Entscheidungsdatum: 13.10.2017
In der Beschwerdesache
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betreffend die Markenanmeldung 30 2015 050 846.2
hat der 28. Senat (Marken-Beschwerdesenat) des Bundespatentgerichts am 13. Oktober 2017 unter Mitwirkung des Vorsitzenden Richters Prof. Dr. Kortbein, des Richters Schmid und des Richters Dr. Söchtig
beschlossen:
Der Beschluss des Deutschen Patent- und Markenamts vom 15. März 2016 wird aufgehoben.
I.
Das Wort-/Bildzeichen
ist am 25. August 2015 zur Eintragung als Wort-/Bildmarke in das beim Deutschen Patent- und Markenamt geführte Register für nachfolgende Waren angemeldet worden:
„Klasse 09: Optische Geräte, insbes. Feldstecher, Ferngläser, Fernrohre, Zielfernrohre, Zielgeräte für Waffen, Teleskope, Schutzhelme, Metalldetektoren für gewerbliche oder militärische Zwecke
Klasse 13: Schusswaffen (Feuerwaffen), insbesondere sog. Freie Waffen mit einer Bewegungsenergie bis 7,5 Joule z. B. Luftgewehre u. –pistolen. Schreckschuss bzw. Signalwaffen, Munition und Geschosse, Softairwaffen, Paintballwaffen, Gewehrfutterale, Patronentaschen, Selbstverteidigungssprays,
Klasse 28: Spielwaren, Spielzeug, Spielzeugwaffen, Pistolen (Spielwaren), Munition für Farbkugelpistolen, Modellbausätze (Spielwaren), Zwillen, Steinschleudern (Sportartikel), Schießscheiben, Schießscheibenkästen“.
Das Deutsche Patent- und Markenamt, Markenstelle für Klasse 13, hat die Anmeldung, nach vorangegangener Beanstandung vom 23. September 2015, mit Beschluss vom 15. März 2016 zurückgewiesen, da es dem Anmeldezeichen in Bezug auf die beanspruchten Waren an der für eine Eintragung erforderlichen Unterscheidungskraft gemäß § 8 Abs. 2 Nr. 1 MarkenG fehle.
Zur Begründung hat es ausgeführt, der Begriff „MAXTACTICAL“ erschöpfe sich für den angesprochenen Verkehr in einer rein sachbezogenen Angabe ohne erkennbaren herkunftshinweisenden Gehalt. Bei den angesprochenen Verkehrskreisen handele es sich insbesondere um den durchschnittlich informierten, aufmerksamen und verständigen Durchschnittsverbraucher. Dieser verstehe den Begriff „MAXTACTICAL“ angesichts der bei ihm vorhandenen Grundkenntnisse der englischen Sprache als maximal („MAX“) taktisch („TACTICAL“), wobei er „MAX“ als Abkürzung des englischen Wortes „maximal“ auffasse. Daher begreife der Verkehr den Begriff „MAXTACTICAL“ in seiner Gesamtheit lediglich als einen Hinweis auf die Verwendung oder den Einsatz der solchermaßen gekennzeichneten Waren im Sinne einer maximalen (optimalen) taktischen Verwendung derselben oder der Erfüllung maximaler taktischer Erfordernisse mit diesen. Dabei könnten die angesprochenen Verkehrskreise einen solchen Bezug zu den entsprechend gekennzeichneten Waren sofort und ohne weiteres Nachdenken herstellen.
Auch der Einwand des Anmelders, der angesprochene Verkehr werde den Zeichenbestandteil „TACTICAL“ in Bezug auf Waffen lediglich mit nuklearen Waffen in Verbindung bringen, sei nicht geeignet, ein anderweitiges Ergebnis zu rechtfertigen. Der angesprochene Durchschnittsverbraucher werde das Zeichen „MAXTACTICAL“ in Verbindung mit den damit gekennzeichneten Waren nämlich nicht lexikalisch im Sinne von taktische Waffen, sondern vielmehr im Sinne von taktischer Verwendung und damit als Aussage über den Verwendungszweck der solchermaßen gekennzeichneten Waren verstehen.
Insbesondere aufgrund der Kombination des Begriffs „MAX“ mit dem nachfolgenden englischen Adjektiv „TACTICAL“ werde er ferner den ersten Zeichenbestandteil lediglich als englischsprachige Abkürzung von „maximal“ und nicht etwa als den Vornamen „MAX“ auffassen. Auch die konkrete Wiedergabe des Zeichenelements „MAX“ in Positiv-/Negativdruck und des Anmeldezeichens in Großbuchstaben sei nicht geeignet, diesem hinreichende Unterscheidungskraft zu verleihen, da es sich um werbeübliche Gestaltungsformen handele, die keine außergewöhnlichen Merkmale besitzen würden. Ob einer Eintragung des Anmeldezeichens darüber hinaus auch ein Freihaltebedürfnis gemäß § 8 Abs. 2 Nr. 2 MarkenG entgegenstehe, könne daher im Ergebnis dahinstehen.
Hiergegen wendet sich der Anmelder mit seiner Beschwerde vom 22. März 2016, mit der er sinngemäß beantragt,
den Beschluss des Deutschen Patent- und Markenamtes vom 15. März 2016 aufzuheben.
Entgegen seiner anders lautenden Ankündigung im Schriftsatz vom 22. März 2016 hat der Anmelder nachfolgend keine Begründung seiner Beschwerde zu den Akten gereicht.
Hinsichtlich der weiteren Einzelheiten wird auf den Akteninhalt verwiesen.
II.
Die zulässige Beschwerde hat in der Sache Erfolg. Zu Unrecht hat das Deutsche Patent- und Markenamt mit seinem Beschluss vom 15. März 2016 die Anmeldung zurückgewiesen. Der Eintragung des Anmeldezeichens steht weder das Schutzhindernis der fehlenden Unterscheidungskraft gemäß § 8 Abs. 2 Nr. 1 MarkenG entgegen, noch besteht an diesem ein Freihaltebedürfnis gemäß § 8 Abs. 2 Nr. 2 MarkenG.
Der Senat konnte ohne mündliche Verhandlung entscheiden, da der Anmelder keinen Antrag auf Durchführung einer mündlichen Verhandlung gestellt hat (§ 69 Nr. 1 MarkenG) und eine solche auch nicht aus Sachdienlichkeit geboten war (§ 69 Nr. 3 MarkenG). Ebenso musste die Beschwerdebegründung nicht angemahnt werden, da sie bereits am 22. März 2016 angekündigt wurde und damit zwischenzeitlich eine angemessene Frist verstrichen ist (vgl. Ströbele/Hacker, Markengesetz, 11. Auflage, § 66, Rdnr. 42).
1. Unterscheidungskraft gemäß § 8 Abs. 2 Nr. 1 MarkenG ist die dem Zeichen innewohnende (konkrete) Eignung, vom Verkehr als Unterscheidungsmittel aufgefasst zu werden, das die von der Anmeldung erfassten Waren und Dienstleistungen als von einem bestimmten Unternehmen stammend kennzeichnet und diese somit von denjenigen anderer Unternehmen unterscheidet (vgl. EuGH GRUR 2012, 610, Rdnr. 42 - Freixenet; GRUR 2008, 608, Rdnr. 66 f. - EUROHYPO; BGH GRUR 2014, 569, Rdnr. 10 - HOT; GRUR 2013, 731, Rdnr. 11 - Kaleido; GRUR 2012, 1143, Rdnr. 7 - Starsat; GRUR 2012, 1044, Rdnr. 9 - Neuschwanstein; GRUR 2010, 825, Rdnr. 13 - Marlene-Dietrich-Bildnis II; GRUR 2010, 935, Rdnr. 8 - Die Vision; GRUR 2006, 850, Rdnr. 18 - FUSSBALL WM 2006). Denn die Hauptfunktion einer Marke besteht darin, die Ursprungsidentität der gekennzeichneten Waren und Dienstleistungen zu gewährleisten (vgl. EuGH GRUR 2006, 233, Rdnr. 45 - Standbeutel; GRUR 2006, 229, Rdnr. 27 - BioID; GRUR 2008, 608, Rdnr. 66 - EUROHYPO; BGH GRUR 2008, 710, Rdnr. 12 - VISAGE; GRUR 2009, 949, Rdnr. 10 - My World). Da allein das Fehlen jeglicher Unterscheidungskraft ein Eintragungshindernis begründet, ist nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofes ein großzügiger Maßstab anzulegen, so dass jede auch noch so geringe Unterscheidungskraft genügt, um das Schutzhindernis zu überwinden (vgl. BGH GRUR 2012, 1143, Rdnr. 7 - Starsat; GRUR 2012, 1044, Rdnr. 9 - Neuschwanstein; GRUR 2012, 270, Rdnr. 8 - Link economy).
Maßgeblich für die Beurteilung der Unterscheidungskraft sind einerseits die beanspruchten Waren und Dienstleistungen und andererseits die Auffassung der beteiligten inländischen Verkehrskreise, wobei auf die Wahrnehmung des Handels und/oder des normal informierten, angemessen aufmerksamen und verständigen Durchschnittsverbrauchers bzw. -abnehmers der fraglichen Produkte abzustellen ist (vgl. EuGH GRUR 2006, 411, Rdnr. 24 - Matratzen Concord/Hukla; GRUR 2004, 943, Rdnr. 24 - SAT.2; BGH GRUR 2010, 935, Rdnr. 8 - Die Vision; GRUR 2010, 825, Rdnr. 13 - Marlene-Dietrich-Bildnis II; GRUR 2006, 850, Rdnr. 18 - FUSSBALL WM 2006).
Hiervon ausgehend besitzen Zeichen dann keine Unterscheidungskraft, wenn ihnen die maßgeblichen Verkehrskreise im Zeitpunkt der Anmeldung des Zeichens (vgl. BGH GRUR 2013, 1143, Rdnr. 15 - Aus Akten werden Fakten) lediglich einen im Vordergrund stehenden beschreibenden Begriffsinhalt zuordnen (vgl. EuGH GRUR 2004, 674, Rdnr. 86 - Postkantoor; BGH GRUR 2012, 270, Rdnr. 11 - Link economy; GRUR 2009, 952, Rdnr. 10 - DeutschlandCard; GRUR 2006, 850, Rdnr. 19 - FUSSBALL WM 2006; GRUR 2005, 417 - BerlinCard; GRUR 2001, 1151 - marktfrisch; GRUR 2001, 1153 - antiKALK) oder wenn diese aus gebräuchlichen Wörtern oder Wendungen der deutschen Sprache oder einer geläufigen Fremdsprache bestehen, die - etwa wegen einer entsprechenden Verwendung in der Werbung oder in den Medien - stets nur als solche und nicht als Unterscheidungsmittel verstanden werden (vgl. u. a. BGH GRUR 2006, 850, Rdnr. 19 - FUSSBALL WM 2006; GRUR 2003, 1050 - Cityservice; GRUR 2001, 1143 - Gute Zeiten - Schlechte Zeiten). Darüber hinaus besitzen keine Unterscheidungskraft auch solche Zeichen, die sich auf Umstände beziehen, welche die beanspruchten Waren oder Dienstleistungen zwar nicht unmittelbar betreffen, durch die aber ein enger beschreibender Bezug zu diesen hergestellt wird (vgl. BGH GRUR 2010, 1100, Rdnr. 23 - TOOOR!; GRUR 2006, 850, Rdnr. 28 - FUSSBALL WM 2006).
Hiervon ausgehend kann dem Anmeldezeichen die für eine Eintragung erforderliche Unterscheidungskraft nicht abgesprochen werden.
a) Das Anmeldezeichen setzt sich aus den nebeneinander angeordneten Zeichenbestandteilen „MAX“ und „TACTICAL“ zusammen. Der erste Bestandteil „MAX“ wird sowohl im Deutschen als auch im Englischen als übliche Abkürzung für das jeweilige Adjektiv „maximal“ verwendet (vgl. unter www.dict.cc - „max“ sowie „maximal“). Dabei hat das deutsche Wort „maximal“ in Verbindung mit einem nachfolgenden Begriff u. a. die Bedeutung von „größt…“ oder „höchst…“ (vgl. unter www.duden.de - „maximal“). Der Begriff „MAX“ kann zwar für sich betrachtet auch die Abkürzung des männlichen Vornamens „Maximilian“ sein, jedoch ist insbesondere in Kombination mit dem nachfolgenden englischen Adjektiv „TACTICAL“ ein solches Verständnis der angesprochenen Verkehrskreise fernliegend. Es gehört zum englischen Grundwortschatz und hat die Bedeutung „taktisch“ (vgl. unter www.dict.cc - „tactical“), die dem angesprochenen Verkehr weitgehend bekannt ist. Er umfasst die allgemeinen (waffenaffinen) Durchschnittsverbraucher als auch die Fachkreise, welche das Anmeldezeichen „MAXTACTICAL“ in seiner Gesamtheit unschwer als „maximal taktisch“ oder „höchst taktisch“ verstehen werden.
b) Entgegen der Auffassung des Deutschen Patent- und Markenamtes in seinem angegriffenen Beschluss beschreibt das Anmeldezeichen die beanspruchten Waren nicht unmittelbar. Die optischen Geräte, Schutzhelme, Metalldetektoren, Waffen samt Zubehör, Spielwaren und Sportartikel können nicht „maximal taktisch“ oder „höchst taktisch“ sein. „Taktik“ stellt ein „aufgrund von Überlegungen im Hinblick auf Zweckmäßigkeit und Erfolg festgelegtes Vorgehen“ dar (vgl. unter www.duden.de - „Taktik“). Voraussetzung ist somit eine dem „taktischen“ Vorgehen vorgeschaltete menschliche Entscheidung, welche reinen Sachen per se fremd ist.
c) Die Wortkombination „MAXTACTICAL“ weist darüber hinaus keinen engen beschreibenden Bezug zu den angemeldeten Waren auf, der die Annahme rechtfertigen könnte, der Verkehr werde den beschreibenden Inhalt als solchen ohne Weiteres und ohne Unklarheiten erfassen (vgl. hierzu Kur/Eichelberger, Markenrecht, 1. Auflage, 2017, § 8, Rdnr. 163). Sie vermittelt allenfalls beschreibende Anklänge. Allein dies steht der Eintragung jedoch nicht entgegen, denn der Verkehr nimmt ein Zeichen in der Regel so wahr, wie es ihm entgegentritt und unterwirft es keiner analysierenden, möglichen beschreibenden Begriffsinhalten nachgehenden Betrachtung (vgl. Kur/Eichelberger, a. a. O., § 8, Rdnr. 165).
Mit Hilfe der gegenständlichen Waren können zwar (menschliche) taktische Vorgaben umgesetzt werden. Um zu einem solchen Begriffsverständnis zu gelangen, bedarf es hingegen mehrerer Gedankenschritte. Zunächst muss der angesprochene Verkehr von dem Bedeutungsinhalt des Anmeldezeichens „höchst taktisch“ in Bezug auf die beanspruchten Waren den Schluss ziehen, dass diese selbst nicht taktisch sein können. Sodann ist ein weiterer Gedankenschritt dergestalt erforderlich, dass ein taktisches Vorgehen (im Sinne einer Planung) nachfolgend der konkreten tatsächlichen Umsetzung bedarf. Schließlich muss der Verkehrsteilnehmer in einem weiteren Gedankenschritt darauf schließen, dass zumindest ein Großteil der vom Anmeldezeichen beanspruchten Waren im Rahmen dieser zuvor erdachten taktischen Vorgabe und dieser entsprechend eingesetzt werden kann. Hieraus folgt jedoch, dass der angesprochene Verkehr nicht sofort und ohne weiteres Nachdenken einen konkreten und direkten Bezug zwischen dem Anmeldezeichen und den beanspruchten Waren herstellen kann, es vielmehr mehrerer Überlegungen bedarf, was der fehlenden Unterscheidungskraft des Anmeldezeichens entgegensteht (vgl. hierzu EuGH GRUR 2010, 534 - PRANAHAUS).
Zusammenfassend reichen die beschreibenden Anklänge folglich nicht aus, um dem in Rede stehenden Zeichen die notwendige Unterscheidungskraft absprechen zu können (vgl. Ströbele/Hacker, a. a. O., § 8, Rdnr. 165).
2. Aus vorstehend Gesagtem folgt im Ergebnis weiter, dass der Eintragung des Anmeldezeichens auch nicht das Schutzhindernis des Bestehens eines Freihaltebedürfnisses gemäß § 8 Abs. 2 Nr. 2 MarkenG entgegensteht.
Der Beschwerde war daher stattzugeben.