Bundespatentgericht

Entscheidungsdatum: 03.08.2011


BPatG 03.08.2011 - 28 W (pat) 97/10

Markenbeschwerdeverfahren – "Blue Coat" – kein Freihaltungsbedürfnis - Unterscheidungskraft


Gericht:
Bundespatentgericht
Spruchkörper:
28. Senat
Entscheidungsdatum:
03.08.2011
Aktenzeichen:
28 W (pat) 97/10
Dokumenttyp:
Beschluss
Zitierte Gesetze

Tenor

In der Beschwerdesache

betreffend die angemeldete Marke 30 2008 068 742.8

hat der 28. Senat (Marken-Beschwerdesenat) des Bundespatentgerichts auf die mündliche Verhandlung vom 3. August 2011 durch den Richter Schwarz als Vorsitzenden sowie den Richter Kruppa und die Richterin am Landgericht Werner

beschlossen:

Die Beschlüsse der Markenstelle für Klasse 07 des Deutschen Patent- und Markenamts vom 21. Juli 2009 und 22. Juni 2010 werden aufgehoben.

Gründe

I.

1

Das Deutsche Patent- und Markenamt hat mit Beschluss der Markenstelle für Klasse 07 vom 21. Juli 2009 die Anmeldung der Bezeichnung

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Blue Coat

3

als Wortmarke für die Waren

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Klasse 7:

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Bürsten und Bürstenkörper als Maschinenteile, insbesondere als Kehrwalzen, Seitenbesen, Tellerbesen, Bürstenwalzen, Bürstenringe, Borstenbüschel für den Einsatz zur Rasen- und Sportplatzpflege, Straßen-, Gehweg sowie Lande- und Startbahnreinigung von Flughäfen, Schneebeseitigung, Industrie- und Bodenreinigung, in der Betonindustrie und in Kläranlagen; Bürsten und Bürstenkörper als Maschinenteile für Autowaschanlagen, für die Leitpfostenreinigung und zur Wildkrautbeseitigung; elektrische und motorische Reinigungsmaschinen und -geräte, insbesondere Kehrmaschinen und Bodenreinigungsgeräte, sowie dazugehörige Ersatz- und Verschleißteile

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Klasse 21:

7

Besen, Bürsten, Bürstenwaren, Reinigungsbürsten jeglicher Art, insbesondere Kehrbürsten, Kehrwalzen, Tellerbesen, Scheibenbesen, Leitpfostenwaschbürsten, Wildkrautbürsten, Seitenbesen, Bodenreinigungs-Pads, Bohnerbürsten, Rotationsbürsten, Schuhbürsten, Spülbürsten, Pferde- und Tierbürsten, Viehreinigungsbürsten; bestandteile und Zubehör sämtlicher vorgenannter Waren, insbesondere Borsten und Borstenbüschel; handbetätigte Reinigungsmaschinen, insbesondere Kehrmaschinen und Bodenreinigungsgeräte, sowie dazugehörige Ersatz- und Verschleißteile

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nach § 37 Abs. 1, § 8 Abs. 2 Nr. 1 und 2 MarkenG als nicht unterscheidungskräftige und freihaltungsbedürftige Angabe zurückgewiesen, weil die angemeldete Marke die beanspruchten Waren dahingehend beschreibe, dass diese mit einer blauen Farbe, einer blauen Farbbeschichtung, einer blauen Farbschicht oder einem blauen Farbüberzug ausgestattet seien.

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Die hiergegen eingelegte Erinnerung hat die Markenstelle mit Beschluss vom 22. Juni 2010 ebenfalls zurückgewiesen. Zur Begründung ist ausgeführt, dass zumindest das Schutzhindernis des § 8 Abs. 2 Nr. 2 MarkenG bestehe, weil die Anmeldemarke, wovon auch die Anmelderin ausgehe, im Sinne „blauer Überzug, Anstrich; blaue (Farb-) Schicht, Beschichtung“ zu verstehen sei und die beanspruchten Waren ohne Weiteres mit einem blauen Farbanstrich versehen sein könnten. Wie sich aus den Entscheidungen „Oekoland“ des Bundespatentgerichts (MarkenR 2002, 299) und „FÜNFER“ des Bundesgerichtshofs (GRUR 2000, 231) ergebe, seien aber bloße Farbangaben, auch wenn es sich bei ihnen nicht um ein „quasi existenzbegründendes Merkmal“ der beanspruchten Waren handele, schon als beschreibend und damit der Schutzfähigkeit entgegenstehend anzusehen. Daher sei es ohne Bedeutung, ob diese Waren auch eine andere Farbe aufweisen könnten, solange sie, gleich ob aus gestalterischen, funktionalen, Klassifizierungs-oder anderen Gründen, zumindest teilweise mit einer blauen Beschichtung versehen sein könnten. Dem stehe auch die Eintragung anderer Marken mit dem Bestandteil „coat“ nicht entgegen, zumal Voreintragungen selbst identischer Marken keinen Eintragungsanspruch begründen könnten und die von der Anmelderin genannten bereits eingetragenen Marken mit der Anmeldemarke nicht vergleichbar seien.

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Mit ihrer Beschwerde macht die Anmelderin im Wesentlichen geltend, die von der Markenstelle genannten Entscheidungen seien auf den vorliegenden Sachverhalt nicht anwendbar, da die Farbe der hier beanspruchten Waren für den Abnehmerkreis keine Bedeutung habe und die Farbe bei diesen Waren keine wesensbestimmende Eigenschaft sei; Bürsten und Reinigungsgeräte seien auch nicht aus einer blauen Beschichtung zusammengesetzt.

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Die Anmelderin beantragt,

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die Beschlüsse der Markenstelle für Klasse 07 des Deutschen Patent- und Markenamts vom 21. Juli 2009 und 22. Juni 2010 aufzuheben.

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In der auf ihren Hilfsantrag anberaumten mündlichen Verhandlung hat die Anmelderin das Warenverzeichnis wie folgt beschränkt:

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Klasse 7:

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Bürsten und Bürstenkörper als Maschinenteile, nämlich als Kehrwalzen, Seitenbesen, Tellerbesen, Bürstenwalzen, Bürstenringe, Borstenbüschel für den Einsatz zur Lande- und Startbahnreinigung von Flughäfen, Industriereinigung, in der Betonindustrie und in Kläranlagen; Bürsten und Bürstenkörper als Maschinenteile für Autowaschanlagen und für die Leitpfostenreinigung und zur Wildkrautbeseitigung an Schienenverkehrswegen.

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Hierzu hat sie geltend gemacht, die vorgenannten Waren richteten sich nur an Fachverkehrskreise, nämlich Einkäufer für Reinigungsgeräte im gewerblichen, insbesondere industriellen Sektor. Diesen sei aber bekannt, dass die hierbei verwendeten Bürsten sowohl aus Gründen der Fertigung, insbesondere in wirtschaftlicher Hinsicht, als auch aus funktionellen Gründen, insbesondere wegen der hohen mechanischen Beanspruchung der zum Einsatz kommenden Bürsten keinen farblichen Überzug aufwiesen; zudem sei in diesem Bereich die Farbgebung der Bürsten ohne sachliche Bedeutung. Für den Fachverkehr scheide damit jede beschreibende Bedeutung der Anmeldemarke von vornherein aus, so dass er ihr einen Herkunftshinweis entnehme.

II.

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Die nach § 66 MarkenG zulässige Beschwerde hat nach der in der mündlichen Verhandlung vorgenommenen Einschränkung des Warenverzeichnisses in der Sache Erfolg, weil die angemeldete Bezeichnung für die nunmehr nur noch beanspruchten Waren weder i. S. d. § 8 Abs. 2 Nr. 2 MarkenG freihaltungsbedürftig ist noch ihr die nach § 8 Abs. 2 Nr. 1 MarkenG erforderliche Unterscheidungskraft abgesprochen werden kann.

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Für die jetzt nur noch beanspruchten Spezialwaren, die sich an einen eingeschränkten Abnehmerkreis richten, kann ein Eintragungshindernis nach § 8 Abs. 2 Nr. 2 MarkenG nicht mehr festgestellt werden. Dieses wäre nur gegeben, wenn die angemeldete Bezeichnung in einer ihrer möglichen Bedeutungen (vgl. EuGH, MarkenR 2004, 450, 453 [Rz 32] – DOUBLEMINT; MarkenR 2008, 160, 162 [Rz. 35] - HAIRTRANSFER) ausschließlich aus Zeichen oder Angaben bestünde, die im Verkehr zur Bezeichnung von Merkmalen der hier konkret beanspruchten Waren dienen kann.

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Zwar mag es sein, dass die Anmeldemarke in Zusammenhang mit den beanspruchten Waren vordergründig im Sinne „blauer Überzug“ verstanden werden kann. Allerdings schließt dabei das Substantiv „coat“ eine Interpretation der Kennzeichnung dahingehend, dass diese Waren von Haus aus eine blaue Farbe aufweisen, indem das Material, aus dem sie bestehen, originär eine blaue Farbe hat oder sie blau eingefärbt sind, zwingend aus. Vielmehr kann die Kennzeichnung nur in dem Sinne in Bezug auf die beanspruchten Waren verstanden werden, dass sie eine hinzugefügte („übergezogene“) Beschichtung in blauer Farbe haben.

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Auf das grundsätzlich mögliche Vorhandensein einer solchen zusätzlich aufgebrachten Farbschicht würde die Anmeldemarke aber lediglich dann i. S. d. § 8 Abs. 2 Nr. 2 MarkenG beschreibend hinweisen, wenn es sich bei einer solchen Ausstattung der beanspruchten Waren um für den Warenverkehr wichtige und für die umworbenen Abnehmerkreise irgendwie bedeutsame Umstände handeln würde (vgl. hierzu BGH GRUR 1999, 1093, 1094 – FOR YOU; GRUR 2000, 211, 232 – FÜNFER), die hinreichend eng mit diesen Waren selbst in Bezug stehen (vgl. BGH GRUR 2005, 417, 419 – Berlin Card). Erst dann stünde der Eintragung der angemeldeten Bezeichnung das im Allgemeininteresse liegende Ziel entgegen, dass Zeichen oder Angaben, die Merkmale der angemeldeten Waren bzw Dienstleistungen beschreiben, von allen Unternehmen frei verwendet werden und nicht aufgrund ihrer Eintragung als Marke zugunsten eines Unternehmens monopolisiert werden können (vgl. EuGH GRUR 1999, 723, 725 Rn. 25 – CHIEMSEE; GRUR 2004, 680, 681 Rn. 35, 36 – BIOMILD).

21

Wie die Anmelderin in der mündlichen Verhandlung überzeugend dargelegt hat, spielt aber weder die Farbgebung bei den jetzt nur noch beanspruchten Spezialwaren eine Rolle noch ist es aus wirtschaftlichen oder funktionellen Gründen üblich, ja nicht einmal sinnvoll, diese nur für spezielle Einsatzzwecke mit hoher mechanischer Beanspruchung verwendbaren Spezialbürsten mit einer Beschichtung zu versehen, weil dies mit dem speziellen Einsatzgebiet technisch nicht vereinbar und wirtschaftlich nicht rentabel wäre. Der Senat hat keinen Anlass, an der Richtigkeit dieser Ausführungen zu zweifeln. Solche Zweifel können sich insbesondere weder aus den dem Erstbeschluss beigefügten Anlagen ergeben, die eine farbliche Ausstattung von Bürsten belegen, noch aus Nachweisen, die der Senat zur Vorbereitung der mündlichen Verhandlung ermittelt hat und denen zu Folge einzelne Hersteller Farben zur Kennzeichnung bestimmter Ausstattungsmerkmale (wobei die hier in Rede stehende Farbe blau allerdings für jeweils unterschiedliche Merkmale Verwendung findet) verwenden; denn diese Unterlagen beziehen sich ausschließlich auf sich an die Allgemeinheit richtende handelsübliche Haushaltsbürsten und sind damit als Nachweis für eine entsprechende beschreibende Kennzeichnungsgewohnheit auch für die hier zu beurteilenden gewerblichen bzw. industriellen Spezialbürsten nicht geeignet.

22

Vor diesem Hintergrund kann der Anmeldemarke auch nicht die nach § 8 Abs. 2 Nr. 1 MarkenG erforderliche Unterscheidungskraft abgesprochen werden. Nach den überzeugenden Darlegungen der Anmelderin in der mündlichen Verhandlung ist nämlich davon auszugehen, dass den Fachverkehrskreisen, an welche sich die nunmehr nur noch beanspruchten Waren richten, also die (Fach-) Einkäufer von solche Spezialbürsten verwendende Unternehmen und Betrieben der öffentlichen Hand, die oben genannten Umstände, nämlich dass der Farbgebung weder eine beschreibende Bedeutung zukommt noch es wirtschaftlich oder technisch sinnvoll ist, solche Spezialwaren mit einer Beschichtung zu versehen, hinreichend bekannt sind. Damit haben sie aber keine Veranlassung mehr, der Anmeldemarke einen im Vordergrund stehenden, die beanspruchten Spezialwaren beschreibenden Begriffsinhalt zuzuordnen (vgl. BGH GRUR 2001, 1151, 1153 – marktfrisch; GRUR 2003, 1050, 1051 – City-Service; BGH, GRUR 2001, 162, 163 m. w. N. – RATIONAL SOFTWARE CORPORATION). Damit besteht auch kein Grund mehr  für die Annahme, die angemeldete Bezeichnung könne die Hauptfunktion einer Marke nicht (mehr) erfüllen, die nach der Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs darin zu sehen ist, den Abnehmern die Ursprungsidentität der durch die Marke gekennzeichneten Waren zu garantieren, indem sie es ihnen ermöglicht, diese ohne Verwechslungsgefahr von Waren oder Dienstleistungen anderer Herkunft zu unterscheiden (vgl. EuGH WRP 2002, 924, 927 [Rz. 30] – Philips/Remington; MarkenR 2003, 187, 190 [Rz. 41] - Gabelstapler; GRUR 2004, 943, 944 [Rz. 23] - SAT.2; MarkenR 2005, 22, 25 f. [Rz. 33] - Das Prinzip der Bequemlichkeit; GRUR 2006, 229, 230 [Rz. 27] - BioID).

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Da der Anmeldemarke somit nach der erfolgten Einschränkung des Warenverzeichnisses nicht mehr mit der Begründung der angefochtenen Beschlüsse des Deutschen Patent- und Markenamtes die Eintragung wegen der Schutzhindernisse nach § 8 Abs. 2 Nr. 1 und 2 MarkenG versagt werden kann, waren diese Beschlüsse auf die Beschwerde der Anmelderin aufzuheben.