Entscheidungsdatum: 13.01.2016
In der Beschwerdesache
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betreffend die Marke 30 2010 040 310
hat der 28. Senat (Marken-Beschwerdesenat) des Bundespatentgerichts auf die mündliche Verhandlung vom 13. Januar 2016 unter Mitwirkung der Richterin Uhlmann als Vorsitzende, des Richters Merzbach und des Richters am Landgericht Dr. Söchtig
beschlossen:
Auf die Beschwerde des Widersprechenden wird der Beschluss der Markenstelle für Klasse 10 des Deutschen Patent- und Markenamts vom 21. Juni 2013 aufgehoben, soweit der Widerspruch gegen die Marke 30 2010 040 310 aus der Marke 307 77 674 für die Waren der
Klasse 11: Toiletten (WC); Toilettenschüsseln (WC); Toilettensitze (WC);
Klasse 24: Duschvorhänge aus textilem Material
zurückgewiesen worden ist. Für die genannten Waren und Dienstleistungen wird die Löschung der Marke 30 2010 040 310 aufgrund des Widerspruchs aus der Marke 307 77 674 angeordnet.
Im Übrigen wird die Beschwerde zurückgewiesen.
I.
Die in den Farben Blau und Weiß eingetragene Wort-/Bildmarke
ist am 6. Juli 2010 zur Eintragung als Marke in das beim Deutschen Patent- und Markenamt geführte Register angemeldet und am 23. November 2010 eingetragen worden. Nach einer Einschränkung des Waren- und Dienstleistungsverzeichnisses am 24. März 2011 ist sie für die folgenden Waren der
Klasse 10: Akupunkturnadeln; Analysegeräte für medizinische Zwecke; Apparate für die künstliche Beatmung; Atemgeräte für die künstliche Beatmung; Becken für medizinische Zwecke; Behälter zur Verabreichung von Arzneimitteln; Drainageröhren für medizinische Zwecke; Einbläser [medizinische Geräte]; Eisbeutel für medizinische Zwecke; Endstücke für Krücken; Fingerlinge für medizinische Zwecke; Flaschensauger; Gehörschutzgeräte; Geräte für die Physiotherapie; Geräte zum Spülen von Körperhöhlen; Gürtel für medizinische Zwecke; Gürtel, orthopädische; Handschuhe für medizinische Zwecke; Harnflaschen [Urinale]; Harnröhrensonden; Harnröhrenspritzen; Hebevorrichtungen für Behinderte; Heizdecken für medizinische Zwecke; Heizkissen [elektrisch] für medizinische Zwecke; Hörgeräte; Hörrohre; Hüftgürtel [Hüfthalter] für medizinische Zwecke; Hühneraugenmesser; Infusionsgeräte; Inhalationsapparate; Injektionsspritzen für medizinische Zwecke; Irrigatoren für medizinische Zwecke; Kanülen; Katheter; Kissen für medizinische Zwecke; Kissen zur Verhütung von Durchliegen von Kranken [Decubitus-Prophylaxe]; Krankentragen; Krankenunterlagen; Krücken, insbesondere Krankenstöcke aus Holz, Leichtmetall, Achselstützen, Gehgestelle, Vierfußgehstützen; Lanzetten; Leibbinden; Leibhalter; Löffel für Arzneien; luftgefüllte Kopfkissen für medizinische Zwecke; Luftkissen für medizinische Zwecke; Luftmatratzen für medizinische Zwecke; Masken für medizinisches Personal; Massagegeräte; Massagegeräte für die Schönheitspflege; Massagehandschuhe; Massagehandschuhe aus Rosshaar; medizinische Apparate und Instrumente; medizinische Geräte für Körperübungen und Krankengymnastik; Medizinlöffel; Messer für chirurgische Zwecke; Nachtstühle, Leibstühle; Nadeln für medizinische Zwecke; Ohrreinigungsgeräte; orthopädische Artikel; Pilleneingeber; Pumpen für medizinische Zwecke; Saugflaschen; Saugflaschenverschlüsse; Scheren für chirurgische Zwecke; Schienen für chirurgische Zwecke; Schröpfköpfe; Skalpelle; Sonden für medizinische Zwecke; Spezialbehälter für medizinischen Abfall; Spezialbetten für die medizinische Versorgung; Spezialkoffer für medizinische Instrumente; Spezialmöbel für medizinische Zwecke, Spritzen für medizinische Zwecke; Spucknäpfe für medizinische Zwecke; Steckbecken; sterile Tücher für Operationen; Stethoskope; Streckapparate für medizinische Zwecke; Stützstrümpfe für chirurgische Zwecke; Suspensorien [Tragbinden]; therapeutische Heißluftapparate; Thermokissen für erste Hilfe; Thermometer für medizinische Zwecke; Tropfenzähler für medizinische Zwecke; Tropfenzählfläschchen für medizinische Zwecke; Unterlagen für Inkontinente; Unterleibsgürtel; Unterleibspelotten; urologische Apparate und Instrumente; Vaginalspritzen; Vernebler für medizinische Zwecke; Wasserbeutel für medizinische Zwecke; Wischer zum Reinigen von Körperhöhlen; Wundklammern; Zerstäuber für medizinische Zwecke; Zungenreinigungsgeräte;
Klasse 11: Toiletten [WC]; Toilettenschüsseln [WC]; Toilettensitze [WC]; Wärmflaschen;
Klasse 24: Baumwollstoffe; Bettdecken; Bettdecken aus Papier; Bettwäsche; Bettzeug [Bettwäsche]; Bezüge für Kissen; Drucktücher aus textilem Material; Duschvorhänge aus textilem Material oder aus Kunststofffolie; Gewebe für textile Zwecke; Haushaltswäsche; Heimtextilien; Kissenbezüge; Kopfkissenbezüge; Matratzenüberzüge; Stoffe; Toilettendeckelüberzüge; Tücher [Laken]; Vliesstoffe [Textilien]; Wäschestoffe [verarbeitet]; Waschhandschuhe
(beschwerdegegenständliche in Fettdruck) geschützt.
Gegen diese Marke, deren Eintragung am 24. Dezember 2010 veröffentlicht wurde, hat der Beschwerdeführer Widerspruch erhoben aus seiner am 14. April 2008 eingetragenen Wortmarke 307 77 674
Aquasafe
die für die folgenden Waren der
Klasse 06: Behälter (Tanks) aus Metall zur Aufnahme von Wasser; Absperr-, Misch-, Regel- und Sicherungsventile für Wasserleitungen aus Metall; Wasserleitungen aus Metall; Adapter und Ausgleichsringe zum Verbinden von Rohren aus Metall; alle vorerwähnten Produkte ausschließlich zum Einsatz in Wasserreinigungsanlagen;
Klasse 07: Wasserabscheider zum Einsatz in Wasserreinigungsanlagen;
Klasse 09: elektrische Relais für Trinkwasserreinigungsanlagen und -geräte; Schalter; Hoch- und Niederdruckschalter (elektrisch); zum Einsatz in Wasserreinigungsanlagen;
Klasse 11: Wasserspareinsätze für Wassergeräte; Ventile als Teile von wasserführenden Armaturen; Regelungs- und Sicherheitszubehör für Wassergeräte, insbesondere Durchlaufbegrenzer; Trinkwasserreinigungsanlagen, -maschinen und -geräte und daran angepasste Gehäuse; Trinkwasserversorgungsanlagen; Mischhähne für Wasserleitungen; Wasserenthärtungsanlagen und -geräte; Gehäuse für Trinkwasserreinigungsanlagen und -geräte; Trinkwasserfilter und -filtriergeräte, insbesondere Osmosegeräte; Filter [Teile von häuslichen oder gewerblichen Anlagen] für Duschen; Trinkwasserzapfgeräte und -spender; Trinkwasserfiltriermembranen; Molekularfiltriergeräte und -filter; Regelungs- und Sicherheitszubehör für Trinkwasserreinigungsanlagen und -geräte; Lampen; Wasserhähne;
Klasse 17: wasserundurchlässige Dichtungen und Schläuche, nicht aus Metall für Trinkwasserreinigungsanlagen und -geräte; Adapter und Ausgleichsringe zum Verbinden von Rohren, nicht aus Metall; alle vorerwähnten Produkte ausschließlich zum Einsatz in Wasserreinigungsanlagen;
Klasse 19: Wasserleitungen, nicht aus Metall; Ventile für Wasserleitungen, nicht aus Kunststoff oder Metall; Behälter [Tanks] aus Mauerwerk zur Aufnahme von Wasser; alle vorerwähnten Produkte ausschließlich zum Einsatz in Wasserreinigungsanlagen;
Klasse 20: Absperr-, Misch-, Regel- und Sicherungsventile für Wasserleitungen aus Kunststoff; Ventile für Wasserleitungen aus Kunststoff; Behälter [Tanks], nicht aus Metall und nicht aus Mauerwerk zur Aufnahme von Wasser; alle vorerwähnten Produkte ausschließlich zum Einsatz in Wasserreinigungsanlagen;
Klasse 35: Groß- und Einzelhandelsdienstleistungen mit Wassereinigungsanlagen und mit Trinkwasser; Vermittlung von Handelsgeschäften für Dritte, auch im Rahmen von e-commerce;
Klasse 37: Installation, Wartung und Reparatur von Trinkwasseranlagen und -geräten; nämlich Wasserreinigungsanlagen unter Einsatz von Membran-Molekularfiltration;
Klasse 40: Wasserbehandlung, Reinigung und Desinfektion von Wasser; Vermietung von Trinkwasserreinigungsanlagen und -geräten, insbesondere Osmosegeräten
geschützt ist.
Mit Beschluss vom 21. Juni 2013 hat die Markenstelle für Klasse 10 den Widerspruch zurückgewiesen. Zur Begründung hat sie ausgeführt, die Vergleichszeichen seien zwar klanglich gleich, wobei die Widerspruchsmarke über annähernd durchschnittliche Kennzeichnungskraft verfüge, wegen der großen Warenferne sei aber eine Verwechslungsgefahr nicht gegeben. Ein Vergleich beschränke sich auf die Waren der Klasse 11, da sowohl hinsichtlich der Waren der Klasse 10 als auch der Klasse 24 keinerlei Berührungspunkte hinsichtlich Herstellung, Vertrieb und Verwendung bestünden. Die Waren der Klasse 11 würden über Badkeramikhersteller und plastikverarbeitende Betriebe hergestellt und über den Sanitär- und Badausrüster angeboten. Demgegenüber würden die Waren und Dienstleistungen der Widerspruchsmarke überwiegend im Metall- und Werkzeugbau, im Elektrobau und im Rohr- und Schlauchbau hergestellt und über den Sanitär- und Badausrüster sowie den Bereich des Klempnerbedarfs bzw. des Wasseraufbereitungsbedarfs vertrieben und dienten Installationszwecken sowie der Wasserreinigung und –aufbereitung. Selbst wenn sich die Vergleichswaren der Klasse 11 im Baumarkt begegneten, seien sie sich nicht ähnlich, da sie in unterschiedlichen Bereichen des Baumarkts präsentiert würden. Da die Vergleichszeichen in ihrer Gesamtheit zu betrachten seien und die Marke nur in ihrer konkreten Gestaltung Schutz genieße, sei es nahezu unzulässig, aus einer umfangreich farblich und grafisch gestalteten Marke nur den Wortbestandteil herauszulösen. Speziell die Waren der Klasse 11 würden mehr auf Sicht gekauft, sodass die Unterschiede in der Farbe und Ausgestaltung eine Verwechslungsgefahr ausschlössen.
Hiergegen richtet sich die Beschwerde des Widersprechenden, die auf die Löschung der Waren der jüngeren Marke in Klasse 11 „Toiletten (WC); Toilettenschüsseln (WC); Toilettensitze (WC)“ und Klasse 24 „Duschvorhänge aus textilem Material; Toilettendeckelüberzüge“ beschränkt ist. Nach einem Hinweis des Senats hat der Beschwerdeführer die Beschwerde in Bezug auf die Waren „Wärmflaschen“ zurückgenommen.
Er trägt vor, die jüngere Marke werde durch den Wortbestandteil geprägt, weil die grafische Gestaltung, die allein darin liege, dass der Wortbestandteil in Großbuchstaben gesetzt und mit einer Art „Welle“ unterlegt sei, eine einfache grafische Ausgestaltung sei, die gegenüber dem mit der älteren Marke identischen Wortbestandteil AQUASAFE vollständig zurücktrete. Wegen der Identität der Wortbestandteile bestehe zwischen den Vergleichsmarken klangliche Identität. Die beschwerdegegenständlichen Waren würden im Rahmen der Einrichtung von Bad und Küche benötigt und auch von Endverbrauchern z. B. in Baumärkten erworben, was gleichermaßen für die Waren der Klassen 1, 6, 7, 11 und 20 gelte, für die die Widerspruchsmarke Schutz genieße.
Der Beschwerdeführer stellt sinngemäß den Antrag,
den Beschluss der Markenstelle für Klasse 10 des Deutschen Patent- und Markenamts vom 21. Juni 2013 aufzuheben, soweit der Widerspruch gegen die Marke 30 2010 040 310 aus der Marke 307 77 674 für die Waren der
Klasse 11: Toiletten (WC); Toilettenschüsseln (WC); Toilettensitze (WC)“
Klasse 24: Duschvorhänge aus textilem Material; Toilettendeckelüberzüge
zurückgewiesen worden ist, und die Löschung der angegriffenen Marke für die genannten Waren aufgrund des Widerspruchs aus der Marke 307 77 674 anzuordnen.
Die Beschwerdegegnerin stellt den Antrag,
die Beschwerde zurückzuweisen.
Sie trägt vor, die Widerspruchsmarke sei von Haus aus kennzeichnungsschwach. Der Verbraucher verstehe den Begriff „Aquasafe“ als Hinweis darauf, dass die Waren in einem „sichernden“ Zusammenhang mit Wasser stünden, nämlich im Sinne von „hygienisch sicher, vor Schaden sichernd“. Zudem sei es durch eine Vielzahl ähnlicher Drittzeichen geschwächt. Es fehle an einer Warenähnlichkeit. Die Vergleichswaren würden überwiegend auf Sicht gekauft, sodass die bildliche Wahrnehmung besonders relevant sei. Insoweit bestehe aber wegen der Grafik der jüngeren Marke keine Ähnlichkeit zwischen den Vergleichszeichen.
Wegen der Einzelheiten wird auf den Akteninhalt Bezug genommen.
II.
Die zulässige Beschwerde ist für die im Tenor genannten Waren begründet. Zwischen den Vergleichzeichen besteht insoweit Verwechslungsgefahr gemäß §§ 42 Abs. 2 Nr.1, 9 Abs. 1 Nr. 2 MarkenG. Hinsichtlich der Ware „Toilettendeckelüberzüge“ war die Beschwerde dagegen zurückzuweisen.
Die Frage der Verwechslungsgefahr im Sinne von § 9 Abs. 1 Nr. 2 MarkenG ist nach ständiger höchstrichterlicher Rechtsprechung unter Berücksichtigung aller Umstände, insbesondere der zueinander in Wechselbeziehung stehenden Faktoren der Ähnlichkeit der Marken, der Ähnlichkeit der damit gekennzeichneten Waren oder Dienstleistungen sowie der Kennzeichnungskraft der prioritätsälteren Marke zu beurteilen, wobei insbesondere ein geringerer Grad der Ähnlichkeit der Marken durch einen höheren Grad der Ähnlichkeit der Waren oder Dienstleistungen oder durch eine erhöhte Kennzeichnungskraft der älteren Marke ausgeglichen werden kann und umgekehrt (EuGH GRUR 2010, 1098 Rn. 44 – Calvin Klein/HABM; GRUR 2010, 933 Rn. 32 - Barbara Becker; GRUR 2006, 237, 238 - PICARO/PICASSO; BGH GRUR 2014, 488 Rn. 9 - DESPERADOS/DESPERADO; GRUR 2012, 1040 Rn. 25 - pjur/pure; GRUR 2010, 235 Rn. 15 - AIDA/AIDU; GRUR 2009, 484 Rn. 23 - METROBUS; GRUR 2008, 905 Rn. 12 - Pantohexal; GRUR 2008, 258 Rn. 20 - INTERCONNECT/T-InterConnect; GRUR 2006, 859 Rn. 16 – Malteserkreuz I; GRUR 2006, 60 Rn. 12 - coccodrillo m. w. N.). Bei dieser umfassenden Beurteilung der Verwechslungsgefahr ist auf den durch die Zeichen hervorgerufenen Gesamteindruck abzustellen, wobei insbesondere ihre unterscheidungskräftigen und dominierenden Elemente zu berücksichtigen sind (vgl. EuGH, a. a. O. - Barbara Becker; GRUR Int. 2010, 129, Rn. 60 – Aceites del Sur-Coosur SA/Koipe Corporación [Carbonell/La Espaňola]; BGH, GRUR 2013, 833, Rn. 30 - Culinaria/Villa Culinaria; a. a. O. - pjur/pure).
1. Die Marken können sich teilweise auf durchschnittlich, teils auf entfernt ähnlichem Gebiet begegnen. Dabei ist auf die Registerlage abzustellen, da Benutzungsfragen nicht aufgeworfen worden sind. Die angegriffene Marke hält in klanglicher Hinsicht den selbst für entfernt ähnliche Waren erforderlichen Abstand zu der durchschnittlich kennzeichnungskräftigen Widerspruchsmarke nicht ein.
Eine Ähnlichkeit sich gegenüberstehender Waren und Dienstleistungen ist grundsätzlich anzunehmen, wenn diese unter Berücksichtigung aller erheblichen Faktoren, die ihr Verhältnis zueinander kennzeichnen, wie insbesondere ihrer Beschaffenheit, ihrer regelmäßigen betrieblichen Herkunft, ihrer regelmäßigen Vertriebs- und Erbringungsart, ihres Verwendungszwecks und ihrer Nutzung, ihrer wirtschaftlichen Bedeutung, ihrer Eigenart als miteinander konkurrierender oder einander ergänzender Produkte oder Leistungen oder anderer für die Frage der Verwechslungsgefahr wesentlicher Gründe so enge Berührungspunkte aufweisen, dass die beteiligten Verkehrskreise der Meinung sein könnten, sie stammten aus demselben Unternehmen oder gegebenenfalls wirtschaftlich verbundenen Unternehmen (vgl. EuGH GRUR-RR 2009, 356, Rdnr. 65 - Éditions Albert René/HABM [OBELIX/MOBILIX]; GRUR 2006, 582, Rdnr. 85 - VITAFRUIT; GRUR 1998, 922, Rdnr. 15 - Canon; BGH GRUR 2012, 1145, Rdnr. 34 - Pelikan; GRUR 2009, 484, Rdnr. 25 - METROBUS; GRUR 2007, 1066, Rdnr. 23 - Kinderzeit, m. w. N.).
a) Zwischen den Waren der angegriffenen Marke „Toiletten (WC), Toilettenschüsseln (WC), Toilettensitze(WC)“ und den Waren der Widerspruchsmarke in Klasse 11 „Mischhähne für Wasserleitungen“ und „Wasserhähne“ besteht durchschnittliche Ähnlichkeit. Nach den Recherchen des Senats, deren Ergebnisse den Beteiligten vor der mündlichen Verhandlung übersandt wurden, führen die Hersteller von Waschtischen und Toilettenschüsseln wie V… & B… oder
Keramag unter eigenem Namen auch auf die entsprechenden Becken abgestimmte Armaturen im Programm, um dem Kunden eine im Stil und Ausstattung einheitliche ästhetische Gesamtlösung für den Badezimmerbereich anzubieten, der in den letzten Jahrzehnten als Wohn- und Wellnessbereich an Bedeutung gewonnen hat. Umgekehrt gehören auch Toilettensitze zum Programm von Armaturenherstellern (G…, G1…). Auch die Vertriebswege sowohl über den
Fachhandel, den Handwerksbereich und den Einzelhandel für den Verbraucher weisen erhebliche Überschneidungen auf.
b) Zwischen den Waren der jüngeren Marke in der Klasse 24 „Duschvorhänge aus textilem Material“ und den Widerspruchswaren „Mischhähne für Wasserleitungen, Wasserhähne“ besteht entfernte Ähnlichkeit, da Duschvorhänge und Duscharmaturen dem Verbraucher ebenfalls aus einer Hand angeboten werden und einander in der Verwendung im Duschbereich ergänzen.
c) Keine Ähnlichkeit besteht dagegen zwischen den Waren der jüngeren Marke „Toilettendeckelüberzüge“ und den Widerspruchswaren. Toilettendeckelbezüge werden regelmäßig nachträglich erworben, von Textilherstellern produziert und abgestimmt auf die textile Einrichtung des Bades durch Handtücher, Badematten etc. ausgewählt. Auch haben die Vergleichswaren - wenn überhaupt - nur entfernte Berührung in den Vertriebswegen.
2. Die Kennzeichnungskraft der Widerspruchsmarke Aquasafe ist von Haus aus durchschnittlich. Die Wortschöpfung „Aquasafe“ setzt sich zwar erkennbar aus dem italienischen Begriff „Aqua“ für „Wasser“ und dem englischen Wort „safe“ für „sicher“ zusammen, in der konkreten Kombination verfügt das aus zwei unterschiedlichen Sprachen gebildete Einwortzeichen jedoch über eine gewisse Eigenart und vermittelt allenfalls einen beschreibenden Anklang, aber keine eindeutige Sachaussage für die relevanten Vergleichswaren.
Für eine Schwächung der von Haus aus durchschnittlichen Kennzeichnungskraft durch im Ähnlichkeitsbereich liegende Drittmarken fehlen hinreichende Anhaltspunkte. Eine solche Schwächung setzt voraus, dass die Drittkennzeichen in gleichen oder eng benachbarten Branchen in einem Umfang in Erscheinung treten, der geeignet ist, den Verkehr an die Existenz weiterer Kennzeichen im Ähnlichkeitsbereich zu gewöhnen (BGH GRUR 2008, 1104 Rn. 25 - Haus & Grund II; GRUR 2012, 930 Rn. 40 - Bogner B/Barbie B). Eine solche Gewöhnung kann nur durch eine beträchtliche Anzahl tatsächlich benutzter ähnlicher Drittmarken auf gleichen oder eng ähnlichen Waren- und Dienstleistungsgebieten entstehen (Ströbele/Hacker, Markengesetz, 11. Auflage 2014, § 9 Rn. 174). Anhaltspunkte für eine solche Gewöhnung des Verkehrs lassen sich dem Vortrag der Beschwerdegegnerin und den von ihr vorgelegten Unterlagen nicht entnehmen und sind auch sonst nicht ersichtlich. Allein aus der Registereintragung lässt sich nicht erkennen, ob und wofür die von ihm aufgeführten Drittenmarken tatsächlich im Verkehr benutzt werden.
3. Die jüngere Marke hält den selbst für die nur im entfernten Ähnlichkeitsbereich liegenden Waren erforderlichen deutlichen Zeichenabstand von der Widerspruchsmarke in klanglicher Hinsicht nicht ein.
Bei der Beurteilung der Zeichenähnlichkeit ist grundsätzlich vom jeweiligen Gesamteindruck der einander gegenüberstehenden Zeichen auszugehen (vgl. z. B. BGH GRUR 2013, 833, Rdnr. 45 - Culinaria/Villa Culinaria; GRUR 2012, 1040, Rdnr. 25 - pjur/pure; GRUR 2012, 930, Rdnr. 22 - Bogner B/Barbie B; GRUR 2012, 64, Rdnr. 15 - Maalox/Melox-GRY; GRUR 2010, 729, Rdnr. 23 - MIXI). Dabei gilt der allgemeine Erfahrungssatz, dass der Verkehr eine Marke so aufnimmt, wie sie ihm entgegentritt, ohne sie einer analysierenden Betrachtungsweise zu unterwerfen (vgl. Ströbele/Hacker, Markengesetz 11. Aufl. 2014, § 9 Rdn. 237).
Die Frage der Ähnlichkeit sich gegenüberstehender Zeichen ist nach deren Ähnlichkeit in Klang, (Schrift-)Bild und Sinngehalt zu beurteilen, weil Marken auf die mit ihnen angesprochenen Verkehrskreise in klanglicher, bildlicher und begrifflicher Hinsicht wirken (vgl. EuGH GRUR 2006, 413, Rdnr. 19 - ZIRH/SIR; GRUR 2005, 1042, Rdnr. 28 - THOMSON LIFE; GRUR Int. 2004, 843, Rdnr. 29 - MATRATZEN; BGH GRUR 2010, 235, Rdnr. 15 - AIDA/AIDU; GRUR 2009, 484, Rdnr. 32 - METROBUS; GRUR 2006, 60, Rdnr. 17 - coccodrillo; GRUR 2004, 779, 781 - Zwilling/Zweibrüder). Dabei genügt für die Annahme einer Verwechslungsgefahr regelmäßig bereits die hinreichende Übereinstimmung in einer Richtung (st. Rspr. vgl. z. B. BGH GRUR 2010, 235, Rdnr. 18 - AIDA/AIDU m. w. N.; vgl. Ströbele/Hacker, a. a. O., § 9 Rdnr. 254 m. w. N.).
Es stehen sich im Zeichenvergleich die jüngere Marke und die Widerspruchsmarke Aquasafe gegenüber.
Diese sind klanglich identisch. Klanglich werden Wort-/Bildmarken grundsätzlich durch ihre Wortbestandteile geprägt, sofern diese kennzeichnungskräftig sind, weil die Wortbestandteile die einfachste Möglichkeit bieten, die Marke zu benennen (BGH GRUR 2014, 378, Rdnr. 39 - OTTO CAP). Auch im vorliegenden Fall wird der Verkehr die Vergleichsmarken in gleicher Weise mit „Aquasafe“ benennen. Das Wortelement ist klangvoll und leicht aussprechbar. Die Grafik des jüngeren Zeichens gibt keinen Anlass zu einer abweichenden Benennung der jüngeren Marke, da sie sich in einer werbeüblichen Schriftform und einer von dem zweiten Buchstaben Q ausgehenden wellenartigen Unterstreichung des Wortelements erschöpft.
Entgegen der Auffassung der Inhaberin der angegriffenen Marke genügt die klangliche Übereinstimmung der Marken, um eine Verwechslungsgefahr zu begründen (BGH GRUR 2008, 714, Rdnr. 37 - idw). Vor allem in der europäischen Rechtsprechung finden sich zwar Erwägungen, dass die klangliche Zeichenähnlichkeit in der rechtlichen Beurteilung der Verwechslungsgefahr in den Hintergrund tritt, soweit die betreffenden Waren bzw. Dienstleistungen überwiegend auf Sicht gekauft bzw. in Anspruch genommen werden (EuG GRUR Int. 2003, 1017, 1019, Nr. 55 - BASS-PASH; EuG MarkenR 2004, 162, 167, Nr. 51 - ZIRH/SIR; EuGH GRUR 2006, 313, 414, Nr. 21 - ZIRH/SIR). Ein solches Kaufverhalten ist im hier relevanten Warenbereich jedoch nicht zugrunde zu legen. Auch wenn die optische Ausgestaltung der Waren beim Kauf im Vordergrund stehen mag, handelt es sich gleichwohl um langlebige Waren, deren technische Funktionsfähigkeit im Alltag von wesentlicher Bedeutung ist. Daher ist davon auszugehen, dass die angesprochenen Verbraucher sich beim und im Vorfeld des Kaufs mündlich durch Nachfragen, Gespräche und Empfehlungen informieren werden und es dabei zu klanglichen Verwechslungen der Vergleichsmarken kommen kann. Derartige Kontakte im Vorfeld des Erwerbs können im Übrigen auch bei dem Kauf von Waren „auf Sicht“ nicht ausgeschlossen werden (vgl. BGH GRUR 1999, 241, 244 - Lions). Abgesehen davon wird erfahrungsgemäß selbst bei einer nur optischen Wahrnehmung einer Marke gleichzeitig der klangliche Charakter des den Gesamteindruck prägenden Markenwortes unausgesprochen mit aufgenommen und damit die Erinnerung an klanglich ähnliche Marken geweckt, die von früheren Begegnungen bekannt sind. Die klangliche Verwechslungsgefahr wird insoweit nicht durch ein unmittelbares Hören, sondern durch die ungenauen Erinnerungen an den Klang einer der beiden Marken ausgelöst (BPatG Beschluss vom 25.04.2013, 30 W (pat) 110/11 – Baygon/BAYROL). Deshalb kann im Ergebnis dahinstehen, ob auch eine schriftbildliche Ähnlichkeit besteht, was angesichts des identischen Wortelements und der wenig markanten Grafik naheliegend ist.
Die Marke war im tenorierten Umfang zu löschen und die Beschwerde im Übrigen wegen Warenunähnlichkeit zurückzuweisen.
4. Hinsichtlich der Kosten des Beschwerdeverfahrens verbleibt es bei der gesetzlichen Regelung des § 71 Abs. 1 Satz 2 MarkenG, da Billigkeitsgründe für die Auferlegung der Kosten auf einen Beteiligten weder vorgetragen noch ersichtlich sind.