Bundespatentgericht

Entscheidungsdatum: 16.01.2013


BPatG 16.01.2013 - 28 W (pat) 567/11

Markenbeschwerdeverfahren – „RACE UP!“ – Unterscheidungskraft - kein Freihaltungsbedürfnis


Gericht:
Bundespatentgericht
Spruchkörper:
28. Senat
Entscheidungsdatum:
16.01.2013
Aktenzeichen:
28 W (pat) 567/11
Dokumenttyp:
Beschluss
Zitierte Gesetze

Tenor

In der Beschwerdesache

betreffend die Markenanmeldung 30 2010 058 090.9

hat der 28. Senat (Marken-Beschwerdesenat) des Bundespatentgerichts in der Sitzung vom 16. Januar 2013 unter Mitwirkung der Vorsitzenden Richterin Klante, der Richterin Kopacek und des Richters am Amtsgericht Jacobi

beschlossen:

Der Beschluss des Deutschen Patent- und Markenamtes, Markenstelle für Klasse 12, vom 30. Mai 2011 wird aufgehoben, soweit die Anmeldung zurückgewiesen worden ist.

Gründe

I.

1

Das Wortzeichen 30 2010 058 090.9

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RACE UP!

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ist am 6. Oktober2010 zur Eintragung als Marke in das beim Deutschen Patent- und Markenamt (DPMA) geführte Register für verschiedene Waren und Dienstleistungen der Klassen12, 28, 35 und 37 angemeldet worden.

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Die Markenstelle für Klasse12 hat die Anmeldung mit Beschluss vom 30. Mai 2011 wegen fehlender Unterscheidungskraft und eines Freihaltebedürfnisses teilweise zurückgewiesen, nämlich für die Waren und Dienstleistungen der

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Klasse 12:

Motorisierte Landfahrzeuge; Kraftfahrzeuge, Automobile, Autobusse, Lastkraftwagen, Traktoren; Motorräder, Mopeds, Omnibusse;

Klasse 28:

verkleinerte Fahrzeugmodelle, Modellautos und Spielzeugautos; Fahrzeuge für Kinder (soweit in Klasse28 enthalten), Roller (Kinderfahrzeuge);

Klasse 35:

Einzel- und Großhandelsdienstleistungen bezüglich Kraftfahrzeugen, Kraftfahrzeugteilen und Kraftfahrzeugzubehör; Einzel- und Großhandelsdienstleistungen für den Versandhandel bezüglich Kraftfahrzeugen, Kraftfahrzeugteilen und Kraftfahrzeugzubehör; Dienstleistungen des Einzel- und Großhandels über das Internet bezüglich Kraftfahrzeugen, Einzel- und Großhandelsdienstleistungen mittels Teleshopping-Sendungen bezüglich Kraftfahrzeugen; das Zusammenstellen (ausgenommen deren Transport) verschiedener Kraftfahrzeuge oder Kraftfahrzeugteile oder verschiedenen Kraftfahrzeugzubehörs für Dritte, um den Verbrauchern Ansicht und Erwerb dieser Waren in einer Einzelhandelsverkaufsstelle zu erleichtern; Vermittlung von Verträgen für Dritte über den An- und Verkauf von Kraftfahrzeugen, Unternehmensverwaltung und organisatorische Verwaltung von Kraftfahrzeug-Fuhrparks für Dritte;

Klasse 37:

Montage von Fahrzeugen; Reparatur von Fahrzeugen im Rahmen der Pannenhilfe; kundenspezifische Durchführung von Umbauten an Karosserie, Fahrwerk und Motor von Kraftfahrzeugen (Tuning), soweit in Klasse 37 enthalten.

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Zur Begründung hat sie ausgeführt, „Race up!“ lasse sich zwanglos nach dem inländisch vorherrschenden Verständnis der englischen Sprache mit „Renn los!“ verstehen. Nicht das grammatikalisch korrekte „Oxford-Englisch“ sei für das Verständnis des Verkehrs, hier der Fachkreise und des allgemeinen Publikums, entscheidend. Von den angesprochenen Verkehrskreisen werde „Race“ als „Rennen von und unter Automobilen“ verstanden. Der feine Unterschied und die Differenzierung „up“ im Sinne von „auf, hinauf“ sei nicht geläufig. Der Verkehr gehe – im Hinblick auf die Redewendungen „get up“ (im Sinne von „steh auf“ oder „los geht’s“) oder „hurry up“ („los geht’s“) – davon aus, dass „up“ „los“ bedeute. Hinsichtlich der zurückgewiesenen Waren bedeute das Anmeldezeichen damit „Fahr los!“. Bestimmung und Wesensmerkmal der beanspruchten Fahrzeuge sei es, loszufahren. Das Anmeldezeichen bezeichne mithin in einer seiner Bedeutungen die Beschaffenheit und die Bestimmung der Waren. Damit fehle dem Zeichen die Unterscheidungskraft. Das Zeichen sei aber auch freihaltebedürftig. Das Anmeldezeichen könne nicht anderen, insbesondere exportierenden Händlern und Mitbewerbern vorenthalten werden. Eine nähere Begründung, weshalb dem Anmeldezeichen auch für die zurückgewiesenen Dienstleistungen das Schutzhindernis der fehlenden Unterscheidungskraft oder eines Freihaltebedürfnisses entgegenstehe, finde sich in dem Beschluss nicht.

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Hiergegen richtet sich die Beschwerde der Anmelderin. Zur Begründung führt sie aus, durch das Anmeldezeichen „RACE UP!“ könne weder ein unmittelbarer noch ein mittelbarer Bezug zu den beanspruchten Waren und Dienstleistungen hergestellt werden. Das Zeichen habe keinen beschreibenden Begriffsinhalt. Das Anmeldezeichen habe in der deutschen Sprache keine bestimmte Bedeutung. Der Verkehr müsse den Ausdruck übersetzen. Auch in der englischen Sprache komme dem Anmeldezeichen keine feststehende Bedeutung zu. „Race up“ bedeute in der englischen Sprache nicht „Fahr los“. „Race“ könne als Substantiv sowohl „Rennen, Wettrennen“ als auch „Rasse, Geschlecht, Gattung“ und als Verb auch „rennen, um die Wette rennen“ bedeuten. „Up“ könne ausschließlich mit einem sich auf eine Höhe beziehenden Sinngehalt übersetzt werden, beispielsweise als Adverb „auf, aufwärts, herauf“ oder als Präposition „hoch, oben“. Entgegen der Auffassung der Markenstelle habe „up“ niemals die Bedeutung „los“. Versuche der Verbraucher, das Anmeldezeichen „RACE UP!“ zu übersetzen, so gelange er zu Ausdrücken wie „Rennen hoch!", „Renn hoch!“ oder „Gattung oben!“. Dem Anmeldezeichen fehle damit nicht die Unterscheidungskraft. Es sei auch nicht als beschreibende Angabe freihaltebedürftig.

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Die Anmelderin und Beschwerdeführerin beantragt sinngemäß,

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den Beschluss des Deutschen Patent- und Markenamtes, Markenstelle für Klasse12, vom 30. Mai2011 aufzuheben, soweit die Anmeldung zurückgewiesen worden ist.

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Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf den Akteninhalt Bezug genommen.

II.

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Die zulässige Beschwerde der Anmelderin ist begründet.

12

Der Eintragung des angemeldeten Wortzeichens „RACE UP!“ als Marke stehen keine Schutzhindernisse nach § 8 Abs. 2 Nr. 1 und Nr. 2 MarkenG entgegen.

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1. Dem Anmeldezeichen kann zunächst nicht die Unterscheidungskraft abgesprochen werden.

14

Unterscheidungskraft im Sinne des § 8 Abs. 2 Nr. 1 MarkenG ist die einem Zeichen innewohnende (konkrete) Eignung, vom Verkehr als Unterscheidungsmittel aufgefasst zu werden, welches die in Rede stehenden Waren oder Dienstleistungen als von einem bestimmten Unternehmen stammend kennzeichnet und diese Waren oder Dienstleistungen somit von denjenigen anderer Unternehmen unterscheidet. Da allein das Fehlen jeglicher Unterscheidungskraft ein Eintragungshindernis begründet, ist ein großzügiger Maßstab anzulegen, so dass jede auch noch so geringe Unterscheidungskraft genügt, um das Schutzhindernis zu überwinden (BGH GRUR 2012, 1143 – Starsat; MarkenR 2012, 19, Rdnr. 8 – Link economy; GRUR 2010, 1100, Rdnr. 10 – TOOOR!; GRUR 2010, 825, 826, Rdnr. 13 – Marlene-Dietrich-Bildnis II; GRUR 2006, 850, 854, Rdnr. 18 –FUSSBALL WM 2006). Maßgeblich für die Beurteilung der Unterscheidungskraft ist die Auffassung der beteiligten inländischen Verkehrskreise, wobei auf die Wahrnehmung des Handels und/oder des normal informierten, angemessen aufmerksamen und verständigen Durchschnittsverbrauchers der fraglichen Waren oder Dienstleistungen abzustellen ist (vgl. EuGH GRUR 2006, 411, 412, Rdnr. 24 – Matratzen Concord/Hukla; GRUR 2004, 943, 944, Rdnr. 24 – SAT 2; BGH a. a. O. – FUSSBALL WM 2006). Ebenso ist zu berücksichtigen, dass der Verkehr ein als Marke verwendetes Zeichen in seiner Gesamtheit mit allen seinen Bestandteilen so aufnimmt, wie es ihm entgegentritt, ohne es einer analysierenden Betrachtungsweise zu unterziehen (vgl. EuGH GRUR 2004, 428, 431, Rdnr. 53 - Henkel; BGH GRUR 2001, 1151, 1152 – marktfrisch; MarkenR 2000, 420, 421 – RATIONAL SOFTWARE CORPORATION). Ausgehend hiervon besitzen Wortmarken dann keine Unterscheidungskraft, wenn ihnen die maßgeblichen Verkehrskreise lediglich einen im Vordergrund stehenden beschreibenden Begriffsinhalt zuordnen (vgl. u. a. EuGH GRUR 2004, 674, 678, Rdnr. 86 – Postkantoor; BGH GRUR 2009, 952, 953 Rdnr. 10– DeutschlandCard; a. a. O., Rdnr. 19 – FUSSBALL WM 2006; GRUR 2005, 417, 418 – BerlinCard; a. a. O. – marktfrisch; GRUR 2001, 1153 – anti KALK) oder wenn diese aus gebräuchlichen Wörtern oder Wendungen der deutschen Sprache oder einer geläufigen Fremdsprache bestehen, die – etwa wegen einer entsprechenden Verwendung in der Werbung oder in den Medien – stets nur als solche und nicht als Unterscheidungsmittel verstanden werden (vgl. u. a. BGH a. a. O.– FUSSBALL WM 2006; GRUR 2003, 1050, 1051 – Cityservice; GRUR 2001, 1043, 1044 – Gute Zeiten – Schlechte Zeiten).

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Nach diesen Grundsätzen kann vorliegend - entgegen der vom DPMA vertretenen Auffassung - nicht festgestellt werden, dass das Anmeldezeichen dem Schutzhindernis nach §8 Abs. 2 Nr. 1 MarkenG unterliegt.

16

Das Anmeldezeichen beschreibt entgegen der Auffassung der Markenstelle weder Merkmale der beanspruchten Waren und Dienstleistungen noch handelt es sich um gebräuchliche Wörter oder eine Wendung der englischen Sprache, die stets nur als solche und nicht als Unterscheidungsmittel verstanden werden.

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a) „RACE UP!“ beschreibt aus Sicht der angesprochenen Verkehrskreise keine Merkmale der beanspruchten Waren und Dienstleistungen.

18

„Race“ ist der englischen Sprache zuzurechnen und kann als Substantiv je nach Zusammenhang bedeuten „das Rennen“, „das Gerinne“, „die Rasse“, „die Kaste“, „das Geschlecht“, „die Sippe“, „das Volk“, „der Stamm“ und als Verb „etwas um die Wette tun“ oder „jagen, rasen“ (Duden-Oxford – Großwörterbuch Englisch, 3. Auflage. Mannheim 2005 [CD-ROM]). Möglich sind im technischen Zusammenhang auch noch die Bedeutungen „die Kugelschale“, „der Laufring“, „die Rille“ oder „die Schussrinne“ (vgl. www.leo.org, Englisch-Wörterbuch zum Eintrag „race“). Dass der Begriff „racen“ mit der mundartlichen Bedeutung „langes Ausschlafen“ Eingang in die deutsche Sprache gefunden haben soll (vgl. Krämer, Modern Talking auf deutsch, 2000, S. 183), erscheint im vorliegenden Zusammenhang nicht relevant. Im Zusammenhang mit den beanspruchten Waren und Dienstleistungen, die sich sowohl an Fachkreise als auch den Durchschnittsverbraucher richten, liegt wegen des Bezugs zu „Kraftfahrzeugen“ ausschließlich ein Verständnis dieses Zeichenbestandteils als „Rennen“ oder „rasen“ nahe. Insoweit ist der Begriff auch dem Grundwortschatz der englischen Sprache zuzurechnen und dem Durchschnittsverbraucher aus der Sportberichterstattung vertraut.

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„Up“ gehört als Adverb zum Grundwortschatz der englischen Sprache mit der Bedeutung „nach oben“ oder „aufwärts“ (vgl. Duden-Oxford - Großwörterbuch Englisch, a. a. O.). Als Adjektiv kann „up“ „ausgefahren“, „herauf“ oder „hinauf“ und als Präposition „hoch“ oder „oben“ bedeuten (vgl. www.leo.org, Englisch-Wörterbuch zum Eintrag „race“). Auf ein vereinzelt auftretendes Fehlverständnis der englischen Sprache kann es zur Überzeugung des Senats nicht ankommen – die Redewendungen „hurry up“ bzw. „get up“, auf die sich die Markenstelle stützt, könnte man zwar umgangssprachlich mit „los!“ in die deutsche Sprache übersetzen; dies bedeutet jedoch auch für den normal informierten und angemessen verständigen Durchschnittsverbraucher nicht, dass „up“ in Alleinstellung, ohne das sinngebende Verb, auch die Bedeutung „los!“ hätte. Jedenfalls ist ein gewachsenes Sprachverständnis der angesprochenen deutschen Verkehrskreise in diesem Sinne nicht ersichtlich (zu den Fällen einer „Scheinentlehnung“: vgl. Ströbele, in Ströbele/Hacker, MarkenG, 10. Auflage, 2012, §8 Rdnr. 132: z.B. „Handy“, „Wellness“ oder „Tour de Culture“).

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Die Wortkombination „race up“ hat in der englischen Sprache ohne weitere Attribute keine feststehende Bedeutung. Lediglich für die Wortfolge „to race up the stairs“ findet sich in einem Online-Wörterbuch die Bedeutung „die Treppe hochjagen“ (vgl. http://www.dict.cc/?s=to+race+up+the+stairs).

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In Zusammenschau dieser Erkenntnisse hat das Anmeldezeichen „RACE UP!“ für die beanspruchten Waren und Dienstleistungen insbesondere wegen eines fehlenden sinnstiftenden Bezugs (z. B. „up the mountain“) keine produktbeschreibende Bedeutung. Denkbar ist insoweit allenfalls ein Verständnis als „Rennen nach oben!“ oder „Renn nach oben!“, woraus sich für die hier beanspruchten Waren und Dienstleistungen ein bestimmter, beschreibender Bedeutungsgehalt ohne analysierende Zwischenschritte jedoch nicht erschließt.

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b) Es handelt sich bei dem Anmeldezeichen auch nicht um eine gebräuchliche Wendung der englischen Sprache, die – etwa wegen einer entsprechenden Verwendung in der Werbung oder in den Medien – stets nur als solche und nicht als Unterscheidungsmittel verstanden wird. Entgegen der Auffassung der Markenstelle liegt ein Verständnis von „RACE UP!“ im Sinne einer Redewendung „Fahr los!“ nicht nahe. In der englischen Sprache würde man hier formulieren: „Here we go!“, „Off we go!“ oder „Let’s go!“.

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2. Wegen der fehlenden Eignung zur Beschreibung der beanspruchten Waren und Dienstleistungen kommt auch ein Ausschluss von der Eintragung nach § 8 Abs. 2 Nr. 2 MarkenG nicht in Betracht.