Bundespatentgericht

Entscheidungsdatum: 26.03.2014


BPatG 26.03.2014 - 28 W (pat) 69/12

Markenbeschwerdeverfahren – "1 (Wort-Bild-Marke)" – keine Unterscheidungskraft - Freihaltungsbedürfnis


Gericht:
Bundespatentgericht
Spruchkörper:
28. Senat
Entscheidungsdatum:
26.03.2014
Aktenzeichen:
28 W (pat) 69/12
Dokumenttyp:
Beschluss
Zitierte Gesetze

Tenor

In der Beschwerdesache

betreffend die Markenanmeldung 307 75 176.7

hat der 28. Senat (Marken-Beschwerdesenat) des Bundespatentgerichts in der Sitzung vom 26. März 2014 durch die Vorsitzende Richterin Klante, die Richterin Dorn und die Richterin kraft Auftrags Kriener

beschlossen:

Die Beschwerde wird zurückgewiesen.

Gründe

I.

1

Die Wort-/Bildmarke 307 75 176.7

Abbildung

2

ist am 19. November 2007 zur Eintragung als Marke in das beim Deutschen Patent- und Markenamt (DPMA) geführte Register für folgende Waren angemeldet worden:

3

Klasse 7: Motoren und deren Teile (soweit in Klasse 7 enthalten); Kolben (Maschinen- oder Motorenteile); Zylinder, Kurbelwellen, Vergaser, Luftfilter für Motoren; Auspuffkrümmer, Auspufftöpfe für Motoren; Dichtungen (Motorenteile), Gehäuse für Maschinen und Motoren; Kickstarter für Motorfahrräder; Zündkerzen für Verbrennungsmotoren; Anlasser für Motoren; Drehzahlregler für Maschinen und Motoren;

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Klasse 11: Zweiradleuchten, Lampen für Fahrtrichtungsanzeiger von Fahrzeugen;

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Klasse 12: Fahrzeuge, insbesondere Zweiradfahrzeuge sowie deren Teile (soweit in Klasse 12 enthalten); Fahrräder, Mopeds, Motorräder, Fahrzeuganhänger und deren Teile; Fahrzeugspiegel, Fahrzeug-Sitzbänke und deren Bezüge, Felgen für Fahrzeugräder; Fahrrad- und Zweiradbremsen sowie deren Teile; Gepäcktaschen für Zweiräder, Zweiradmotoren, Zweiradständer (Stützen); Stoßdämpfer, Stoßdämpferfedern für Fahrzeuge, Trittbretter, Fahrtrichtungsanzeiger für Fahrzeuge; Schutzbleche für Zweiräder.

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Die Markenstelle für Klasse 07 des DPMA hat die Anmeldung mit Beschlüssen vom 15. April 2009 und 24. Mai 2012, von denen Letzterer im Erinnerungsverfahren ergangen ist, wegen fehlender Unterscheidungskraft zurückgewiesen. Zur Begründung ist ausgeführt, im Zusammenhang mit den hier in Rede stehenden Waren der Klassen 07, 11 und 12 werde der angesprochene Verkehr in der Grundzahl „1“ nur einen reinen Sachhinweis wie z. B. eine Nummerierung oder dergleichen sehen, nicht jedoch einen betrieblichen Herkunftshinweis. Das Anmeldezeichen erhalte die Unterscheidungskraft auch nicht durch die grafische Ausgestaltung, die sich in einer einfachsten Gebrauchsgrafik erschöpfe und lediglich zu einer Hervorhebung der Sachangabe „1“ führe. Die von der Anmelderin angeführten Voreintragungen führten ebenfalls zu keiner anderen Entscheidung.

7

Hiergegen richtet sich die Beschwerde der Anmelderin, mit der sie ausführt, das Anmeldezeichen sei in seinem Aussagegehalt unklar, so dass ihm ein im Vordergrund stehender Begriffsinhalt nicht entnommen werden könne. Es fehlten im Übrigen konkrete Feststellungen zu den Bezeichnungsgewohnheiten auf dem gegenständlichen Warengebiet, insbesondere sei vom DPMA nicht dargelegt worden, dass das angemeldete Zeichen in seiner konkreten Gestaltung auf dem maßgeblichen Warensektor als beschreibende Angabe Verwendung finde. Entgegen der Ansicht der Markenstelle handle es sich bei dem Bildelement (Dreieck mit abgerundeten Spitzen als Umrahmung der Zahl „1“) auch nicht um eine werbeübliche Ausgestaltung einfachster Art, sondern vielmehr um eine aus dem Rahmen des Üblichen fallende besondere grafische Ausgestaltung, die jedenfalls den beschreibenden Charakter einer alleinstehenden Ziffer aufhebe. Die Beschwerdeführerin beruft sich des Weiteren auf verschiedene ihrer Ansicht nach vergleichbare Voreintragungen.

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Die Anmelderin und Beschwerdeführerin beantragt sinngemäß,

9

die Beschlüsse des Deutschen Patent- und Markenamts, Markenstelle für Klasse 07, vom 15. April 2009 und 24. Mai 2012 aufzuheben.

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Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf den Akteninhalt Bezug genommen.

II.

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Die zulässige Beschwerde hat in der Sache keinen Erfolg.

12

Der Eintragung des angemeldeten Wort-/Bildzeichens Abbildung als Marke steht hinsichtlich der beanspruchten Waren sowohl das absolute Schutzhindernis der Freihaltebedürftigkeit gemäß § 8 Abs. 2 Nr. 2 MarkenG als auch das der fehlenden Unterscheidungskraft gemäß § 8 Abs. 2 Nr. 1 MarkenG entgegen.

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1. Bei dem Anmeldezeichen handelt es sich um eine freihaltebedürftige beschreibende Angabe.

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a) Dem Schutzhindernis des § 8 Abs. 2 Nr. 2 MarkenG unterfallen solche Marken, die ausschließlich aus Zeichen oder Angaben bestehen, die im Verkehr zur Bezeichnung der Art, der Beschaffenheit, der Bestimmung oder sonstiger Merkmale der angemeldeten Waren oder Dienstleistungen dienen können. Mit diesem Schutzhindernis wird das im Allgemeininteresse liegende Ziel verfolgt, dass alle Zeichen oder Angaben, die Merkmale der angemeldeten Waren oder Dienstleistungen beschreiben, von allen Unternehmen frei verwendet werden können und nicht aufgrund ihrer Eintragung als Marke einem Unternehmen vorbehalten werden (vgl. EuGH GRUR 2004, 680, 681 Rdnr. 35, 36 - BIOMILD; GRUR 1999, 723, 725 Rdnr. 25 - Chiemsee).

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b) Zahlen sind nicht von Haus aus schutzunfähig, vielmehr ist eine auf die beanspruchten Waren und Dienstleistungen bezogene „Einzelfallbeurteilung“ geboten (EuGH GRUR Int 2011, 400 Rdnr. 29 – Zahl 1000; BGH GRUR 2002, 970, 971 – Zahl 1; BGH Mitt 2002 423, 425 – Zahl 6). Hierbei ist zu berücksichtigen, dass Zahlen wegen ihres häufigen beschreibenden Einsatzes z. B. als Preis-, Maß- oder Mengenangaben eher als sachbezogene Angaben verstanden werden als Buchstaben (Ströbele/Hacker, MarkenG, 10. Aufl., § 8 Rdnr. 165 und 381). Eine derartige beschreibende Verwendbarkeit ist bei Grundzahlen eher anzunehmen als bei speziellen längeren Zahlenfolgen (Ströbele/Hacker a. a. O., § 8 Rdnr. 381).

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c) Auf dem Motoren- bzw. Maschinen- und Kraftfahrzeugsektor besitzen Zahlen eine überragende Bedeutung, sie finden Verwendung bei der Beschreibung der Motorleistung (z. B. 1,0 oder 2,0 für die Größe des Hubraums), der Verdichtung (z. B. 9,0), der Ventile pro Zylinder (z. B. 2, 4 oder 5), der Zylinderzahl (z. B. 1, 2, 3, 4, 6 oder 8), der Anzahl der Gänge (meist 5 oder 6 beim Schaltgetriebe; aber auch z. B. „Eingang-Automatik“ beim automatisierten Schaltgetriebe), der Antriebsart (z. B. 4 x 4 für Allradantrieb), der Ausstattung (z. B. BMW 320/2 oder 4 für einen BMW 320 mit 2 bzw. 4 Türen), der Anzahl der Sitzplätze (z. B. 1 – beim Moped –, 2, 4 oder auch 2+1), des Verbrauchs (z. B. 3 L) und der Größe der Reifen (z. B. 7,5 x 18). Mit den Grundzahlen werden auch Baureihen und Produktserien bezeichnet, so z. B. bei BMW die 1er, 3er, 5er und 7er Reihe, bei Jaguar die XJ Serie 1, 2, 3, bei Audi der A1, A2, A3, A4, A6, A7 und A8, bei Citroen der C3, C5 und C8. Insbesondere den Grundzahlen kommt daher auf diesem Warengebiet eine besondere Aussagekraft zu (vgl. BPatG 28 W (pat) 72/03 – Zahl 1). Dies war schon im maßgeblichen Anmeldezeitpunkt am 19. November 2007 der Fall.

17

Die Grundzahl „1“ kommt damit als beschreibende Angabe im Zusammenhang mit den beanspruchten Waren der Klassen 07, 11 und 12, die allesamt dem Motoren- und Fahrzeugsektor zuzurechnen sind, in Betracht. Soweit die Zahl „1“ hier nicht auf Ausstattungsmerkmale der fraglichen Produkte, wie z. B. die Größe des Hubraums oder die Anzahl der Zylinder, Sitze bzw. Gänge u. ä. hinweist, kann diese jedenfalls als Bezeichnung der Baureihe „1“ bzw. Produktserie „1“ verstanden werden.

18

Es ist ferner zu berücksichtigen, dass die absoluten Schutzhindernisse des § 8 Abs. 2 MarkenG im Lichte des Allgemeininteresses auszulegen sind, das ihnen jeweils zugrunde liegt, wobei es vor allem darum geht, die Allgemeinheit vor ungerechtfertigten Rechtsmonopolen zu bewahren (EuGH GRUR 2003, 604 Rdnr. 51 – Libertel; GRUR Int 2011, 400 Rdnr. 36 – Zahl 1000; BGH GRUR 2009 411 Rdnr. 7 – STREETBALL). Alle sich aus einer Marke für den Inhaber ergebenden Rechte und Befugnisse sind anhand dieses Zieles zu prüfen, denn die eingetragene Marke gewährt ihrem Inhaber ein ausschließliches und unbefristetes Recht zur Monopolisierung. Hier spielt die nur beschränkte Verfügbarkeit der Grundzahlen 1 bis 9 eine erhebliche Rolle. Denn mit nur wenigen Eintragungen könnte ein Wirtschaftsteilnehmer den „Bestand“ an diesen Zahlen, die für die konkreten Waren wichtig und notwendig sind, ausschöpfen, was zu einem erheblichen Wettbewerbsvorteil führen würde. Die Aufrechterhaltung eines freien Wettbewerbs erfordert es aber, für derartige Warenbereiche die Zuerkennung dieses Ausschließlichkeitsrechts an nur einen Mitbewerber zu verhindern (vgl. BPatG 28 W (pat) 72/03 – Zahl 1).

19

Der vorliegende Fall ist auch nicht mit dem vom Bundesgerichtshof entschiedenen Fall der Zahl „1“ für Tabak, Zigaretten u. ä. (BGH a. a. O. – Zahl 1) vergleichbar. Während dort die Einzelfallbeurteilung gerade keinen Nachweis für Verwendung von Einzelzahlen erbrachte, steht hier aufgrund der obigen Feststellungen für den Motoren- und Fahrzeugsektor das Gegenteil fest.

20

d) Der Eindruck einer ausschließlichen Wiedergabe der Grundzahl „1“ wird hier auch nicht durch einen bildlichen „Überschuss“ aufgehoben. Dies wäre nur bei einer augenfälligen, von den üblichen Verkehrsgepflogenheiten abweichenden bildlichen Gestaltung der Fall (BGH GRUR 1995, 732, 734 – Füllkörper; Ströbele/Hacker, a. a. O., § 8 Rdnr. 385). Hierbei ist zu berücksichtigen, dass an den erforderlichen „Überschuss“ umso größere Anforderungen zu stellen sind, je deutlicher der beschreibende Charakter der fraglichen Angabe selbst hervortritt (BGH GRUR 2001, 1153 – antiKALK).

21

Die bildliche Ausgestaltung erschöpft sich vorliegend in einer absolut einfachen und gebräuchlichen Umrahmung in Dreiecksform mit abgerundeten Spitzen, in deren Zentrum sich die Zahl „1“ befindet. Eine besondere, verkehrsunübliche Ausgestaltung kann darin entgegen der Annahme der Beschwerdeführerin nicht erkannt werden. Bei dem verwendeten Bildelement handelt es sich vielmehr um ein rein dekoratives Hervorhebungsmittel, mit dem der durch die Zahl „1“ verkörperte Bedeutungsgehalt für den Verkehr in anpreisender Weise hervorgehoben werden soll; einen über die sachliche Aussage hinausgehenden schutzfähigen Gesamteindruck vermag es daher nicht zu bewirken.

22

Als unmittelbar beschreibende Angabe muss das Anmeldezeichen von den Mitbewerbern der Anmelderin deshalb frei verwendet werden können.

23

2. Dem begehrten Zeichen fehlt auch jegliche Unterscheidungskraft nach § 8 Abs. 2 Nr. 1 MarkenG, denn das angesprochene Publikum wird wegen der geschilderten üblichen beschreibenden Verwendung von Grundzahlen auf dem beanspruchten Warengebiet diesen – auch in Alleinstellung – keinerlei betrieblichen Herkunftshinweis beimessen. Die einfache und gebräuchliche Grafik vermag aus den oben unter Ziffer 1 d) genannten Gründen eine Unterscheidungskraft ebenfalls nicht zu begründen, so dass das Anmeldezeichen in seiner Gesamtheit nicht schutzfähig ist.

24

3. Da schon die Schutzhindernisse nach § 8 Abs. 2 Nr. 1 und 2 MarkenG vorliegen, kann dahinstehen, ob das Anmeldezeichen, bei dem es sich nach den Feststellungen des Erstprüfers um eine Wiedergabe des Gütezeichens der ehemaligen DDR mit der Bedeutung „Erzeugnis entspricht dem Durchschnitt des Weltmarktes“ handelt, zusätzlich geeignet ist, das Publikum über die Art, die Beschaffenheit oder die geografische Herkunft der Waren zu täuschen im Sinne des § 8 Abs. 2 Nr. 4 MarkenG.

25

4. Die Beschwerdeführerin kann sich zur Ausräumung der Schutzhindernisse auch nicht auf eine ihrer Meinung nach abweichende Eintragungspraxis berufen. Zum einen sind die von ihr im patentamtlichen und Beschwerdeverfahren angeführten Voreintragungen von Wort-/Bildmarken schon nicht vergleichbar, da sie entweder zu lange zurückliegen bzw. für andere Waren und/oder Dienstleistungen geschützt sind oder andere Bildbestandteile enthalten. Zum anderen sind zwar etwaige Entscheidungen über ähnliche Anmeldungen, soweit sie bekannt sind, im Rahmen der Prüfung zu berücksichtigen, sie sind aber keinesfalls bindend (vgl. EuGH GRUR 2009, 667 Rdnr. 17 und 19 - Bild digital und ZVS Zeitungsvertrieb Stuttgart). Voreintragungen identischer oder vergleichbarer Marken haben hinsichtlich der Schutzfähigkeit weder eine Bindungs- noch eine Indizwirkung, weil zum einen aus nicht begründeten Eintragungen anderer Marken keine weitergehenden Informationen im Hinblick auf die Beurteilung der konkreten Anmeldung entnommen werden können und zum anderen auch unter Berufung auf den Gleichbehandlungsgrundsatz nicht von einer den rechtlichen Vorgaben entsprechenden Entscheidung abgesehen werden darf (vgl. EuGH a. a. O. Rdnr. 18 - Bild digital und ZVS Zeitungsvertrieb Stuttgart; BGH GRUR 2012, 276, 277 Rdnr. 18 - Institut der Norddeutschen Wirtschaft e. V.; GRUR 2011, 230 Rdnr. 12 - SUPERgirl; WRP 2011, 349 Rdnr. 12 - FREIZEIT Rätsel Woche). Denn für die Entscheidung, ob der Markenanmeldung ein Eintragungshindernis entgegensteht, kommt es allein darauf an, ob die tatbestandlichen Voraussetzungen eines der gesetzlich geregelten Schutzhindernisse gegeben sind. Der Umstand, dass identische oder ähnliche Zeichen als Marken eingetragen worden sind, ist demgegenüber nicht maßgebend (EuGH a. a. O. Rdnr. 15, 18 f. - Bild digital und ZVS Zeitungsvertrieb Stuttgart; BGH a. a. O. - SUPERgirl).