Bundespatentgericht

Entscheidungsdatum: 11.05.2016


BPatG 11.05.2016 - 28 W (pat) 533/14

Markenbeschwerdeverfahren – "Santox/Santos de Cartier (Wort-Bild-Marke)" – Rücknahme des Widerspruchs - keine Kostenauferlegung


Gericht:
Bundespatentgericht
Spruchkörper:
28. Senat
Entscheidungsdatum:
11.05.2016
Aktenzeichen:
28 W (pat) 533/14
Dokumenttyp:
Beschluss
Zitierte Gesetze

Tenor

In der Beschwerdesache

betreffend die eingetragene Marke 30 2012 038 189

hier: Kostenentscheidung

hat der 28. Senat (Marken-Beschwerdesenat) des Bundespatentgerichts im schriftlichen Verfahren am 11. Mai 2016 unter Mitwirkung des Vorsitzenden Richters Prof. Dr. Kortbein, der Richterin Uhlmann und des Richters am Landgericht Dr. Söchtig

beschlossen:

Die Beschwerde wird zurückgewiesen.

Gründe

I.

1

Die Wortmarke

2

Santox

3

ist am 14. September 2012 in das beim Deutschen Patent- und Markenamt geführte Register eingetragen worden. Gegen diese Eintragung, die am 19. Oktober 2012 veröffentlicht worden ist, hat die Beschwerdegegnerin am 21. Januar 2013 aus ihrer am 25. März 1991 eingetragenen Wort-/Bildmarke 1174194 „Santos de Cartier“ Widerspruch erhoben. Mit Schriftsatz vom 18. November 2013 hat sie ihren Widerspruch ohne Angabe von Gründen zurückgenommen. Nachfolgend hat die Inhaberin der angegriffenen Marke beantragt, der Widersprechenden die Kosten des Verfahrens aufzuerlegen. Zur Begründung hat sie ausgeführt, das Verhalten der Widersprechenden sei rechtsmissbräuchlich, da sie in ihrem Widerspruchschriftsatz vorgetäuscht habe, sie könne Rechte aus dem Markenbestandteil „Santos“ herleiten. Die Inhaberin der angegriffenen Marke hat in diesem Zusammenhang auf die IR-Marke 447091 „SANTOS“ der Widersprechenden verwiesen und einen Registerauszug zu dieser Marke eingereicht, in dem zum 30. Januar 2013 der Verfahrensstand „Schutz nicht möglich“ ausgewiesen ist.

4

In Kenntnis der IR-Schutzunfähigkeit des Namens „Santos“ habe die Widersprechende in ungerechtfertigter Weise ein deutsches Widerspruchsverfahren gegen die Marke „Santox“ geführt. Weiter bestünden auch erhebliche Bedenken, aus einem Wort-/Bildmarken-Anteil „Santos“ einen Widerspruch gegen eine schutzfähige Wortmarke „Santox“ zu erheben. Genauso gut könnten die Vertreter der Widersprechenden versuchen, aus der Wortbildmarke „Santos Dumont“ (Inhaberin ROTHMANS OF PALL MALL LIMITED) in unberechtigter Weise Rechte herzuleiten. Darüber hinaus würden die Verfahrensbevollmächtigten der Widersprechenden vorgenanntes Unternehmen auch hinsichtlich weiterer Marken mit dem Wort „Santos“ plus Bildbestandteil in Deutschland vertreten.

5

Bei „Santos“ handele es sich im spanischen/portugiesischen Sprachraum um einen Allerweltsnamen. Außerdem stehe der Begriff „Santo“ im Zusammenhang mit dem Begriff „Heiliger“. Dessen Mehrzahl laute „Santos“, weshalb erhebliche Bedenken bestünden, dass die Widerspruchsmarke überhaupt schutzfähig sei.

6

Schließlich hätten auch die Voraussetzungen einer Verwechslungsgefahr nicht vorgelegen.

7

Mit Beschluss vom 7. August 2014 hat das Deutsche Patent- und Markenamt, Markenstelle für Klasse 7, den Antrag zurückgewiesen. Zur Begründung hat es ausgeführt, besondere Umstände, welche ausnahmsweise eine Kostentragungsverpflichtung der Widersprechenden rechtfertigen könnten, seien nicht ersichtlich und insbesondere auch nicht „dem teilweise sachfremden Vortrag des Vertreters der angegriffenen Marke“ zu entnehmen.

8

So sei nicht nachvollziehbar, wie der Vertreter der angegriffenen Marke zu der Ansicht gelangen könne, die Widersprechende habe vorgetäuscht, sie leite Rechte aus einer IR-Marke „SANTOS“ her. Der Widerspruch sei zwar nicht näher begründet worden. Die Widersprechende habe es jedoch bei der formell vollkommen ausreichenden Übersendung der Widerspruchserklärung sowie der Übersendung eines aktuellen Registerauszuges der deutschen Widerspruchsmarke belassen.

9

Unerheblich sei ferner, dass die von der Inhaberin der angegriffenen Marke ins Feld geführte IR-Marke „Santos“ für Deutschland keinen Schutz genieße. Zum einen lasse sich aus diesem Umstand nicht ableiten, dass der Bestandteil „SANTOS“ der Widerspruchsmarke nicht schutzfähig sei, zum anderen laute die Widerspruchsmarke auch nicht „Santos“, sondern „Santos de Cartier“. Insofern könne sich der Vertreter der Inhaberin der angegriffenen Marke auch nicht darauf berufen, dass der Widerspruch aus einem offensichtlich schutzunfähigen Bestandteil der Widerspruchsmarke erhoben wurde.

10

Schließlich rechtfertige auch allein die Rücknahme des Widerspruchs als solche keine abweichende Kostenentscheidung.

11

Hiergegen richtet sich die Beschwerde der Inhaberin der angegriffenen Marke vom 11. September 2014.

12

Sie trägt ergänzend vor, die Widersprechende habe völlig unnütz ein Widerspruchsverfahren eingeleitet, obwohl ihr die Schutzunfähigkeit ihrer Widerspruchsmarke hinreichend bekannt gewesen sei. Ferner habe sie ihr, der Inhaberin der angegriffenen Marke, vorsätzlich einen Schaden zugefügt, der ihr durch die notwendigen Recherchen entstanden sei, um ihre angegriffene Marke zu verteidigen. Die Zahlungspflicht ergebe sich aus § 269 Abs. 3 Satz 3 ZPO (analog).

13

Die Inhaberin der angegriffenen Marke und Beschwerdeführerin beantragt sinngemäß,

14

den Beschluss des Deutschen Patent- und Markenamtes, Markenstelle für Klasse 7, vom 7. August 2014 aufzuheben und der Widersprechenden die Kosten des Verfahrens aufzuerlegen.

15

Die Widersprechende und Beschwerdegegnerin beantragt,

16

die Beschwerde zurückzuweisen.

17

Die Beschwerde sei unbegründet, da besondere Gründe, welche eine Kostenauferlegung rechtfertigen könnten, vorliegend nicht gegeben seien. Es sei ihr, der Widersprechenden, selbstverständliches Recht gewesen, ihre Marke mit den dafür zur Verfügung stehenden Rechtsbehelfen vor dem Deutschen Patent- und Markenamt zu verteidigen. Ein Unterliegen oder die Rücknahme des Widerspruchs stellten nach der gesetzlichen Regelung im vorliegenden Verfahren keinen Grund für eine Kostenauferlegung dar. Es bestehe auch - mangels des Vorliegens einer Regelungslücke - kein Raum für eine analoge Anwendung des § 269 Abs. 3 Satz 3 ZPO.

18

Die IR-Marke „SANTOS“ sei zu keinem Zeitpunkt Gegenstand des Widerspruchsverfahrens gewesen. Im Übrigen sei auch weder ein von Anfang an nach anerkannten Beurteilungsgesichtspunkten offensichtlich aussichtsloser Widerspruch gegeben, noch habe auf ihrer, der Widersprechenden, Seite ein Verhalten vorgelegen, welches mit der prozessualen Sorgfalt nicht zu vereinbaren gewesen wäre.

19

Wegen des weiteren Vorbringens der Parteien wird auf den Akteninhalt verwiesen.

II.

20

Die zulässige Beschwerde hat in der Sache keinen Erfolg. Mit zutreffender Begründung hat das Deutsche Patent- und Markenamt, Markenstelle für Klasse 7, mit Beschluss vom 7. August 2014 den Antrag der Inhaberin der angegriffenen Marke, der Widersprechenden die Kosten des Verfahrens aufzuerlegen, zurückgewiesen.

1.

21

Die Beschwerde ist statthaft. Die Statthaftigkeit der Beschwerde folgt aus § 66 MarkenG (vgl. Ströbele/Hacker, MarkenG, 11. Auflage, 2015, § 71, Rdnr. 9; BPatG 25 W (pat) 517/11 - Türk Kavehsi). Vorliegend betrifft die Beschwerde ausschließlich die Kostengrundentscheidung des Deutschen Patent- und Markenamtes, das nach der Rücknahme des Widerspruchs nur noch über den Kostenantrag der Inhaberin der angegriffenen Marke entschieden hat.

2.

22

Die Beschwerde ist hingegen unbegründet.

23

Gemäß § 63 Abs. 1 Satz 1 MarkenG kann das Patentamt in mehrseitigen Verfahren bestimmen, dass die Kosten einem Beteiligten ganz oder teilweise zur Last fallen, wenn dies der Billigkeit entspricht. Eine Kostenauferlegung im Widerspruchsverfahren kommt in der Regel nur in Betracht, wenn der belastete Beteiligte in der Hauptsache unterliegt und zusätzliche, besondere Umstände vorliegen (BPatG 28 W (pat) 52/08 - MeatPlus/PLUS). Der Verfahrensausgang allein kann nämlich kein hinreichendes Kriterium für die Auferlegung von Kosten sein, weil die markenrechtliche Kostenregelung in bewusster Abgrenzung zu den §§ 91 ff. ZPO getroffen wurde. Eine Kostenauferlegung aus Billigkeitsgründen erfordert daher einen schuldhaften Verstoß gegen die jedem Beteiligten obliegende allgemeine prozessuale Sorgfaltspflicht, der es unbillig erscheinen lassen würde, einen anderen Beteiligten die vermeidbaren Kosten tragen zu lassen (BPatG 33 W (pat) 44/09 - Z.plus/PLUS; Ströbele/Hacker, a. a. O., § 63, Rdnr. 7, unter Verweis auf § 71, Rdnr. 12).

24

Die solchermaßen erforderlichen Voraussetzungen für eine einseitige Kostenauferlegung zu Lasten der Widersprechenden sind vorliegend nicht gegeben.

25

Soweit die Inhaberin der angegriffenen Marke ein vermeintlich rechtsmissbräuchliches Verhalten der Widersprechenden aus dem Umstand herleiten möchte, dass diese in ihrem Widerspruchsschriftsatz angeblich vorgetäuscht habe, sie könne Rechte aus dem Namen „Santos“ herleiten, erschließt sich dies dem Senat nicht. Die Widersprechende hat in ihrem Widerspruch vom 21. Januar 2013 unter Beifügung eines entsprechenden Registerauszuges lediglich angegeben, sich hinsichtlich ihres Widerspruchs auf ihre deutsche Marke 1174194 „Santos de Cartier“ (Wort/Bild) zu stützen. Eine nähere Begründung des Widerspruchs war in dem Widerspruchsschriftsatz nicht enthalten, insbesondere auch keine Ausführungen zu dem Zeichenbestandteil „Santos“ der Widerspruchsmarke. Die von der Beschwerdeführerin genannte IR-Marke „SANTOS“ (447091) der Widersprechenden ist von ihr zu keinem Zeitpunkt in das Widerspruchsverfahren eingeführt worden. Im Übrigen weist die IR-Marke zwischenzeitlich den Verfahrensstand „Schutz bewilligt“ auf (Stand: 11. Mai 2016).

26

Allein der Umstand, dass die Verfahrensbevollmächtigten der Widersprechenden auch ein anderes Unternehmen, die ROTHMANS OF PALL MALL LIMITED, vertreten, welches über Marken mit dem Zeichenbestandteil „Santos“ verfügt, vermag die Annahme eines etwaigen rechtsmissbräuchlichen Verhaltens ebenfalls nicht zu begründen. Widersprechende ist vorliegend einzig die CARTIER INTERNATIONAL AG, so dass der Hinweis auf andere Mandanten der Verfahrensbevollmächtigten fehl geht.

27

Auch kann nicht davon ausgegangen werden, dass der Widerspruch offensichtlich unbegründet gewesen ist. Zwar kann das Verhalten des Widersprechenden Anlass für eine Kostenauferlegung geben, wenn eine Verwechslungsgefahr nach anerkannten Beurteilungsgrundsätzen offensichtlich nicht gegeben ist (Ströbele/Hacker, a. a. O., § 71, Rdnr. 14). Hiervon kann vorliegend aber nicht ausgegangen werden. Entsprechendes folgt auch nicht aus dem Umstand, dass der IR-Marke 447091 „SANTOS“ der Widersprechenden vermeintlich der Schutz für Deutschland versagt worden ist. Dass ein aktueller Registerauszug dieser Marke, datierend vom 11. Mai 2016, zwischenzeitlich den Verfahrensstand „Schutz bewilligt“ ausweist, ist bereits ausgeführt worden. Im Ergebnis kann jedoch die Frage der Schutzerteilung für die genannte IR-Marke dahingestellt bleiben. Die Widerspruchsmarke lautet nicht „SANTOS“, sondern vielmehr „Santos de Cartier“. Dass hinsichtlich dieser Marke im Verhältnis zur angegriffenen Marke offensichtlich die Voraussetzungen einer zeichenrechtlichen Verwechslungsgefahr nicht vorlagen, kann nicht angenommen werden. Nicht zuletzt deshalb, da hinsichtlich der von beiden Marken umfassten Waren „Handkoffer“ in Klasse 18 zumindest teilweise Warenidentität gegeben ist.

28

Eine Kostentragungsverpflichtung der Widersprechenden folgt entgegen der Auffassung der Inhaberin der angegriffenen Marke auch nicht aus der analogen Anwendung der Regelung in § 269 Abs. 3 Satz 2 1. HS ZPO. Soweit die Inhaberin der angegriffenen Marke im Rahmen ihrer Beschwerde auf die Regelung in § 269 Abs. 3 Satz 3 (analog) ZPO verwiesen hat, handelt es sich hierbei offensichtlich um einen Schreibfehler, da die von ihr angeführte Norm lediglich die Erledigung einer Klage entweder vor deren Rechtshängigkeit oder deren Anhängigkeit betrifft und eine solche Fallkonstellation im vorliegenden Fall nicht gegeben ist. § 269 Abs. 3 Satz 2 1. HS ZPO mit der dort angeordneten Kostenfolge zu Lasten der zurücknehmenden Partei kann nicht entsprechend angewendet werden, weil § 63 Abs. 1 Satz 2 MarkenG insoweit eine speziellere Regelung vorsieht, die die Kostenentscheidung auch bei einer Rücknahme des Widerspruchs in das an Billigkeitserwägungen auszurichtende Ermessen des Patentamtes stellt. Die Rücknahme des Widerspruchs als solche rechtfertigt daher keine Kostenauferlegung (BGH GRUR 1998, 818, Rdnr. 3 - Puma; BPatG 33 W (pat) 44/09 - Z.plus/PLUS). Weitere Anhaltspunkte, die aus Billigkeitsgründen eine von § 63 Abs. 1 Satz 3 MarkenG abweichende Kostenfolge erfordern, sind nicht ersichtlich und auch nicht vorgetragen.

29

Auch hinsichtlich der Kosten des Beschwerdeverfahrens verbleibt es bei der gesetzlichen Regelung des § 71 Abs. 1 Satz 2 MarkenG, da Billigkeitsgründe für die Auferlegung der Kosten auf einen Beteiligten nicht ersichtlich sind. Zur Vermeidung von Wiederholungen wird auf vorstehende Ausführungen verwiesen.