Entscheidungsdatum: 29.11.2016
In der Beschwerdesache
…
betreffend die Markenanmeldung 30 2014 071 347.0
hat der 28. Senat (Marken-Beschwerdesenat) des Bundespatentgerichts im schriftlichen Verfahren am 29. November 2016 unter Mitwirkung des Vorsitzenden Richters Prof. Dr. Kortbein, der Richterin Uhlmann und des Richters Dr. Söchtig
beschlossen:
Die Beschwerde wird zurückgewiesen.
I.
Das Wortzeichen
Kessel Chips
ist am 14. November 2014 zur Eintragung als Marke in das beim Deutschen Patent- und Markenamt geführte Register für die Waren der
„Klasse 29: Im Extrudier- oder Pelletierverfahren sowie andersartig hergestellte oder zubereitete Kartoffelprodukte für Nahrungszwecke (ausgenommen Kartoffelmehl), soweit in Klasse 29 enthalten; Kartoffelchips, Kartoffelsticks; Rosinen, Haselnuss-, Erdnuss-, Cashewkerne, Pistazienkerne und Mandeln, getrocknet, geröstet, gesalzen und/oder gewürzt; Nussmischungen zu Knabberzwecken; getrocknete Früchte, Fruchtsnacks.
Klasse 30: Im Extrudier- oder Pelletierverfahren sowie andersartig hergestellte oder zubereitete salzige/würzige Produkte auf Basis von Getreide, soweit in Klasse 30 enthalten; Getreidesnacks, Reissnacks, Salzgebäck, Salzstangen, Salzbrezeln.“
angemeldet worden.
Das Deutsche Patent- und Markenamt, Markenstelle für Klasse 29, hat nach vorausgegangenem Beanstandungsbescheid vom 2. März 2015 mit Beschluss vom 16. Juli 2015 die Anmeldung wegen Fehlens der Unterscheidungskraft gemäß § 8 Abs. 2 Nr. 1 MarkenG sowie wegen des Bestehens eines Freihaltebedürfnisses gemäß § 8 Abs. 2 Nr. 2 MarkenG zurückgewiesen. Zur Begründung hat es unter Bezugnahme auf die Ausführungen in seinem Beanstandungsbescheid ausgeführt, das Anmeldezeichen setze sich aus den beiden Begriffen „Kessel“ und „Chips“ zusammen. Erstgenannter werde häufig als Kurzform für „Wasserkessel“ verwendet, bedeute aber auch „sehr großer Topf, großes Metallgefäß zum Kochen“. Unter „Chips“, der Pluralform von „Chip“, verstehe man im Lebensmittelbereich „roh in Fett gebackene dünne Kartoffelscheiben, die zu Getränken gegessen werden“. Der angemeldete Gesamtbegriff bezeichne eine bereits bekannte und beworbene, mit Hilfe eines speziellen Verfahrens hergestellte Trendspeise (Snack), nämlich (Kartoffel-) Chips. Diese würden mit der Schale gewaschen, anschließend in Scheiben geschnitten und dann langsam schonend im Kessel goldgelb geröstet, wodurch sie ihre sehr knusprige Konsistenz erhielten. Zumeist mit intensiven Gewürzen verfeinert, böten diese Chips ein besonderes Geschmackserlebnis. Recherchen zu dem Anmeldezeichen belegten, dass es bereits als übliche sachbezogene Angabe mit beschreibendem Sinngehalt verwendet und gebraucht werde. In Bezug auf die beanspruchten Snackwaren der Klassen 29 und 30 würden die angesprochenen Verkehrskreise die Wortfolge „Kessel Chips“ daher lediglich als einen unmittelbar beschreibenden Sachhinweis dahingehend auffassen, dass es sich entweder um die Waren selbst oder um chipsartige bzw. chipsähnliche Waren, welche im Kessel zubereitet respektive hergestellt würden, oder aber um solche Waren, die als Zutaten oder Beigaben zusammen mit derartigen Chips (z. B. in einem Set) angeboten würden, handele. Dies stehe der Annahme der für die Eintragung erforderlichen Unterscheidungskraft entgegen. Hiervon ausgehend stelle das gegenständliche Zeichen für die beanspruchten Snackwaren auch eine unmittelbar beschreibende Angabe dar, die im Interesse des Wirtschaftsverkehrs, insbesondere der Mitbewerber der Anmelderin, freizuhalten sei.
Hiergegen richtet sich die Beschwerde der Anmelderin vom 7. August 2015, mit der sie sinngemäß beantragt,
den Beschluss des Deutschen Patent- und Markenamtes vom 16. Juli 2015 aufzuheben.
Die Beschwerdeführerin hat sich im Beschwerdeverfahren nicht weiter geäußert.
Hinsichtlich der weiteren Einzelheiten wird ergänzend auf den Akteninhalt verwiesen.
II.
Die Beschwerde ist zurückzuweisen, da der Eintragung des Anmeldezeichens das Schutzhindernis der fehlenden Unterscheidungskraft gemäß § 8 Abs. 2 Nr. 1 MarkenG entgegensteht.
1. Unterscheidungskraft gemäß § 8 Abs. 2 Nr. 1 MarkenG ist die dem Zeichen innewohnende (konkrete) Eignung, vom Verkehr als Unterscheidungsmittel aufgefasst zu werden, das die von der Anmeldung erfassten Waren und Dienstleistungen als von einem bestimmten Unternehmen stammend kennzeichnet und diese somit von denjenigen anderer Unternehmen unterscheidet (vgl. EuGH GRUR 2012, 610, Rdnr. 42 - Freixenet; GRUR 2008, 608, Rdnr. 66 f. - EUROHYPO; BGH GRUR 2014, 569, Rdnr. 10 - HOT; GRUR 2013, 731, Rdnr. 11 - Kaleido; GRUR 2012, 1143, Rdnr. 7 - Starsat; GRUR 2012, 1044, Rdnr. 9 - Neuschwanstein; GRUR 2010, 825, Rdnr. 13 - Marlene-Dietrich-Bildnis II; GRUR 2010, 935, Rdnr. 8 - Die Vision; GRUR 2006, 850, Rdnr. 18 - FUSSBALL WM 2006). Denn die Hauptfunktion einer Marke besteht darin, die Ursprungsidentität der gekennzeichneten Waren und Dienstleistungen zu gewährleisten (vgl. EuGH GRUR 2006, 233, Rdnr. 45 - Standbeutel; GRUR 2006, 229, Rdnr. 27 - BioID; GRUR 2008, 608, Rdnr. 66 - EUROHYPO; BGH GRUR 2008, 710, Rdnr. 12 - VISAGE; GRUR 2009, 949, Rdnr. 10 - My World). Da allein das Fehlen jeglicher Unterscheidungskraft ein Eintragungshindernis begründet, ist nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs ein großzügiger Maßstab anzulegen, so dass jede auch noch so geringe Unterscheidungskraft genügt, um das Schutzhindernis zu überwinden (vgl. BGH GRUR 2012, 1143, Rdnr. 7 - Starsat; GRUR 2012, 1044, Rdnr. 9 - Neuschwanstein; GRUR 2012, 270, Rdnr. 8 - Link economy).
Maßgeblich für die Beurteilung der Unterscheidungskraft sind einerseits die beanspruchten Waren und Dienstleistungen und andererseits die Auffassung der beteiligten inländischen Verkehrskreise, wobei auf die Wahrnehmung des Handels und/oder des normal informierten, angemessen aufmerksamen und verständigen Durchschnittsverbrauchers bzw. -abnehmers der fraglichen Produkte abzustellen ist (vgl. EuGH GRUR 2006, 411, Rdnr. 24 - Matratzen Concord/Hukla; GRUR 2004, 943, Rdnr. 24 - SAT.2; BGH GRUR 2010, 935, Rdnr. 8 - Die Vision; GRUR 2010, 825, Rdnr. 13 - Marlene-Dietrich-Bildnis II; GRUR 2006, 850, Rdnr. 18 - FUSSBALL WM 2006).
Hiervon ausgehend besitzen Zeichen dann keine Unterscheidungskraft, wenn ihnen die maßgeblichen Verkehrskreise im Zeitpunkt der Anmeldung des Zeichens (vgl. BGH GRUR 2013, 1143, Rdnr. 15 - Aus Akten werden Fakten) lediglich einen im Vordergrund stehenden beschreibenden Begriffsinhalt zuordnen (vgl. EuGH GRUR 2004, 674, Rdnr. 86 - Postkantoor; BGH GRUR 2012, 270, Rdnr. 11 - Link economy; GRUR 2009, 952, Rdnr. 10 - DeutschlandCard; GRUR 2006, 850, Rdnr. 19 - FUSSBALL WM 2006; GRUR 2005, 417 - BerlinCard; GRUR 2001, 1151 - marktfrisch; GRUR 2001, 1153 - antiKALK) oder wenn diese aus gebräuchlichen Wörtern oder Wendungen der deutschen Sprache oder einer geläufigen Fremdsprache bestehen, die - etwa wegen einer entsprechenden Verwendung in der Werbung oder in den Medien - stets nur als solche und nicht als Unterscheidungsmittel verstanden werden (vgl. u. a. BGH GRUR 2006, 850, Rdnr. 19 – FUSSBALL WM 2006; GRUR 2003, 1050 - Cityservice; GRUR 2001, 1143 - Gute Zeiten - Schlechte Zeiten). Darüber hinaus besitzen keine Unterscheidungskraft auch solche Zeichen, die sich auf Umstände beziehen, welche die beanspruchten Waren oder Dienstleistungen zwar nicht unmittelbar betreffen, durch die aber ein enger beschreibender Bezug zu diesen hergestellt wird (vgl. BGH GRUR 2010, 1100, Rdnr. 23 - TOOOR!; GRUR 2006, 850, Rdnr. 28 - FUSSBALL WM 2006).
2. Unter Berücksichtigung vorstehender Grundsätze verfügt das Anmeldezeichen nicht über die für eine Eintragung erforderliche Unterscheidungskraft gemäß § 8 Abs. 2 Nr. 1 MarkenG.
Es setzt sich aus den beiden, den angesprochenen allgemeinen Durchschnittsverbrauchern ohne Weiteres verständlichen Begriffen „Kessel“ und „Chips“ zusammen. Der erste Zeichenbestandteil „Kessel“ bezeichnet dabei die „Kurzform für einen Wasserkessel“, einen „sehr großen Topf“ bzw. ein „großes Metallgefäß zum Kochen“ (vgl. unter www.duden.de - „Kessel“). Das weitere Element „Chips“, als Pluralform von „Chip“, hat die Bedeutung „roh in Fett gebackene, dünne Kartoffelscheiben, die zu Getränken gegessen werden“ (vgl. unter www.duden.de - „Chip“). Im Englischen hat „chip“ die ursprüngliche Bedeutung „Schnipsel“. Unter Berücksichtigung der Verwendung des Begriffs „Chip“ unter anderem im Bereich der Elektrotechnik („dünnes Plättchen“ - vgl. unter www.duden.de - „Chip“), aber auch beim Roulette wird der angesprochene Verkehr in dem Anmeldezeichen unschwer einen Hinweis auf einen dünnen und flachen - mithin chipförmigen - Gegenstand erblicken, der in einem großen Metallgefäß hergestellt worden ist.
In Verbindung mit den Waren „Im Extrudier- oder Pelletierverfahren sowie andersartig hergestellte oder zubereitete Kartoffelprodukte für Nahrungszwecke (ausgenommen Kartoffelmehl), soweit in Klasse 29 enthalten; Kartoffelchips“ und „Im Extrudier- oder Pelletierverfahren sowie andersartig hergestellte oder zubereitete salzige/würzige Produkte auf Basis von Getreide, soweit in Klasse 30 enthalten; Getreidesnacks, Reissnacks, Salzgebäck“ wird der Verkehr die Wortfolge „Kessel Chips“ dahingehend auffassen, dass es sich bei den solchermaßen gekennzeichneten Waren um in einem großen Metallgefäß roh in Fett gebackene Produkte aus Kartoffeln, insbesondere Kartoffelscheiben, aus Getreide und damit auch aus Reis in Form von Chips handelt. Auf die Tatsache, dass der Begriff „Kessel Chips“ für diesbezügliche Waren bereits vielfach Verwendung findet, hat das Deutsche Patent- und Markenamt in seinem Beanstandungsbescheid vom 2. März 2015 zutreffend hingewiesen (vgl. Anlagen 3 bis 5).
Auch in Bezug auf die Waren „Rosinen, Haselnuss-, Erdnuss-, Cashewkerne, Pistazienkerne und Mandeln, getrocknet, geröstet, gesalzen und/oder gewürzt; Nussmischungen zu Knabberzwecken; getrocknete Früchte, Fruchtsnacks“ bringt das Anmeldezeichen lediglich die Art der Herstellung und ihre Gestalt zum Ausdruck. Ihre natürliche Form wird zwar regelmäßig nicht oder nur bedingt verändert. Allerdings ist es möglich, dass auch diese Waren nach dem Kochen, Garen oder Frittieren in einem Kessel geschnitten oder - ggf. nach vorherigem Mahlen - gepresst werden und dadurch die Form eines Chips erhalten. So werden beispielsweise getrocknete flache dünne, also wie ein Chip aussehende Apfelscheiben angeboten. Gerade die beschwerdegegenständlichen Snackprodukte müssen eine hand- und mundgerechte Gestalt aufweisen. Dabei greifen die Hersteller oftmals auf eine chipförmige Form zurück, da sich eine solche für das Halten in der Hand, das Einführen in den Mundraum und den schnellen, unkomplizierten Verzehr, etwa vor dem Fernseher oder stehend auf einer Party, besonders gut eignet.
Schließlich ist es denkbar, die Waren „Kartoffelsticks“ und „Salzstangen, Salzbrezeln“ trotz ihrer Stick-, Stangen- oder Brezelform wie ein Chip zu gestalten. Sie können länglich oder brezelförmig und gleichzeitig flach bzw. dünn geformt sein. Auch wenn Chips typischerweise eine eher runde oder quadratische Form aufweisen, so schließt eine längliche Ausgestaltung nicht aus, die besagten Snackprodukte als Chips zu bezeichnen. Besonders kommt es auf die Flächenform an, was beispielsweise bei Spielchips, die nicht nur rund, sondern auch eckig sein können, deutlich wird. Im Übrigen bietet sich auch bei „Kartoffelsticks“ und „Salzstangen, Salzbrezeln“ an, sie zum leichteren Verzehr chipförmig dem Verbraucher zur Verfügung zu stellen.
Selbst dem Teil des Verkehrs, der das Anmeldezeichen lediglich auf Kartoffelchips bezieht, tritt die Wortfolge „Kessel Chips“ als Bestimmungsangabe gegenüber. So können die nicht Kartoffelchips umfassenden Waren für den Verzehr mit erstgenannten bestimmt oder geeignet sein. Zu denken ist hierbei beispielsweise an gesalzene Erdnusskerne, die zusammen mit in einem Kessel hergestellten Kartoffelchips eine besondere Geschmacksnote entfalten oder ein besonderes Snackmenü ergeben.
Damit stellt das Anmeldezeichen hinsichtlich aller Waren eine beschreibende Herstellungs-, Beschaffenheits- oder Bestimmungsangabe dar und ist damit nicht geeignet, auf ihre Herkunft aus einem bestimmten Unternehmen hinzuweisen.
3. Ob der Eintragung darüber hinaus auch das Schutzhindernis des Bestehens eines Freihaltebedürfnisses gemäß § 8 Abs. 2 Nr. 2 MarkenG entgegensteht, kann unter Berücksichtigung obiger Ausführungen im Ergebnis dahingestellt bleiben.
Die Beschwerde war daher zurückzuweisen.