Bundespatentgericht

Entscheidungsdatum: 23.03.2016


BPatG 23.03.2016 - 28 W (pat) 541/13

Markenbeschwerdeverfahren – "Sonic" – kein Freihaltungsbedürfnis - Unterscheidungskraft


Gericht:
Bundespatentgericht
Spruchkörper:
28. Senat
Entscheidungsdatum:
23.03.2016
Aktenzeichen:
28 W (pat) 541/13
Dokumenttyp:
Beschluss
Zitierte Gesetze

Tenor

In der Beschwerdesache

betreffend die Markenanmeldung 30 2012 018 327.1

hat der 28. Senat (Marken-Beschwerdesenat) des Bundespatentgerichts im schriftlichen Verfahren am 23. März 2016 unter Mitwirkung des Vorsitzenden Richters Prof. Dr. Kortbein, der Richterin Uhlmann und des Richters am Landgericht Dr. Söchtig

beschlossen:

Der Beschluss der Markenstelle für Klasse 15 des Deutschen Patent- und Markenamtes vom 4. September 2013 wird aufgehoben.

Gründe

I.

1

Das Wortzeichen

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Sonic

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ist am 5. März 2012 zur Eintragung als Marke in das beim Deutschen Patent- und Markenamt (DPMA) geführte Register für die Waren der Klasse 15 „elektronische Orgeln“ angemeldet worden.

4

Mit Beschluss vom 4. September 2013 hat die Markenstelle für Klasse 15 die Anmeldung wegen eines Freihaltebedürfnisses gemäß § 8 Abs. 2 Nr. 2 MarkenG zurückgewiesen.

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Zur Begründung hat sie ausgeführt, das Anmeldezeichen sei ein Wort des englischen Sprachschatzes mit der deutschen Bedeutung „akustisch“, „den Schall betreffend“. Im Zusammenhang mit den so gekennzeichneten elektronischen Orgeln werde das angesprochene Publikum und insbesondere der Fachverkehr in dem Zeichen einen lediglich beschreibenden Hinweis auf den akustischen Charakter erkennen, beispielsweise, dass der Klang einer akustischen (nicht-elektronischen) Orgel perfekt imitiert werde. Damit sei das Zeichen geeignet, als Hinweis auf Art und Beschaffenheit der Ware zu dienen. Entsprechend werde das Adjektiv in der Bedeutung „akustisch“ auch bereits zur konkreten Beschreibung von (elektronischen) Orgeln verwendet. Die Markenstelle bezieht sich dabei auf englischsprachige Rechercheergebnisse, in denen der Begriff in der Kombination „sonic beauty“, „sonic quality“, „sonic impression“, „sonic experience“, „sonic character“ sowie „sonic key element“ im Zusammenhang mit Orgeln verwendet wird. Deshalb sei davon auszugehen, dass der Fachverkehr den englischen Begriff in der Bedeutung „akustisch“ kenne. Jedenfalls dem Teil des inländischen Handels, der weltweit agiere, könnten entsprechende Sprachkenntnisse unterstellt werden. Es genüge bereits, wenn die am In- und Exporthandel mit englischsprachigen Ländern beteiligten Fachkreise das Markenwort in der dargelegten beschreibenden Bedeutung verstünden und ein Interesse daran hätten, es im Rahmen des Handelsverkehrs mit englischsprachigen Staaten ungehindert von Monopolrechten einzelner zur Beschreibung einzusetzen. Ob dem Zeichen daneben auch die Unterscheidungskraft fehle, könne im Ergebnis dahinstehen.

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Hiergegen richtet sich die Beschwerde der Anmelderin, mit der sie sinngemäß beantragt,

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den Beschluss der Markenstelle für Klasse 15 des Deutschen Patent- und Markenamtes vom 4. September 2013 aufzuheben.

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Sie trägt vor, das englische Adjektiv „sonic“ diene nicht zur Beschreibung der beanspruchten Waren. Es gehöre nicht zu den Fachbegriffen für elektronische Orgeln, die den angesprochenen Verkehrskreisen, Hobby- und Berufsmusikern, bekannt seien. Sonic bedeute „Schall-“ und werde ausschließlich als Adjektiv in den Schall betreffenden Fachbegriffen, nämlich wissenschaftlichen (sonic barrier, sonic boom) oder militärischen (sonic mine) Begriffen verwendet. Es diene auch nicht zur Unterscheidung zwischen akustischen und elektronischen Instrumenten. Auch in den Recherchebelegen finde sich das Wort nicht zur Beschreibung der Instrumente selbst, sondern nur im Zusammenhang mit dem erzeugten Klang. Ein Freihaltebedürfnis bestehe an dem Begriff daher nicht.

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Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf den Akteninhalt Bezug genommen.

II.

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Die zulässige Beschwerde ist begründet. Der Eintragung des Anmeldezeichens stehen keine Schutzhindernisse gemäß § 8 MarkenG entgegen, insbesondere besteht an ihm weder ein Freihaltebedürfnis gemäß § 8 Abs. 2 Nr. 2 MarkenG, noch fehlt ihm jegliche Unterscheidungskraft gemäß § 8 Abs. 2 Nr. 1 MarkenG.

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1. Ein Freihaltebedürfnis gemäß § 8 Abs. 2 Nr. 2 MarkenG kann an dem Anmeldezeichen „Sonic“ für die beanspruchten Waren der Klasse 15 „elektronische Orgeln“ nicht festgestellt werden. Nach dieser Vorschrift sind von der Eintragung solche Marken ausgeschlossen, die ausschließlich aus Zeichen oder Angaben bestehen, die im Verkehr zur Bezeichnung der Art, der Beschaffenheit, der Menge, der Bestimmung, des Wertes, der geographischen Herkunft, der Zeit der Herstellung oder sonstiger Merkmale der Waren dienen können.

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Das englische Adjektiv „sonic“ bedeutet, wie im angegriffenen Beschluss zutreffend festgestellt, auf Deutsch „den Schall betreffend“, „akustisch“; „sonic wave“ ist die Schallwelle, „sonic speed“ die Schallgeschwindigkeit. Daneben wird es in Wortkombinationen ganz allgemein im Sinne von „klanglich“ verwendet, um den beschriebenen Gegenstand als klanglich in Abgrenzung zu visuell, haptisch oder den Geruch betreffend zu beschreiben (sonic effect, sonic experience). Das Adjektiv gehört nicht zum englischen Grundwortschatz, es kann daher nicht unterstellt werden, dass der durchschnittliche inländische Verbraucher die Bedeutung des Begriffs kennt. Der inländische Verbraucher begegnet dem Begriff vielmehr in erster Linie als Namensbestandteil z. B. von Firmen, einer Serie von Computerspielen (Sonic the Hedgehog), einer Musikgruppe (Sonic Youth) oder eines Motorrads (Honda Sonic) (www.wortschatz.uni-leipzig.de).

13

Im Zusammenhang mit Musikinstrumenten gehört der Begriff nicht zur Fachsprache. Er ist weder in englischen noch in deutschen Musiklexika und Fremdwörterbüchern verzeichnet (Stanley Sadie, The New Grove, Dictionary of Music & Musicians; Richard Schaal, Fremdwörterlexikon Musik, Englisch, Französisch, Italienisch, 5. Aufl., Wilhelmshafen, 2000). Auch im Zusammenhang mit Orgeln wird er nach den Recherchen des Senats nicht merkmalsbeschreibend verwendet. Die Auffassung der Markenstelle, „Sonic“ weise im Zusammenhang mit elektronischen Orgeln auf deren einer mechanischen Orgel gleichkommende akustische Klangqualität hin und sei deshalb geeignet, den Klang einer Orgel oder dessen Qualität zu beschreiben, ist durch die Recherche des Senats nicht bestätigt worden.

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Zwar wird bei einigen Musikinstrumenten zwischen akustischen und elektronischen Instrumenten unterschieden, um deren Klangerzeugung von einander abzugrenzen. Unter einer akustischen Gitarre versteht man ein Instrument, das den Klang mechanisch ohne elektronische Unterstützung erzeugt, während bei einer elektrischen Gitarre der Klang nicht ausschließlich mechanisch hervorgebracht, sondern elektronisch erzeugt oder verstärkt wird. Der Begriff „sonic“ wird in der englischen Sprache jedoch nicht zur Beschreibung eines in diesem Sinne akustischen Instruments verwendet, da er wesentlich weiter ist und jede Art von Schall erfasst. Sogenannte akustische Gitarren werden im Englischen entsprechend nicht als „sonic guitar“, sondern als „acoustic“ oder „Spanish guitar“ bezeichnet.

15

Zudem findet sich bei Orgeln - anders als bei Gitarren - die Unterscheidung „akustisch - elektronisch“ nicht. Orgeln, die den Klang ohne elektronische Unterstützung erzeugen, werden als „Pfeifenorgeln“ bezeichnet (https://wikipedia.org/wiki/Orgel). Auch die Register, die für die Klangfarbe einer Orgel bestimmend sind, werden nicht mit „akustisch“ beschrieben, sondern haben eine Vielzahl unterschiedlicher Namen, die den erzeugten Klang konkreter beschreiben, wie z. B. Blockflöte, Bombarde, Carillon, Dulcian, Kornett etc. (https://wikipedia.org/wiki, Liste von Orgelregistern). Entsprechendes gilt in der englischen Sprache (http://www.organstops.org/s/).

16

Auch die von der Markenstelle angeführten Fundstellen sind nicht geeignet, die Eignung des englischen Begriffs als Merkmalsangabe zu belegen. Zum einen handelt es sich dabei ausschließlich um englischsprachige Fundstellen, die als Nachweis für das Verständnis des inländischen Verbrauchers bzw. Fachverkehrs nicht ohne weiteres herangezogen werden können, zum anderen erscheint das Wort „sonic“ darin durchgehend in Begriffskombinationen, die erst in ihrer Gesamtheit als Sachaussage über die angemeldeten Waren verstanden werden können, nicht aber in der hier angemeldeten isolierten Verwendung des Wortes „Sonic“.

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Da es an Nachweisen für eine beschreibende Verwendung des Begriffs „sonic“ in Alleinstellung für Musikinstrumente im Allgemeinen und Orgeln im Besonderen fehlt, kann nicht davon ausgegangen werden, dass den angesprochenen Verkehrskreisen die deutsche Bedeutung des englischen Begriffs „den Schall betreffend, klanglich“ geläufig ist. Selbst wenn die Fachverkehrskreise des Handels die deutsche Bedeutung des Begriffs kennen sollten, ist er mangels eines konkreten Aussagegehalts nicht geeignet, elektronische Orgeln in irgendeiner Weise konkret zu beschreiben. Der Umstand, dass Musik immer etwas mit Schallerzeugung zu tun hat, genügt nicht, um ein Freihaltebedürfnis für das englische Adjektiv „sonic“ im Sinne von „den Schall betreffend“ für die beanspruchten Waren anzunehmen. Dies gilt jedenfalls dann, wenn es wie angemeldet in Alleinstellung verwendet wird. Dass der Begriff in Kombination mit hinzugedachten Wortelementen wie etwa „quality“, „effect“ oder „experience“ zu einer Sachaussage über die Waren verbunden werden kann, ist unbeachtlich, da das Zeichen zur Feststellung seiner Schutzfähigkeit immer in seiner angemeldeten Form ohne Hinzudenken weiterer Bestandteile zu beurteilen ist (BGH, GRUR 2011, 65, Rdnr. 14, 18 - Buchstabe T mit Strich).

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2. Dem Anmeldezeichen kann aus dem gleichen Grund auch nicht jegliche Unterscheidungskraft gemäß § 8 Abs. 2 Nr. 1 MarkenG abgesprochen werden. Da der englische Begriff - soweit seine deutsche Bedeutung überhaupt bekannt ist - in Alleinstellung keine hinreichend klare Sachaussage vermittelt, wird der angesprochene Verkehr ihn, wenn er ihm auf elektronischen Orgeln begegnet, nicht als Sachhinweis im Zusammenhang mit den beanspruchten Waren verstehen. Die Eignung, für elektronische Orgeln als betrieblicher Herkunftshinweis zu dienen, kann ihm deshalb nicht abgesprochen werden.

19

Daher war der angegriffene Beschluss aufzuheben.