Entscheidungsdatum: 18.01.2012
In der Beschwerdesache
…
betreffend die Marke 307 81 144
hat der 28. Senat (Marken-Beschwerdesenat) des Bundespatentgerichts auf die mündliche Verhandlung vom 18. Januar 2012 durch die Vorsitzende Richterin Klante, den Richter Schwarz und die Richterin Hartlieb
beschlossen:
Der Beschluss der Markenstelle für Klasse 29 des Deutschen Patent- und Markenamtes vom 25. März 2010 wird aufgehoben.
Die Löschung der Marke 307 81 144 wird aufgrund des Widerspruchs aus der Marke 306 42 897 angeordnet.
I.
Die Widersprechende hat gegen die am 27. Juni 2008 veröffentlichte Eintragung der am 12. Dezember 2007 angemeldeten, für
Fleisch, Wurst, Fisch, Geflügel und Wild, Weich- und Schalentiere (nicht lebend); Fleischextrakte; Fleisch-, Wurst-, Fisch-, Geflügel-, Wildfleisch-, Obst- und Gemüsekonserven; konserviertes, getrocknetes und gekochtes Obst und Gemüse; Gallerten (Gelees); Konfitüren; Eier, Milch und Milchprodukte, Milchgetränke und Milchdesserts, überwiegend aus Milch; Desserts vorwiegend auf der Basis von Milch; Speiseöle und -fette; Tofu; Sojabohnen (konserviert) für Speisezwecke; Leinsamen; zubereitete Speisekartoffeln und Kartoffelprodukte aller Art (soweit in Klasse 29 enthalten), auch als Flocken, Kartoffelpulver, Kroketten, Pommes frites, Bratkartoffeln, Kartoffelklöße, Rösti, Reibekuchen, Chips und Sticks; Knabbererzeugnisse aus Kartoffeln; Nuss-, Mandel- und Pistazienkerne; Pilze als Konserve, getrocknet; Geflügelfleisch oder Teile von Geflügelfleisch; Hackfleischprodukte, gegart, gewürzt und/oder mit Soße ummantelt, auch unter Beigabe von Obst, Gemüse, Kartoffeln, Käse, Teigwaren und/oder Paniermehl; Gänseleberpasteten; halb- und küchenfertige Gerichte sowie Fertiggerichte in der Hauptsache aus Fleisch, Fisch, Meeresgetier, Geflügel, Wild und/oder Wurst, auch als Eintopfgerichte; Suppen, Fleischbrühen, Kraftbrühen, Suppenpräparate; Bohnen als Fertiggerichte; verarbeitete und gesalzene Nüsse; frische, gekühlte und tiefgekühlte Fertiggerichte, Halbfertiggerichte und Teilfertiggerichte auf pflanzlicher Basis, im Wesentlichen bestehend aus Gemüse und/oder Sojaproteinen; diätetische Lebensmittel für nicht medizinische Zwecke auf Proteinbasis, auch als Eintopfgerichte; vegetarische Feinkost, im Wesentlichen bestehend aus Fleischersatzprodukten auf Sojabasis (soweit in Klasse 29 enthalten), fetthaltigen gewürzten Brotaufstrichen, Tofuprodukten und Sojabohnen (konserviert) für Speisezwecke; Nahrungsmittel, im Wesentlichen bestehend aus pflanzlichen Produkten, ausgenommen Nahrungsmittel aus Getreide oder Reis, nämlich aus Sojabohnen mit Gewürzkräutern und Gewürzölen als Beigaben; Halbfertiggerichte und Teilfertiggerichte, im Wesentlichen bestehend aus Sojabohnen, Kartoffeln; sämtliche vorgenannten Waren (soweit möglich) auch tiefgefroren und tiefgekühlt; Salzgebäck; Knabbergebäck; Snacks und Snackprodukte; Sandwiches; Kaffee, Kaffee-Ersatzmittel, Tee, Kakao, Kakaoerzeugnisse, kakaohaltige Getränkepulver, Kakaotrunkpaste sowie Kakaoextrakte für Nahrungs- und Genusszwecke, Kakao-, Kaffee-, Tee- oder Schokoladegetränke; Reis, Tapioka, Sago; pflanzliche Aromen (ausgenommen ätherische Öle); frische, gekühlte und tiefgekühlte Fertiggerichte, Halbfertiggerichte und Teilfertiggerichte, im Wesentlichen bestehend aus Reis, Nudeln, Mais, Couscous (Grieß) und/oder Getreide; Feinkostsalate (soweit in Klasse 30 enthalten); vegetarische Feinkost, im Wesentlichen bestehend aus Getreide; Mehlspeisen; Pizzas, Quiches, Teigtaschen, Küchenpasteten, Pfannkuchen, Waffeln; Brot, Toastbrot, Knäcke- und Trockenflachbrot, Brötchen, Klein- und Feingebäck, Kuchen, Backwaren und Konditorwaren sowie Torten; Speiseeis; Honig, Melassesirup; Fruchtsaucen; Hefe, Backpulver, Puddingpulver; Backaromen und Backessenzen (ausgenommen ätherische Öle); Zucker, Zuckerwaren, Kaugummi, Marzipan, Marzipanersatz, Nougat, Schokolade, Marzipan-, Nougat- und Schokoladenerzeugnisse, Bonbons, Pralinen, auch solche mit flüssiger Füllung, insbesondere Weinen und Spirituosen; Sojamehl; Sojasoße, Tacos; Mehle und Getreidepräparate, insbesondere aus Weizen, Hafer, Gerste, Roggen, Hirse, Mais und Buchweizen, vorgenannte Waren auch in Form von Mischungen und anderen Zubereitungen, insbesondere Weizenkeime, Maismehl, Maisgrieß, Müsli und Müsliriegel; Teigwaren und Vollkornteigwaren; Soßen (Würzmittel); Brot- und Backwaren, sowie Backwaren mit hauptsächlich aus Fleisch, Geflügel, Wild, Fisch, Meeresgetier oder Wurst bestehenden Füllungen und unter Verwendung von Fleisch hergestellte Teigwaren; Nudeln, Frischnudelgerichte, Frischnudelfertiggerichte, insbesondere Canneloni, Lasagne, Tortellini, Ravioli, alle Gerichte auch als Tiefkühlerzeugnisse; Baguettes und im Wesentlichen mit Käse und/oder Obst und/oder Gemüse belegte essfertige Toasts oder Brötchen; diätetische Lebensmittel auf der Basis von Kohlehydraten für nicht medizinische Zwecke; Salz, Pfeffer, Senf, Essig, Soßen und Dips (Würzmittel), Salatsoßen; Gewürze; Küchenkräuter, als Konserve, getrocknet; Fruchtsoßen; Fleisch-, Fisch- und Wildfleischpasteten; Gemüse- und Obstpasteten; sämtliche vorgenannten Waren (soweit möglich) auch tiefgefroren und tiefgekühlt
geschützten Marke 307 81 144
PURVITA
Widerspruch eingelegt aus ihrer am 11. Juli 2006 angemeldeten und seit 28. September 2006 für
Fleisch, Fisch, Geflügel und Wild; Fleischextrakte; konserviertes, getrocknetes und gekochtes Obst und Gemüse; Gallerten (Gelees), Konfitüren, Fruchtmus; Eier, Milch und Milchprodukte; Speiseöle und -fette; Kaffee, Tee, Kakao, Zucker, Reis, Tapioka, Sago, Kaffee-Ersatzmittel; Mehle und Getreidepräparate einschließlich Zerealienriegel; Brot, feine Backwaren und Konditorwaren, Pralinen mit und ohne Füllung sowie alle übrigen Schokoladewaren, Bonbons, Fruchtgummi, Kaugummi (ausgenommen für medizinische Zwecke) und andere Zuckerwaren, Speiseeis; Honig, Melassesirup; Hefe, Backpulver, Salz, Senf, Essig, Saucen (Würzmittel), Gewürze, Kühleis; Biere; Mineralwässer und kohlensäurehaltige Wässer und andere alkoholfreie Getränke; Fruchtgetränke und Fruchtsäfte; Sirupe und andere Präparate für die Zubereitung von Getränken
eingetragenen Marke 306 42 897
PURVIVA.
Die Markenstelle für Klasse 29 des Deutschen Patent- und Markenamtes hat mit Beschluss vom 25. März 2010 den Widerspruch zurückgewiesen, weil der aus den Worten PUR für rein und VIVA für Leben bestehende und damit die Wirkung und Bestimmung der gekennzeichneten Waren bezeichnende Widerspruchsmarke nur eine geringe Kennzeichnungskraft zukomme, so dass trotz zumindest teilweise identisch beanspruchter Waren schon aus diesem Grund eine Verwechslungsgefahr aus Rechtsgründen zu verneinen sei, weil die beiden Marken keine, hierfür aber erforderliche enge Zeichennähe aufwiesen.
Gegen diesen Beschluss richtet sich die Beschwerde der Widersprechenden. Sie meint, der Zeichenabstand sei als eng anzusehen, weil die Abweichung in einem oder zwei Buchstaben nicht ins Gewicht falle, zumal sie sich nicht am viel beachteten Wortanfang, sondern an einer wenig auffälligen Stelle am Wortende befinde. Daher sei angesichts identisch beanspruchter Waren selbst bei geringer Kennzeichnungskraft der Widerspruchsmarke eine Verwechslungsgefahr nicht zu verneinen.
Die Widersprechende hat schriftsätzlich angekündigt zu beantragen,
den Beschluss der Markenstelle für Klasse 29 des Deutschen Patent- und Markenamtes vom 25. März 2010 aufzuheben und die Marke Nr. 307 81 144 wegen des Widerspruchs aus der eingetragenen Marke Nr. 306 42 897 zu löschen.
Die Markeninhaberin beantragt,
die Beschwerde zurückzuweisen.
Sie ist der Ansicht, angesichts des reduzierten Schutzumfangs der Widerspruchsmarke reichten die schriftbildlichen, klanglichen und begrifflichen Unterschiede zwischen den Zeichen aus, um eine Verwechslungsgefahr auszuschließen.
In der mündlichen Verhandlung, an der entsprechend vorheriger Ankündigung die Widersprechende nicht teilgenommen hat, hat die Markeninhaberin ihren Standpunkt aufrechterhalten und vertieft.
II.
Die zulässige Beschwerde der Widersprechenden hat in der Sache Erfolg, weil eine Gefahr von Verwechslungen der beiden gegenüberstehenden Marken nach § 43 Abs. 2 Satz 2, § 42 Abs. 2 Nr. 1, § 9 Abs. 1 Nr. 2 MarkenG nicht ausgeschlossen werden kann.
Die Eintragung einer Marke ist auf den Widerspruch aus einer prioritätsälteren Marke nach den vorgenannten Vorschriften zu löschen, wenn zwischen beiden Zeichen wegen Zeichenidentität oder -ähnlichkeit und Warenidentität oder -ähnlichkeit unter Berücksichtigung der Kennzeichnungskraft des älteren Zeichens die Gefahr von Verwechslungen einschließlich der Gefahr, dass die Marken miteinander gedanklich in Verbindung gebracht werden, besteht. Nach der Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs stehen die vorgenannten Komponenten miteinander in einer Wechselbeziehung, wobei ein geringerer Grad einer Komponente durch den größeren Grad einer anderen Komponente ausgeglichen werden kann (st. Rspr.; vgl. EuGH GRUR 1998, 922, 923 [Rz. 16 f.] - Canon; MarkenR 1999, 236, 239 [Rz. 19] - Lloyd/Loints; BGH GRUR 1999, 241, 243 - Lions). Der Schutz der älteren Marke ist dabei aber auf die Fälle zu beschränken, in denen die Benutzung eines identischen oder ähnlichen Zeichens durch einen Dritten die Funktionen der älteren Marke, insbesondere ihre Hauptfunktion zur Gewährleistung der Herkunft der Waren oder Dienstleistungen gegenüber den Verbrauchern, beeinträchtigt oder beeinträchtigen könnte (vgl. EuGH GRUR 2003, 55, 57 f. [Rz. 51] - Arsenal Football Club plc; GRUR 2005, 153, 155 [Rz. 59] - Anheuser-Busch/Budvar; GRUR 2007, 318, 319 [Rz. 21] - Adam Opel/Autec).
Nach diesen Grundsätzen ist vorliegend eine Verwechslungsgefahr zu bejahen, weil die beiderseits beanspruchten Waren hochgradig ähnlich sind, die Kennzeichnungskraft der Widerspruchsmarke entgegen der Ansicht der Markenstelle als durchschnittlich anzusehen ist und die gegenüberstehenden Marken in einem die Verwechslungsgefahr begründenden Grad ähnlich sind.
Die Ähnlichkeit der jeweils beanspruchten Waren und Dienstleistungen ist nach ständiger Rechtsprechung unter Berücksichtigung aller erheblichen Faktoren zu ermitteln, die ihr Verhältnis zueinander kennzeichnen; hierzu gehören insbesondere ihre Beschaffenheit, ihr Verwendungszweck und ihre Nutzung sowie ihre Eigenart als miteinander konkurrierende oder einander ergänzende Produkte oder Leistungen (vgl. EuGH GRUR 1998, 922, 923 [Rz. 23] - Canon); daneben können auch ihre regelmäßige betriebliche Herkunft, die Vertriebs- oder Erbringungsart sowie ihre wirtschaftliche Bedeutung Berücksichtigung finden (vgl. Ströbele/Hacker, Markengesetz, 8. Aufl. 2006, § 9 Rn. 44 m. w. N.). Abzustellen ist dabei vor allem darauf, ob zwischen den jeweils angebotenen Produkten oder Leistungen so enge Beziehungen bestehen, dass sich den Abnehmern, wenn sie die Waren oder Dienstleistungen mit denselben Zeichen gekennzeichnet wahrnehmen, der Schluss aufdrängt, dass diese Waren oder Dienstleistungen vom selben oder von wirtschaftlich miteinander verbundenen Unternehmen stammen (vgl. EuGH GRUR Int. 1994, 614 [Rz. 16] - Ideal Standard II; GRUR 1998, 922, 924 [Rz. 29] - Canon).1. Letzteres ist - was zwischen den Beteiligten unstreitig ist - vorliegend zu bejahen, weil sämtliche im Warenverzeichnis der Widerspruchsmarke enthaltenen Speisen sich auch im Warenverzeichnis der angegriffenen Marke wiederfinden, so dass insoweit Warenidentität vorliegt. Soweit die jüngere Marke darüber hinaus auch für weitere, im Warenverzeichnis nicht enthaltene Speisen beansprucht wird, liegt jedenfalls hochgradige Warenähnlichkeit vor.
Entgegen der Ansicht der Markeninhaberin und der Markenstelle ist die Kennzeichnungskraft der Widerspruchsmarke nicht von Haus aus deutlich geschwächt, sondern als allenfalls leicht unterdurchschnittlich, wenn nicht gar - wofür an sich mehr spricht - sogar durchschnittlich anzusehen. Denn sie ist grundsätzlich geeignet, die Waren, für die sie eingetragen worden ist, als von einem bestimmten Unternehmen stammend zu kennzeichnen und damit diese Waren oder Dienstleistungen von denen anderer Unternehmen zu unterscheiden (vgl. EuGH MarkenR 1999, 189, 194 [Rz. 49] - Chiemsee; MarkenR 1999, 236, 239 [Rz. 22] - Lloyd/Loints) und sich dem Publikum aufgrund ihrer Eigenart als Produkt- und Leistungskennzeichnung so einzuprägen, dass sie in Erinnerung behalten und wiedererkannt wird (vgl. Ingerl/Rohnke, Markengesetz, 2. Aufl., § 14 Rn. 320).
Diese Eignung wird nicht durch einen möglichen beschreibenden oder an eine solche Beschreibung erkennbar angelehnten Sinngehalt der Widerspruchsmarke in Frage gestellt. Der gegenteiligen Auffassung der Markeninhaberin und der Markenstelle vermag sich der Senat, auch wenn sich die Widersprechende in der Beschwerdebegründung anders als im Widerspruchsverfahren nicht mehr ausdrücklich gegen die Annahme einer Kennzeichenschwäche der Widerspruchsmarke gewandt hat, nicht anzuschließen. Für den inländischen Verbraucher mag es möglicherweise noch naheliegen, die Widerspruchsmarke in die Begriffe „PUR“ und „VIVA“ aufzuteilen, was aber, da sie zu einem Wort zusammengefügt sind, schon eine analytische Betrachtung voraussetzt, zu welcher der Verkehr nicht neigt (st. Rspr., vgl. BGH GRUR 1992, 515, 516 – Vamos; BGH GRUR 195, 408, 409 – PROTECH). Selbst wenn man aber unterstellt, dass der Verkehr in der Widerspruchsmarke die beiden Begriffe im vorgenannten Sinn erkennt, fehlt es an einer Grundlage für die Annahme, dass er damit die Widerspruchsmarke nur als eine Beschreibung von Merkmalen der so gekennzeichneten Waren oder als eine an eine solche Beschreibung angelehnte Sachangabe ansieht. Mag dies bei dem Markenteil „PUR“ im Sinne von „rein“ noch möglich erscheinen, ist dies für den weiteren Markenteil „VIVA“ doch eher auszuschließen. Diesen Begriff wird der Verkehr nämlich höchstens als spanischen (vgl. http://dict.leo.org/esde?lp=esde&search=viva) bzw. portugiesischen (vgl. http://de.pons.eu/dict/search/results/?q=viva&l=dept&in=pt&lf=de&kbd=pt) Ausruf für „es lebe (hoch)!“ (in beiden Fällen übrigens abgeleitet, wenn auch der Mehrzahl der Verbraucher wohl kaum geläufig, aus dem lat. „viva t “) oder als italienischen Trinkspruch für „Hoch, Prost“ (vgl. http://dict.leo.org/itde?lp=itde&lang=de&searchLoc=0&cmpType=relaxed§Hdr=on&spellToler=&search=viva) interpretieren. Die sich damit allenfalls möglicherweise ergebende Gesamtbedeutung der Marke als „Pur (rein) lebe hoch (Prost)!“ gibt aber keine unmittelbar erkennbaren Sachmerkmale der so gekennzeichneten Lebensmittel, für welche die Widerspruchsmarke geschützt ist, an; soweit sie ohne beschreibenden Gehalt lediglich eine (werbe-) anpreisende Funktion erfüllt, vermag diese, soweit die Werbeanpreisung wie hier nicht gleichzeitig auch eine beschreibende Bedeutung zukommt, die Kennzeichenschwäche einer Marke grundsätzlich nicht zu begründen (vgl. EuGH GRUR 2010, 228 - Vorsprung durch Technik). Ob wegen der allenfalls als schwacher beschreibender Anklang anzusehenden Bedeutung des Markenteils „PUR“ eine Kennzeichenschwäche angenommen werden kann, kann letztlich dahinstehen, weil diese dann nur so schwach ausgeprägt ist, dass sie, wenn überhaupt, zu einer allenfalls nur leicht unterdurchschnittlichen Kennzeichnungskraft der Widerspruchsmarke führen würde, bei der, wie noch auszuführen sein wird, eine Verwechslungsgefahr wegen des deutlich erhöhten Grades der Markenähnlichkeit ebenfalls zu bejahen wäre.
Wegen der bis zur Identität reichenden hochgradigen Warenähnlichkeit und der zumindest leicht unterdurchschnittlichen, wenn nicht gar schon durchschnittlichen Kennzeichnungskraft der Widerspruchsmarke wäre eine Verwechslungsgefahr nur zu verneinen, wenn der Grad der Ähnlichkeit der konkurrierenden Marken in ausgeprägter Form nur als gering anzusehen wäre. Dies ist indes nicht der Fall, vielmehr sind die beiden Marken in einem engen Grad ähnlich.
Für die Beurteilung des Ähnlichkeitsgrades gegenüberstehender Marken ist darauf abzustellen, inwieweit ihre Übereinstimmungen in der Erinnerung von nicht nur unmaßgeblichen Teilen der durchschnittlich informierten, aufmerksamen und verständigen Abnehmer (vgl. EuGH GRUR 2003, 604, 605 – Libertel; GRUR 2004, 943, 944 – SAT.2) der jeweils beanspruchten Waren oder Dienstleistungen die daneben vorhandenen Unterschiede nach dem Gewicht, das ihnen in der jeweiligen Marke zukommt, so stark überwiegen, dass die betreffenden Verkehrskreise die Zeichen nicht mehr hinreichend auseinander halten können (vgl. Ströbele/Hacker, Markengesetz, 10. Aufl. 2011, § 9 Rn. 178 m. w. N.). Hierfür sind ihre Übereinstimmungen oder Abweichungen im Bild, im Klang und in der Bedeutung umfassend zu ermitteln, wobei berücksichtigt werden kann, welche Bedeutung diesen Aspekten beim Vertrieb der jeweiligen Waren oder Dienstleistungen zukommt (vgl. EuGH GRUR 2006, 413, 415 [Rn. 28] - SIR/Zirh). Eine Ähnlichkeit in nur einem dieser drei Aspekte begründet zwar nicht notwendig die Annahme einer Verwechslungsgefahr (vgl. EuGH a. a. O. [Rn. 21 f.] - SIR/Zirh), kann aber im Einzelfall ausreichen (vgl. EuGH a. a. O. [Rn. 21] - SIR/Zirh; BGH GRUR 1959, 182, 185 - Quick; GRUR 1979, 853, 854 - LILA; GRUR 1990, 367, 368 - alpi/Alba Moda; GRUR 1992, 110, 112 - dipa/dib; GRUR 1992, 550, 551 - ac-pharma; GRUR 1999, 241, 243 - Lions), sofern nicht die Übereinstimmungen in einem Aspekt durch die bestehenden Unterschiede in den anderen neutralisiert werden (vgl. EuGH a. a. O. [Rn. 35] - SIR/Zirh).
Nach diesen Grundsätzen liegt hier eine enge Markenähnlichkeit vor. Der einzige Unterschied befindet sich in den abweichenden Konsonanten „T“ bzw. „V“ in der letzten Silbe der jeweils insgesamt dreisilbigen Marken. Die beiden ersten Silben „PURVI-“ sind demgegenüber völlig identisch. Optisch und akustisch finden sich die Übereinstimmungen daher nicht nur am regelmäßig stärker beachteten Wortanfang, sondern auch in der jeweiligen Wortmitte. Sowohl optisch als auch akustisch fällt demgegenüber die Abweichung am Wortende erst bei genauem Erfassen beider Marken auf. Dieses hohe Maß an Übereinstimmungen, dem ein nur geringer, erst bei genauer Betrachtung oder bei genauem Zuhören erkennbarer Unterschied am Wortende beider Marken gegenübersteht, rechtfertigt es nicht mehr, die Marken als nur gering ähnlich anzusehen. Vielmehr führt die weitreichende akustische und optische Übereinstimmung beider Marken zu einem wenn nicht schon hochgradigen, so doch aber zumindest schon engeren Grad an Markenähnlichkeit, der angesichts des Grades an Kennzeichnungskraft der Widerspruchsmarke, die mindestens als leicht unterdurchschnittlich, wenn nicht schon als durchschnittlich anzusehen ist, und der hochgradigen, teils bis zur Identität reichenden Warenähnlichkeit eine Verwechslungsgefahr begründet.
Dieser Grad an akustischer und optischer Zeichenähnlichkeit wird nicht durch einen erkennbaren abweichenden Sinngehalt beider Marken neutralisiert. Vielmehr spricht umgekehrt sogar einiges dafür, dass, soweit der Verkehr beide Marken in einem von der Markeninhaberin behaupteten Umfang analysiert, auch enge begriffliche Ähnlichkeiten zwischen beiden Marken erkennt, weil die beiden unterschiedlichen Begriffe in den Markenteilen „VIVA“ und „VITA“ auf das lateinische Wort „vivere“ für „leben“ (worauf die Markenstelle ihre anderslautende Auffassung selbst gestützt hatte) zurückzuführen sind. Bei „VITA“ handelt es sich um das zugehörige Substantiv zum Verb „vivere“ und bei „VIVA“ um die in den oben genannten romanischen Sprachen vorgenommene Ableitung aus der Konjugationsform „vivat“ des Infinitivs „vivere“. Anhaltspunkte dafür, dass der Verkehr, soweit er, wie von der Markeninhaberin behauptet, die jeweiligen Bedeutungen der Marken überhaupt erkennt, in diesen einen begrifflichen Unterschied sähe, bestehen demgegenüber nicht. Soweit der Verkehr beide Begriffe schließlich als bloße Fantasiebegriffe ansieht, hat er keinen Anlass, in einem der beiden Begriffe einen ihm geläufigen Begriff wiederzuerkennen, der geeignet wäre, die aus ihm gebildete Marke von der anderen begrifflich so deutlich abzugrenzen, dass er sie trotz der bestehenden visuellen und akustischen Ähnlichkeit auseinander halten könnte.
Unter Berücksichtigung der hochgradigen Warenähnlichkeit, der zumindest leicht unterdurchschnittlichen Kennzeichnungskraft der Widerspruchsmarke und der engen Markenähnlichkeit kann damit im Ergebnis eine Verwechslungsgefahr nicht verneint werden. Auf die Beschwerde der Widersprechenden war daher der anderslautende Beschluss der Markenstelle aufzuheben und die Löschung der jüngeren Marke wegen des Widerspruchs aus der Widerspruchsmarke anzuordnen.
Da Gründe für eine Kostenauferlegung aus Billigkeitsgründen nach § 71 Abs. 1 Satz 1 MarkenG weder vorgetragen noch anderweitig ersichtlich sind, hat es dabei zu verbleiben, dass beide Beteiligte ihre jeweiligen außergerichtlichen Kosten selbst zu tragen haben (§ 71 Abs. 1 Satz 2 MarkenG).