Entscheidungsdatum: 13.08.2014
In der Beschwerdesache
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betreffend die Markenanmeldung 30 2011 046 839.7
hat der 28. Senat (Marken-Beschwerdesenat) des Bundespatentgerichts am 13. August 2014 durch die Richterin Dorn, den Richter Hermann und die Richterin kraft Auftrags Kriener
beschlossen:
Der Beschluss des Deutschen Patent- und Markenamts, Markenstelle für Klasse 14, vom 27. März 2012 wird nach Maßgabe des eingeschränkten Warenverzeichnisses aufgehoben.
I.
Die Eintragung der ursprünglich für die Waren der Klassen 14, 18, 25 und 26
„Schmuckwaren, Edelsteine; Reise- und Handkoffer; Bekleidungsstücke, Schuhwaren, Kopfbedeckungen; Spitzen und Stickereien, Bänder und Schnürbänder, künstliche Blumen“
angemeldeten Wortmarke 30 2011 046 839.7
tausendFEIN
hat die Markenstelle nach Beanstandung vom 12. Oktober 2011 mit dem angefochtenen Beschluss vom 27. März 2012 wegen fehlender Unterscheidungskraft und eines bestehenden Freihaltebedürfnisses zurückgewiesen. Zur Begründung ist ausgeführt, die Angabe „tausendFEIN“ sei nur ein betriebsneutraler Hinweis auf bestimmte Eigenschaften einer Sache, einer Ware oder Dienstleistung, es werde aus der Sicht der angesprochenen Verkehrskreise, insbesondere auch des maßgeblichen durchschnittlich informierten, aufmerksamen und verständigen Durchschnittsverbrauchers, durch die Bezeichnung „tausendFEIN“ sofort und ohne weiteres Nachdenken ausschließlich ein konkreter und direkter Bezug zu den beanspruchten Waren hergestellt. „tausendFEIN“ sei, wie mit der Beanstandung belegt, ein Begriff für (besonderes) Feingold oder Feinsilber. Ob dieser Begriff weniger gebräuchlich geworden sei, führe zu keinen anderen markenrechtlichen Feststellungen.
Hiergegen richtet sich die Anmelderin mit ihrer Beschwerde, mit der sie unter Einschränkung des Warenverzeichnisses wie folgt
Klasse 14: Schmuckwaren aus Textilien; Edelsteine;
Klasse 18: Reise- und Handkoffer;
Klasse 25: Bekleidungsstücke, Schuhwaren, Kopfbedeckungen;
Klasse 26: Spitzen und Stickereien, Bänder und Schnürbänder, künstliche Blumen
sinngemäß beantragt,
den Beschluss des Deutschen Patent- und Markenamts, Markenstelle für Klasse 14, vom 27. März 2012 aufzuheben.
Zur Begründung ist ausgeführt, wenn „tausendFEIN“ eine Sachangabe dargestellt haben sollte, sei diese jedenfalls nicht mehr gebräuchlich und für die noch beanspruchten Waren im Übrigen ohne Aussagegehalt.
II.
Die zulässige Beschwerde ist nach der erfolgten Einschränkung des Warenverzeichnisses in der Sache begründet. Für die nunmehr noch beanspruchten Waren fehlt dem angemeldeten Zeichen weder die erforderliche Unterscheidungskraft (§ 8 Abs. 2 Nr. 1 MarkenG) noch unterliegt es insoweit einem Freihaltebedürfnis (§ 8 Abs. 2 Nr. 2 MarkenG).
Insbesondere kann der angemeldeten Bezeichnung nicht jegliche Unterscheidungskraft gemäß § 8 Abs. 2 Nr. 1 MarkenG abgesprochen werden. Unterscheidungskraft im Sinne von § 8 Abs. 2 Nr. 1 MarkenG ist nach ständiger Rechtsprechung im Hinblick auf die Hauptfunktion einer Marke, die Ursprungsidentität der gekennzeichneten Waren bzw. Dienstleistungen zu gewährleisten, die einer Marke innewohnende (konkrete) Eignung, vom Publikum als Unterscheidungsmittel für die von der Marke erfassten Waren oder Dienstleistungen eines Unternehmens gegenüber solchen anderer Unternehmen aufgefasst zu werden (vgl. EuGH GRUR 2010, 228 Rn. 33 - Audi (Vorsprung durch Technik); GRUR 2006, 220 Rn. 27 - BioID; BGH GRUR 2010, 935 Rn. 8 - Die Vision; GRUR 2010, 138 Rn. 23 - ROCHER-Kugel; GRUR 2006, 850, 854 Rn. 18 - FUSSBALL WM 2006; MarkenR 2004, 39 - City Service). Die Unterscheidungskraft einer Marke ist dabei zum einen in Bezug auf die genannten Waren oder Dienstleistungen und zum anderen im Hinblick auf die Anschauung der maßgeblichen Verkehrskreise zu beurteilen, die sich aus den durchschnittlich informierten, aufmerksamen und verständigen Durchschnittsverbrauchern dieser Waren oder Durchschnittsempfängern dieser Dienstleistungen zusammensetzen (vgl. EuGH GRUR 2008, 608 - EUROHYPO; MarkenR 2004, 99 - Postkantoor; BGH GRUR 2009, 411 - STREETBALL). Nach ständiger Rechtsprechung des BGH sind Wortmarken nach § 8 Abs. 2 Nr. 1 MarkenG wegen fehlender Unterscheidungskraft von der Eintragung ausgeschlossen, wenn ihnen entweder ein für die fraglichen Waren und Dienstleistungen im Vordergrund stehender beschreibender Begriffsgehalt zugeordnet werden kann (BGH GRUR 2005, 417, 418 - Berlin Card; GRUR 2001, 1151, 1152 - marktfrisch) oder wenn es sich um Angaben handelt, die sich auf Umstände beziehen, welche die beanspruchten Waren und Dienstleistungen zwar nicht unmittelbar betreffen, durch die aber ein enger beschreibender Bezug zu diesen hergestellt wird (vgl. BGH GRUR 2010, 1100 Rn. 23 - TOOOR!; GRUR 2009, 411 Rn. 9 - STREETBALL; GRUR 2006, 850 Rn. 19 - FUSSBALL WM 2006; GRUR 1998, 465, 468 - Bonus). Bei der Prüfung ist nach der Rechtsprechung des BGH von einem großzügigen Maßstab auszugehen, d. h. jede noch so geringe Unterscheidungskraft reicht aus, um das Schutzhindernis zu überwinden (vgl. BGH GRUR 2001, 1151 - marktfrisch). Allerdings darf die Prüfung dabei nicht auf ein Mindestmaß beschränkt werden, sondern muss gründlich und vollständig ausfallen (vgl. EuGH WRP 2003, 735 - Libertel-Orange; a. a. O. - Postkantoor).
Nach diesen Grundsätzen verfügt die angemeldete Bezeichnung „tausendFEIN“ in Bezug auf die noch beanspruchten Waren über die erforderliche Unterscheidungskraft.
Das angemeldete Zeichen stellt nach den Recherchen der Markenstelle und auch des Senats eine seit langem nicht mehr gebräuchliche Sachangabe im Zusammenhang mit dem Feingehalt von Edelmetallen dar, der üblicherweise in 'Tausend Teilen' angegeben wird, z. B. „985er Gold“. Tausender Gold wäre dabei reines Gold und wurde früher mit „tausendfein“ bezeichnet.
In diesem Sinne mögen die – hier nicht angesprochenen - (Fach-)Verkehrskreise im Edelmetallbereich die angemeldete Marke „tausendFEIN“ noch verstehen, dem allgemeinen Verbraucherkreis dürfte der veraltete Fachbegriff indessen nicht (mehr) geläufig sein.
Die Anmelderin hat ihr Warenverzeichnis auf Waren beschränkt, die keine Verbindung zu edlen Metallen aufweisen. In Bezug auf diese Waren lassen sich keine Schutzhindernisse feststellen. Zwar lassen sich Reisekoffer oder Bekleidungsstücke mit Applikationen aus Edelmetall versehen. Gleichwohl liegt fern, dass der Teil der angesprochenen Verkehrskreise, dem das Zeichen als Reinheitsangabe überhaupt geläufig ist, es insoweit als Sachangabe und nicht als Herkunftshinweis werten wird.
Kann der angemeldeten Bezeichnung daher in Bezug auf die nunmehr noch beanspruchten Waren kein hinreichend konkreter Sachhinweis auf bestimmte Eigenschaften und damit kein im Vordergrund stehender sachbezogener Aussagegehalt zugeordnet werden, fehlt es ihr weder an der erforderlichen Unterscheidungskraft nach § 8 Abs. 1 Nr. 1 MarkenG, noch handelt es sich insoweit um eine beschreibende, freihaltungsbedürftige Angabe i. S. v. § 8 Abs. 2 Nr. 2 MarkenG.
Die Beschwerde hat daher Erfolg.
Eine Rückzahlung der Beschwerdegebühr (§ 71 Abs. 3 MarkenG) kommt schon deshalb nicht in Betracht, weil die Beschwerde erst auf Grund der Beschränkung des Warenverzeichnisses Erfolg haben konnte.