Bundespatentgericht

Entscheidungsdatum: 18.07.2012


BPatG 18.07.2012 - 28 W (pat) 64/11

Markenbeschwerdeverfahren – "B & BB Berlin Brandenburger Wurst-Spezialitäten (Wort-Bild-Marke)" – Unterscheidungskraft – kein Freihaltungsbedürfnis


Gericht:
Bundespatentgericht
Spruchkörper:
28. Senat
Entscheidungsdatum:
18.07.2012
Aktenzeichen:
28 W (pat) 64/11
Dokumenttyp:
Beschluss
Zitierte Gesetze

Tenor

In der Beschwerdesache

betreffend die Markenanmeldung 30 2009 063 247 .2

hat der 28. Senat (Marken-Beschwerdesenat) des Bundespatentgerichts am 18. Juli 2012 durch die Vorsitzende Richterin Klante, die Richterin Dorn und den Richter am Amtsgericht Jacobi

beschlossen:

Die Beschlüsse des Deutschen Patent- und Markenamtes, Markenstelle für Klasse 29, vom 19. August 2010 und vom 23. Mai 2011 werden aufgehoben.

Gründe

I.

1

Das Wort-/Bildzeichen 30 2009 063 247.2 in den Farben grau, weiß, schwarz, grün und orange

Abbildung

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2

ist am 27. Oktober 2009 zur Eintragung als Marke für nachfolgende Waren angemeldet worden:

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Klasse 29: Fleisch und Fleischerzeugnisse.

4

Mit Beschlüssen vom 19. August 2010 und vom 23. Mai 2011, von denen letzterer im Erinnerungsverfahren ergangen ist, hat das Deutsche Patent- und Markenamt (DPMA), Markenstelle für Klasse 29, die Anmeldung wegen fehlender Unterscheidungskraft zurückgewiesen. Die Wortfolge „Berlin Brandenburger“ weise zusammen mit den nachfolgenden Zeichenwörtern „Wurst-Spezialitäten“ unmittelbar beschreibend auf den Gegenstand und die geographische Herkunft der beanspruchten Waren hin. Die vorangesetzte Buchstabenfolge „B & BB" werde der Verkehr als Akronyme für „Berlin" bzw. „Brandenburg" verstehen. Das Gesamtzeichen erschöpfe sich in einer Kombination rein beschreibender Angaben, wobei seine Einzelbestandteile erläuternd aufeinander bezogen seien. Die graphische Gestaltung des Zeichens sei nicht geeignet, die Schwelle von der beschreibenden Angabe zum unterscheidungskräftigen, betrieblichen Herkunftshinweis zu überwinden. Die schattenrissartige Darstellung der Quadriga würden die angesprochenen Verkehrskreise aufgrund ihrer Bekanntheit als Wahrzeichen und Symbol für die Stadt Berlin wahrnehmen. Die weitere graphische Ausgestaltung der Marke mit der Abbildung eines Schweins und einer Kuh enthalte einen unmittelbar beschreibenden Hinweis auf Wurst bzw. Fleisch, das von Schweinen und/oder Kühen stamme, zumal diesem Bildbestandteil die Wortfolge „Wurst-Spezialitäten“ vorangestellt sei. Damit verstärke die bildliche Darstellung des Zeichens nur den beschreibenden Bedeutungsgehalt der in dem Zeichen enthaltenen Worte.

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Hiergegen richtet sich die Beschwerde der Anmelderin, mit der sie sinngemäß beantragt,

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die Beschlüsse des Deutschen Patent- und Markenamtes, Markenstelle für Klasse 29, vom 19. August 2010 und vom 23. Mai 2011 aufzuheben.

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Sie vertritt die Ansicht, man könne zwar bei jedem der Bestandteile des Zeichens einen beschreibenden Anklang finden und - dies allerdings erst nach mehreren Gedankenschritten - erkennen, dass die damit gekennzeichnete Ware eine Wurst-Spezialität aus dem Großraum Brandenburg sei. Insgesamt weise das Zeichen jedoch die Unterscheidungskraft begründende Besonderheiten auf. Das Akronym „B & BB" erzeuge beim Lesen die unwillkürliche Vorstellung eines Rhythmus, nämlich zwei schnell aufeinander folgender Jamben nach Art von „Dumda Dumda". Das im oberen Drittel des Zeichens sichtbare Brandenburger Tor mit Quadriga sei verfremdet und nur angedeutet. Ungewöhnlich seien auch die Gegensätzlichkeiten der Bestandteile an sich: „Stadt - Land", „Rot- Grün" „Oben - Unten" und „Schwarz/Grau - Farbigkeit". Jedenfalls führe die Kombination der wörtlichen Zeichenelemente und der graphischen Bestandteile dazu, dass der Verkehr das Zeichen als das Erkennungssignal eines bestimmten Wurstherstellers verstehen werde.

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Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf den Akteninhalt Bezug genommen.

II.

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Die zulässige Beschwerde ist begründet.

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Der Eintragung des vorliegenden Wort-/Bildzeichens als Marke steht kein absolutes Schutzhindernis entgegen, insbesondere nicht das der fehlenden Unterscheidungskraft nach § 8 Abs. 2 Nr. 1 MarkenG oder eines bestehenden Freihaltebedürfnisses nach § 8 Abs. 2 Nr. 2 MarkenG.

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1. Unterscheidungskraft im Sinne des § 8 Abs. 2 Nr. 1 MarkenG ist die einem Zeichen innewohnende (konkrete) Eignung, vom Verkehr als Unterscheidungsmittel aufgefasst zu werden, welches die in Rede stehenden Waren oder Dienstleistungen als von einem bestimmten Unternehmen stammend kennzeichnet und diese Waren oder Dienstleistungen somit von denjenigen anderer Unternehmen unterscheidet. Da allein das Fehlen jeglicher Unterscheidungskraft ein Eintragungshindernis begründet, ist ein großzügiger Maßstab anzulegen, so dass jede auch noch so geringe Unterscheidungskraft genügt, um das Schutzhindernis zu überwinden (BGH MarkenR 2012, 19, Rdnr. 8 - Link economy; GRUR 2010, 1100, Rdnr. 10 - TOOOR!; GRUR 2010, 825, 826, Rdnr. 13 - Marlene-Dietrich-Bildnis II; GRUR 2006, 850, 854, Rdnr. 18 - FUSSBALL WM 2006). Maßgeblich für die Beurteilung der Unterscheidungskraft ist die Auffassung der beteiligten inländischen Verkehrskreise, wobei auf die Wahrnehmung des Handels und/oder des normal informierten, angemessen aufmerksamen und verständigen Durchschnittsverbrauchers der fraglichen Waren oder Dienstleistungen abzustellen ist (vgl. EuGH GRUR 2006, 411, 412, Rdnr. 24 - Matratzen Concord/Hukla; GRUR 2004, 943, 944, Rdnr. 24 - SAT 2; BGH a. a. O. - FUSSBALL WM 2006). Ebenso ist zu berücksichtigen, dass der Verkehr ein als Marke verwendetes Zeichen in seiner Gesamtheit mit allen seinen Bestandteilen so aufnimmt, wie es ihm entgegentritt, ohne es einer analysierenden Betrachtungsweise zu unterziehen (vgl. EuGH GRUR 2004, 428, 431 Rdnr. 53 -Henkel; BGH GRUR 2001, 1151, 1152 - marktfrisch; MarkenR 2000, 420, 421 - RATIONAL SOFTWARE CORPORATION). Ausgehend hiervon besitzen Wortmarken dann keine Unterscheidungskraft, wenn ihnen die maßgeblichen Verkehrskreise lediglich einen im Vordergrund stehenden beschreibenden Begriffsinhalt zuordnen (vgl. u. a. EuGH GRUR 2004, 674, 678 Rdnr. 86 – Postkantoor; BGH GRUR 2009, 952, 953 Rdnr. 10 - DeutschlandCard; a. a. O. Rdnr. 19 - FUSSBALL WM 2006; GRUR 2005, 417, 418 – BerlinCard; a. a. O. - marktfrisch; GRUR 2001, 1153 - antiKALK) oder wenn diese aus gebräuchlichen Wörtern oder Wendungen der deutschen Sprache oder einer geläufigen Fremdsprache bestehen, die – etwa wegen einer entsprechenden Verwendung in der Werbung oder in den Medien – stets nur als solche und nicht als Unterscheidungsmittel verstanden werden (vgl. u. a. BGH a. a. O. - FUSSBALL WM 2006; GRUR 2003, 1050, 1051 - Cityservice; GRUR 2001, 1043, 1044 - Gute Zeiten – Schlechte Zeiten). Besteht eine Marke aus mehreren Elementen, ist bei der Beurteilung der Unterscheidungskraft von der Gesamtheit der Marke auszugehen (BGH GRUR 2001, 162, 163 - RATIONAL SOFTWARE CORPORATION; a. a. O. - antiKalk). Dabei hat sich die Prüfung darauf zu erstrecken, ob die Marke als solche, jedenfalls mit einem ihrer Elemente, den (geringen) Anforderungen an die Unterscheidungskraft genügt.

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Nach diesen Grundsätzen verfügt das angemeldete Wort-/Bildzeichen über die erforderliche Unterscheidungskraft.

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Äußerer Rahmen des Zeichens ist ein hellgrauer Hintergrundkreis. Dieser wird durch eine dreidimensional wirkende Banderole in seiner horizontalen Mitte in zwei Hälften geteilt. Auf der Banderole, die in grau gestaltet ist und oben und unten durch eine schwarze Linie begrenzt wird, finden sich vom linken zum rechten Rand des Hintergrundkreises reichend in schwarzer Schrift die Worte „Berlin Brandenburger“. Im Hintergrundkreis ist ein etwas kleinerer Innenkreis platziert. Dieser wird in seiner Mitte ebenfalls von der Banderole verdeckt. Die obere Hälfte dieses Innenkreises hat einen orangenen, die untere einen grünen Hintergrund. In der oberen Hälfte ist in weiß die Silhouette einer auf den Betrachter zufahrenden Quadriga - eines zweirädrigen von vier nebeneinander gehenden Pferden gezogenen Streitwagens - auf einem sockelartigen Gebilde zu erkennen, auf dem sich in der Hintergrundfarbe entsprechender orangener Schrift die Buchstaben „B & BB“ befinden. In der unteren Hälfte ist in Weitwinkelperspektive die Silhouette einer Weidelandschaft vor einem weißen Horizont zu sehen. Diese ist mittig durchzogen von einem weißen, sich durch die Weide schlängelnden Fluß. Auf dessen linker Seite sieht man in weiß den Umriss eines im Stehen fressenden Schweins. Rechts vom Fluss ist in weiß der Umriss eines in Richtung des Schweines blickenden stehenden Rindes sichtbar. Über dem weißen Horizont findet sich in der Hintergrundfarbe entsprechender grüner Schrift die Wortfolge „Wurst-Spezialitäten“.

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Die Markenstelle hat zwar zutreffend festgestellt, dass die Wortbestandteile und auch einzelne Elemente der graphischen Ausgestaltung des Zeichens für die beanspruchten Waren der Klasse 29 „Fleisch und Fleischerzeugnisse“ beschreibend sind, indem sie auf die Art der Ware, nämlich Wurst bzw. Fleisch für die Wurstherstellung jeweils vom Rind und/oder Schwein und ihren Produktionsort „Berlin“ bzw. „Brandenburg“ hinweisen.

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Dieses Verständnis wird hier aber durch die in ihrer Gesamtheit ungewöhnliche graphische Ausgestaltung so weit überlagert, dass dem Anmeldezeichen ein Minimum an Unterscheidungskraft nicht abgesprochen werden kann. Denn es ist anerkannt, dass eine Wortelemente enthaltende Bildmarke - unbeschadet der fehlenden Unterscheidungskraft dieser Wortelemente - als Gesamtheit Unterscheidungskraft haben kann, wenn die graphischen Elemente ihrerseits charakteristische Merkmale aufweisen, in denen der Verkehr - wie hier - einen Herkunftshinweis sieht.

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Einen besonderen Charakter erhält das Zeichen zunächst durch die im Vergleich zum Werbeüblichen ungewöhnlich große Zahl von Einzeldetails. Markant ist auch die äußere Siegelform und die sich mittig darum herumwölbende Banderole, die durch ihre graue Farbe den orangenen Hintergrund des oberen und den grünen Hintergrund des unteren Innenkreises in besonderer Weise hervortreten lässt. Obwohl die jeweils darin enthaltenen weißen Silhouetten bei genauer Betrachtung nur wenige - sich auf die Darstellung der wesentlichen Merkmale beschränkende - Details enthalten, vermitteln diese dem Betrachter eine ziemlich genaue Vorstellung davon, dass im oberen Innenkreis der obere Teil des Brandenburger Tores als Wahrzeichen von Berlin und im unteren Innenkreis eine - durch die Weitwinkelperspektive - weitläufig und - wegen des sich hindurchschlängelnden Flusses - auch naturbelassen wirkende Weidelandschaft dargestellt wird. Ein weiterer charakteristischer Bestandteil des Zeichens mit Wiedererkennungswert ist die eher untypische Farbkombination grau, orange und grün. Die Einfassung durch den grauen Außenkreis und die übereinstimmend weiße Darstellung der Bilddetails der oberen und unteren Innenkreishälfte veranlassen zu einer Gesamtbetrachtung, bei der der inhaltliche Kontrast zwischen der oberen („Stadt“) und unteren Kreishälfte („Land“) deutlich hervortritt. Zudem erweckt das Zeichen hierdurch in seiner Gesamtheit den - einprägsamen - Eindruck, als würde vor dem Brandenburger Tor eine Weidelandschaft mit Rind, Schwein, Wiese und Fluß liegen.

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Da es auf die Gesamtbetrachtung und nicht auf eine Analyse der Einzelelemente ankommt, wird der Durchschnittsverbraucher die mit dem angemeldeten Kombinationszeichen versehenen oder beworbenen Waren als von einem bestimmten Hersteller stammend ansehen. Denn der unverwechselbare, charakteristische Gesamteindruck ist geeignet, das Erinnerungsvermögen des Verkehrs in herkunftshinweisender Funktion zu beeinflussen.

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Der verfahrensgegenständlichen Marke kann im Ergebnis ein - wenngleich eher geringer - Schutz nicht abgesprochen werden. Das Schutzhindernis der fehlenden Unterscheidungskraft nach § 8 Abs. 2 Nr. 1 MarkenG besteht also nicht.

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2. Im Hinblick auf die eigentümliche Gesamtgestaltung unterliegt das angemeldete Zeichen ungeachtet seiner nicht unterscheidungskräftigen Wortelemente auch keinem Freihaltebedürfnis im Sinne von § 8 Abs. 2 Nr. 2 MarkenG. Denn der markenrechtliche Schutz erstreckt sich nicht auf die zeichenmäßige Verwendung der Wortfolgen „B & BB“, „Berlin Brandenburger“ und "Wurst-Spezialitäten" in jedweder Form, sondern auf die vorliegende graphische Gestaltung. Diese bestimmt und beschränkt zugleich den Schutzbereich der beanspruchten Bezeichnung (vgl. BGH a. a. O. - NEW MAN).