Entscheidungsdatum: 07.12.2011
In der Beschwerdesache
…
betreffend die angemeldete Marke 30 2009 012 092.4
hat der 28. Senat (Marken-Beschwerdesenat) des Bundespatentgerichts am 7. Dezember 2011 durch die Vorsitzende Richterin Klante und die Richter Schwarz und Schell
beschlossen:
Die Beschwerde wird zurückgewiesen.
I.
Das Deutsche Patent- und Markenamt hat mit Beschluss der Markenstelle für Klasse 10 vom 10. Juni 2010 die Anmeldung der Bezeichnung
CompactBone
teilweise für die Waren und Dienstleistungen
pharmazeutische und veterinärmedizinische Erzeugnisse; Erzeugnisse für medizinische Zwecke; Verbandmaterial; chirurgische, ärztliche, tierärztliche Instrumente und Apparate, künstliche Gliedmaßen; orthopädische Artikel; Druckereierzeugnisse, Karten, Kataloge, Prospekte, Papier, Pappe (Karton) und Waren aus diesem Material, soweit sie nicht in anderen Klassen enthalten sind; Papier- und Schreibwarenplakate, Prospekte, Rundschreiben; Werbung, Publikation von Druckerzeugnissen (auch in elektronischer Form) für Werbezwecke
nach § 37 Abs. 1, § 8 Abs. 2 Nr. 1 MarkenG als nicht unterscheidungskräftige Angabe zurückgewiesen, weil die aus den englischen Grundbegriffen „compact“ und „bone“ zusammengesetzte Bezeichnung vom Publikum nur im Sinne von „kompakter Knochen, fester/dichter Knochen“ und damit als rein beschreibender Hinweis darauf verstanden werde, dass die von der Zurückweisung betroffenen, so gekennzeichneten Waren und Dienstleistungen geeignet seien, Knochen zu verfestigen.
Mit ihrer Beschwerde macht die Anmelderin im Wesentlichen geltend, die Anmeldemarke sei schutzfähig, weil es sich bei der angemeldeten Wortfolge um eine besondere Wortbestandteilskombination handele, die nicht rein beschreibend sei. Ähnlich wie die eingetragene Marke „Night Rider“ für Waren der Klassen 18 und 25 habe die vorliegende Kombination eine eigene Prägnanz und Eigenartigkeit, die schutzbegründend sei.
Die Anmelderin beantragt sinngemäß,
den Beschluss der Markenstelle für Klasse 10 vom 10. Juni 2010 aufzuheben.
II.
Die nach § 64 Abs. 6 MarkenG zulässige Beschwerde, über die im schriftlichen Verfahren entschieden werden kann, da die Anmelderin, die hinreichend Gelegenheit hatte, ihren Standpunkt darzulegen (vgl. BGH GRUR 1997, 223, 224 - Ceco; BPatGE 19, 225, 227 ff.; 23, 171), keinen (Hilfs-) Antrag auf mündliche Verhandlung gestellt hat und auch der Senat eine solche nicht für geboten erachtet, hat in der Sache keinen Erfolg. Zu Recht und mit zutreffender Begründung, der sich der Senat zur Vermeidung von Wiederholungen anschließt, hat die Markenstelle der angemeldeten Bezeichnung die Eintragung nach § 37 Abs. 1, § 8 Abs. 2 Nr. 1 MarkenG versagt. Die Beschwerdebegründung bietet für eine abweichende Beurteilung keinen Anlass.
Die angemeldete Bezeichnung ist für die vom angefochtenen Beschluss betroffenen Waren und Dienstleistungen nach § 37 Abs. 1 i. V. m. § 8 Abs. 2 Nr. 1 MarkenG mangels jeglicher Unterscheidungskraft von der Eintragung ausgeschlossen.
Nach der Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs ist für die Beurteilung, ob einer angemeldeten Bezeichnung die erforderliche Unterscheidungskraft fehlt, auf die Hauptfunktion einer Marke abzustellen; danach soll diese den Abnehmern die Ursprungsidentität der durch die Marke gekennzeichneten Waren und Dienstleistungen garantieren, indem sie es ihnen ermöglicht, diese ohne Verwechslungsgefahr von Waren oder Dienstleistungen anderer Herkunft zu unterscheiden (vgl. EuGH WRP 2002, 924, 927 [Rz. 30] – Philips/Remington; GRUR 2004, 943, 944 [Rz. 23] - SAT.2; GRUR 2006, 229, 230 [Rz. 27] - BioID). Unter Berücksichtigung des Allgemeininteresses an der nicht ungerechtfertigten Einschränkung der Verfügbarkeit der angemeldeten Kennzeichnung für die anderen Wirtschaftsteilnehmer, die entsprechende Waren oder Dienstleistungen anbieten (vgl. EuGH GRUR 2004, 943, 944 [Rz. 26] - SAT.2), ist deshalb die Unterscheidungskraft einer angemeldeten Bezeichnung zu verneinen, wenn diese nicht geeignet ist, die Waren oder Dienstleistungen, für die die Eintragung beantragt wird, in der Anschauung ihrer durchschnittlich informierten, aufmerksamen und verständigen (vgl. EuGH GRUR 2003, 604, 607 [Rz. 46] – Libertel; GRUR 2004, 943, 944 [Rz. 24] – SAT.2) Abnehmer als von einem bestimmten Unternehmen stammend zu kennzeichnen und diese Waren und Dienstleistungen von denjenigen anderer Unternehmen zu unterscheiden (vgl. EuGH WRP 2002, 924, 930 [Rz. 35] – Philips/Remington; MarkenR 2003, 187, 190 [Rz. 41] - Gabelstapler; MarkenR 2005, 22, 25 f. [Rz. 33] - Das Prinzip der Bequemlichkeit).
Nach diesen Grundsätzen fehlt der Anmeldemarke für die zurückgewiesenen Waren und Dienstleistungen die erforderliche Unterscheidungskraft, weil sie nur einen im Vordergrund stehenden, diese Waren und Dienstleistungen beschreibenden Begriffsinhalt hat (vgl. BGH GRUR 2001, 1151, 1153 – marktfrisch; GRUR 2003, 1050, 1051 – City-Service; BGH, GRUR 2001, 162, 163 m. w. N. – RATIONAL SOFTWARE CORPORATION).
Wie auch die Anmelderin nicht bestreitet, besteht die Anmeldemarke erkennbar aus den beiden zum englischen Grundwortschatz gehörenden Wörtern „compact“für „dicht(gelagert), fest, gedrängt, gedrungen, geschlossen, kompakt“ (vgl. http://dict.leo.org/ende?lp=ende&lang=de&searchLoc=0&cmpType=relaxed§Hdr=on&spellToler=&search=compact) sowie „bone“ für „Knochen“ (vgl. http://dict. leo.org/ende?lp=ende&lang=de&searchLoc=0&cmpType=relaxed§Hdr=on&spellToler=&search=bone). In ihrer Gesamtheit wird der Verkehr die angemeldete Marke somit ohne Mühe als „fester/kompakter Knochen“ verstehen. Ob die Kombination der beiden Einzelbestandteile bislang gebräuchlich ist, spielt dabei keine Rolle. Nach der Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs reicht es nämlich aus, wenn ein Wortzeichen vom Verkehr in einer seiner möglichen Bedeutungen als möglicher Hinweis auf ein Merkmal der gekennzeichneten Waren und Dienstleistungen verstanden werden kann, was auch dann der Fall sein kann, wenn es bislang weder in beschreibender Hinsicht für die beanspruchten Waren und Dienstleistungen noch allgemein verwendet wurde, also auch dann, wenn es sich um eine sprachliche Neuschöpfung handelt (vgl. EuGH GRUR 2003, 58, 59 [Rz. 21] - Companyline; MarkenR 2003, 450, 453 [Rz. 32] - DOUBLEMINT; MarkenR 2004, 99, 109 [Rz. 97] - POSTKANTOOR; MarkenR 2004, 111, 115 [Rz. 38] - BIOMILD). Dies entspricht der früheren Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs, dass auch ein bislang nicht gebräuchliches Zeichen schutzunfähig ist, wenn sein beschreibender Sinngehalt für den Verkehr ohne Mühe erkennbar ist (vgl. BGH WRP 2002, 982, 984 - FRÜHSTÜCKS-DRINK I).
Dies ist vorliegend der Fall. Der Verkehr wird beide sprachüblich gebildeten Wortbestandteile ohne Weiteres im vorgenannten Sinn verstehen, weil schon die Schreibweise mit dem Binnengroßbuchstaben „B“ nahelegt, beide bekannten Begriffe in dieser Gesamtbedeutung zusammenzufügen. Anhaltspunkte dafür, die Gesamtmarke anders als durch bloße Zusammenfügung ihrer Einzelbestandteile zu verstehen, sind nicht erkennbar; insbesondere fehlt es an jeglicher ungewöhnlichen Veränderung, etwa syntaktischer oder semantischer Art, die nach der Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs für die Annahme erforderlich wäre, dass das Gesamtzeichen hinreichend weit von der bloßen Zusammenfügung ihrer schutzunfähigen Bestandteile abweicht (vgl. EuGH MarkenR 2004, 99, 109 [Rz. 98] - POSTKANTOOR; MarkenR 2004, 111, 115 [Rz. 39 f.] – BIOMILD; GRUR 2004, 943, 944 [Rz. 28] - SAT.2; GRUR 2006, 229, 230 [Rz. 29] - BioID; MarkenR 2007, 204, 209 [Rz. 77 f.] - CELLTECH). Mit dieser naheliegenden Bedeutung wird der Verkehr die Anmeldemarke aber nur so verstehen können, dass die so gekennzeichneten zurückgewiesenen Waren und Dienstleistungen dazu geeignet und bestimmt sind, zu einem festen Knochenbau beizutragen.
Soweit die Anmelderin sich auf die Eintragung ihrer Ansicht nach vergleichbare Drittmarken beruft, ändert dies - ungeachtet dessen, dass nicht erkennbar ist, inwiefern die von ihr genannte, für andere als die hier zu beurteilenden Klassen geschützte Marke mit der Anmeldemarke vergleichbar sein sollte - bereits aus Rechtsgründen nichts an der fehlenden Schutzfähigkeit für die vorliegend zu beurteilende Anmeldemarke. Denn aus der Schutzgewährung für andere Marken kann ein Anmelder keinen Anspruch auf Eintragung ableiten, weil Voreintragungen weder für sich noch in Verbindung mit dem Gleichheitssatz des Grundgesetzes zu einer Selbstbindung derjenigen Stellen führen, welche über die Eintragung zu befinden haben (vgl. EuGH, GRUR 2009, 667, 668 [Rz. 15 ff.] - Bild.T-Online.de und ZVS; MarkenR 2008, 163, 167 [Rz. 39] - Terranus; GRUR 2004, 674, Nrn. 43, 44 - Postkantoor; GRUR 2004, 428, Nr. 63 - Henkel; BGH WRP 2011, 349 - FREIZEIT Rätsel Woche; BPatG MarkenR 2007,351, 352 f. - Topline; GRUR 2007, 333, 335 ff. - Papaya; GRUR 2010, 423 - amazing discoveries; GRUR 2010, 425 - Volksflat).
Da die Markenstelle somit im Ergebnis der Anmeldemarke zutreffend die Eintragung wegen des Schutzhindernisses nach § 8 Abs. 2 Nr. 1 MarkenG versagt hat, war die Beschwerde zurückzuweisen.