Waren und Dienstleistungen zwar nicht unmittelbar betreffen, durch die aber ein enger beschreibender Bezug zu diesen hergestellt wird und die sich damit in einer beschreibenden Angabe erschöpfen (BGH a. a. O. 855, Rdnr. 19, 28 f. - FUSSBALL WM 2006).

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b) Diesen Anforderungen an die Unterscheidungskraft im Sinne des § 8 Abs. 2 Nr. 1 MarkenG genügt das angemeldete Zeichen. Denn es weist für die noch beschwerdegegenständliche Ware weder einen im Vordergrund stehenden beschreibenden Begriffsgehalt auf, noch handelt es sich um eine Angabe, durch die ein enger beschreibender Bezug zu ihr hergestellt werden kann.

17

Die angemeldete Wortkombination setzt sich aus den geläufigen englischen Begriffen „POWDER“ mit den Bedeutungen „Puder, Pulver, Pulverschnee“ und „stream“ mit den Bedeutungen „Strahl, Strom“ zusammen (Duden-Oxford – Großwörterbuch Englisch, 3. Aufl. 2005 [CD-ROM]; dict.leo.org - Englisch-Deutsch-Wörterbuch).

18

Der Gesamtbegriff „POWDERstream“ ist zwar lexikalisch nicht nachweisbar, die angesprochenen inländischen Verkehrskreise werden das Anmeldezeichen aber entsprechend den zutreffenden Ausführungen der Markenstelle ohne Weiteres im Sinne von „Pulver(schnee)strahl“ bzw. „Pulver(schnee)strom“ verstehen.

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Für die noch beschwerdegegenständlichen „Eisproduktionsanlagen (Maschinen)“ weist die Wortkombination „POWDERstream“ jedoch keine ohne weiteres und ohne Unklarheiten erfassbare beschreibende Bedeutung auf. Denn es ist nicht ersichtlich, dass solche Eisproduktionsanlagen in irgendeiner Form einen „Pulverstrahl“ oder „Pulver(schnee)strom“ erzeugen können. Diese Anlagen dienen der technischen Herstellung von Eis in unterschiedlichen Erscheinungsformen (z. B. Würfel, Block, Scherben), wobei diese allesamt ersichtlich andere Eigenschaften als (weicher) Pulverschnee aufweisen. Selbst technisch hergestelltes Scherbeneis, das aus einzelnen, immerhin noch ca. 1 bis 2 mm starken Plättchen mit einer unregelmäßigen, scherbenartigen, leicht gewellten Form besteht (http://de.wikipedia.org/wiki/Scherbeneis), unterscheidet sich in seinen Eigenschaften, insbesondere hinsichtlich Konsistenz und Optik, deutlich von Pulverschnee und würde – anders als möglicherweise Kunstschnee – auch nicht anpreisend als „Pulver“ oder „Powder“ bezeichnet werden. Zwar kann technisch erzeugtes Scherbeneis in einem Strahl aus der Eisproduktionsmaschine geblasen werden, jedoch ließe sich ein Bezug zu einem „Pulverstrahl“ oder „Pulverstrom“ aus o. g. Gründen allenfalls über mehrere gedankliche Zwischenschritte und Ergänzungen herstellen. Eine derartige analysierende Betrachtungsweise im Rahmen der Beurteilung der Unterscheidungskraft eines Zeichens ist jedoch unzulässig, weil sich daraus keine in den Vordergrund drängende, für das angesprochene Publikum ohne Weiteres ersichtliche Beschreibung des Inhalts von Waren oder Dienstleistungen ergibt (vgl. BGH a. a. O. Rdnr. 12 – Link economy; a. a. O. – RATIONAL SOFTWARE CORPORATION).

20

Dem angemeldeten Zeichen kommt daher insoweit die Bedeutung eines betrieblichen Herkunftshinweises zu.

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2. Wegen der fehlenden Eignung zur Beschreibung der noch beschwerdegegenständlichen Waren kommt auch ein Ausschluss von der Eintragung nach § 8 Abs. 2 Nr. 2 MarkenG nicht in Betracht.