Entscheidungsdatum: 09.05.2017
In der Beschwerdesache
…
betreffend die Marke 30 2014 071 856.1
hat der 28. Senat (Marken-Beschwerdesenat) des Bundespatentgerichts am 9. Mai 2017 unter Mitwirkung des Vorsitzenden Richters Prof. Dr. Kortbein und der Richter Schmid und Dr. Söchtig
beschlossen:
Auf die Beschwerde des Anmelders wird der Beschluss des Deutschen Patent- und Markenamts, Markenstelle für Klasse 31, vom 30. April 2015 aufgehoben, soweit die Anmeldung für nachfolgende Waren und Dienstleistungen zurückgewiesen worden ist:
Klasse 29:
Fleisch, Fleischkonserven, Gemüsekonserven, Obstkonserven, Obst, Gemüse konserviert;
Klasse 30:
Fleischpasteten;
Klasse 31:
Obst, Gemüse frisch;
Klasse 32:
Gemüsesäfte, Getränke (nichtalkoholisch);
Klasse 35:
Groß- und Einzelhandelsdienstleistungen mit Fleisch, Fleischkonserven, Gemüsekonserven, Obstkonserven, Obst, Gemüse konserviert; Fleischpasteten; Obst, Gemüse frisch; Gemüsesäfte, Getränke (nichtalkoholisch), on- und offline.
I.
Der Anmelder hat am 20. Januar 2014 beim Deutschen Patent- und Markenamt (DPMA) beantragt, die Bezeichnung
FREIBEUTER
als Wortmarke für die nachstehenden Waren und Dienstleistungen in das dort geführte Markenregister einzutragen:
Klasse 29:
Fleisch, Fleischkonserven, Gemüsekonserven, Obstkonserven, Obst, Gemüse konserviert;
Klasse 30:
Fleischpasteten;
Klasse 31:
Obst, Gemüse frisch;
Klasse 32:
Gemüsesäfte, Getränke (nichtalkoholisch);
Klasse 35:
Handel mit den o. g. Produkten on- und offline;
Klasse 41:
Bildung, Fort- und Weiterbildung für Kinder; Bildung, Fort- und Weiterbildung im Bereich social Enterprise.
Das Deutsche Patent- und Markenamt, Markenstelle für Klasse 31, hat die Anmeldung nach vorheriger Beanstandung mit Beschluss vom 30. April 2015 zurückgewiesen, da das Anmeldezeichen der erforderlichen Unterscheidungskraft entbehre. Das angesprochene Publikum verstehe das Wort „Freibeuter“ im Sinne von „Seeräuber“, womit es die Vorstellung von Freiheit und Abenteuer verbinde. Das gegenständliche Zeichen erschöpfe sich in einem allgemein geläufigen Wort der Alltagssprache und werde deshalb nicht als betrieblicher Herkunftshinweis aufgefasst. Es könne ferner auf die Beschaffenheit der beanspruchten Waren und Dienstleistungen hinweisen und unterliege demzufolge auch dem Schutzhindernis gemäß § 8 Abs. 2 Nr. 2 MarkenG.
Hiergegen richtet sich die Beschwerde des Anmelders vom 2. Juni 2015, mit der er sinngemäß beantragt,
den Beschluss des Deutschen Patent- und Markenamtes, Markenstelle für Klasse 31, vom 30. April 2015 im tenorierten Umfang aufzuheben.
Im Beschwerdeverfahren hat der Anmelder mit Schriftsatz vom 21. April 2017 das Waren- und Dienstleistungsverzeichnis wie aus dem Tenor ersichtlich beschränkt. Er meint, dass das angemeldete Zeichen keinem Schutzhindernis unterliege. Es weise in Bezug auf die beschwerdegegenständlichen Waren und Dienstleistungen keinen im Vordergrund stehenden beschreibenden Bezug auf. Auch erschöpfe sich der angemeldete Begriff „FREIBEUTER“ nicht in einer Werbeaussage oder einer sonstigen Angabe, die das Publikum nicht als betrieblichen Herkunftshinweis verstehe. Außerdem handele es sich nicht um eine freihaltebedürftige Sachangabe gemäß § 8 Abs. 2 Nr. 2 MarkenG.
Wegen der weiteren Einzelheiten wird ergänzend auf den Akteninhalt verwiesen.
II.
Die zulässige Beschwerde hat Erfolg. Der Anmeldung stehen auf der Grundlage des im Beschwerdeverfahren mit Schriftsatz des Anmelders vom 21. April 2017 eingereichten Verzeichnisses der Waren und Dienstleistungen keine Eintragungshindernisse nach § 8 Abs. 2 MarkenG entgegen. Insbesondere fehlt dem Zeichen insoweit nicht die erforderliche Unterscheidungskraft nach § 8 Abs. 2 Nr. 1 MarkenG. Ebenso handelt es sich nicht um eine freihaltebedürftige Angabe gemäß § 8 Abs. 2 Nr. 2 MarkenG. Der angegriffene Beschluss des Deutschen Patent- und Markenamts vom 30. April 2015 war daher im tenorierten Umfang aufzuheben. Soweit der Beschwerdeführer die Anmeldung nicht weiter verfolgt, ist der angegriffene Beschluss gegenstandslos.
1. Der Anmelder hat das Verzeichnis der angemeldeten Waren und Dienstleistungen durch seine Erklärung vom 21. April 2017 wirksam beschränkt. Er hat zum einen die Dienstleistungen der Klasse 35 konkretisiert und zum anderen auf die Dienstleistungen der Klasse 41 verzichtet. Beide Änderungen begegnen keinen rechtlichen Bedenken.
2. Einem Wortzeichen fehlt dann die erforderliche Unterscheidungskraft gemäß § 8 Abs. 2 Nr. 1 MarkenG, wenn die angesprochenen Verkehrskreise ihm lediglich einen im Vordergrund stehenden beschreibenden Begriffsinhalt entnehmen (EuGH GRUR 2004, 674, Rdnr. 86 - Postkantoor; BGH GRUR 2012, 270, Rdnr. 11 - Link economy) oder wenn es aus gebräuchlichen Wörtern oder Wendungen der deutschen Sprache oder einer bekannten Fremdsprache besteht, die vom Verkehr - etwa auch wegen einer entsprechenden Verwendung in der Werbung - stets nur als solche und nicht als Unterscheidungsmittel verstanden werden (BGH GRUR 2016, 934, Rdnr. 12 - OUI; GRUR 2014, 872, Rdnr. 21 - Gute Laune Drops). Darüber hinaus besitzen keine Unterscheidungskraft auch Zeichen, die sich auf Umstände beziehen, welche die beanspruchten Waren und Dienstleistungen zwar nicht unmittelbar betreffen, durch die aber ein enger beschreibender Bezug zu diesen hergestellt wird und die sich damit in einer beschreibenden Angabe erschöpfen (BGH GRUR 2014, 1204, Rdnr. 12 - DüsseldorfCongress).
Nach diesen Grundsätzen kann dem angemeldeten Zeichen die erforderliche Unterscheidungskraft jedenfalls in Bezug auf die noch beschwerdegegenständlichen Waren und Dienstleistungen nicht abgesprochen werden.
Der Begriff „Freibeuter“ bezeichnet einen Schiffsführer mit Vollmacht zum Kapern und wird als Synonym für „Pirat“ oder „Seeräuber“ verwendet (vgl. Duden Online: Suchbegriff „Freibeuter“). In diesen Bedeutungen ist er nicht geeignet, objektive Eigenschaften der noch beanspruchten Waren bzw. Dienstleistungen zu benennen. Insbesondere ist nicht ersichtlich, dass die Angabe diesbezüglich als Hinweis auf die Form der Ware bzw. der Verpackung (vgl. zu Zuckerwaren, BPatG, Beschluss vom 29. November 2010, 25 W (pat) 195/09 - Schwarze Eulen) oder auf ein die Warengestaltung bestimmendes Motiv in Betracht kommt (vgl. zu Schokoladenwaren, BPatG, Beschluss vom 13. September 2016, 24 W (pat) 565/16 - EMOJIS). Soweit das Deutsche Patent- und Markenamt im Rahmen seiner Ausführungen zum Schutzhindernis nach § 8 Abs. 2 Nr. 2 MarkenG von einer Eignung des Zeichens, Merkmale der in Rede stehenden Produkte zu beschreiben, ausgeht, lässt der angegriffene Beschluss jegliche Begründung vermissen.
Es ist auch nicht feststellbar, dass sich der angemeldete Begriff in einem gebräuchlichen Wort der deutschen Sprache, das vom Verkehr stets nur als solches und nicht als Unterscheidungsmittel verstanden wird (vgl. Ströbele/Hacker, Markengesetz, 11. Auflage, § 8, Rdnr. 90 ff.), erschöpft. Marken sind naturgemäß häufig in einer Weise gebildet, die geeignet ist, das Kaufinteresse und die Bindung der Kunden durch Verwendung eines positiv besetzten oder assoziationsreichen Produktnamens zu fördern. Selbst wenn der angemeldete Begriff „Freibeuter“ in Verbindung mit den beanspruchten Waren und Dienstleistungen Vorstellungen über „Freiheit“ und/oder „Abenteuer“ hervorrufen sollte, spricht dies daher nicht gegen die Wahrnehmung des Zeichens als betriebliches Unterscheidungsmittel. Anders könnte es sich dann verhalten, wenn das Wort „Freibeuter“ als Werbemittel verbraucht wäre (vgl. BPatG, Beschluss vom 15. Februar 2016, 26 W (pat) 508/15 - Mona Lisa). Hierfür bestehen vorliegend allerdings keine Anhaltspunkte. Auch die Markenstelle ist insoweit jeden Beleg schuldig geblieben. Im Übrigen liegt es fern, dass der Verbraucher bei Begegnung des Begriffs „Freibeuter“ in Verbindung mit Fleisch, Gemüse, Obst, Gemüsesäfte, Getränke sowie diese Waren betreffende Groß- und Einzelhandelsdienstleistungen an „Freiheit“ oder „Abenteuer“ denkt. Es handelt sich um Grundnahrungsmittel, die der Befriedigung der elementarsten Bedürfnisse eines Menschen, nicht jedoch seiner Verwirklichung als die Freiheit genießender oder das Abenteuer suchender „Freibeuter“ dienen. Ebenso kann nicht angenommen werden, die genannten Waren und Dienstleistungen könnten Gegenstand der Beute eines Freibeuters sein oder ihm bei seinen Raubzügen helfen. Sie weisen keine Merkmale auf, die sie für diesen Verwendungszweck besonders geeignet erscheinen lassen. Da die beschwerdegegenständlichen Waren und Dienstleistungen des Weiteren keine sonstigen Eigenschaften aufweisen, die mit einem Freibeuter in Zusammenhang stehen, sind auch andere Sachbezüge nicht erkennbar. Zusammenfassend können folglich die Ausführungen der Markenstelle die Zurückweisung der Anmeldung nicht rechtfertigen.
3. Bei dieser Sachlage besteht vorliegend auch kein Freihaltungsinteresse nach § 8 Abs. 2 Nr. 2 MarkenG. Aus den vorgenannten Gründen eignet sich das Anmeldezeichen nicht als unmittelbar beschreibende Angabe im Hinblick auf die beanspruchten Waren und Dienstleistungen.
Der Beschwerde des Anmelders war daher stattzugeben.
4. Von der Anordnung der Rückzahlung der Beschwerdegebühr aus Billigkeitsgründen nach § 71 Abs. 3 MarkenG wird abgesehen. Eine fehlerhafte Anwendung des materiellen Rechts rechtfertigt die Rückzahlung nur dann, wenn die Rechtsanwendung völlig unvertretbar erscheint (vgl. Ströbele/Hacker, a. a. O., § 71, Rdnr. 46). Der angegriffene Beschluss leidet zwar an Begründungsmängeln. Allerdings sind die Ausführungen zumindest teilweise nachvollziehbar, so dass von einer völlig unvertretbaren Rechtsanwendung (noch) nicht ausgegangen werden kann.