Bundespatentgericht

Entscheidungsdatum: 26.10.2011


BPatG 26.10.2011 - 28 W (pat) 6/10

Markenbeschwerdeverfahren – "uhrzeit.org (Wort-Bild-Marke)" – Unterscheidungskraft - Freihaltungsbedürfnis


Gericht:
Bundespatentgericht
Spruchkörper:
28. Senat
Entscheidungsdatum:
26.10.2011
Aktenzeichen:
28 W (pat) 6/10
Dokumenttyp:
Beschluss
Zitierte Gesetze

Tenor

In der Beschwerdesache

betreffend die Markenanmeldung 30 2008 039 953.8

hat der 28. Senat (Marken-Beschwerdesenat) des Bundespatentgerichts in der Sitzung vom 26. Oktober 2011 unter Mitwirkung der Vorsitzenden Richterin Klante, der Richterin Martens und des Richters Schell

beschlossen:

1. Auf die Beschwerde werden die Beschlüsse der Markenstelle für Klasse 29 des Deutschen Patent- und Markenamts vom 7. Januar 2009 und vom 21. September 2009 aufgehoben, soweit die Anmeldung für die Ware „Fotografien“ zurückgewiesen worden ist.

2. Im Übrigen wird die Beschwerde zurückgewiesen.

Gründe

I.

1

Angemeldet zur Eintragung in das Markenregister ist die Wort- /Bildmarke

Abbildung

2

für die nachfolgend aufgeführten Waren und Dienstleistungen der Klassen 14, 16 und 35

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„Uhren, Juwelierwaren, Schmuckwaren, Zeitmessinstrumente; Papier, Pappe, Fotografien; Werbung“

4

Die Anmeldung wurde von der Markenstelle für Klasse 14 des Deutschen Patent- und Markenamts mit Beschluss vom 7. Januar  2009 vollständig zurückgewiesen. Im Erinnerungsbeschluss vom 21. September 2009 ist der Erstbeschluss aufgehoben worden, soweit die Marke für die Waren „Papier, Pappe“ von der Eintragung ausgeschlossen worden war. In beiden Entscheidungen hat die Markenstelle ausgeführt, der angemeldeten Marke fehle jegliche Unterscheidungskraft nach § 8 Abs. 2 Nr. 1 MarkenG. Sie sei in sprachüblicher Weise nach Art einer Internetadresse aus dem allgemein geläufigen Begriff „uhrzeit“ und der bekannten Angabe „org“ für die Top-Level-Domain zusammengesetzt, In Verbindung mit den beanspruchten Waren und Dienstleistungen werde die Bezeichnung lediglich als sachbezogener Hinweis auf Produkte mit dem Bezug zum Thema „Uhrzeit“, nicht aber als betrieblicher Herkunftshinweis verstanden.

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Gegen diese Entscheidung hat die Anmelderin Beschwerde eingelegt. Zur Begründung trägt sie vor, der angemeldeten Marke könnten keine absoluten Schutzhindernisse entgegengehalten werden. Das Wort „Uhrzeit“ sei kein Synonym für Uhren, sondern stehe für den auf einer Uhr ablesbaren Wert. Der Zusatz „org“ führe zu einer unterscheidungskräftigen Marke, schon weil er vom Verbraucher nicht als typische Endung einer Internetadresse erkannt werde. Die Marke insgesamt sei kein betriebsneutraler Hinweis auf bestimmte Eigenschaften einer Sache, der sich für den Verkehr sofort und ohne weiteres Nachdenken herstelle. Die Eigentümlichkeit der Marke werde durch den übergroßen Punkt zwischen den Markenbestandteilen sowie durch die erhöhte Anordnung der Endung „org“ erzeugt. Wegen der besonderen grafischen Gestaltung bestehe auch kein Freihaltungsbedürfnis.

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Die Anmelderin beantragt sinngemäß,

7

die angefochtenen Beschlüsse im Umfang der Zurückweisung aufzuheben.

II.

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Die nach den § 66 Abs. 1 MarkenG zulässige Beschwerde der Anmelderin hat in der Sache nur bezüglich der Ware „Fotografien“ Erfolg. Der beantragten Eintragung der angemeldeten Marke steht für die übrigen Waren und die Dienstleistung das Schutzhindernis der fehlenden Unterscheidungskraft nach § 8 Abs. 2 Nr. 1 MarkenG entgegen. Mit dieser Einschränkung hat die Markenstelle die Anmeldung daher zu Recht zurückgewiesen (§ 37 Abs. 1 MarkenG).

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Unterscheidungskraft i. S. v. von § 8 Abs. 2 Nr. 1 MarkenG bedeutet die Eignung einer Marke, die mit ihr beanspruchten Waren oder Dienstleistungen als von einem bestimmten Unternehmen stammend zu kennzeichnen und sie dadurch von denen anderer Anbieter für den Verkehr unterscheidbar zu machen (vgl. EuGH GRUR 2010, 1096 Rdn. 31 ff. - Buchstabe Alpha). Die Eintragung einer Marke kommt somit nur dann in Betracht, wenn ein Zeichen die notwendige Unterscheidungskraft aufweist, um diese Herkunftsfunktion erfüllen zu können (vgl. BGH MarkenR 2006, 395, 397, Rdn. 18 – FUSSBALL WM 2006, m. w. N.). Ist diese Voraussetzung bei einer angemeldeten Marke nicht gegeben, widerspricht es dem Allgemeininteresse, dieses Zeichen durch seine Eintragung ins Register zugunsten eines Anmelders zu monopolisieren und der Nutzung durch die Allgemeinheit dauerhaft zu entziehen. Ob eine Marke die erforderliche Unterscheidungskraft aufweist, ist im Wege einer Prognose zu ermitteln und stets im Hinblick auf die mit ihr beanspruchten Waren und Dienstleistungen und aus Sicht der beteiligten Verkehrskreise zu beurteilen.

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Die vorliegend beanspruchten Waren sowie die Dienstleistung richten sich in erster Linie an allgemeine Verbraucherkreise. Diese werden in der Anmeldemarke ohne weitere Überlegungen einen unzweideutigen, schlagwortartigen Hinweis auf die Art und den Bestimmungszweck der fraglichen Produkte und Leistungen sehen, die in erster Linie über das Internet angeboten werden. Auf einen solchen Vertrieb weist die nach Art einer typischen Internetadresse gebildete Anmeldemarke in einer für die Abnehmer ohne weiteres verständlichen Form hin. Was die Waren der Klasse 14 angeht, liegt es auf der Hand, dass sie dazu bestimmt sind, die Uhrzeit anzuzeigen. Dies gilt nicht nur für die rein funktionalen Warenbegriffe „Uhren“ sowie „Zeitmessinstrumente“, sondern in gleicher Weise für die beanspruchten Oberbegriffe „Juwelierwaren“ und Schmuckwaren“, unter die aufwändig ausgestattete Uhren ebenfalls zu subsumieren sein können. Auch die Kombination des gängigen warenbezogenen Begriffs „Uhrzeug“ mit der Top-Level-Domain „.org“, die ursprünglich für nichtkommerzielle Organisationen bestimmt war, heute aber jedermann zur Verfügung steht (vgl. wikipedia. org; Suchbegriff: Top-Level-Domain), führt nicht von einer insgesamt rein sachbezogenen Aussage weg. Vielmehr entnimmt der Verkehr der Gesamtbezeichnung nur den Hinweis auf eine Internetseite, die sich mit dem Thema „Uhrzeit“ sowie entsprechenden Produkten befasst. Gleiches gilt für Art und Inhalt der beanspruchten Dienstleistung. Im Verhältnis zu „Werbung“ weist die angemeldete Marke ebenfalls keine über die bloße Summenwirkung hinausgehende Eigentümlichkeit auf, so dass ihr der Verkehr nicht zumindest auch eine betriebskennzeichnende Funktion zuordnet. Vielmehr betreffen die Werbedienstleistungen relevante Aspekte zum Thema „Uhrzeit“ sowie entsprechende Produkte, wobei die Leistungen auch über das Internet erbracht werden können. Entgegen der Ansicht der Anmelderin führt auch die grafische Gestaltung des Zeichens insgesamt nicht zu einer schutzbegründenden Eigenart. Ein im Verhältnis zur Wiedergabe des Wortes „uhrzeit“ größenmäßig herausgehobener Punkt oder Kreis sowie die verhältnismäßig höhere Anordnung des Bestandteils „org“ führen weder einzeln noch in der Gesamtwirkung zu einer unüblichen Darstellung. Es bleibt vielmehr bei einer Aneinanderreihung beschreibender Angaben ohne individuelle betriebskennzeichnende Funktion (vgl. EuGH, MarkenR 2010, 126 ff., Rdn. 61 ff. – COLOR EDITION).

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Die von der Anmelderin angeführten Voreintragungen hat der Senat bei der Beurteilung des verfahrensgegenständlichen Zeichens berücksichtigt. Hieraus haben sich aber keinerlei schutzfähigkeitsbegründende Gesichtspunkte ergeben. Eine Bindung an die angeführten Vorentscheidungen scheidet nach der höchstrichterlichen Rechtsprechung aus (vgl. EuGH, MarkenR 2009, 478, Rdn. 57 – American Clothing; BGH, GRUR 2011, 230, Rdn. 10 ff. – SUPERgirl). Dies gilt selbst für den Fall, dass für denselben Anmelder bereits einmal eine identische Marke für schutzfähig erachtet und eingetragen wurde (vgl. BGH, GRUR 2009, 411, 412, Rdn. 14 – STREETBALL).

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Da das Anmeldezeichen somit bereits nach § 8 Abs. 2 Nr. 1 MarkenG von der Eintragung ausgeschlossen ist, kann die Frage dahingestellt bleiben, ob an seiner freien Verwendbarkeit auch ein schutzwürdiges Interesse der Allgemeinheit i. S. v. § 8 Abs. 2 Nr. 2 MarkenG besteht.

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Die Beschwerde hat somit nur Erfolg, soweit die Ware „Fotografien“ betroffen ist. Insoweit erschöpft sich die Marke nicht lediglich in einer bildlichen Sachinformation zum Thema Uhrzeit, so dass ihr nicht jegliche Unterscheidungskraft nach § 8 Abs. 2 Nr. 1 MarkenG abgesprochen werden kann. Auch das Schutzhindernis nach § 8 Abs. 2 Nr. 2 MarkenG liegt insoweit nicht vor.

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Im Übrigen war die Beschwerde jedoch zurückzuweisen. Der Senat konnte vorliegend ohne mündliche Verhandlung entscheiden, da die Anmelderin und Beschwerdeführerin keinen Antrag auf Durchführung einer mündlichen Verhandlung gestellt hat und ein solcher Termin auch nach Wertung des Senats nicht sachdienlich war (§ 69 MarkenG).