Entscheidungsdatum: 21.03.2018
In der Beschwerdesache
…
betreffend die Markenanmeldung 30 2015 217 386.7
hat der 28. Senat (Marken-Beschwerdesenat) des Bundespatentgerichts am 21. März 2018 unter Mitwirkung des Vorsitzenden Richters Prof. Dr. Kortbein und der Richter Schmid und Dr. Söchtig
beschlossen:
1. Der Beschluss des Deutschen Patent- und Markenamts, Markenstelle für Klasse 13, vom 13. Juni 2016 wird aufgehoben, soweit die Anmeldung für die folgenden Waren zurückgewiesen worden ist:
Klasse 9:
Elektronische Geräte zur Steuerung von taktischen Lenkflugkörpern;
Klasse 13:
Abschussvorrichtungen für Flugkörper; Flugkörperabschussvorrichtungen [Waffen]; gesteuerte Raketen; Lenkflugkörper; Raketen; Raketenwerfer.
2. Der Antrag auf Rückzahlung der Beschwerdegebühr wird zurückgewiesen.
I.
Die Anmelderin hat am 24. August 2015 beim Deutschen Patent- und Markenamt beantragt, die Bezeichnung
Enforcer
als Wortmarke für die folgenden Waren in das Markenregister einzutragen:
Klasse 9:
Gerät für taktische Lenkflugkörper;
Klasse 13:
Abschussvorrichtungen für Flugkörper; Flugkörperabschussvorrichtungen [Waffen];
gesteuerte Raketen; Lenkflugkörper; Raketen; Raketenwerfer.
Das Deutsche Patent- und Markenamt, Markenstelle für Klasse 13, hat die Anmeldung nach vorangegangener Beanstandung vom 12. Oktober 2015 mit Beschluss vom 13. Juni 2016 zurückgewiesen. Es hat angenommen, das Anmeldezeichen entbehre der erforderlichen Unterscheidungskraft gemäß § 8 Abs. 2 Nr. 1 MarkenG.
Zur Begründung hat es ausgeführt, der Begriff „Enforcer“, der als englischsprachiges Substantiv „Vollstrecker“ oder „Durchsetzer“ bedeute, werde von den angesprochenen Verkehrskreisen, insbesondere dem Militär angehörige Fachleute sowie Waffenhersteller und -händler, als unmittelbar verständliche sachbezogene Angabe verstanden. Sie würden dem Zeichen die Aussage entnehmen, dass die beanspruchten Waffen für militärische Kampfeinheiten geeignet und bestimmt seien sowie über eine hohe Reichweite, Zielgenauigkeit und/oder qualifizierte Detonationskraft verfügten. Ob einer Eintragung des Anmeldezeichens darüber hinaus auch ein Freihaltebedürfnis gemäß § 8 Abs. 2 Nr. 2 MarkenG entgegenstehe, könne daher dahingestellt bleiben.
Hiergegen wendet sich die Anmelderin mit ihrer Beschwerde. Sie meint, das Wort „Enforcer“ sei den angesprochenen Verkehrskreisen nicht geläufig. Ferner eigne sich der Begriff „Enforcer“ in Verbindung mit den beanspruchten Waren nicht als aussagekräftiger Sachhinweis.
Im Beschwerdeverfahren hat die Anmelderin mit Erklärung vom 13. März 2018 die Warenangabe in Klasse 9 wie folgt gefasst:
Elektronische Geräte zur Steuerung von taktischen Lenkflugkörpern.
Die Anmelderin hat im Beschwerdeverfahren sinngemäß beantragt,
1. den Beschluss des Deutschen Patent- und Markenamts, Markenstelle für Klasse 13, vom 13. Juni 2016 im beschwerdegegenständlichen Umfang aufzuheben, und
2. die Rückzahlung der Beschwerdegebühr anzuordnen.
Hinsichtlich der weiteren Einzelheiten wird auf den Akteninhalt verwiesen.
II.
Die zulässige Beschwerde hat in der Sache Erfolg. Der Eintragung des Anmeldezeichens stehen in Bezug auf die noch beschwerdegegenständlichen Waren keine Schutzhindernisse nach § 8 Abs. 2 MarkenG entgegen. Insbesondere ist es als unterscheidungskräftig (§ 8 Abs. 2 Nr. 1 MarkenG) und nicht als unmittelbar beschreibende Angabe anzusehen (§ 8 Abs. 2 Nr. 2 MarkenG). Das Deutsche Patent- und Markenamt hat die Anmeldung daher insoweit zu Unrecht gemäß § 37 Abs. 1 MarkenG zurückgewiesen.
Soweit die Zurückweisung auch Waren betrifft, für die die Anmeldung im Beschwerdeverfahren nicht weiter verfolgt wurde, ist der angegriffene Beschluss gegenstandslos.
1. Die Beschwerdeführerin hat das Verzeichnis der angemeldeten Waren durch ihre Erklärung vom 13. März 2018, mit der sie die Warenangabe „Gerät für taktische Lenkflugkörper“ durch den Begriff „elektronische Geräte zur Steuerung von taktischen Lenkflugkörpern“ konkretisiert hat, wirksam gemäß § 39 Abs. 1 MarkenG eingeschränkt. Die Verwendung der Pluralform „Geräte“ anstelle des ursprünglichen Substantivs „Gerät“ ist unschädlich, da damit keine sachliche Erweiterung des angemeldeten Verzeichnisses verbunden ist. Unter den Begriff „Gerät für taktische Lenkflugkörper“ fallen alle Arten von Geräten für taktische Lenkflugkörper, was mit der beschwerdegegenständlichen Pluralform deutlicher zum Ausdruck gebracht wird. Insofern wird der durch die Anmeldung festgelegte Schutzumfang des Zeichens nicht unzulässig ausgedehnt.
2. Dem angemeldeten Zeichen fehlt für die beschwerdegegenständlichen Waren nicht jegliche Unterscheidungskraft gemäß § 8 Abs. 2 Nr. 1 MarkenG.
Unterscheidungskraft ist die einem Zeichen innewohnende (konkrete) Eignung, vom Verkehr als Unterscheidungsmittel aufgefasst zu werden, das die von der Anmeldung erfassten Waren und Dienstleistungen als von einem bestimmten Unternehmen stammend kennzeichnet und diese somit von denjenigen anderer Unternehmen unterscheidet (vgl. EuGH GRUR 2012, 610, Rdnr. 42 - Freixenet; BGH GRUR 2014, 569, Rdnr. 10 - HOT). Hiervon ausgehend besitzen Zeichen dann keine Unterscheidungskraft, wenn ihnen die maßgeblichen Verkehrskreise im Zeitpunkt der Anmeldung des Zeichens lediglich einen im Vordergrund stehenden beschreibenden Begriffsinhalt zuordnen oder wenn diese aus gebräuchlichen Wörtern oder Wendungen der deutschen Sprache oder einer geläufigen Fremdsprache bestehen, die - etwa wegen einer entsprechenden Verwendung in der Werbung oder in den Medien - stets nur als solche und nicht als Unterscheidungsmittel verstanden werden (vgl. u. a. BGH GRUR 2014, 1204, Rdnr. 12 - DüsseldorfCongress; GRUR 2013, 731, Rdnr. 22 - Kaleido; GRUR 2016, 934, Rdnr. 12, 23 - OUI; GRUR 2013, 1143, Rdnr. 15 - Aus Akten werden Fakten). Darüber hinaus besitzen keine Unterscheidungskraft auch solche Zeichen, die sich auf Umstände beziehen, welche die beanspruchten Waren oder Dienstleistungen zwar nicht unmittelbar betreffen, durch die aber ein enger beschreibender Bezug zu diesen hergestellt wird (vgl. BGH GRUR 2010, 1100, Rdnr. 23 - TOOOR!; GRUR 2006, 850, Rdnr. 28 - FUSSBALL WM 2006).
a) Das Anmeldezeichen beruht auf dem Verb „to enforce“, das im Deutschen „durchsetzen“ bedeutet (vgl. Online-Lexikon Leo, Suchbegriff „to enforce“). Demzufolge kann davon ausgegangen werden, dass das angesprochene Fachpublikum unter dem Begriff „Enforcer“ eine ausführende oder vollstreckende Person versteht. In dieser Bedeutung eignet er sich jedoch entgegen der Auffassung des Deutschen Patent- und Markenamts nicht zur Beschreibung der beschwerdegegenständlichen Waren. Insbesondere lässt sich ihm kein eindeutiger Hinweis auf deren Abnehmerkreise entnehmen (vgl. auch Ströbele/Hacker/Thiering, MarkenG, 12. Auflage, § 8, Rdnr. 438).
Zum einen ist das Wort „Enforcer“ nur eingeschränkt gebräuchlich. Verschiedene Großwörterbücher enthalten es gar nicht (vgl. etwa PONS, Großwörterbuch Englisch, 2014, und Duden Oxford, Großwörterbuch Englisch, 2005). Zum anderen ist erkennbar, dass das Anmeldezeichen vorrangig in bestimmten Zusammenhängen Verwendung findet und insoweit einen klar umrissenen Bedeutungsgehalt aufweist. So dient es insbesondere der Bezeichnung eines Auftragstäters oder eines Eishockeyspielers, der Mitspieler gegen Angriffe von Gegenspielern abschirmt. (vgl. jeweilige Ergebnisse zu dem Suchbegriff „Enforcer“ in: Enzyklopädie „Wikipedia“, deutsche/englische Fassung; Online-Lexikon „Merriam Webster“; Online-Lexikon „Leo“).
Anhaltspunkte dafür, dass der Ausdruck „Enforcer“ im militärischen Bereich als Sachhinweis auf eine bestimmte Tätigkeit etwa eines Infanteriesoldaten oder eines Grenadiers verwendet wird, sind nicht ersichtlich. Vielmehr kommt ihm im angloamerikanischen Sprachraum die Funktion eines Eigennamens für militärisches Gerät zu (vgl. Enzyklopädie „Wikipedia“, englische Fassung, Suchbegriff „Enforcer“, Ergebnisse unter „Transportation“: „Enforcer“-Kriegsschiff, „MH-90 Enforcer“-Helikopter und „Piper PA-48 Enforcer“-Flugzeug). Auch in den von der Markenstelle als Beleg für eine beschreibende Verwendung herangezogenen Quellen wird das angemeldete Zeichen als Name oder gewillkürte Funktionsbezeichnung im Zusammenhang mit Computerspielen eingesetzt (vgl. u. a. „Der Vollstrecker ist eine von der Community erstellte Primärwaffe“ oder „The Enforcer is a pistol that is a multiplayer only weapon in The Last of Us“).
Dass das Anmeldezeichen auf dem einschlägigen Warengebiet bislang nicht als Sachangabe, insbesondere Bestimmungsangabe, gebräuchlich ist, lässt seine Eignung als beschreibender Hinweis zwar nicht von vornherein entfallen. Jedoch kann ihm in Verbindung mit den beschwerdegegenständlichen Waren keine klar verständliche Sachaussage entnommen werden. Allenfalls bringt es zum Ausdruck, dass die Waffen über eine gewisse Durchschlagskraft verfügen. Nähere Aussagen zu ihrer Beschaffenheit, wie Einsatzgebiet oder Wirkungsweise in Form von Zielgenauigkeit, Reichweite oder Detonationskraft, vermittelt der Begriff „Enforcer“ nicht. Vielmehr handelt es sich bei ihm um einen werbesprachlich geprägten Produktnamen, der darauf abzielt, schlagwortartig und bildhaft das Interesse von Kunden an den Waren zu wecken.
b) Es liegen des Weiteren keine Anhaltspunkte dafür vor, dass das Wort „Enforcer“ in Verbindung mit den in Rede stehenden Waren unabhängig von seiner fehlenden Eignung als beschreibende Angabe aus anderen Gründen nicht als betrieblicher Herkunftshinweis aufgefasst wird.
3. Aus vorstehend Gesagtem folgt im Ergebnis weiter, dass der Eintragung des Anmeldezeichens auch nicht das Schutzhindernis des Bestehens eines Freihaltebedürfnisses gemäß § 8 Abs. 2 Nr. 2 MarkenG entgegensteht.
Der Beschwerde der Anmelderin war daher stattzugeben.
4. Dem Antrag auf Anordnung der Rückzahlung der Beschwerdegebühr kann nicht entsprochen werden. Sie kommt nach § 71 Abs. 3 MarkenG nur aus Billigkeitsgründen in Betracht, also in Fällen, in denen es auf Grund der besonderen Umstände unbillig wäre, die Beschwerdegebühr einzubehalten (vgl. Ströbele/Hacker/Thiering, a. a. O., § 71, Rdnr. 50). Eine fehlerhafte Anwendung des materiellen Rechts rechtfertigt die Rückzahlung nur dann, wenn die Rechtsanwendung völlig unvertretbar erscheint (vgl. u. a. BPatG 25 W (pat) 525/11 - Gemcin). Entsprechende Anhaltspunkte sind vorliegend jedoch weder ersichtlich, noch von der Beschwerdeführerin vorgetragen worden.