Bundespatentgericht

Entscheidungsdatum: 20.03.2019


BPatG 20.03.2019 - 28 W (pat) 577/17

Gericht:
Bundespatentgericht
Spruchkörper:
28. Senat
Entscheidungsdatum:
20.03.2019
Aktenzeichen:
28 W (pat) 577/17
ECLI:
ECLI:DE:BPatG:2019:200319B28Wpat577.17.0
Dokumenttyp:
Beschluss

Tenor

In der Beschwerdesache

betreffend die Markenanmeldung 30 2016 110 652.2

hat der 28. Senat (Marken-Beschwerdesenat) des Bundespatentgerichts am 20. März 2019 unter Mitwirkung des Vorsitzenden Richters Prof. Dr. Kortbein, des Richters Schmid und des Richters Dr. Söchtig

beschlossen:

Der Beschluss des Deutschen Patent- und Markenamtes, Markenstelle für Klasse 19, vom 8. Juni 2017 wird aufgehoben.

Gründe

I.

1

Die Wortfolge

2

Der Himmel beginnt direkt am Boden

3

ist am 24. November 2016 zur Eintragung als Marke in das beim Deutschen Patent- und Markenamt geführte Register für die nachfolgenden Waren und Dienstleistungen angemeldet worden:

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„Klasse 19: Fußböden aus Holz, Laminat, Linoleum, Gummi, Bambus, Stein, Keramik; Furniere, Leisten, Unterlagen und Gewebe für Fußböden; Synthetische Fußbodenmaterialien oder Wandverschalungen; Fußbodenfliesen;

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Klasse 35: Dienstleistungen des Groß- und Einzelhandels, auch über das Internet, in den Bereichen Fußböden aus Holz, Laminat, Linoleum, Gummi, Bambus, Stein, Keramik, Furniere, Leisten, Unterlagen und Gewebe für Fußböden, synthetische Fußbodenmaterialien oder Wandverschalungen, Fußbodenfliesen, Fußbodenbeläge und künstliche Bodenbeläge, Teppiche, Vorleger und Matten, Rutschhemmende Fußbodenbeläge zur Verwendung auf Treppen, Textile Fußbodenmatten für Wohnzwecke;

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Klasse 37: Einbau und Sanierung von Bodenbelägen; Erstellung von Fußböden; Reparatur, Polieren, Reinigen, Schleifen, Verlegen von Fußböden;“.

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Das Deutsche Patent- und Markenamt, Markenstelle für Klasse 19, hat die Anmeldung - nach vorheriger Beanstandung vom 19. Januar 2017 - durch Beschluss vom 8. Juni 2017 vollumfänglich zurückgewiesen. Zur Begründung hat es unter Bezugnahme auf die Hinweise im Beanstandungsbescheid ausgeführt, das angemeldete Zeichen entbehre der für eine Eintragung erforderlichen Unterscheidungskraft gemäß § 8 Abs. 2 Nr. 1 MarkenG. Ferner bestehe an ihm ein Freihaltebedürfnis gemäß § 8 Abs. 2 Nr. 2 MarkenG. Die angemeldete Wortfolge „Der Himmel beginnt direkt am Boden“ stelle einen nicht unterscheidungskräftigen Slogan dar, der keinen schutzfähigen Gesamteindruck hervorrufe. Sie weise nur auf die Bedeutung und (himmlische) Qualität von Böden als wichtiges Ausstattungselement von Wohnungen, Terrassen oder Wegen hin und solle beim Betrachter einen Kaufimpuls oder eine gedankliche Beschäftigung mit den gekennzeichneten Waren und Dienstleistungen auslösen. Das Anmeldezeichen ziele darauf ab, eine positive Stimmung und eine entsprechende Erwartungshaltung beim Publikum hervorzurufen, um die Aufmerksamkeit auf die jeweiligen Produkte und Tätigkeiten zu lenken. Eine Schutz begründende Mehrdeutigkeit, Interpretationsbedürftigkeit oder Originalität der angemeldeten Wortfolge sei nicht zu erkennen. Die Werbung bediene sich ausweislich der Ergebnisse der Recherchen zu Slogans mit dem Wortelement „Himmel“ häufig solcher Werbeschlagwörter als Sachhinweise oder Kaufanreize. Auf Grund des rein beschreibenden Sachinhalts sei die angemeldete Wortfolge darüber hinaus für die Wettbewerber des Anmelders frei zu halten.

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Hiergegen wendet er sich mit seiner Beschwerde vom 5. Juli 2017, mit der er beantragt,

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den Beschluss des Deutschen Patent- und Markenamtes, Markenstelle für Klasse 19, vom 8. Juni 2017 aufzuheben.

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Er trägt hierzu vor, entgegen der Auffassung des Deutschen Patent- und Markenamtes in seinem angegriffenen Beschluss verfüge die angemeldete Wortfolge über die notwendige Unterscheidungskraft gemäß § 8 Abs. 2 Nr. 1 MarkenG. Auch stehe ihrer Eintragung kein Freihaltebedürfnis gemäß § 8 Abs. 2 Nr. 2 MarkenG entgegen. Die vordergründige Aussage der verfahrensgegenständlichen Wortfolge sei, dass der Himmel, also der sichtbare Raum über der Erde oder eine Sphäre des Überirdischen und Göttlichen, direkt am Boden, also über der Erde, beginne, ohne dass es einen Zwischenbereich gebe. Bereits auf Grund der Mehrdeutigkeit des Begriffs „Himmel“ in diesem Kontext sei die Wortfolge interpretationsbedürftig. Der angemeldeten Wortfolge könne der vom Deutschen Patent- und Markenamt unterstellte anpreisende Hinweis auf die Bedeutung und (himmlische) Qualität von Böden nur durch eine eingehende Analyse entnommen werden. Eine solche sei jedoch unzulässig. Gegen die Interpretation als rein anpreisender Werbeslogan spreche zudem die Verwendung des Verbes „beginnt“. Anders als die rein anpreisende Aussage „Der Boden ist himmlisch“ beziehe sich die Aussage „Der Himmel beginnt direkt“ nicht konkret auf die Qualität des Bodens, sondern auf einen Zustand, der angestoßen werde und durch den jeweils Angesprochenen selbst fortgeführt werden müsse. Zudem ergebe sich durch die Präposition „am“, dass nicht der Boden selbst der Himmel sei, sondern dieser unmittelbar an den Boden anschließe. Eine eindeutige Aussage über die Qualität der vom Anmeldezeichen beanspruchten Waren und Dienstleistungen werde somit nicht gemacht. Der Anmelder verweist ergänzend auf verschiedene Voreintragungen, die nach seiner Auffassung für die Eintragungsfähigkeit der angemeldeten Wortfolge sprechen.

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Hinsichtlich der weiteren Einzelheiten wird ergänzend auf den Akteninhalt Bezug genommen.

II.

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Die zulässige Beschwerde hat in der Sache Erfolg. Entgegen den Ausführungen des Deutschen Patent- und Markenamtes in seinem angegriffenen Beschluss steht der Eintragung des Anmeldezeichens weder das Schutzhindernis des Fehlens der Unterscheidungskraft gemäß § 8 Abs. 2 Nr. 1 MarkenG noch des Bestehens eines Freihaltebedürfnisses gemäß § 8 Abs. 2 Nr. 2 MarkenG entgegen.

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1. An die Beurteilung der Unterscheidungskraft von Wortfolgen und Slogans, wie vorliegend „Der Himmel beginnt direkt am Boden“, sind keine strengeren Maßstäbe anzulegen als bei sonstigen Wortzeichen. Nicht gerechtfertigt ist es daher, das Kriterium der Unterscheidungskraft zu ersetzen oder von ihm abzuweichen, etwa dergestalt, dass die sloganartige Wortfolge phantasievoll sein und ein begriffliches Spannungsfeld, das einen Überraschungs- und damit Merkeffekt zur Folge hat, aufweisen muss. Gleichwohl werden Wortmarken in Form von Werbeslogans vom Verkehr nicht notwendig in gleicher Weise wahrgenommen wie andere Markenkategorien. Insoweit ist bei Slogans, die eine im Vordergrund stehende Werbefunktion ausüben, dem Umstand Rechnung zu tragen, dass die Durchschnittsverbraucher aus solchen Slogans gewöhnlich nicht auf die Herkunft der Waren oder Dienstleistungen schließen. Wortfolgen, die nach Art eines Slogans gebildet sind, kann der Verkehr daher als eine Beschreibung oder Anpreisung des Inhalts oder Gegenstands entsprechender Waren und Dienstleistungen auffassen. Demgegenüber können Indizien für die Eignung als betrieblicher Herkunftshinweis - auch wenn sie keine notwendige Voraussetzung für die Feststellung der Unterscheidungskraft darstellen - die Kürze, eine gewisse Originalität sowie die Prägnanz der Wortfolge sein. Auch ihre Mehrdeutigkeit und Interpretationsbedürftigkeit können Anhaltspunkte für eine hinreichende Unterscheidungskraft bieten. Dabei dürfen die Anforderungen an die Eigenart nicht überspannt werden. Auch einer für sich genommen eher einfachen Aussage kann nicht von vornherein die Eignung zur Produktidentifikation abgesprochen werden (vgl. BPatG 29 W (pat) 2/13 - positive at work m. w. N.).

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Unter Berücksichtigung vorstehender Grundsätze kommt dem Anmeldezeichen die für eine Eintragung erforderliche Unterscheidungskraft noch zu.

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a) Bei den angesprochenen Verkehrskreisen handelt es sich sowohl um Fachkreise als auch um handwerksaffine oder an Renovierungen interessierte Durchschnittsverbraucher.

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b) Die angemeldete Wortfolge „Der Himmel beginnt direkt am Boden“ vermittelt in Verbindung mit den beanspruchten Waren und Dienstleistungen, bei denen es sich - mit Ausnahme von Wandverschalungen - um Fußböden, ihr Zubehör sowie damit im Zusammenhang stehende Dienstleistungen handelt, allenfalls eine unterschwellige Werbebotschaft, was für die Verneinung ihrer Unterscheidungskraft nicht ausreicht (vgl. hierzu Hacker, Markenrecht, 4. Auflage, 2016, Rdnr. 159). In Verbindung mit „Wandverschalungen“ (Klasse 19) und „Dienstleistungen des Groß- und Einzelhandels, auch über das Internet, in den Bereichen Wandverschalungen“ (Klasse 35) kommt ihr von Hause aus keine beschreibende oder rein werbliche Bedeutung zu.

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(1) Der Zeichenbestandteil „Himmel“ hat im Deutschen die Bedeutung „scheinbar über dem Horizont liegendes, halbkugelähnliches Gewölbe (an dem die Gestirne erscheinen)“ (vgl. unter „www.duden.de“, Suchbegriff: „Himmel“). Folglich steht er in diametralem Gegensatz zu dem weiteren Zeichenelement „Boden“, der die „Erde“, das „Erdreich“ oder die „unterste Fläche von etwas“ bezeichnet (vgl. unter „www.duden.de“, Suchbegriff: „Boden“). Die Aussage „Der Himmel beginnt direkt am Boden“ macht auf den ersten Blick keinen Sinn. Sie ist schlechterdings unzutreffend, da der Himmel als „über dem Horizont liegendes Gewölbe“ gerade nicht am „Erdreich“ oder an der „untersten Fläche von etwas“ beginnt. Allein schon durch diesen Widerspruch wird beim angesprochenen Verkehr ein Denkprozess ausgelöst, welcher der angemeldeten Wortfolge eine gewisse Eigenart verleiht (vgl. hierzu auch BGH GRUR 2009, 949 - My World).

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(2) Die Markenstelle für Klasse 19 vertritt in dem angegriffenen Beschluss vom 8. Juni 2017 die Auffassung, das gegenständliche Zeichen stelle lediglich „einen anpreisenden Hinweis auf die Relevanz und (himmlische) Qualität von Böden“ dar.

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Hierbei fällt auf, dass die als Beleg herangezogenen, dem Beschwerdeführer allerdings vorher nicht mitgeteilten Werbeslogans größtenteils nicht passen. Vielen Verwendungsbeispielen ist nämlich gemein, dass dem in ihnen vorkommenden Substantiv „Himmel“ die Bedeutung „Himmelsgewölbe“ und nicht „himmlisch“ zukommt (z. B. „Air France: Wo der Himmel am schönsten ist“ oder „Boeing: Die beliebteste Familie am Himmel“). Der Argumentation des Deutschen Patent- und Markenamtes liegt demgegenüber ein Verständnis des Begriffs „Himmel“ im Sinne von „himmlisch“ als Synonym für „wunderbar“ oder „herrlich“ zugrunde (vgl. unter „www.duden.de“, Suchbegriff: „himmlisch“). Diese Bedeutungen vermitteln zwar auch einige von der Markenstelle für Klasse 19 herangezogene Slogans wie „Wir legen Ihnen den Himmel zu Füßen“ (Air Mauritius) oder „Schaffen Sie sich Ihren Himmel auf Erden!“ (Berlan). Allerdings können auch sie nicht die Sichtweise des Deutschen Patent- und Markenamts ausreichend stützen.

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Um zu der von der Markenstelle zugrunde gelegten Interpretation des Anmeldezeichens im Sinne von „Der Boden ist himmlisch“ zu gelangen, bedarf es mehrerer analysierender Überlegungen. Zunächst muss der Verkehr den Zeichenbestandteil „Himmel“ abweichend von seiner Grundbedeutung als das Adjektiv „himmlisch“ ansehen. Dann darf er der weiteren Zeichenkomponente „beginnt direkt am“ nicht ihre im Kontext des Anmeldezeichens eigentlich zukommende Bedeutung „sich unmittelbar an etwas anderes anschließen“ beimessen. Vielmehr müssen sie die Verkehrsteilnehmer in „beginnt direkt mit dem“ umdeuten und folglich so verstehen, dass sie den „Boden“ mit umfasst. Schließlich muss das Zeichenelement „Boden“ so ausgelegt werden, dass mit ihm nicht - wie oben ausgeführt - „die unterste Fläche von etwas“ benannt wird, sondern der darauf befindliche Bodenbelag und die damit im Zusammenhang stehenden Dienstleistungen gemeint sind. Zusammenfassend kann somit der von der Markenstelle unterstellte Bedeutungsgehalt der beanspruchten Wortfolge erst in mehreren gedanklichen Schritten ermittelt werden, was die Annahme des Fehlens der Unterscheidungskraft nicht tragen kann (vgl. hierzu BGH GRUR 2016, 934 - OUI).

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(3) Das Anmeldezeichen kann auch im Sinne von „Der himmlische Bereich beginnt direkt am Boden“ interpretiert werden. In diesem Fall kann ihm jedoch keine werbliche oder beschreibende Aussage über den „Boden“ als solchen entnommen werden. Mit dem Verb „beginnt“ wird deutlich zum Ausdruck gebracht, dass der himmlische Bereich sich an den Boden anschließt, also direkt darüber anfängt. Wie bereits ausgeführt, ist der Boden damit nicht Teil des himmlischen Bereichs, so dass weder eine vollständige noch teilweise Gleichsetzung des Bodens mit dem himmlischen Bereich möglich ist. Demzufolge kann der Zeichenbestandteil „Himmel“ auch keine Aussage über den Boden, so etwa über seine Beschaffenheit oder Qualität, treffen. Es ginge zu weit, das Verb „beginnt“ so zu interpretieren, dass es den „Boden“ mit einschließt. Auch dies würde eine analysierende und damit unzulässige Betrachtungsweise erfordern (vgl. hierzu BGH GRUR 2012, 270 - Link economy).

22

2. Aus vorstehend Gesagtem folgt im Ergebnis weiter, dass der Eintragung der angemeldeten Wortfolge auch kein Freihaltebedürfnis gemäß § 8 Abs. 2 Nr. 2 MarkenG entgegensteht.

23

Dem Schutzhindernis des § 8 Abs. 2 Nr. 2 MarkenG unterfallen solche Zeichen, die ausschließlich aus Zeichen oder Angaben bestehen, die im Verkehr zur Bezeichnung der Art, der Beschaffenheit, der Bestimmung oder sonstiger Merkmale der angemeldeten Waren oder Dienstleistungen dienen können. Mit diesem Schutzhindernis wird das im Allgemeininteresse liegende Ziel verfolgt, dass alle Zeichen oder Angaben, die Merkmale der angemeldeten Waren oder Dienstleistungen beschreiben, von allen Unternehmen frei verwendet werden können und nicht auf Grund ihrer Eintragung als Marke einem Unternehmen vorbehalten werden (vgl. EuGH GRUR 2004, 680 - BIOMILD; GRUR 1999, 723 - Chiemsee). Als beschreibend im Sinne dieser Vorschrift können dabei auch sprachliche Neuschöpfungen angesehen werden, die aus mehreren Bestandteilen zusammengesetzt sind, wenn für die Neuschöpfung selbst in ihrer Gesamtheit ein beschreibender Charakter feststellbar ist (EuGH, a. a. O. - BIOMILD). Ferner gebietet das Schutzhindernis des § 8 Abs. 2 Nr. 2 MarkenG die Versagung der Eintragung auch dann, wenn die fragliche Benutzung als Sachangabe noch nicht zu beobachten ist, eine solche Verwendung aber jederzeit in Zukunft erfolgen kann (BGH GRUR 2012, 276 - Institut der Norddeutschen Wirtschaft e.V.).

24

Auf Grund der Tatsache, dass sich die angemeldete Wortfolge nicht in einem rein beschreibenden Bedeutungsinhalt erschöpft, sondern sich deren Sinngehalt vielmehr erst durch eine analysierende Betrachtungsweise erschließt, steht deren Eintragung auch kein Freihaltebedürfnis gemäß § 8 Abs. 2 Nr. 2 MarkenG entgegen. Zur Vermeidung von Wiederholungen wird auf obige Ausführungen verwiesen.