Entscheidungsdatum: 28.03.2012
In der Beschwerdesache
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betreffend die Markenanmeldung 30 2009 073 549.2
hat der 28. Senat (Marken-Beschwerdesenat) des Bundespatentgerichts auf die mündliche Verhandlung vom 28. März 2012 durch die Vorsitzende Richterin Klante, die Richterin Dorn und den Richter am Amtsgericht Jacobi
beschlossen:
Der Beschluss des Deutschen Patent- und Markenamtes vom 13. August 2010 wird aufgehoben.
I.
Das Deutsche Patent- und Markenamt (DPMA) - Markenstelle für Klasse 29 - hat mit Beschluss vom 13. August 2010 die Anmeldung der Wort- und Bildmarke 30 2009 073 549.2
für die Waren der
Klasse 29: „Fleisch und Fleischprodukte (soweit in Klasse 29 enthalten)“
wegen fehlender Unterscheidungskraft zurückgewiesen.
Die Markenstelle hat dies damit begründet, dass es sich bei dem Zeichen im Hinblick auf die beanspruchten Waren lediglich um eine geographische Herkunftsangabe und um einen beschreibenden Hinweis auf die Art der Waren, nämlich Lammfleisch aus der Landwirtschaft Neuseelands, handele. Der Verkehr werde in „Farmer’s“ keinen Eigennamen sehen. Die Großschreibung des Buchstabens „F“ stelle keinen schutzbegründenden Überschuss dar, denn die Verwendung einzelner Großbuchstaben am Anfang oder innerhalb eines Wortes sei werbeüblich. Das Zeichen sei ohne jede Eigentümlichkeit und besitze keinen über die glatt beschreibende Aussage hinausgehenden Inhalt und bewege sich in jeder Hinsicht im Rahmen dessen, was in der Werbung üblich sei und vom Verbraucher erwartet werde.
Hiergegen richtet sich die Beschwerde der Anmelderin, mit der sie beantragt,
den Beschluss des Deutschen Patent- und Markenamtes, Markenstelle für Klasse 29, vom 13. August 2010 aufzuheben.
Zur Begründung trägt sie vor, der Markenbestandteil „Farmer’s“ als Nachname verleihe der Marke das erforderliche Maß an Unterscheidungskraft. Das Wort „Farmer“ werde vom Verkehr nur als Eigenname und nicht als Bezeichnung für einen Landwirt verstanden, weil die Schafzucht durch Schäfer erfolge, die nicht mit dem Wort „farmer“ bezeichnet würden. Für ein solches Verständnis spreche auch der große Anfangsbuchstabe. Die Wortfolge „Farmer’s Lamm“ ergebe sich erst nach Umstellung der Wortreihenfolge. Auch die Graphik spreche für eine Schutzfähigkeit. Die Markenstelle vernachlässige die gebotene Gesamtbetrachtung. Das erforderliche Mindestmaß an Unterscheidungskraft sei hier erreicht. Die Anmelderin verweist darauf, dass am 8. Juni 2005 unter der Registernummer DE 30524716 für die Anmelderin die mit der Anmeldemarke identische Wort- und Bildmarke
für identische Waren eingetragen worden sei.
Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf den Akteninhalt Bezug genommen.
II.
Die zulässige Beschwerde der Anmelderin hat in der Sache Erfolg.
Im Hinblick auf die mit einer Neueintragung der angemeldeten Marke verbundene neue Benutzungsschonfrist ist der Anmelderin ein Rechtsschutzinteresse für die Eintragung der beantragten Wiederholungsmarke zuzugestehen (so auch Ströbele: in Ströbele/Hacker, MarkenG, 10. Auflage, 2012, § 26 Rn. 216). Die am 8. Juni 2005 unter der Registernummer DE 30524716 für die Anmelderin eingetragene und mit der Anmeldemarke identische Wort-/Bildmarke steht der beantragten Neueintragung damit nicht entgegen.
Der Eintragung des vorliegenden Wort-/Bildzeichens als Marke steht kein absolutes Schutzhindernis entgegen, insbesondere nicht das der fehlenden Unterscheidungskraft nach § 8 Abs. 2 Nr. 1 MarkenG oder eines bestehenden Freihaltebedürfnisses nach § 8 Abs. 2 Nr. 2 MarkenG.
1. Unterscheidungskraft im Sinne des § 8 Abs. 2 Nr. 1 MarkenG ist die einem Zeichen innewohnende (konkrete) Eignung, vom Verkehr als Unterscheidungsmittel aufgefasst zu werden, welches die in Rede stehenden Waren oder Dienstleistungen als von einem bestimmten Unternehmen stammend kennzeichnet und diese Waren oder Dienstleistungen somit von denjenigen anderer Unternehmen unterscheidet (BGH GRUR 2010, 825-828 Rdnr. 13 - Marlene-Dietrich-Bildnis II; GRUR 2006, 850, 854 Rdnr. 18 - FUSSBALL WM 2006). Denn die Hauptfunktion der Marke besteht darin, die Ursprungsidentität der gekennzeichneten Waren oder Dienstleistungen zu gewährleisten.
Wortmarken besitzen dann keine Unterscheidungskraft, wenn ihnen die maßgeblichen Verkehrskreise lediglich einen im Vordergrund stehenden beschreibenden Begriffsinhalt zuordnen (EuGH GRUR 2004, 674, 678 Rdnr. 86 – Postkantoor; BGH GRUR 2009, 952, 953 Rdnr. 10 - DeutschlandCard; a. a. O. - FUSSBALL WM 2006; GRUR 2005, 417, 418 – BerlinCard; GRUR 2001, 1153 - antiKALK) oder wenn diese aus gebräuchlichen Wörtern oder Wendungen der deutschen Sprache oder einer geläufigen Fremdsprache bestehen, die – etwa wegen einer entsprechenden Verwendung in der Werbung oder in den Medien – stets nur als solche und nicht als Unterscheidungsmittel verstanden werden (BGH a. a. O. - FUSSBALL WM 2006; BGH GRUR 2003, 1050, 1051 - Cityservice; GRUR 2001, 1043, 1044 - Gute Zeiten – Schlechte Zeiten).
Besteht eine Marke aus mehreren Elementen, ist bei der Beurteilung der Unterscheidungskraft von der Gesamtheit der Marke auszugehen (BGH GRUR 2001, 162, 163 - RATIONAL SOFTWARE CORPORATION; a. a. O. - antiKalk). Dabei hat sich die Prüfung darauf zu erstrecken, ob die Marke als solche, jedenfalls mit einem ihrer Elemente, den (geringen) Anforderungen an die Unterscheidungskraft genügt.
Da allein das Fehlen jeglicher Unterscheidungskraft ein Eintragungshindernis begründet, ist ein großzügiger Maßstab anzulegen, so dass jede auch noch so geringe Unterscheidungskraft genügt, um das Schutzhindernis zu überwinden (BGH GRUR 2012, 270-272 – Link Economy; GRUR 2009, 949 f. Rdnr. 10 - My World; GRUR 2009, 778, 779 Rdnr. 11 - Willkommen im Leben; GRUR 2009, 411 Rdnr. 8 - STREETBALL; a. a. O. - FUSSBALL WM 2006).
Allerdings darf die Prüfung dabei nicht auf ein Mindestmaß beschränkt werden, sondern sie muss vielmehr gründlich und vollständig ausfallen (vgl. EuGH WRP 2003, 735 - Libertel-Orange; a. a. O. - Postkantoor).
Nach diesen Grundsätzen verfügt die angemeldete Wort-/Bildmarke über die erforderliche Unterscheidungskraft.
Das Zeichen besteht aus einem schwarzen Hintergrundkreis, in dessen oberer Hälfte in großen weißen Buchstaben das Wort „Farmer's“ steht und mittig darüber eine Preisschleife abgebildet ist, deren runder Anteil die Wortfolge „NEW ZEALAND LAMM“ enthält.
Die Markenstelle hat zwar zutreffend festgestellt, dass die Wortbestandteile der Marke („NEW ZEALAND LAMM Farmer’s“) einen für die beanspruchten Waren beschreibenden Sinngehalt haben. Das Wort „farmer“ gehört in der Bedeutung „Landwirt“ zum Grundwortschatz der englischen Sprache, der auch dem deutschen Durchschnittsverbraucher verständlich ist. Im Zusammenhang mit der gekennzeichneten Ware Fleisch liegt zunächst ein begriffliches Verständnis der Wortfolge als beschreibender Sachhinweis auf das Produktionsland Neuseeland und auf die Herstellungsmodalität „aus der Landwirtschaft stammend“ nahe.
Dieses Verständnis wird hier aber durch die in ihrer Gesamtheit ungewöhnliche graphische Ausgestaltung der Marke so weit überlagert, dass dieser ein Minimum an Unterscheidungskraft nicht abgesprochen werden kann. Denn es ist anerkannt, dass eine Wortelemente enthaltende Bildmarke - unbeschadet der fehlenden Unterscheidungskraft dieser Wortelemente - als Gesamtheit Unterscheidungskraft haben kann, wenn die graphischen Elemente ihrerseits charakteristische Merkmale aufweisen, in denen der Verkehr - wie hier - einen Herkunftshinweis sieht.
Einen besonderen Charakter erhält das Zeichen zunächst durch die im Vergleich zum Werbeüblichen aufwändig gestaltete Preisschleife, an die der deutsche Verbraucher nicht gewöhnt ist, zumal Preisschleifen dieser Art üblicherweise an die erfolgreiche Teilnahme an Wettbewerbe erinnern und nicht bei der Vermarktung von Fleisch eingesetzt werden. Der Senat hat bei der Durchsicht und Analyse der Werbeprospekte aller namhaften Lebensmitteleinzelhandelsunternehmen Deutschlands festgestellt, dass der Verbraucher im Zusammenhang mit der Vermarktung von Fleisch zwar an plakettenartig gestaltete Gütesiegel gewöhnt ist, an denen vereinzelt auch Andeutungen von Merkmalen von Preisschleifen in Form einfarbig gestalteter Bänder zu finden sind. Bei der in der angemeldeten Marke dargestellten Preisschleife handelt es sich hingegen nicht um ein Gütesiegel. Diese fällt auch mit ihren detailliert gezeichneten Rüschen in doppelter Umrandung, den Schattierungen und den zweifarbigen Bändern ins Auge, einer Gestaltung, die nicht dem Werbeüblichen entspricht.
Phantasievoll ist auch die Anordnung der in der Preisschleife enthaltenen Worte: Das an der oberen Hälfe des Innenkreissegmentes der Preisschleife ausgerichtete Wort der englischen Sprache „NEW“ korrespondiert einerseits begrifflich mit dem sich vom linken bis zum rechten Rand des Innenkreises erstreckenden englischen Wort „ZEALAND und andererseits wegen der gleichen Ausrichtung am Innenkreis mit dem darunter stehenden deutschen Wort „LAMM“.
Die - durch die schrittweise Verkleinerung der ersten drei Buchstaben und die entsprechende Vergrößerung der drei letzten Buchstaben bewirkte - wiegenartige Einbettung der Preisschleife in das darunter stehende Wort „Farmer’s“ verleiht der Darstellung einen charakteristischen Gesamteindruck. Dieser wird noch verstärkt durch die durch den schwarzen Gesamthintergrund bewirkte weitere Einbettung der Preisschleife und des Wortes „Farmer’s“ in das Gesamtzeichen.
Hierdurch und auch durch den starken Kontrast der weißen Buchstaben auf schwarzem Hintergrund wird das Wort „Farmer’s“ zum prägenden Element der Wort-/Bildmarke. Die besondere graphische Herausstellung führt von der Wortinterpretation als beschreibende Angabe („Farmer’s“ - „aus der Landwirtschaft stammend“) weg und hin zu einer Wahrnehmung als Hinweis auf einen bestimmten Hersteller (des Namens „Farmer“). Entgegen dem Ergebnis der Recherche der Markenstelle existiert der Name "Farmer" auch in Deutschland als Familienname, kombiniert mit typisch deutschen Vornamen, wie sich aus immerhin zweiundvierzig Telefonbucheinträgen ergibt. Verstärkt wird ein Verständnis von „Farmer’s“ als Eigenname durch die Großschreibung des ersten Buchstabens und durch das nach den Regeln der englischen Grammatik zutreffend gesetzte Genitiv-Apostroph.
Da es auf die Gesamtbetrachtung und nicht auf eine Analyse der Einzelelemente ankommt, wird der Durchschnittsverbraucher die mit dem angemeldeten Kombinationszeichen versehenen oder beworbenen Waren als von einem bestimmten Hersteller stammend ansehen. Denn der unverwechselbare, charakteristische Gesamteindruck ist geeignet, das Erinnerungsvermögen des Verkehrs in herkunftshinweisender Funktion zu beeinflussen.
Der verfahrensgegenständlichen Marke kann im Ergebnis ein - wenngleich eher geringer - Schutz nicht abgesprochen werden. Das Schutzhindernis der fehlenden Unterscheidungskraft nach § 8 Abs. 2 Nr. 1 MarkenG besteht also nicht.
2. Im Hinblick auf die eigentümliche Gesamtgestaltung unterliegt das angemeldete Zeichen ungeachtet seiner nicht unterscheidungskräftigen Wortelemente auch keinem Freihaltebedürfnis im Sinne von § 8 Abs. 2 Nr. 2 MarkenG. Denn der markenrechtliche Schutz erstreckt sich nicht auf die zeichenmäßige Verwendung der Wortfolge „Farmer’s“ und "NEW ZEALAND LAMM" in jedweder Form, sondern auf die vorliegende graphische Gestaltung. Diese bestimmt und beschränkt zugleich den Schutzbereich der beanspruchten Bezeichnung (vgl. BGH a. a. O. - NEW MAN).