Entscheidungsdatum: 09.01.2012
In der Beschwerdesache
…
betreffend die Markenanmeldung 30 2010 020 255.6
hat der 28. Senat (Marken-Beschwerdesenat) des Bundespatentgerichts am 9. Januar 2012 durch die Vorsitzende Richterin Klante sowie die Richter Schwarz und Schell
beschlossen:
1. Der Beschluss der Markenstelle für Klasse 29 des Deutschen Patent- und Markenamts vom 23. September 2010 wird aufgehoben, soweit die Anmeldung für die Waren
„Pharmazeutische und veterinärmedizinische Erzeugnisse; Sanitärprodukte für medizinische Zwecke (soweit in Klasse 5 enthalten); Pflaster, Verbandmaterial; Zahnfüllmittel und Abdruckmassen für zahnärztliche Zwecke; Desinfektionsmittel; Mittel zur Vertilgung von schädlichen Tieren; Fungizide, Herbizide;
Fleisch, Fisch, Geflügel und Wild; Fleischextrakte; konserviertes, getrocknetes und gekochtes Obst und Gemüse; Eier, Milch; Speiseöle und -fette; Milchpulver für Nahrungszwecke, alkoholfreie Milchmischgetränke mit überwiegendem Milchanteil, entrahmte Milch, Buttermilch, Sahne, auch mit Früchten, Butter und Butterprodukte, Käse und Käseprodukte, Diätmargarine; alle vorgenannten Waren in Klasse 29 für nichtmedizinische Zwecke;
Kaffee, Tee, Zucker, Reis, Kaffee-Ersatzmittel; Mehle und Getreideprodukte; Brot, feine Backwaren und Konditorwaren; Speiseeis, Melassesirup; Getreidepräparate; Eiserzeugnisse; Hefe, Hefepulver; Salz, Senf; Essig; Saucen (Würzmittel); Gewürze; Kühleis;“
zurückgewiesen worden ist.
2. Im Übrigen wird die Beschwerde zurückgewiesen.
I.
Angemeldet zur Eintragung in das Markenregister ist die Wortmarke
Der Stichfeste
als Kennzeichnung für die nachfolgend aufgeführten Waren der Klassen 5, 29 und 30
„Pharmazeutische und veterinärmedizinische Erzeugnisse; Sanitärprodukte für medizinische Zwecke (soweit in Klasse 5 enthalten); diätetische Erzeugnisse für medizinische Zwecke, Babykost; Pflaster, Verbandmaterial; Zahnfüllmittel und Abdruckmassen für zahnärztliche Zwecke; Desinfektionsmittel; Mittel zur Vertilgung von schädlichen Tieren; Fungizide, Herbizide; diätetische Nahrungsmittel für Kinder und Kranke für medizinische Zwecke; Fleisch, Fisch, Geflügel und Wild; Fleischextrakte; konserviertes, getrocknetes und gekochtes Obst und Gemüse; Gallerten (Gelees), Konfitüren, Kompotte; Eier, Milch und Milchprodukte; Speiseöle und -fette; Molkereiprodukte, soweit in Klasse 29 enthalten; Milchpulver für Nahrungszwecke, alkoholfreie Milchmischgetränke mit überwiegendem Milchanteil, entrahmte Milch, Buttermilch, Sahne, auch mit Früchten, Butter und Butterprodukte, Käse und Käseprodukte, Quark, Früchte- oder Kräuterquark, Joghurt, Früchte- oder Kräuterjoghurt; diätetische Nahrungsmittel für Kinder und Kranke für nichtmedizinische Zwecke auf der Basis von Eiweißen; Diätjoghurt, fettfreier Speisequark und Diätmargarine; Dessertspeisen auf Milchbasis, Dessertspeisen auf Buttermilchbasis, auch mit Früchten und/oder Fruchtzubereitungen; Desserts aus Joghurt, Quark und Sahne, auch mit Früchten und/oder Fruchtzubereitungen; Desserts auf Basis von Früchten und/oder Fruchtzubereitungen; Bindemittel auf Milchbasis für heiße und kalte Gerichte; Fruchtmus; alle vorgenannten Waren in Klasse 29 für nichtmedizinische Zwecke; Kaffee, Tee, Zucker, Reis, Tapioka, Sago, Kaffee-Ersatzmittel; Mehle und Getreideprodukte; Brot, feine Backwaren und Konditorwaren; Speiseeis, Honig, Melassesirup; Getreidepräparate; Eiserzeugnisse; Hefe, Hefepulver; Salz, Senf; Essig; Saucen (Würzmittel); Gewürze; Kühleis; Puddings; Desserts, im Wesentlichen bestehend aus Puddings; Desserts auf Basis von Mousse; Desserts, im Wesentlichen bestehend aus Mousse; Mousse au Chocolat; Bindemittel für heiße und kalte Gerichte auf Basis von Mehl und Getreidepräparaten“.
Die Markenstelle für Klasse 29 des Deutschen Patent- und Markenamts hat die Anmeldung nach § 8 Abs. 2 Nr. 1 und 2 MarkenG zurückgewiesen. Zur Begründung wurde sinngemäß ausgeführt, die Wortfolge „Der Stichfeste“ werde vom Verkehr lediglich als beschreibender Hinweis auf die Konsistenz der beanspruchten Produkte, nicht aber als betrieblicher Herkunftshinweis verstanden. Die Anmeldemarke weise deshalb nicht die erforderliche Unterscheidungskraft auf und sei zudem als produktbeschreibende Sachangabe nach § 8 Abs. 2 Nr. 2 MarkenG von der Eintragung ausgeschlossen.
Gegen diese Entscheidung hat die Anmelderin Beschwerde eingelegt. Zu den von der Markenstelle geltend gemachten Schutzhindernissen hat sie – wie auch bereits im patentamtlichen Verfahren – keine Stellung genommen.
Die Beschwerdeführerin beantragt sinngemäß,
den angefochtenen Beschluss der Markenstelle für Klasse 29 des Deutschen Patent- und Markenamts vom 23. September 2009 aufzuheben.
Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf den Inhalt der Akten Bezug genommen.
II.
Die zulässige Beschwerde ist insoweit teilweise begründet, als der beantragten Eintragung der Marke für die im Tenor genannten Waren keine Schutzhindernisse entgegenstehen. Im Übrigen ist die Marke jedoch von der Eintragung ausgeschlossen, weil ihr insoweit für die beschwerdegegenständlichen Anmeldewaren jegliche Unterscheidungskraft nach § 8 Abs. 2 Nr. 1 MarkenG fehlt.
1. Unterscheidungskraft i. S. v. von § 8 Abs. 2 Nr. 1 MarkenG bedeutet die Eignung einer Marke, die mit ihr beanspruchten Waren oder Dienstleistungen als von einem bestimmten Unternehmen stammend zu kennzeichnen und sie dadurch von denen anderer Anbieter für den Verkehr unterscheidbar zu machen (vgl. BGH GRUR 2009, 778, Rdn. 11 – Willkommen im Leben). Kann eine angemeldete Marke diese Herkunftsfunktion nicht erfüllen, widerspricht es dem Allgemeininteresse, das Zeichen durch seine Eintragung ins Register zugunsten eines Anmelders zu monopolisieren und der Nutzung durch die Allgemeinheit dauerhaft zu entziehen. Wortmarken sind insbesondere dann nach § 8 Abs. 2 Nr. 1 MarkenG von der Eintragung ausgeschlossen, wenn ihnen für die beanspruchten Waren oder Dienstleistungen ein im Vordergrund stehender beschreibender Begriffsgehalt zugeordnet werden kann, so dass der Verkehr sie nur als Anpreisung oder Werbeaussage allgemeiner Art auffasst (vgl. BGH WRP 2010, 891, Rdn. 13 – hey!).
Mit dem Begriff „stichfest“ wird bei bestimmten Nahrungsmitteln eine spezielle Produktkonsistenz bezeichnet, die fest genug ist, um – im Gegensatz zu flüssigen oder cremigen Massen – etwa mit einem Löffel oder einer Gabel ausgestochen werden zu können. Speziell bei Joghurt- und Quarkprodukten hat beispielsweise die Bakterienkonzentration Auswirkungen auf die Konsistenz bzw. die Stichfestigkeit des Produkts, die Milchindustrie setzt zur Herstellung stichfester Produkte aber auch verschiedene Gelier- und Bindemittel ein, z. B. um Joghurt, Pudding, Quark, Cremes oder Mousses ausreichend zu verdicken. Dementsprechend kann eine stichfeste Konsistenz auch bei diätetischen Erzeugnissen und Nahrungsmitteln sowie bei Babykost ein relevantes Produktmerkmal darstellen, ebenso wie bei Gallerten (Gelees), Konfitüren, Kompotten und Fruchtmusen. Auch bei Honig wird zwischen flüssigen und stichfesten Varianten unterschieden. Soweit mit der Anmeldung Bindemittel sowie Tapioka und Sago (beides pflanzliche Verdickungs- und Bindemittel) beansprucht werden, handelt es sich dabei um Produkte, die in der heimischen Küche regelmäßig als sogenannte Verfestigungsmittel verwendet werden, um etwa bei Süßspeisen eine stichfeste Konsistenz zu erreichen. Den vorliegend angesprochenen Endverbrauchern sind diese Zusammenhänge geläufig, weshalb davon auszugehen ist, dass sie die angemeldete Wortfolge „Der Stichfeste“ ausschließlich als produktbezogene Sachangabe auffassen werden, mit der schlagwortartig die Beschaffenheit der fraglichen Nahrungsmittel beschrieben bzw. auf den Bestimmungszweck der vorgenannten, konsistenzgebenden Produkte hingewiesen werden soll. Als betrieblichen Herkunftshinweis werden sie die Wortfolge im Hinblick auf die nicht im Tenor aufgeführten Anmeldewaren dagegen nicht ansehen. In diesem Umfang ist die angemeldete Marke deshalb nicht geeignet, die erforderliche Unterscheidungsfunktion gemäß § 8 Abs. 2 Nr. 1 MarkenG auszuüben.
2. Eine andere Beurteilung ergibt sich im Hinblick auf die im Tenor genannten Waren. Insoweit weist die angemeldete Wortfolge weder einen unmittelbar beschreibenden Bedeutungsgehalt auf noch bezieht sie sich auf Umstände, durch die ein enger beschreibender Bezug zu den fraglichen Produkten hergestellt wird. Zwar können etliche dieser Waren (wie z. B. Verbandmaterial, Zahnfüllmittel oder Abdruckmassen) aus einem besonders widerstandsfähigen Material hergestellt sein und eine dementsprechende „Festigkeit“ aufweisen, die Produkteigenschaft „Stichfestigkeit“ bzw. der spezielle Terminus „stichfest“ spielt insoweit jedoch keinerlei relevante Rolle. Dies gilt ebenso für die im Tenor genannten Nahrungsmittel, die zum Teil durchaus eine kompakte Beschaffenheit aufweisen. Diese Eigenschaft wird im Verkehr aber mit Begriffen wie etwa „bissfest“ oder „knusprig“ beschrieben, während der Aspekt „stichfest“ bei diesen Produkten ohne Bedeutung ist. Mangels Eignung zur Produktbeschreibung oder -anpreisung dienen zu können, scheidet somit ein schutzwürdiges Allgemeininteresse an der freien Verwendbarkeit der Wortfolge „Der Stichfeste“ nach § 8 Abs. 2 Nr. 2 MarkenG aus. Es sind zudem keine Anhaltspunkte dafür feststellbar, weshalb die angesprochenen Verbraucher dem Wortzeichen bei einer branchenüblichen Verwendung keine betriebliche Hinweiswirkung i. S. v. § 8 Abs. 2 Nr. 1 MarkenG zuordnen sollten. Vielmehr ist die angemeldete Marke insoweit als hinreichend unterscheidungskräftig zu werten. Andere Schutzhindernisse nach § 8 Abs. 2 MarkenG sind ebenfalls nicht ersichtlich.
Somit war der angefochtene Beschluss der Markenstelle hinsichtlich der im Tenor genannten Waren aufzuheben und die weitergehende Beschwerde zurückzuweisen. Diese Entscheidung konnte ohne mündliche Verhandlung entschieden werden, da die Anmelderin keinen Antrag auf Durchführung einer mündlichen Verhandlung gestellt hat und ein solcher Termin nach Ansicht des Senats auch nicht sachdienlich war.