Entscheidungsdatum: 02.02.2017
In der Beschwerdesache
…
betreffend die Marke 30 2013 063 013
hat der 28. Senat (Marken-Beschwerdesenat) des Bundespatentgerichts am 2. Februar 2017 unter Mitwirkung des Vorsitzenden Richters Prof. Dr. Kortbein und der Richter Schmid und Dr. Söchtig
beschlossen:
1. Auf die Beschwerde der Widersprechenden wird der Beschluss der Markenstelle für Klasse 4 des Deutschen Patent- und Markenamts vom 15. Juni 2015 aufgehoben.
2. Wegen des Widerspruchs aus der Unionsmarke 009 629 775 wird die Löschung der Eintragung der Marke DE 30 2013 063 013 angeordnet.
3. Der Antrag des Beschwerdegegners auf Kostenauferlegung wird zurückgewiesen. Jeder Beteiligte trägt die ihm erwachsenen Kosten selbst.
I.
Die am 17. November 2013 angemeldete Wortmarke 30 2013 063 013
lux2or
ist am 17. Dezember 2013 für die nachstehenden Waren und Dienstleistungen in das beim Deutschen Patent- und Markenamt (DPMA) geführte Markenregister eingetragen worden:
Klasse 4: elektrische Energie;
Klasse 39: Verteilung von Energie;
Klasse 40: Erzeugung von Energie.
Gegen die Eintragung dieser Marke hat die Inhaberin der am 28. Dezember 2010 angemeldeten und am 4. August 2012 eingetragenen Unionsmarke 009 629 775
LUXOR
Widerspruch erhoben. Die Eintragung der Widerspruchsmarke umfasst u. a. die folgenden Waren und Dienstleistungen der Klassen 4, 39 und 40:
Klasse 4: elektrische Energie;
Klasse 39: Lieferung und Verteilung von Energie;
Klasse 40: Erzeugung von Energie.
Die Markenstelle für Klasse 4 des DPMA hat den Widerspruch mit Beschluss vom 15. Juni 2015 zurückgewiesen. Sie hat zur Begründung ausgeführt, dass zwischen den Vergleichszeichen keine Verwechslungsgefahr bestehe. Zwar seien die für die angegriffene Marke eingetragenen Waren und Dienstleistungen mit für die Widerspruchsmarke geschützten Waren und Dienstleistungen identisch. Ferner sei von durchschnittlicher Kennzeichnungskraft der Widerspruchsmarke auszugehen. Dennoch halte die angegriffene Marke bei Abwägung der relevanten Umstände des Einzelfalls den erforderlichen Zeichenabstand zur Widerspruchsmarke ein. Die in die angegriffene Marke aufgenommene Ziffer „2“ werde durch das Publikum als Bruch des Wortgefüges wahrgenommen, der in klanglicher und visueller Hinsicht eine hinreichende Unterscheidung der Zeichen zulasse.
Dagegen richtet sich die Beschwerde der Widersprechenden, mit der sie geltend macht, dass zwischen den Marken Verwechslungsgefahr bestehe. Die Markenstelle gehe zu Unrecht davon aus, dass die angegriffene Marke dem gebotenen deutlichen Abstand zur Widerspruchsmarke Rechnung trage. Die jüngere Marke stimme am Wortanfang „lux“ als auch am Wortende „or“ mit der älteren Marke überein und unterscheide sich durch die in der Wortmitte eingeschobene Ziffer „2“ in schriftbildlicher und klanglicher Hinsicht nur unerheblich von letztgenannter.
Die Widersprechende beantragt sinngemäß,
den Beschluss der Markenstelle für Klasse 4 des Deutschen Patent- und Markenamts vom 15. Juni 2015 aufzuheben und wegen des Widerspruchs aus der Unionsmarke 009 629 775 die Löschung der Eintragung der angegriffenen Marke DE 30 2013 063 013 anzuordnen.
Der Inhaber der angegriffenen Marke beantragt,
die Beschwerde der Widersprechenden zurückzuweisen und
der Beschwerdeführerin die Kosten des Verfahrens aufzuerlegen.
Zur Begründung führt er aus, zwischen den Marken bestehe keine durchschnittliche Zeichenähnlichkeit, so dass die Markenstelle zutreffend das Vorliegen einer Verwechslungsgefahr verneint habe. Während die angegriffene Marke über drei Silben verfüge, weise die Widerspruchsmarke nur 2 Wortsilben auf. In schriftbildlicher Hinsicht unterscheide sich die angegriffene Wortmarke „lux2or“ durch die Zeichenlänge sowie durch die Aufnahme der Ziffer „2“, wobei die Ziffer „2“ als ein besonders unterscheidungskräftiges Merkmal wahrgenommen werde. Ferner wirke der abweichende Begriffsgehalt der Zeichen der Gefahr von Verwechslungen entgegen. Die Widerspruchsmarke „LUXOR“ sei der Name einer ägyptischen Stadt. Die angegriffene Marke werde im Zusammenhang der registrierten Waren und Dienstleistungen im Sinne von „Licht zu Gold“ verstanden.
Ergänzend wird auf den angefochtenen Beschluss der Markenstelle, die Schriftsätze der Beteiligten und den übrigen Akteninhalt verwiesen.
II.
Die zulässige Beschwerde der Widersprechenden hat in der Sache Erfolg. Entgegen der Auffassung der Markenstelle besteht zwischen den Vergleichsmarken Verwechslungsgefahr gemäß § 9 Abs. 1 Nr. 2 MarkenG i. V. m. § 125b Nr. 1 MarkenG, so dass der angefochtene Beschluss aufzuheben und die Löschung der Eintragung der Marke DE 30 2013 063 013 anzuordnen war (§ 43 Abs. 2 Satz 1 MarkenG).
1. Die Frage der Verwechslungsgefahr gemäß § 9 Abs. 1 Nr. 2 MarkenG ist nach ständiger höchstrichterlicher Rechtsprechung unter Berücksichtigung aller Umstände, insbesondere der zueinander in Wechselbeziehung stehenden Faktoren der Ähnlichkeit der Marken, der Ähnlichkeit der damit gekennzeichneten Waren oder Dienstleistungen sowie der Kennzeichnungskraft der prioritätsälteren Marke zu beurteilen, wobei insbesondere ein geringerer Grad der Ähnlichkeit der Marken durch einen höheren Grad der Ähnlichkeit der Waren oder Dienstleistungen oder durch eine erhöhte Kennzeichnungskraft der älteren Marke ausgeglichen werden kann und umgekehrt (EuGH GRUR 2010, 1098, Rdnr. 44 – Calvin Klein/HABM; GRUR 2010, 933, Rdnr. 32 – Barbara Becker; GRUR 2006, 237, 238 – PICARO/ PICASSO; BGH GRUR 2014, 488, Rdnr. 9 – DESPERADOS/DESPERADO; GRUR 2012, 1040, Rdnr. 25 – pjur/pure; GRUR 2010, 235, Rdnr. 15 – AIDA/ AIDU; GRUR 2009, 484, Rdnr. 23 – METROBUS; GRUR 2008, 905, Rdnr. 12
– Pantohexal; GRUR 2008, 258, Rdnr. 20 – INTERCONNECT/T-InterConnect; GRUR 2006, 859, Rdnr. 16 – Malteserkreuz I; GRUR 2006, 60, Rdnr. 12
– coccodrillo m. w. N.).
Nach diesen Grundsätzen besteht vorliegend für das Publikum die Gefahr von Verwechslungen der beiderseitigen Marken.
2. Die für die angegriffene Marke registrierten Waren und Dienstleistungen sind identisch im Waren- und Dienstleistungsverzeichnis der Widerspruchsmarke enthalten (Klasse 4: elektrische Energie, Klasse 39: Verteilung von Energie, Klasse 40: Erzeugung von Energie).
3. Die Widerspruchsmarke verfügt mangels anderer Anhaltspunkte über durchschnittliche Kennzeichnungskraft. Insbesondere ist nicht geltend gemacht oder ersichtlich, dass sich das Wortzeichen „LUXOR“ als Hinweis auf die geographische Herkunft der identischen Waren und Dienstleistungen aus der in Oberägypten gelegenen Stadt Luxor eignet. Die Widerspruchsmarke „LUXOR“ stellt ferner eine eigenständige und hinreichend fantasievolle Abwandlung der Angabe „LUXUS“ dar, wobei es keiner abschließenden Klärung bedarf, ob das Wort „LUXUS“ in Verbindung mit den identischen Waren und Dienstleistungen als bloße Qualitätsberühmung aufgefasst werden würde. Auch für eine sonstige Schwächung der Kennzeichnungskraft der Widerspruchsmarke, insbesondere im Hinblick auf einen durch benutzte Drittmarken hervorgerufenen Originalitätsmangel, fehlen Hinweise (vgl. Ströbele/Hacker, Markengesetz, 11. Aufl., § 9, Rdnr. 174 ff.).
4. Im Rahmen der bei der Beurteilung der Verwechslungsgefahr erforderlichen Gesamtabwägung hält die angegriffene Marke mit Blick auf die vorgenannten Umstände den gebotenen Abstand zur Widerspruchsmarke nicht ein, selbst wenn zugunsten der Inhaberin der angegriffenen Marke angenommen wird, dass die angesprochenen Endverbraucher Kennzeichen der einschlägigen Produkte auf dem Gebiet der Energieversorgung mit gehobener Aufmerksamkeit begegnen.
a) Eine für das Vorliegen einer Verwechslungsgefahr relevante Markenähnlichkeit kann in klanglicher, schriftbildlicher oder begrifflicher Hinsicht bestehen, wobei für die Annahme einer Verwechslungsgefahr Übereinstimmungen in einer dieser Kategorien ausreichen (vgl. Ströbele/Hacker, Markengesetz, 11. Aufl., § 9, Rdnr. 254 m. w. N.). Dabei sind regelmäßig die Vergleichsmarken als Ganzes gegenüberzustellen, da der Verkehr eine Marke so aufnimmt, wie sie ihm entgegentritt, ohne sie einer analysierenden und zergliedernden Betrachtungsweise zu unterziehen (vgl. Ströbele/Hacker, Markengesetz, 11. Aufl., § 9, Rdnr. 237 m. w. N.). Dabei ist zu berücksichtigen, dass das Publikum die Marken regelmäßig nicht gleichzeitig nebeneinander wahrnimmt und sie deshalb nicht unmittelbar miteinander vergleichen kann. Vielmehr gewinnt er seine Auffassung in der Regel nur aufgrund einer meist undeutlichen Erinnerung an eine der verschiedenen Marken (vgl. EuGH GRUR Int. 2007, 718, 721, Rdnr. 60 – Travatan II; s. auch m. w. N. Ströbele/Hacker, Markengesetz, 11. Aufl., § 9, Rdnr. 237).
b) Nach diesen Grundsätzen kann eine noch durchschnittliche schriftbildliche Zeichenähnlichkeit zwischen den Vergleichsmarken nicht verneint werden. Im Rahmen der Prüfung der schriftbildlichen Ähnlichkeit von Wortmarken sind neben der registrierten Markendarstellung auch alle anderen verkehrsüblichen Schreibweisen zu berücksichtigen (vgl. m. w. N. Ströbele/Hacker, Markengesetz, 11. Aufl., § 9, Rdnr. 282). Deswegen ist – was die Markenstelle nicht ausreichend berücksichtigt hat – auch in Bezug auf die angegriffene Marke von einer Wiedergabe in Großschreibung, also „LUX2OR“, auszugehen. Bei einer derartigen Gestaltung tritt die eingeschobene Ziffer „2“ im schriftbildlichen Gesamteindruck des Zeichens nach drei und vor zwei weiteren mit Oberlängen ausgebildeten Buchstaben nicht einer Weise hervor, die eine zuverlässige Unterscheidung der Zeichen zulässt. Denn die Buchstabenbestandteile der angegriffenen Marke haben nach Umfang und Gewichtung erheblichen Einfluss auf den schriftbildlichen Gesamteindruck. Zwar unterstützt der Bestandteil „2“ der angegriffenen Marke, der als Ziffer einen Fremdkörper darin bildet und deswegen trotz seiner Anordnung in der Wortmitte gewisse Beachtung erfährt, die Abgrenzung der Zeichen. Der Einschub der Ziffer „2“ führt jedoch nicht zu einer grundlegenden Verfremdung des Gesamteindrucks.
c) Entgegen der Auffassung des Inhabers der angegriffenen Marke wird die Verwechslungsgefahr vorliegend auch nicht durch einen abweichenden Sinngehalt der Vergleichsmarken ausgeräumt. Eine Reduzierung der Verwechslungsgefahr aufgrund eines abweichenden Sinngehalts setzt voraus, dass dieser vom Verkehr auch bei flüchtiger Wahrnehmung sofort erfasst wird und sein Verständnis keinen weitergehenden Denkvorgang erfordert (vgl. EuGH, Beschluss vom 15. Januar 2010, C-579/08, Rdnr. 57 – Ferromix/FERROMAXX; BGH GRUR 2004, 240, 241, Rdnr. 18 – MIDAS/medAS). In Bezug auf die angegriffene Marke liegt es fern, dass das angesprochene Publikum ihr ohne analysierende Betrachtung die Bedeutung „Licht zu Gold“ zuordnet. Das lateinische Wort „LUX“ und der französischsprachige Ausdruck „OR“ sind den inländischen Verkehrskreisen nicht derart geläufig, dass es sich trotz der geschlossenen Schreibweise des Gesamtbegriffs aufdrängen würde, diesen Bestandteilen einen selbständigen Sinn beizulegen. Auch der Einschub der Ziffer „2“, der im Inland auch als verkürzte Form des englischsprachigen Worts „to“ bekannt ist, veranlasst das Publikum jedenfalls bei einer geschlossenen Verbindung von allenfalls eingeschränkt geläufigen Ausdrücken nicht zu einem derartigen Verständnis. Vielmehr wird das Publikum in Bezug auf beide Marken vorrangig von dem Gesamtwort „LUX_OR“ ausgehen, so dass es der angegriffenen Marke keinen abweichenden Bedeutungsgehalt zuordnet.
Die Beschwerde der Widersprechenden war daher stattzugeben.
5. Für eine Abweichung von dem in § 71 Abs. 1 Satz 2 MarkenG normierten Grundsatz, dass jeder Beteiligte die ihm erwachsenen Kosten selbst trägt, besteht vorliegend kein Anlass. Es liegen keine Gründe vor, die entsprechend dem Antrag des Beschwerdegegners die Auferlegung der Kosten auf die Beschwerdeführerin aus Billigkeitsgründen gemäß § 71 Abs. 1 Satz 1 MarkenG angezeigt erscheinen lassen. Sie sind weder vorgetragen worden noch ersichtlich. Insofern war der Antrag des Beschwerdegegners auf Kostenauferlegung zurückzuweisen, so dass es bei der Regelung gemäß § 71 Abs. 1 Satz 2 MarkenG verbleibt.