Bundespatentgericht

Entscheidungsdatum: 02.08.2013


BPatG 02.08.2013 - 28 W (pat) 613/11

Markenbeschwerdeverfahren – "system spanntec" – Freihaltungsbedürfnis – keine Unterscheidungskraft


Gericht:
Bundespatentgericht
Spruchkörper:
28. Senat
Entscheidungsdatum:
02.08.2013
Aktenzeichen:
28 W (pat) 613/11
Dokumenttyp:
Beschluss
Zitierte Gesetze

Tenor

In der Beschwerdesache

betreffend die Markenanmeldung 30 2010 072 974.0

hat der 28. Senat (Marken-Beschwerdesenat) des Bundespatentgerichts auf die mündliche Verhandlung vom 8. März 2013 unter Mitwirkung der Vorsitzenden Richterin Klante sowie der Richterin Dorn und des Richters Paetzold

beschlossen:

Die Beschwerde wird zurückgewiesen.

Gründe

I.

1

Angemeldet zur Eintragung in das Markenregister ist die Wortmarke 30 2010 072 974.0

2

system spanntec

3

für die Waren der Klassen 6 und 20:

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"Unedle Metalle und deren Legierungen; Baumaterialien aus Metall; Kabel und Drähte aus Metall (nicht für elektrische Zwecke); Schlosserwaren und Kleineisenwaren; Metallrohre; Waren aus Metall, soweit in dieser Klasse enthalten; Raff- und/oder Aufrollmechaniken, insbesondere Bausätze und Fertigelemente überwiegend bestehend aus Metall für die Herstellung von Raffrollos mit oder ohne Raffvorhang; vor- oder teilmontierte Raffrollotechnik; Waren, soweit sie in dieser Klasse enthalten sind, aus Holz, Kork, Rohr, Binsen, Seide, Horn, Knochen, Elfenbein, Fischbein, Schildpatt, Bernstein, Perlmutt, Meerschaum, und deren Ersatzstoffe oder aus Kunststoffen; Raff- und/oder Aufrollmechaniken, insbesondere Bausätze und Fertigelemente überwiegend bestehend aus Kunststoff für die Herstellung von Raffrollos mit oder ohne Raffvorhang; vor- oder teilmontierte Raffrollotechnik".

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Die Markenstelle für Klasse 6 des Deutschen Patent- und Markenamts hat die Anmeldung durch Beschluss eines Beamten des gehobenen Dienstes vom 7. September 2011 in vollem Umfang zum einen als freihaltungsbedürftige beschreibende Angabe  gem. § 8 Abs. 2 Nr. 2 MarkenG zurückgewiesen mit der Begründung, die beanspruchte Wortfolge werde von den beteiligten Verkehrskreisen im Sinne einer Einheit aus technischen Anlagen oder Bauelementen verstanden, deren Technologie, Arbeitsweise oder Verfahren das Spannen ermögliche, was für die angemeldeten Waren eine rein beschreibende Bedeutung aufweise. Die Behauptung der Anmelderin, dass eine solche Beschreibung auf die von ihr konkret vertriebenen Waren nicht zutreffe, sei insofern unerheblich. Wegen des ohne Weiteres verständlichen beschreibenden Sinngehaltes fehle der angemeldeten Marke auch die Unterscheidungskraft, weshalb ihr zum andern auch das Eintragungshindernis des § 8 Abs. 2 Nr. 1 MarkenG entgegenstehe. Hierbei komme es nicht darauf an, ob die beanspruchte Wortfolge eine sprachliche Neuschöpfung darstelle; solange sich der Sinngehalt in einer rein beschreibenden Angabe erschöpfe, werde er vom Verkehr nicht als individueller Betriebshinweis aufgefasst.

6

Mit ihrer Beschwerde verfolgt die Anmelderin die Eintragung der angemeldeten Wortfolge weiter. Sie meint, dass die Markenstelle zu Unrecht eine rein beschreibende Angabe bejaht habe. Eine solche lasse sich nur bei zergliedernder Betrachtung ermitteln und stehe in keinem Zusammenhang mit den Produkten der Anmelderin, insbesondere den Rollos und den Raffvorhängen. Die von der Markenstelle als Beleg benannten Intenet-Fundstellen stammten nicht von der Anmelderin, sondern der Firma spanntec, mit der sie in keinerlei Geschäftsbeziehung stehe. Da den Abnehmern kein Zusammenhang zwischen den Produkten der Anmelderin und dem von der Markenstelle ermittelten Sinngehalt offenbart werde, dränge sich ihm auch keine beschreibende Bedeutung der Marke auf, was für die erforderliche Unterscheidungskraft spreche. Im Übrigen seien zahlreiche Marken mit dem Bestandteil "system" und einer Zahlangabe oder dem Zusatz "junior", "speed" etc. eingetragen.

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Die Anmelderin stellt den Antrag,

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den Beschluss des Deutschen Patent- und Markenamts, Markenstelle für Klasse 6, vom 7. September 2011 aufzuheben.

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Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf den Inhalt der Akten Bezug genommen.

II.

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Die zulässige Beschwerde ist nicht begründet. Die Markenstelle hat die Anmeldung zu Recht zurückgewiesen. Der Eintragung der angemeldeten Marke steht sowohl das Schutzhindernis der freihaltungsbedürftigen beschreibenden Angabe gemäß § 8 Abs. 2 Nr. 2 MarkenG als auch das der mangelnden Unterscheidungskraft gemäß § 8 Abs. 2 Nr. 1 MarkenG entgegen.

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Nach ständiger Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs (EuGH) sind alle absoluten Schutzhindernisse im Lichte des Allgemeininteresses auszulegen, das ihnen jeweils zugrunde liegt (vgl. EuGH GRUR 1999, 723, 725 (Nr. 25-27) - Chiemsee -, GRUR 2004, 674, 677 (Nr. 68) - Postkantoor). Diesen Auslegungsgrundsatz wendet der EuGH sowohl auf die Beurteilung der Unterscheidungskraft als auch auf Angaben an, die zur Bezeichnung von Merkmalen der Waren dienen können (vgl. EuGH GRUR 2003, 604, 608 (Nr. 60) - Libertel und GRUR 2003, 514, 519 (Nr. 74) - Linde, Winward u. Rado). Das zu berücksichtigende Allgemeininteresse liegt in dem Schutz vor ungerechtfertigten Rechtsmonopolen, ein Interesse, das im Fall der beschreibenden Angaben des § 8 Abs. 2 Nr. 2 MarkenG nicht erst durch tatsächlich eingetretene Behinderungen berührt wird, sondern schon durch die Eignung des betreffenden Zeichens, als beschreibende Angabe i. S. v. § 8 Abs. 2 Nr. 2 MarkenG "dienen" zu können. Ungerechtfertigte Monopole müssen im Interesse der Rechtssicherheit möglichst frühzeitig, effektiv und ökonomisch durch die dafür zuständigen Behörden und Gerichte verhindert werden. Dazu hat der EuGH ausdrücklich hervorgehoben, dass "die Prüfung anlässlich des Antrages auf Eintragung einer Marke nicht auf ein Mindestmaß beschränkt werden darf. Diese Prüfung muss streng und vollständig sein, um eine ungerechtfertigte Eintragung von Marken zu vermeiden" (vgl. EuGH GRUR 2003, 604, 607 (Nr. 57-59) - Libertel - und GRUR 2004, 674, 680 (Rn. 23-125) - Postkantoor).

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Beschreibende Angaben i. S. v. § 8 Abs. 2 Nr. 2 MarkenG können sowohl die Eigenart der Waren betreffen, ihre Bestimmung, ihre geografische Herkunft und sonstige für den Warenverkehr irgendwie bedeutsame Umstände mit Bezug auf die Ware oder Dienstleistung (vgl. BGH GRUR 1996, 770 - MEGA, Ströbele in: Ströbele/Hacker, MarkenG, 10. Aufl. 2012, § 8 Rdn. 289 m. w. N.). Die bloße Eignung der angemeldeten Bezeichnung als beschreibende Angabe reicht aus. Weder muss sie bereits beschreibend verwendet werden, noch muss sie als Beschreibung dem Verkehr bekannt sein (std. Rspr., vgl. z. B. EuGH MarkenR 2008, 160 (Nr. 35) - HAIRTRANSFER; GRUR Int. 2010, 503 (Nr. 37) – Patentconsult; BGH GRUR 2008, 900 (Nr. 12) - SPA II).

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Eine solche beschreibende Angabe stellt die angemeldete Wortfolge dar. Zum einen sind die Einzelwörter "system" und "tec" ohne Weiteres beschreibend, was die Anmelderin in ihrer Beschwerdebegründung selbst einräumt. Dies gilt aber auch für den Bestandteil "spann", der sich mit dem Anhängsel "tec" zum Gesamtbegriff "Spanntechnik" zusammenfügt. Hierbei handelt es sich um einen Fachterminus, der – wie sich aus der im Amtsverfahren vorgelegten Fundstelle der Fa. Spanntec ergibt – auch im Geschäfts- und Kundenverkehr verwendet wird. Wenn die Anmelderin dazu vorträgt, dass ihre Produkte, insbesondere die Rollos und Raffvorhänge, ohne "Spannen" auskämen und die eingebaute Mechanik keine Feder-, Torsions- oder Kompressionselemente verwende, so kommt es darauf nicht an. Vielmehr hängt die Beschreibungseignung davon ab, ob solche Waren, die in der Anmeldung aufgeführt sind, generell mit einer Spanntechnik ausgerüstet oder dafür bestimmt sein können. Dies ist im vorliegenden Fall zu bejahen. Ohne Zweifel können Rollos und Aufrollmechaniken über eine Torsionsrolle verfügen, mit der ein erleichtertes Aufrollen des Rollos ermöglicht wird. Das gleiche gilt für die Raffvorhänge, die zwar lose herunter hängen, aber an der Seite durch Spannseile geführt sein können. Selbst die Anmelderin spricht in ihrem Internet-Auftritt beim Modell "Segmenta VS" davon, dass "die Verspannung des Raffrollos…eine individuelle Positionierung des Modells (ermöglicht). So lässt sich die Balance zwischen Sichtschutz und Lichteinfall sehr persönlich wählen. …".

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Die übrigen im Warenverzeichnis aufgeführten Waren können als Teile oder Zubehör zu den Rollos etc. ebenfalls  der Spanntechnik dienen, jedenfalls im Zusammenhang mit dieser eingesetzt werden. Auch solche Bestimmungsangaben unterfallen dem Eintragungshindernis nach § 8 Abs. 2 Nr. 2 MarkenG.

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Der beschreibende Charakter der gesamten Wortfolge geht auch nicht durch den Zusatz "system" verloren. Vielmehr erschöpft sich der Sinngehalt in dem Sachhinweis, dass die so gekennzeichneten Waren zu einem System gehören oder dafür vorgesehen sind, in dem mit Spanntechnik gearbeitet wird.

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Darüber hinaus hat die Markenstelle zu Recht und mit ausführlicher Begründung dargelegt, dass der angemeldeten Wortfolge auch die erforderliche Unterscheidungskraft fehlt, so dass ihr auch gemäß § 8 Abs. 2 Nr. 1 MarkenG die Eintragung zu versagen war. Denn der beschreibende Gehalt der Wortfolge steht dermaßen im Vordergrund, dass zumindest nicht unerhebliche Verkehrskreise ihr keinen betriebskennzeichnenden Charakter zumessen werden. Hierbei spielt es keine Rolle, ob die Abnehmer hiermit eine konkrete Technik verbinden. Maßgeblich ist vielmehr, dass ihnen der allgemein gehaltene Begriff "Spanntechnik" den Eindruck vermittelt, hierbei handele es sich um eine bestimmte technische Lösung.

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Soweit die Anmelderin auf Voreintragungen mit einzelnen Bestandteilen ihrer angemeldeten Wortfolge verweist, ist ihr entgegenzuhalten, dass sich – abgesehen von der Abweichung der vorliegenden Wortfolge in ihrer Gesamtheit - selbst bei identischen Voreintragungen kein Anspruch auf Eintragung herleiten lässt. Nach gefestigter Rechtsprechung handelt es sich bei der Beurteilung von Eintragungshindernissen um Rechtsfragen, die unabhängig von Voreintragungen gewürdigt werden müssen (vgl. BGH GRUR 2011, 230 – Supergirl; ausführlich Ströbele in Ströbele/Hacker a. a. O. Rn. 36 ff.).

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Nach alledem konnte  die Beschwerde der Anmelderin keinen Erfolg haben.