Bundespatentgericht

Entscheidungsdatum: 19.09.2016


BPatG 19.09.2016 - 28 W (pat) 530/13

Markenbeschwerdeverfahren – "skizzierte Frontansicht des Kleinbusses VW-Bulli T1 (zweidimensionale Bildmarke)" – Unterscheidungskraft – kein Freihaltungsbedürfnis


Gericht:
Bundespatentgericht
Spruchkörper:
28. Senat
Entscheidungsdatum:
19.09.2016
Aktenzeichen:
28 W (pat) 530/13
Dokumenttyp:
Beschluss
Zitierte Gesetze

Tenor

In der Beschwerdesache

betreffend die Markenanmeldung 30 2012 062 273

hat der 28. Senat (Marken- Beschwerdesenat) des Bundespatentgerichts am 19. September 2016 unter Mitwirkung des Vorsitzenden Richters Prof. Dr. Kortbein, des Richters Dr. Söchtig sowie des Richters Dr. Meiser

beschlossen:

Der Beschluss des Deutschen Patent- und Markenamtes, Markenstelle für Klasse 12, vom 19. Juli 2013 wird aufgehoben.

Gründe

I.

1

Die Bildmarke

Abbildung

2

ist am 4. Dezember 2012 zur Eintragung als Marke in das beim Deutschen Patent- und Markenamt geführte Register für die Waren und Dienstleistungen der

3

„Klasse 12: Fahrzeuge zur Beförderung auf dem Lande, in der Luft, auf dem Wasser oder auf Schienen sowie deren Teile, soweit in Klasse 12 enthalten; motorisierte Landfahrzeuge; Motoren und Antriebssysteme für Landfahrzeuge, Antriebe für Landfahrzeuge; Kupplungen für Landfahrzeuge; Fahrwerke für Landfahrzeuge; Chassis für Fahrzeuge; Karosserien für Fahrzeuge; Reifen (Pneus), Schläuche für Reifen, Gleitschutzvorrichtungen für Fahrzeugreifen, Flickzeug für Reifenschläuche, selbstklebende Flickgummis für die Reparatur von Reifenschläuchen, Reifen für Fahrzeugräder, Spikes für Reifen, Gleitschutzketten, Schneeketten, Felgen für Fahrzeugräder, Vollgummireifen für Fahrzeugräder; Fahrzeugräder, Radnaben von Automobilen; Stoßdämpfer für Fahrzeuge, Stoßdämpferfedern für Fahrzeuge; Kopfstützen für Fahrzeugsitze; Fahrzeugsitze; Rückspiegel; Alarmanlagen für Fahrzeuge, Diebstahlsicherungen für Fahrzeuge; Zigarettenanzünder für Automobile; Kraftfahrzeuge, Automobile; Lokomotiven; Autobusse; Lastkraftwagen; Wohnwagen; Anhänger und Sattelauflieger für Fahrzeuge, Anhängerkupplungen für Fahrzeuge; Traktoren; Motorräder, Fahrräder, Zweiräder, Mopeds, Roller [Fahrzeuge]; Sessellifte, Seilbahnen; Drahtseilfördergeräte und -anlagen; Rollstühle; Karren, Einkaufswagen, Gepäckwagen; Omnibusse; Flugzeuge, Wasserflugzeuge, Luftfahrzeuge; Boote, Fähren, Schiffe, Yachten;

4

Klasse 14: Edelmetalle und daraus hergestellte Gegenstände, soweit in Klasse 14 enthalten; Juwelierwaren, Schmuckwaren, Krawattennadeln, Manschettenknöpfe, Anstecknadeln, Schlüsselanhänger; Uhren und Zeitmessinstrumente, Armbanduhren und Stoppuhren und Taschenuhren, Uhrenetuis, Edelsteine;

5

Klasse 16: Papier, Pappe (Karton) und Waren aus diesen Materialien, soweit in Klasse 16 enthalten; Druckereierzeugnisse; Buchbindeartikel; Photographien; Schreibwaren; Klebstoffe für Papier- und Schreibwaren oder für Haushaltszwecke; Künstlerbedarfsartikel; Farbpinsel; Schreibmaschinen, Schreibgeräte und Büroartikel, ausgenommen Möbel; Lehr- und Unterrichtsmaterial, ausgenommen Apparate; Verpackungsmaterial aus Kunststoff, soweit in Klasse 16 enthalten; Drucklettern; Druckstöcke; Atlanten, Kalender, geographische Karten; Veröffentlichungen (Schriften); gedrucktes Werbematerial und gedruckte Reklame; Fotografien [Abzüge]; Dokumentenhüllen; Kugelschreiber und Bleistifte; Wimpel und Fahnen aus Papier, Servietten aus Papier;

6

Klasse 25: Bekleidungsstücke, Schuhwaren, Kopfbedeckungen, Hosen, T-Shirts, Polo-Shirts, Mäntel, Jacken, Overall, Mützen, Handschuhe, Schuhe, Tücher für Bekleidungszwecke, Krawatten, Schals;

7

Klasse 28: Spiele, Spielzeug; verkleinerte Fahrzeugmodelle, Modellautos und Spielzeugautos; Modellbausätze [Spielwaren]; Fahrzeuge für Kinder (soweit in Klasse 28 enthalten), Roller (Kinderfahrzeuge); Turn- und Sportartikel, soweit in Klasse 28 enthalten; Spielkarten; Bälle; Plüschtiere und sonstige Plüschspielzeugartikel; Unterhaltungs- und Spielgeräte, Videospielgeräte, tragbare Spiele mit LCD-Display; Spielautomaten (geldbetätigte Maschinen), Videospielgeräte für Spielhallen; Christbaumschmuck, ausgenommen Beleuchtungsgeräte und Zuckerwaren; Kaleidoskope;

8

Klasse 35: Einzel- und Großhandelsdienstleistungen bezüglich Kraftfahrzeugen, Kraftfahrzeugteilen und Kraftfahrzeugzubehör; Einzel- und Großhandelsdienstleistungen für den Versandhandel bezüglich Kraftfahrzeugen, Kraftfahrzeugteilen und Kraftfahrzeugzubehör; Dienstleistungen des Einzel- und Großhandels über das Internet bezüglich Kraftfahrzeugen, Kraftfahrzeugteilen und Kraftfahrzeugzubehör; Einzel- und Großhandelsdienstleistungen mittels Teleshopping-Sendungen bezüglich Kraftfahrzeugen, Kraftfahrzeugteilen und Kraftfahrzeugzubehör; das Zusammenstellen, ausgenommen deren Transport, verschiedener Kraftfahrzeuge oder Kraftfahrzeugteile oder verschiedenen Kraftfahrzeugzubehörs für Dritte, um den Verbrauchern Ansicht und Erwerb dieser Waren in einer Einzelhandelsverkaufsstelle zu erleichtern; Vermittlung von Verträgen für Dritte über den An- und Verkauf von Kraftfahrzeugen, Kraftfahrzeugteilen und Kraftfahrzeugzubehör; Unternehmensverwaltung und organisatorische Verwaltung von Kraftfahrzeug-Fuhrparks für Dritte; Präsentation von Waren in Kommunikations-Medien, für den Einzelhandel; Durchführung von Auktionen und Versteigerungen im Internet; Erteilung von Auskünften (Information) und Beratung für Verbraucher in Handels- und Geschäftsangelegenheiten (Verbraucherberatung); verwaltungstechnische Bearbeitung von Bestellungen (Büroarbeiten); Vermittlung von Verträgen für Dritte über den An- und Verkauf von Waren; Beratung und Hilfe bei der Organisation und Führung von Handels- und Geschäftsbetrieben; Rechnungsstellung und Rechnungsabwicklung für Dritte; Dateienverwaltung mittels Computer; Werbung; Geschäftsführung; Unternehmensverwaltung; Büroarbeiten; Personalanwerbung, Beratung in Fragen des Personalwesens; Unternehmensberatung, Öffentlichkeitsarbeit, Marketing; Rundfunk- und Fernsehwerbung, Produktion von Werbefilmen; Veranstaltung von Messen für wirtschaftliche und Werbezwecke; Sammeln und Zusammenstellen von themenbezogenen Presseartikeln;

9

Klasse 37: Umbau, Reparatur, Instandhaltung, Demontage, Wartung, Pflege, Reinigung und Lackieren von Fahrzeugen, Motoren und deren jeweiligen Teilen, Montage von Fahrzeugen, Motoren und deren jeweiligen Teilen für Dritte, Reparatur von Fahrzeugen im Rahmen der Pannenhilfe; kundenspezifische Durchführung von Umbauten an Karosserie, Fahrwerk und Motor von Kraftfahrzeugen (Tuning), soweit in Klasse 37 enthalten;

10

Klasse 39: Transportwesen; Verpackung und Lagerung von Waren; Veranstaltung von Reisen; Abschleppen von Fahrzeugen; Taxidienste, Transporte mit Kraftfahrzeugen, Transportlogistik; Vermietung von Fahrzeugen, insbesondere Automobilen; Beförderung von Personen, insbesondere mit Autobussen; Dienstleistungen eines Frachtmaklers; Auslieferung von Waren und Paketen; Verkehrsinformationsdienste; Flottensteuerung von Kraftfahrzeugen mittels Navigations- und Ortungsgeräten;

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Klasse 41: Erziehung; Ausbildung; Unterhaltung; sportliche und kulturelle Aktivitäten; Organisation und Durchführung von kulturellen und/oder sportlichen Veranstaltungen; Talent- und Nachwuchsförderung durch Aus- und Fortbildung; Coaching [Ausbildung]; berufliche Umschulungen; Organisation, Veranstaltung und Durchführung von Kolloquien, Konferenzen, Kongressen, Symposien, Seminaren und Workshops [Ausbildung]; Veranstaltung von Ausstellungen für kulturelle und Unterrichtszwecke; Zusammenstellung von Fernseh- und Rundfunkprogrammen, Rundfunk- und Fernsehunterhaltung, Filmvorführungen in Kinos; Durchführung von Live-Veranstaltungen; Durchführung von Spielen in Computernetzwerken und im Internet; Betrieb von Museen (Darbietung, Ausstellungen); Musikdarbietungen, Orchesterdarbietungen; Veranstaltung sportlicher Wettkämpfe; Veranstaltung von Lotterien und Glücksspielen; Theateraufführungen; Publikationen von Zeitschriften und Büchern in elektronischer Form, auch im Internet; Zirkusdarbietungen; Veröffentlichung von Büchern; Betrieb eines Clubs [Unterhaltung oder Unterricht];“

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angemeldet worden (verfahrensgegenständliche Waren in Fettdruck).

13

Das Deutsche Patent- und Markenamt, Markenstelle für Klasse 12, hat mit Beschluss vom 19. Juli 2013, nach vorangegangenem Beanstandungsbescheid vom 29. Januar 2013, die Anmeldung für die Waren

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„Klasse 12: Fahrzeuge zur Beförderung auf dem Lande sowie deren Teile, soweit in Klasse 12 enthalten; motorisierte Landfahrzeuge; Motoren und Antriebssysteme für Landfahrzeuge, Antriebe für Landfahrzeuge; Kupplungen für Landfahrzeuge; Fahrwerke für Landfahrzeuge; Chassis für Fahrzeuge; Karosserien für Fahrzeuge; Reifen (Pneus), Fahrzeugräder, Kraftfahrzeuge, Automobile; Autobusse; Lastkraftwagen; Wohnwagen; Omnibusse;

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Klasse 14 Edelmetalle und daraus hergestellte Gegenstände, soweit in Klasse 14 enthalten; Juwelierwaren, Schmuckwaren, Krawattennadeln, Manschettenknöpfe, Anstecknadeln, Schlüsselanhänger;

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Klasse 16 Druckereierzeugnisse; Photographien; Kalender, Veröffentlichungen (Schriften); gedrucktes Werbematerial und gedruckte Reklame; Fotografien [Abzüge];

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Klasse 28 Spiele, Spielzeug; verkleinerte Fahrzeugmodelle, Modellautos und Spielzeugautos; Modellbausätze [Spielwaren]; Fahrzeuge für Kinder (soweit in Klasse 28 enthalten); Spielkarten; Christbaumschmuck, ausgenommen Beleuchtungsgeräte und Zuckerwaren“

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zurückgewiesen.

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Zur Begründung hat das Deutsche Patent- und Markenamt ausgeführt, dem Anmeldezeichen fehle im Umfang der Zurückweisung die erforderliche Unterscheidungskraft gemäß § 8 Abs. 2 Nr. 1 MarkenG. Bei ihm handele es sich um die frontale und plastische Wiedergabe eines Kleintransporters der Volkswagen GmbH, nämlich des VW „T1“, auch „Bulli“ genannt, der ab 1950 gebaut worden sei. Die beanspruchte 2D-Warenform-Marke erschöpfe sich dabei in der Darstellung der Ware selbst. Sie weise lediglich Gestaltungselemente auf, die sich nicht erheblich von branchenüblichen vergleichbaren Waren abhöben. Das Amt hat unter Verweis auf eine durchgeführte Internetrecherche weiter ausgeführt, die leicht abgerundete Kastenform der Fahrzeugseite, runde Frontbeleuchtung sowie die rechteckige zweigeteilte Frontscheibe seien im Automobilbau bekannt und würden von verschiedenen Herstellern immer wieder variiert. Damit weise die Darstellung aber keine erheblichen Abweichungen von den gängigen Standards des Fahrzeugbaus und der dort herrschenden Formenvielfalt auf. Auch gehe sie nicht über den Erfahrungsschatz des Verkehrs hinaus, sodass ihr die Unterscheidungskraft im markenrechtlichen Sinne von Hause aus fehle. Ob der Eintragung des Anmeldezeichens darüber hinaus auch das Schutzhindernis eines Freihaltebedürfnisses gemäß § 8 Abs. 2 Nr. 2 MarkenG entgegensteht, hat das Deutsche Patent- und Markenamt im Ergebnis dahinstehen lassen.

20

Hiergegen richtet sich die Beschwerde der Anmelderin vom 12. August 2013 mit der sie sinngemäß beantragt,

21

den Beschluss des Deutschen Patent- und Markenamtes vom 19. Juli 2013 aufzuheben, soweit die Anmeldung des Zeichens zurückgewiesen worden ist.

22

Zur Begründung verweist sie darauf, dass das EUIPO (zum damaligen Zeitpunkt: Harmonisierungsamt) die korrespondierende Gemeinschaftsmarke im Jahr 2013 eingetragen habe.

23

Im Amtsverfahren hat die Anmelderin vorgetragen, bei dem Anmeldezeichen handele es sich nicht um die plastische Wiedergabe eines sogenannten Kleinbusses, welche die Ware selbst darstelle, sondern allenfalls um eine Skizze, die schemenhaft bestimmte Merkmale eines Fahrzeugs andeute. Bestenfalls lasse sich die Vorderansicht eines kastenförmigen Fahrzeugs erahnen, mehr jedoch nicht. Diese Vorderansicht werde geprägt von einer geteilten - für heutige Verhältnisse gänzlich untypischen - Frontscheibe und einem darunter liegenden Bereich, der durch ein fliehendes „V“ in drei Dreiecke geteilt werde. Im rechten und linken dieser Dreiecke finde sich jeweils mittig ein angedeuteter Kreis. Der Gesamteindruck erinnere an ein menschliches Antlitz (Gesicht mit Brille), mancher werde darin vielleicht auch eulenartige Züge erkennen. Jedenfalls trete dem Betrachter eine Fahrzeugphysiognomie entgegen, die markant sei und sich einpräge. Das Modell, welches das Deutsche Patent- und Markenamt in dem Anmeldezeichen zu erkennen glaube, stamme aus den fünfziger Jahren. Es werde heutzutage nicht mehr produziert. Im heutigen Straßenverkehr sei es daher nicht mehr vorzufinden. Das Anmeldezeichen habe daher einen rein historischen Gehalt.

24

Hinsichtlich der vom Anmeldezeichen weiter beanspruchten nicht Kfz-bezogenen Waren sei das Zeichen ohne Weiteres unterscheidungskräftig. Die bloße Möglichkeit, dass ein veraltetes, historisches, aktuell nicht mehr produziertes Modell eines VW-Kleinbusses, skizzenhaft angedeutet, etwa auf Druckereierzeugnissen abgebildet werden könne, rechtfertige nicht die Annahme eines Eintragungshindernisses.

25

Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf den Akteninhalt verwiesen.

II.

26

Die Beschwerde ist begründet.

27

1. Das Anmeldezeichen als zweidimensionale Bildmarke gibt skizzenhaft die Frontansicht eines Kleinbusses wieder, die vielfältig gestaltet sein kann und damit abstrakt markenfähig ist (vgl. BGH GRUR 2006, 679, Rdnr. 12 - Porsche Boxster).

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2. Der Eintragung des Anmeldezeichens steht nicht das Schutzhindernis der fehlenden Unterscheidungskraft gemäß § 8 Abs. 2 Nr. 1 MarkenG entgegen.

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Unterscheidungskraft gemäß § 8 Abs. 2 Nr. 1 MarkenG ist die dem Zeichen innewohnende (konkrete) Eignung, vom Verkehr als Unterscheidungsmittel aufgefasst zu werden, das die von der Anmeldung erfassten Waren und Dienstleistungen als von einem bestimmten Unternehmen stammend kennzeichnet und diese somit von denjenigen anderer Unternehmen unterscheidet (vgl. EuGH GRUR 2012, 610, Rdnr. 42 - Freixenet; GRUR 2008, 608, Rdnr. 66 f. - EUROHYPO; BGH  GRUR 2014, 569, Rdnr.  10 - HOT; GRUR 2013, 731, Rdnr. 11 - Kaleido; GRUR 2012, 1143, Rdnr. 7 - Starsat; GRUR 2012, 1044, Rdnr. 9 - Neuschwanstein; GRUR 2010, 825, Rdnr. 13 - Marlene-Dietrich-Bildnis II; GRUR 2010, 935, Rdnr. 8 - Die Vision; GRUR 2006, 850, Rdnr. 18 - FUSSBALL WM 2006). Denn die Hauptfunktion einer Marke besteht darin, die Ursprungsidentität der gekennzeichneten Waren und Dienstleistungen zu gewährleisten (vgl. EuGH GRUR 2006, 233, Rdnr. 45 - Standbeutel; GRUR 2006, 229, Rdnr. 27 - BioID; GRUR 2008, 608, Rdnr. 66 - EUROHYPO; BGH GRUR 2008, 710, Rdnr. 12 - VISAGE; GRUR 2009, 949, Rdnr. 10 – My World). Da allein das Fehlen jeglicher Unterscheidungskraft ein Eintragungshindernis begründet, ist nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofes ein großzügiger Maßstab anzulegen, so dass jede auch noch so geringe Unterscheidungskraft genügt, um das Schutzhindernis zu überwinden (vgl. BGH GRUR 2012, 1143, Rdnr. 7 - Starsat; GRUR 2012, 1044, Rdnr. 9 - Neuschwanstein; GRUR 2012, 270, Rdnr. 8 - Link economy).

30

Bei zweidimensionalen Marken, die sich in der bloßen Abbildung der Ware erschöpfen, als auch bei dreidimensionalen Marken, die die Form der Ware darstellen, geht die höchstrichterliche Rechtsprechung trotz Anlegung eines großzügigen Prüfungsmaßstabs davon aus, dass solchen Marken im Allgemeinen die erforderliche (konkrete) Unterscheidungskraft fehlt. Denn die zwei- oder dreidimensionale naturgetreue Wiedergabe eines der Gattung nach im Warenverzeichnis genannten Erzeugnisses ist häufig nicht geeignet, die Ware ihrer Herkunft nach zu individualisieren (BGH a. a. O., Rdnr. 17 - Porsche Boxster). Anders verhält es sich lediglich dann, wenn die Abbildung erheblich abweichende charakteristische Merkmale aufweist, die aus dem Rahmen der gebräuchlichen Gestaltungsvielfalt auf dem jeweiligen Warengebiet fallen und für die angesprochenen Verkehrskreise auch erkennbar sind (Ströbele/Hacker, MarkenG, 15. Auflage, 2015, § 8, Rdnr. 276).

31

Vorliegend gilt es zu berücksichtigen, dass der Verkehr seit langem bei Automobilen daran gewöhnt ist, in der äußeren Form des Fahrzeugs auch einen Herkunftshinweis zu sehen. Dieses Verständnis wird dadurch unterstützt, dass sich die Automobilhersteller erkennbar darum bemühen, verschiedenen Modellen, die in zeitlicher Abfolge oder parallel im Rahmen der jeweiligen Modellpalette vertrieben werden, durch gleich bleibende herstellertypische Gestaltungsmerkmale ein Aussehen zu verleihen, das die Zugehörigkeit zu einer bestimmten Modellfamilie erkennen lässt und die Zuordnung zu einem bestimmten Hersteller erleichtert. Diese Entwicklung wird dadurch unterstützt und gefördert, dass die Hersteller die entsprechenden Gestaltungsmerkmale werblich herausstellen und damit den Wiedererkennungseffekt solcher Formgestaltungen erhöhen. Dabei ist zu beobachten, dass auch dann, wenn funktionsbedingt oder auf Grund einer Modeströmung Modelle verschiedener Hersteller ähnliche Gestaltungsmerkmale aufweisen, andere Merkmale bleiben, die als charakteristisch empfunden werden und denen infolge dessen eine identitätsstiftende Funktion zukommt (BGH a. a. O., Rdnr. 18 - Porsche Boxster).

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So liegt der Fall auch hier. Bei dem Anmeldezeichen handelt es sich um die skizzierte Frontansicht des „VW-Bullies“ der Modellreihe „T1“, welcher in den Jahren 1950 bis 1967 produziert wurde.

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Das Modell „T1“ zeichnet sich zunächst durch seine zweigeteilte Frontscheibe aus. Der unterhalb der Fensterreihe liegende Bereich wird von einem fliehenden „V“ geprägt, das sich von der unteren Mitte der Vorderfront über diese zum unteren Rand der Fenster zieht. Die Front des „T1“ weist schließlich eine abgerundete Gestaltung auf, die auf markante Ecken und Kanten verzichtet. Ein Betrachter, dem zunächst ein Fahrzeug mit der als Marke beanspruchten Form und sodann ein Fahrzeug mit denselben besonderen Gestaltungsmerkmalen begegnet, wird annehmen, dass beide Fahrzeuge vom selben Hersteller stammen.

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Das beanspruchte Zeichen weicht auch erheblich von den gebräuchlichen Gestaltungen einer Fahrzeugfront auf dem Gebiet der Kleintransporter ab. Dies gilt zunächst für aktuelle Modelle von vergleichbaren Transportern, die in ihrer äußerlichen Aufmachung sehr viel moderner erscheinen und in keiner Weise dem eher „historischen“ Design der Frontansicht des „T1“ ähneln, wie bereits aus der Anlage 1 zum Beschluss vom 19. Juli 2013 ersichtlich ist. Aber auch vergleichbare ältere Modelle von Kleintransportern weisen erheblich abweichende Gestaltungen auf, was Recherchen des Senats ergeben haben.

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Danach ist zunächst ersichtlich, dass nahezu alle vom Senat ermittelten Vergleichsfahrzeuge über keine zweigeteilte Frontscheibe verfügen. Anders verhält es sich lediglich bei dem polnischen Modell „ZSD“. Dieses weist jedoch – ob seiner eher breiten und kantigen Gestaltung sowie der zurückgesetzten Frontscheibe - ein gänzlich anderes Erscheinungsbild auf als der „T1“. Dem VW-Modell in seiner Konstruktion am nächsten kommend sind die Modelle „Goliath Express 900 Kombi“, „Ford Taunus Transit Kombi“, „Hanomag Matador“ sowie „Borward B 1500“. All diesen Modellen ist jedoch gemein, dass sie über keine zweigeteilte Frontscheibe verfügen. Zudem wird ihre Vorderfront nicht durch ein fliehendes „V“ (beginnend an der unteren Vorderfront) geprägt. Auch wenn alle vorstehend angeführten Modelle Rundungen aufweisen, fehlt ihnen doch jeweils die „rundliche Kompaktheit“ des „T1“.

36

Weist die das Anmeldezeichen darstellende Frontansicht des „Bulli“ somit charakteristische Merkmale auf, die aus dem Rahmen der gebräuchlichen Gestaltungen auf dem Gebiet der Kleintransporter fallen, gilt es vorliegend noch eine weitere Besonderheit zu berücksichtigen: Der „Bulli“ verfügte zum Zeitpunkt seiner Produktion über eine überaus große Bekanntheit, die heute noch besteht, da er neben dem VW-Käfer als ein Symbol des Wirtschaftswunders gilt. Bis zur Ablösung des „T1“ im Juli 1967 durch das Nachfolgemodell „T2“ wurden zudem insgesamt 1,8 Millionen Einheiten produziert (vgl. unter www.wikipedia.de – „VW T1“).

37

Die große Bekanntheit gerade des „T1“ findet des Weiteren ihren Ausdruck darin, dass dieser in zahlreichen Filmen wie etwa „Alice’s Restaurant“, „Bolzplatz-Duell“, „Cars“, „Across The Universe“ und „Mythbusters“ jeweils eine nicht unmaßgebliche Rolle gespielt hat (vgl. unter www.wikipedia.de – „VW Bus“). Der „Mythos“ des Bulli wird schließlich auch noch durch zahlreiche „VW-Bus-Clubs“ weiter aufrechterhalten und gepflegt, welche sich nicht zuletzt auch und gerade aus „Bulli-Fahrern“ zusammensetzen und europaweit internationale Treffen mit Gleichgesinnten veranstalten (vgl. unter http://www.barracuda-beach.de/vw-bus-treffen/;http://www.kalskommunikation.at/websites/bullitreffen/de/).

38

Demzufolge kommt dem „T1“ Kultstatus zu (vgl. http://www.auto-service.de/werkstatt/oldtimer), was durch den Kosenamen „Bulli“ anschaulich zum Ausdruck gebracht wird. Mithin steht der Eintragung des Anmeldezeichens für die beschwerdegegenständlichen Waren in Klasse 12 nicht das Schutzhindernis der fehlenden Unterscheidungskraft entgegen.

39

Nämliches gilt für die von der Beschwerde umfassten Waren der Klassen 14, 16 und 28. Zwar ist es durchaus vorstellbar, wie vom Deutschen Patent- und Markenamt in der angegriffenen Entscheidung ausgeführt, dass das Anmeldezeichen hinsichtlich dieser Waren auf deren thematischen Inhalt hinweist (Schlüsselanhänger, Spielzeug etc.). Allein diese Möglichkeit reicht jedoch nicht für die Feststellung aus, dass dem Anmeldezeichen insoweit jegliche Unterscheidungskraft fehlt, wenn es darüber hinaus praktisch bedeutsame und naheliegende Möglichkeiten gibt, das angemeldete Bildzeichen bei den Waren, hinsichtlich derer die Anmeldung zurückgewiesen worden ist, so zu verwenden, dass es vom Verkehr ohne Weiteres als Marke verstanden wird (BGH NJW-RR 2008, 1569 - Marlene-Dietrich-Bildnis). Auf Grund der überaus großen Bekanntheit des „Bulli“ als „der Kulttransporter“ aus dem Hause VW wird der angesprochene Verkehr, wenn ihm das Anmeldezeichen etwa auf Druckereierzeugnissen, auf Schlüsselanhängern oder auf Spielzeug (in einer markenmäßigen Anbringungsweise) begegnet, in naheliegender Weise einen unmittelbaren Rückschluss auf den Hersteller des „Bulli“ ziehen (mithin das Zeichen als einen Unternehmenshinweis auffassen). Dies gilt umso mehr, als markenmäßige - und nicht bloß werbemäßige - Verwendungsformen bei den vorgenannten Waren durchaus üblich sind, etwa die Anbringung auf der Rückseite von Druckereierzeugnissen (im Sinne eines Verlagshinweises) bzw. auf dem Etikett eines Spielzeugs oder eines Schlüsselanhängers.

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3. Aus vorstehend Gesagtem folgt im Ergebnis weiter, dass auch das Schutzhindernis eines Freihaltebedürfnisses gemäß § 8 Abs. 2 Nr. 2 MarkenG der Eintragung des Anmeldezeichens nicht entgegensteht. Zwar kann an Zeichen, die sich darin erschöpfen, lediglich die äußere Form einer Ware wiederzugeben, ein Freihaltebedürfnis bestehen, da die Freiheit der Gestaltung von Produkten nicht über Gebühr eingeschränkt werden darf (vgl. BGH a. a. O., Rdnr. 21 - Porsche Boxster). Liegt die beanspruchte Form im Rahmen einer auf diesem Warengebiet üblichen Formenvielfalt und sind die Möglichkeiten, die Produktgestaltung im Interesse einer Individualisierung zu variieren, beschränkt, kann dies dafür sprechen, dass die als Marke beanspruchte Form im Interesse der Allgemeinheit freizuhalten ist (BGH GRUR 2004, 329 - Käse in Blütenform). Anders verhält es sich hingegen dann, wenn auf dem einschlägigen Warengebiet eine außerordentlich große Zahl von Modellen unterschiedlichster Form und Größe in einer nahezu unerschöpflichen Formenvielfalt vorhanden ist und sich das angemeldete Zeichen nicht innerhalb dieser großen Bandbreite möglicher Gestaltungen bewegt (BGH GRUR 2007, 973, Rdnr. 14 - Rado-Uhr III).

41

Es ist bereits ausgeführt worden, dass im Bereich der Kleintransporter eine Vielzahl von unterschiedlichen Modellen existiert. Ferner hat der Senat dargetan, dass sich das Anmeldezeichen mit seiner skizzenhaften Darstellung der Frontansicht des „Bullies“ (des VW-Transporters „T1“) auf Grund der zahlreichen besonderen Charakteristika deutlich von den bereits auf dem Markt vorhandenen Modellen abhebt. Auch besteht auf dem in Rede stehenden Warengebiet eine nahezu unübersehbar große Zahl von Gestaltungsmöglichkeiten, so dass - anders als im Fall des BGH in der Sache „Porsche Boxster“ - von einem überwiegenden Allgemeininteresse an der Freihaltung des angemeldeten Zeichens nicht auszugehen ist (vgl. auch BGH a. a. O., Rdnr. 15 - Rado-Uhr III).

42

Der Beschwerde war daher stattzugeben.