Bundespatentgericht

Entscheidungsdatum: 04.12.2013


BPatG 04.12.2013 - 28 W (pat) 85/11

Markenbeschwerdeverfahren – "PRE-SCAN" – keine Unterscheidungskraft


Gericht:
Bundespatentgericht
Spruchkörper:
28. Senat
Entscheidungsdatum:
04.12.2013
Aktenzeichen:
28 W (pat) 85/11
Dokumenttyp:
Beschluss
Zitierte Gesetze

Tenor

In der Beschwerdesache

betreffend die Markenanmeldung 30 2008 064 499.0

hat der 28. Senat (Marken-Beschwerdesenat) des Bundespatentgerichts auf die mündliche Verhandlung vom 4. Dezember 2013 durch die Richterin Dorn als Vorsitzende, den Richter Heimen und die Richterin kraft Auftrags Kriener

beschlossen:

Die Beschwerde wird zurückgewiesen.

Gründe

I.

1

Das Wortzeichen 30 2008 064 499.0

2

PRE-SCAN

3

ist am 8. Oktober 2008 zur Eintragung als Marke in das beim Deutschen Patent- und Markenamt (DPMA) geführte Register für folgende Waren angemeldet worden:

4

Klasse 12: Kraftfahrzeuge und deren Teile (soweit in Klasse 12 enthalten); Fahrwerke für Kraftfahrzeuge und deren Teile, Fahrzeugtüren.

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Die Markenstelle für Klasse 12 hat die Anmeldung mit Beschlüssen vom 19. August 2009 und 14. September 2011, von denen Letzterer im Erinnerungsverfahren ergangen ist, wegen fehlender Unterscheidungskraft zurückgewiesen. Zur Begründung ist ausgeführt, dass die hier angesprochenen Verkehrskreise das aus den allgemein verständlichen und gebräuchlichen englischen Einzelbestandteilen „Pre-“ und „Scan“ zusammengesetzte Anmeldezeichen in seiner Gesamtheit ohne weiteres mit „Vorab-Datenaufnahmevorgang“ bzw. „Voraus-Abtastung“ oder „vorheriges Abtasten“ übersetzen und damit als reinen Sachhinweis darauf sehen würden, dass die angemeldeten Waren mit einem Scanner ausgestattet seien, mit dem über ein vorheriges Abtasten Bereiche vor dem Fahrzeug und damit vor dem Fahrer liegende Verkehrshindernisse erfasst werden könnten; damit sei die angemeldete Bezeichnung aber geeignet, auf mögliche Merkmale der beanspruchten Waren hinzuweisen, und werde nicht als betrieblicher Herkunftshinweis aufgefasst.

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Hiergegen richtet sich die Beschwerde der Anmelderin, mit der sie ausführt, die Anmeldemarke sei in ihrer Gesamtheit unterscheidungskräftig. In der Zusammenschau könne die Marke zwar mit „vor absuchen“ oder „vor abtasten“ übersetzt werden, es handle sich aber um eine ihrer Struktur nach ungewöhnliche und phantasievolle Wortkombination. Dies ergebe sich daraus, dass sie nicht den grammatikalischen Grundregeln entspreche, weil die Präposition „PRE“ in ihrer Eigenschaft die Beziehung zwischen Personen, Gegenständen oder Sachverhalten ausdrücke und daher nicht mit einem Geschehen, einer Tätigkeit oder einem Zustand verknüpft werden könne. Auch die Verwendung des Bindestrichs sei nicht grammatikalisch korrekt, denn nach dem amtlichen Regelungswerk des Rates für die deutsche Rechtschreibung dürfe ein Bindestrich in substantivisch gebrauchten Zusammensetzungen nur dann erfolgen, wenn es sich um eine „nicht übersichtliche“ Zusammensetzung, d. h. eine solche von mehr als zwei Bestandteilen, mit Infinitiv handle. Die Wortzusammenstellung sei daher sprachunüblich gebildet und entsprechend der „Baby-dry“-Entscheidung des EuGH schutzfähig. Eine Beschreibung könne nicht unmittelbar und ohne Nachdenken hiermit verbunden werden, hierzu sei die Aussage zu vage und unbestimmt, ein klar erkennbarer Begriffsinhalt liege nicht vor. Die Marke, die auch international mit Erstreckung u. a. auf die EU registriert sei, sei daher schutzfähig.

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Die Anmelderin und Beschwerdeführerin beantragt sinngemäß,

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die Beschlüsse des Deutschen Patent- und Markenamts, Markenstelle für Klasse 12, vom 19. August 2009 und 14. September 2011 aufzuheben.

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Im Termin zur mündlichen Verhandlung ist für die Beschwerdeführerin ankündigungsgemäß niemand erschienen.

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Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf den Akteninhalt Bezug genommen.

II.

11

Die zulässige Beschwerde ist unbegründet.

12

Der Eintragung des angemeldeten Wortzeichens „PRE-SCAN“ als Marke steht hinsichtlich der beanspruchten Waren das absolute Schutzhindernis der fehlenden Unterscheidungskraft gemäß § 8 Abs. 2 Nr. 1 MarkenG entgegen. Die Markenstelle hat dem Anmeldezeichen daher zu Recht die Eintragung versagt. Das Beschwerdevorbringen rechtfertigt keine abweichende Beurteilung.

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1. Unterscheidungskraft im Sinne des § 8 Abs. 2 Nr. 1 MarkenG ist die einem Zeichen innewohnende (konkrete) Eignung, vom Verkehr als Unterscheidungsmittel aufgefasst zu werden, welches die in Rede stehenden Waren oder Dienstleistungen als von einem bestimmten Unternehmen stammend kennzeichnet und diese Waren oder Dienstleistungen somit von denjenigen anderer Unternehmen unterscheidet. Da allein das Fehlen jeglicher Unterscheidungskraft ein Eintragungshindernis begründet, ist ein großzügiger Maßstab anzulegen, so dass jede auch noch so geringe Unterscheidungskraft genügt, um das Schutzhindernis zu überwinden (BGH GRUR 2012, 1143 – Starsat; MarkenR 2012, 19, Rdnr. 8 - Link economy; GRUR 2010, 1100, Rdnr. 10 - TOOOR!; GRUR 2010, 825, 826, Rdnr. 13 - Marlene-Dietrich-Bildnis II; GRUR 2006, 850, 854, Rdnr. 18 - FUSSBALL WM 2006). Maßgeblich für die Beurteilung der Unterscheidungskraft ist die Auffassung der beteiligten inländischen Verkehrskreise im Zeitpunkt der Anmeldung des Zeichens (BGH GRUR 2013, 1143 – Aus Akten werden Fakten), wobei auf die Wahrnehmung des Handels und/oder des normal informierten, angemessen aufmerksamen und verständigen Durchschnittsverbrauchers der fraglichen Waren oder Dienstleistungen abzustellen ist (vgl. EuGH GRUR 2006, 411, 412, Rdnr. 24 - Matratzen Concord/Hukla; GRUR 2004, 943, 944, Rdnr. 24 - SAT 2; BGH a. a. O. - FUSSBALL WM 2006). Ebenso ist zu berücksichtigen, dass der Verkehr ein als Marke verwendetes Zeichen in seiner Gesamtheit mit allen seinen Bestandteilen so aufnimmt, wie es ihm entgegentritt, ohne es einer analysierenden Betrachtungsweise zu unterziehen (vgl. EuGH GRUR 2004, 428, 431 Rdnr. 53 - Henkel; BGH GRUR 2001, 1151, 1152 - marktfrisch; MarkenR 2000, 420, 421 - RATIONAL SOFTWARE CORPORATION). Ausgehend hiervon besitzen Wortmarken dann keine Unterscheidungskraft, wenn ihnen die maßgeblichen Verkehrskreise lediglich einen im Vordergrund stehenden beschreibenden Begriffsinhalt zuordnen (vgl. u. a. EuGH GRUR 2004, 674, 678 Rdnr. 86 – Postkantoor; BGH GRUR 2009, 952, 953 Rdnr. 10 - DeutschlandCard; a. a. O. Rdnr. 19 - FUSSBALL WM 2006; GRUR 2005, 417, 418 – BerlinCard; a. a. O. - marktfrisch; GRUR 2001, 1153 - anti KALK) oder wenn diese aus gebräuchlichen Wörtern oder Wendungen der deutschen Sprache oder einer geläufigen Fremdsprache bestehen, die – etwa wegen einer entsprechenden Verwendung in der Werbung oder in den Medien – stets nur als solche und nicht als Unterscheidungsmittel verstanden werden (vgl. u. a. BGH a. a. O. - FUSSBALL WM 2006; GRUR 2003, 1050, 1051 - Cityservice; GRUR 2001, 1043, 1044 - Gute Zeiten – Schlechte Zeiten). Darüber hinaus besitzen keine Unterscheidungskraft vor allem auch Zeichen, die sich auf Umstände beziehen, welche die beanspruchten Waren und Dienstleistungen zwar nicht unmittelbar betreffen, durch die aber ein enger beschreibender Bezug zu diesen hergestellt wird und die sich damit in einer beschreibenden Angabe erschöpfen (BGH a. a. O. 855, Rdnr. 19, 28 f. - FUSSBALL WM 2006).

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Diesen Anforderungen an die Unterscheidungskraft wird das Anmeldezeichen nicht gerecht. Es weist für die angemeldeten Waren einen im Vordergrund stehenden beschreibenden Begriffsinhalt auf.

15

a) Das Anmeldezeichen setzt sich aus den Elementen "PRE" und "SCAN" zusammen, die durch einen Bindestrich miteinander verbunden sind.

16

aa) Die englische Vorsilbe „pre…“ steht für das deutsche Präfix „prä…“ [lat. prae= vor] mit der Bedeutung „vor, voran, voraus“ (PONS, Großwörterbuch Englisch-Deutsch, 1. Aufl. 2008; Duden - Das Fremdwörterbuch, 9. Aufl. 2007 [CD-ROM]); in Bildungen mit Adjektiven – seltener mit Substantiven oder Verben – kennzeichnet sie etwas als „vorher, zeitlich früher liegend“ (Duden - Deutsches Universalwörterbuch, 6. Aufl. 2006 [CD-ROM]). Auch die englischen Schreibweise („pre“) ist im deutschen Sprachraum allgemein verständlich und bekannt, zumal sie in zahlreichen Anglizismen wie „Preview“, „Prepaidhandy“, „Prepaidkarte", „Preselection“, „Preprint“, „Preshave“ oder „prebiotisch“ gebraucht wird (vgl. www.duden.de).

17

bb) Das zum englischen Grundwortschatz gehörende Wort „scan“ bedeutet als Verb „abtasten, absuchen, skandieren“ und als Substantiv „Absuchen, Abtastung“ (Duden-Oxford - Großwörterbuch Englisch, 3. Aufl. 2005 [CD-ROM]; PONS Großwörterbuch Englisch-Deutsch a. a. O.). Der Begriff „Scan“ ist inzwischen in den deutschen Sprachgebrauch eingegangen und steht für „Scanning“ (= Untersuchung, Abtasten mithilfe eines Scanners); auch das entsprechende Verb „scannen“ (= mit einem Scanner abtasten) ist im Deutschen allgemein gebräuchlich (Duden - Das Fremdwörterbuch, a. a. O.; Duden - Deutsches Universalwörterbuch, a. a. O.).

18

b) Die angemeldete Wortkombination „PRE-SCAN“ ist als einheitlicher Begriff zwar weder im Englischen noch im Deutschen lexikalisch nachweisbar. Die Markenstelle hat allerdings zutreffend ausgeführt, dass die nicht ungewöhnlich gebildete Bezeichnung „PRE-SCAN“ in ihrer Gesamtbedeutung ohne weiteres im Sinne von „Voraus-Abtastung“ bzw. „vorheriges Abtasten oder Scannen“ verstanden werden kann.

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Im Zusammenhang mit den beanspruchten Waren der Klasse 12 wird das angesprochene inländische Publikum in dem Anmeldezeichen ohne weiteres Nachdenken und ohne analysierende Betrachtungsweise einen schlagwortartigen beschreibenden Hinweis darauf sehen, dass die so gekennzeichneten Waren mit einem Scanner ausgestattet sind, der ein Voraus- bzw. vorheriges Abtasten oder Absuchen ermöglicht, so dass Bereiche vor oder neben dem Auto und somit vor oder neben dem Fahrer liegende Verkehrshindernisse erfasst werden können. Die teils bereits, insbesondere von der Anmelderin, verwendete Technik, den vor oder neben dem Fahrzeug liegenden Bereich elektronisch abzutasten und ggfs. mit automatisierten, d. h. vom Eingriff durch den Fahrer unabhängigen Reaktionen des Fahrzeugs (z. B. Bremsen) zu verbinden, ist bekanntlich Gegenstand zahlreicher Forschungen, was dem angesprochenen Publikum – auch bereits im Anmeldezeitpunkt – durch zahlreiche Pressemitteilungen geläufig war bzw. ist. Die vielfache beschreibende Verwendung der Bezeichnung „PRE-SCAN“ im obigen Sinne im Automobilbereich ergibt sich zudem aus den ergänzenden Recherchebelegen des Senats, die zum Gegenstand der mündlichen Verhandlung gemacht wurden:

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· „Der F 700 von Mercedes-Benz mit PRE-SCAN Fahrwerk….Pre-Scan fasst die Funktionen eines aktiven Fahrwerkes und zweier Lasersensoren in den Scheinwerfern durch ein innovatives intelligentes Regelungskonzept zu einem einmaligen Komfortfahrwerk zusammen….PRE-SCAN wird zum ersten Mal 2007 auf der IAA in Frankfurt-Main präsentiert.“ (www. streiter.com…, Anlage 1 zum Protokoll der mündlichen Verhandlung vom 4. Dezember 2013);

21

· „Prescan-Fahrwerk von Mercedes reagiert im voraus auf Fahrbahnunebenheiten… Basis der Technik ist eine Sensorik: Der F 700 besitzt je einen Laser in den beiden Scheinwerfern, die den Bereich vor dem Auto abtasten.“ (Online-Artikel vom 17. Juni 2008, www.heise.de/autos/artikel..., Anlage 2 zum o. g. Protokoll);

22

· „Im Jahr 2007 hat Mercedes-Benz … das PRE-SCAN-Fahrwerk vorgestellt. Dank dieser Innovation passt sich das Fahrzeug an Unebenheiten der Fahrbahn an. Es agiert dabei vorausschauend und errechnet Parameter für die Einstellung des Aktivfahrwerks…“ (www.daimler-technicity.de/prescanfahrwerk/, Anlage 3 zum o. g. Protokoll);

23

· „ABC PRE-SCAN: Das aktive Fahrwerk mit Vorausschau… PRE-SCAN fasst die Möglichkeiten eines aktiven Fahrwerks mit der lasergestützten Fahrbahnhöhenprofilerkennung durch ein integrales Regel- und Steuerkonzept zu einer einzigartigen Komfortfunktion zusammen…“ (Artikel von Dr. Ralph Streiter vom 11. Juli 2008, Anlage 4 zum o. g. Protokoll).

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Aus den Rechercheergebnissen des DPMA ergibt sich des Weiteren, dass auch die hier beanspruchten Fahrzeugtüren mit einem kompakten Laser-Scanner, der den Schwenkbereich der Tür auf Hindernisse überprüft, ausgestattet sein können und (beschreibend) als „PRE-SCAN-Tür“ bezeichnet werden (http://styleman.de/2008..., Anlage zum Beanstandungsbescheid vom 8. April 2009).

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Das Anmeldezeichen erschöpft sich damit in einem beschreibenden Sachhinweis auf besondere Ausstattungsmerkmale der beanspruchten Waren.

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Soweit die Anmelderin angeführt hat, dass der Verkehr die unter der Bezeichnung „PRE-SCAN“ angebotenen Waren ausschließlich ihr zuschreibe, betrifft dies die Frage der Verkehrsdurchsetzung einer von Haus aus nicht schutzfähigen Bezeichnung nach § 8 Abs. 3 MarkenG. Eine solche hat die Anmelderin jedoch – auch nach dem entsprechenden Hinweis des DPMA im angefochtenen Beschluss – nicht geltend gemacht.

27

c) Entgegen den Ausführungen der Anmelderin bleibt der Bedeutungsgehalt des Begriffs „PRE-SCAN“ im Zusammenhang mit den fraglichen Waren auch nicht vage und unbestimmt, sondern erschließt sich dem angesprochenen Verkehr ohne Weiteres Nachdenken direkt und unmittelbar dahingehend, dass die fraglichen Produkte mit einem Scanner ausgestattet sind, die eine Voraus-Abtastung des vor oder neben dem Fahrzeug liegenden Bereichs ermöglichen bzw. dafür bestimmt oder geeignet sind. Abgesehen davon schließt nicht jede begriffliche Unbestimmtheit die Annahme einer beschreibenden Angabe aus. So können auch relativ vage und allgemeine Angaben als verbraucherorientierte Sachinformationen zu bewerten sein, insbesondere wenn sie sich auf umfängliche und übergreifende Sachverhalte beziehen. Die Eignung zur beschreibenden Angabe setzt insbesondere nicht voraus, dass diese bereits feste begriffliche Konturen erlangt und sich eine einhellige Auffassung des Verkehrs zu ihrem Sinngehalt herausgebildet hat (BGH GRUR 2009, 411 Rdnr. 12, 13 – STREETBALL; GRUR 2009, 952 Rdnr. 15 – DeutschlandCard; GRUR 2008, 900 Rdnr. 15 – SPA II).

28

d) Der Umstand, dass das Anmeldezeichen „PRE-SCAN“ lexikalisch nicht nachweisbar ist, ändert nichts an seiner Schutzunfähigkeit für die beanspruchten Waren. Denn auch wenn ein Wortzeichen bislang für die beanspruchten Waren nicht beschreibend verwendet wurde oder es sich – wie hier – um eine sprachliche Neuschöpfung handelt, reicht es aus, dass es in einer seiner möglichen Bedeutungen ein Merkmal dieser Waren bezeichnen kann (EuGH GRUR 2004 146, 147 f. Rdnr. 32 - DOUBLEMINT; GRUR 2004, 674 Rdnr. 97 - Postkantoor; GRUR 2004, 680, 681 Rdnr. 38 BIOMILD); dies gilt auch für ein zusammengesetztes Zeichen, das aus mehreren Begriffen besteht, die nach diesen Vorgaben für sich genommen schutzunfähig sind, sofern das Gesamtzeichen nicht infolge einer ungewöhnlichen Veränderung - etwa syntaktischer oder semantischer Art - hinreichend weit von der bloßen Zusammenfügung seiner schutzunfähigen Bestandteile abweicht (EuGH a. a. O. Rdnr. 98 - Postkantoor; a. a. O. Rdnr. 39 f. - BIOMILD). Abgesehen davon ist der Verkehr daran gewöhnt, im Geschäftsleben ständig mit neuen Begriffen konfrontiert zu werden, durch die ihm sachbezogene Informationen lediglich in einprägsamer Form übermittelt werden sollen. Der Durchschnittsverbraucher wird auch bisher noch nicht verwendete bzw. lexikalisch nicht nachweisbare, ihm aber gleichwohl verständliche Sachaussagen als solche und nicht als betriebliche Herkunftshinweise auffassen (BPatG 26 W (pat) 90/09 - brand broadcasting m. w. N.). So liegt der Fall auch bei dem hier angemeldeten, nicht besonders ungewöhnlich gebildeten Wortzeichen, bei dem ein merklicher Unterschied zwischen dem Gesamtbegriff und der bloßen Summe seiner Bestandteile nicht besteht. Eine Originalität oder Prägnanz kann daher entgegen der Ansicht der Anmelderin nicht feststellt werden. Hierzu vermag auch der Bindestrich zwischen den Elementen „PRE“ und „SCAN“ nicht zu verhelfen, zumal Worttrennungen mit einem Bindestrich zwischen einem Präfix und einem Substantiv oder Verb inzwischen werbeüblich sind, auch wenn sie nicht grammatikalisch korrekt sein mögen. Abgesehen davon kennt die englische Sprache derartige Worttrennungen, wie z. B. bei dem Begriff „pre-arrangement“ (= vorherige Absprache, vgl. Duden-Oxford - Großwörterbuch Englisch a. a. O.). Die diesbezügliche Argumentation in der Beschwerdebegründung unter Berufung auf die „Baby-dry“-Entscheidung des EuGH beruht auf einer veralteten und vom EuGH nicht mehr aufgegriffenen Rechtsprechung. Es ist auch weder erkennbar noch dargelegt, weshalb deutsche Sprachregeln für einen englischen Begriff Bedeutung haben sollten. Das von der Beschwerdeführerin angeführte „amtliche Regelungswerk des Rates für deutsche Rechtschreibung“ betrifft nur die Regeln für den Schulunterricht und ist in Deutschland keineswegs für die konkrete Verwendung normativ. Im Übrigen hängt das Markenverständnis nicht von der Beachtung irgendwelcher Regelwerke ab, sondern davon, ob und gegebenenfalls was der Verkehr unter einem – möglicherweise sogar grob grammatikalisch falschen – Begriff tatsächlich versteht. Der aus geläufigen Bestandteilen der englischen Sprache zusammengesetzte Begriff „PRE-SCAN“ wird aber vom angesprochenen Publikum im Zusammenhang mit den hier in Rede stehenden Waren ohne weiteres im obigen Sinne verstanden werden.

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e) Die Tatsache, dass der Schutz der international registrierten identischen Wortmarke auf das Gebiet der Europäischen Union erstreckt wurde, ist ebenfalls nicht geeignet, das Schutzhindernis des § 8 Abs. 2 Nr. 1 MarkenG auszuräumen. Denn die in einem anderen Mitgliedstaat der Europäischen Union auf der Grundlage des harmonisierten Markenrechts oder die vom Harmonisierungsamt aufgrund der Gemeinschaftsmarkenverordnung getroffenen Entscheidungen über absolute Eintragungshindernisse sind für nachfolgende Verfahren in anderen Mitgliedstaaten unverbindlich. Sie vermögen nicht einmal eine Indizwirkung zu entfalten (EuGH GRUR 2004, 428, 432, Nr. 63, 64 - Henkel; GRUR 2004, 674 Rdnr. 43 f.- Postkantoor; BGH GRUR 2009, 778, 779 Rdnr. 18 - Willkommen im Leben).

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2. Da schon das Schutzhindernis nach § 8 Abs. 2 Nr. 1 MarkenG vorliegt, kann aus Sicht des Senats dahinstehen, ob das angemeldete Zeichen darüber hinaus für die fraglichen Waren freihaltungsbedürftig gemäß § 8 Abs. 2 Nr. 2 MarkenG ist.