Bundespatentgericht

Entscheidungsdatum: 18.04.2012


BPatG 18.04.2012 - 28 W (pat) 526/10

Markenbeschwerdeverfahren – "Traditionsfleischerei Reinsdorfer (Wort-Bild-Marke)" – Unterscheidungskraft – kein Freihaltungsbedürfnis


Gericht:
Bundespatentgericht
Spruchkörper:
28. Senat
Entscheidungsdatum:
18.04.2012
Aktenzeichen:
28 W (pat) 526/10
Dokumenttyp:
Beschluss
Zitierte Gesetze

Tenor

In der Beschwerdesache

betreffend die Markenanmeldung 30 2009 018 072.5

hat der 28. Senat (Marken-Beschwerdesenat) des Bundespatentgerichts in der Sitzung vom 18. April 2012 unter Mitwirkung der Vorsitzenden Richterin Klante, der Richterin Dorn und des Richters am Amtsgericht Jacobi

beschlossen:

Auf die Beschwerde der Anmelderin wird der Beschluss des Deutschen  Patent- und Markenamts, Markenstelle für Klasse 29, vom 8. Januar 2010 aufgehoben.

Gründe

I.

1

Das Wort-/Bildzeichen 30 2009 018 072.5

Abbildung

2

ist am 23. März 2009 zur Eintragung als Marke für verschiedene Waren und Dienstleistungen der Klassen 16, 29 und 35 in das beim Deutschen Patent- und Markenamt (DPMA) geführte Register angemeldet worden. Das Warenverzeichnis lautet nach der Einschränkung im Beschwerdeverfahren:

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Klasse 16:  Alben, Geschenkkartons; Hüllen (Papier- und Schreibwaren)  Verpackungsbeutel und Verpackungsmittel, soweit in Klasse  16 enthalten; Kunststofffolien für Verpackungszwecke;  Papier, Schreib- und Papierwaren, soweit in Klasse 16  enthalten; Schreibmaterialien; Tüten; Werbeständer und  Wimpel jeweils aus Pappe oder Papier,  soweit in Klasse 16  enthalten.

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Die Markenstelle für Klasse 29 hat die Anmeldung mit Beschluss vom 8. Januar 2010 auf der Grundlage des ursprünglich eingereichten Waren- und Dienstleistungsverzeichnisses wegen fehlender Unterscheidungskraft zurückgewiesen. Zur Begründung hat sie ausgeführt, das Zeichenwort „Traditionsfleischerei Reinsdorfer“ sei die Bezeichnung einer Fleischerei in Reinsdorf, die nach einer bestimmten, bewährten Tradition arbeite. Die Wortfolge weise daher beschreibend auf die geografische Herkunft und die Beschaffenheit, Art und Bestimmung der beanspruchten Waren und Dienstleistungen hin. Die einfache bildliche Ausgestaltung führe nicht weg von der erkennbaren Sachaussage des Wortbestandteils, so dass sich das Anmeldezeichen nicht als betrieblicher Herkunftshinweis eigne.

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Hiergegen richtet sich die Beschwerde der Anmelderin. Sie ist der Ansicht, das angemeldete Zeichen erhalte durch die grafische Ausgestaltung die Funktion eines Unterscheidungsmittels. Des Weiteren hat sie sich auf verschiedene Voreintragungen berufen.

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Nachdem die Beschwerdeführerin vom Senat mit Schreiben vom 26. März 2012 auf die fehlende Erfolgsaussicht ihrer Beschwerde hinsichtlich eines Teils der beanspruchten Waren und Dienstleistungen hingewiesen wurde, hat sie mit Schreiben vom 12. April 2012, per Fax eingegangen am selben Tag, das Waren- und Dienstleistungsverzeichnis wie oben wiedergegeben beschränkt.

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Sie beantragt mit dieser Maßgabe sinngemäß,

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den Beschluss des Deutschen Patent- und Markenamts, Markenstelle für Klasse 29, vom 8. Januar 2010 aufzuheben.

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Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf den Akteninhalt Bezug genommen.

II.

10

Die zulässige Beschwerde ist auf der Grundlage des im Beschwerdeverfahren eingeschränkten Warenverzeichnisses begründet.

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Der Eintragung des angemeldeten Wort-/Bildzeichens

12

 Abbildung

13

als Marke stehen in Bezug auf die noch beanspruchten Waren der Klasse 16 keine Schutzhindernisse nach § 8 Abs. 2 Nr. 1 und Nr. 2 MarkenG entgegen.

14

Dem Anmeldezeichen kann zunächst nicht jegliche Unterscheidungskraft abgesprochen werden.

15

Unterscheidungskraft im Sinne des § 8 Abs. 2 Nr. 1 MarkenG ist die einem Zeichen innewohnende (konkrete) Eignung, vom Verkehr als Unterscheidungsmittel aufgefasst zu werden, welches die in Rede stehenden Waren oder Dienstleistungen als von einem bestimmten Unternehmen stammend kennzeichnet und diese Waren oder Dienstleistungen somit von denjenigen anderer Unternehmen unterscheidet. Da allein das Fehlen jeglicher Unterscheidungskraft ein Eintragungshindernis begründet, ist ein großzügiger Maßstab anzulegen, so dass jede auch noch so geringe Unterscheidungskraft genügt, um das Schutzhindernis zu überwinden (BGH MarkenR 2012, 19, Rdnr. 8 - Link economy; GRUR 2010, 1100, Rdnr. 10 - TOOOR!; GRUR 2010, 825, 826, Rdnr. 13 - Marlene-Dietrich-Bildnis II; GRUR 2006, 850, 854, Rdnr. 18 - FUSSBALL WM 2006). Maßgeblich für die Beurteilung der Unterscheidungskraft ist die Auffassung der beteiligten inländischen Verkehrskreise, wobei auf die Wahrnehmung des Handels und/oder des normal informierten, angemessen aufmerksamen und verständigen Durchschnittsverbrauchers der fraglichen Waren oder Dienstleistungen abzustellen ist (vgl. EuGH GRUR 2006, 411, 412, Rdnr. 24 - Matratzen Concord/Hukla; GRUR 2004, 943, 944, Rdnr. 24 - SAT 2; BGH a. a. O. - FUSSBALL WM 2006). Ebenso ist zu berücksichtigen, dass der Verkehr ein als Marke verwendetes Zeichen in seiner Gesamtheit mit allen seinen Bestandteilen so aufnimmt, wie es ihm entgegentritt, ohne es einer analysierenden Betrachtungsweise zu unterziehen (vgl. EuGH GRUR 2004, 428, 431 Rdnr. 53 -Henkel; BGH GRUR 2001, 1151, 1152 - marktfrisch; MarkenR 2000, 420, 421 - RATIONAL SOFTWARE CORPORATION). Ausgehend hiervon besitzen Wortmarken dann keine Unterscheidungskraft, wenn ihnen die maßgeblichen Verkehrskreise lediglich einen im Vordergrund stehenden beschreibenden Begriffsinhalt zuordnen (vgl. u. a. EuGH GRUR 2004, 674, 678 Rdnr. 86 – Postkantoor; BGH GRUR 2009, 952, 953 Rdnr. 10 - DeutschlandCard; a. a. O. Rdnr. 19 - FUSSBALL WM 2006; GRUR 2005, 417, 418 – BerlinCard; a. a. O. - marktfrisch; GRUR 2001, 1153 - anti KALK) oder wenn diese aus gebräuchlichen Wörtern oder Wendungen der deutschen Sprache oder einer geläufigen Fremdsprache bestehen, die – etwa wegen einer entsprechenden Verwendung in der Werbung oder in den Medien – stets nur als solche und nicht als Unterscheidungsmittel verstanden werden (vgl. u. a. BGH a. a. O. - FUSSBALL WM 2006; GRUR 2003, 1050, 1051 - Cityservice; GRUR 2001, 1043, 1044 - Gute Zeiten – Schlechte Zeiten). Darüber hinaus besitzen keine Unterscheidungskraft vor allem auch Zeichen, die sich auf Umstände beziehen, welche die beanspruchten Waren und Dienstleistungen zwar nicht unmittelbar betreffen, durch die aber ein enger beschreibender Bezug zu diesen hergestellt wird und die sich damit in einer beschreibenden Angabe erschöpfen (BGH a. a. O. 855, Rdnr. 19, 28 f. - FUSSBALL WM 2006).

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Diesen Anforderungen an die Unterscheidungskraft im Sinne des § 8 Abs. 2 Nr. 1 MarkenG genügt das angemeldete Zeichen. Denn sein Wortbestandteil weist für die noch beanspruchten Waren weder einen im Vordergrund stehenden beschreibenden Begriffsgehalt auf, noch handelt es sich um eine Angabe, durch die ein enger beschreibender Bezug zu ihnen hergestellt werden kann.

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Die Wortfolge „Traditionsfleischerei Reinsdorfer“ bezeichnet (irgend-)einen Betrieb eines Fleischers bzw. Metzgers in Reinsdorf, der nach einer bestimmten, bewährten Tradition, also nach einer von Generation zu Generation entwickelten und weitergegebenen Art und Weise arbeitet (vgl. http://www.duden.de/rechtschreibung/Tradition). Ausweislich der übersandten Recherchebelege des Senats wird der Begriff „Traditionsfleischerei“ bereits vielfach in diesem Sinne verwendet (vgl. Anlagen 1a - 1e zum Schreiben des Senats vom 26. März 2012). „Reinsdorf“ ist der Name einer Gemeinde sowohl in Thüringen als auch in Sachsen, wo die Anmelderin ihren Sitz hat, sowie von Ortsteilen verschiedener Städte (vgl. Anlage 2 zum o. g. Schreiben des Senats). Verschiedene Händler in der Fleisch- bzw. Lebensmittelbranche verwenden „Reinsdorfer“ bereits beschreibend als Hinweis auf die Herkunft ihrer Produkte (vgl. Anlagen 3a und 3b zum o. g. Schreiben des Senats).

18

Hinsichtlich der noch beanspruchten Waren der Klasse 16 ist der Wortbestandteil des Anmeldezeichens jedoch keine Sachaussage, da sich „Traditionsfleischerei Reinsdorfer“ aus Sicht der angesprochenen Verkehrskreise nicht zur Beschreibung von Merkmalen dieser Waren eignet. Denn bei „Alben, Geschenkkartons; Hüllen (Papier- und Schreibwaren), Verpackungsbeutel und Verpackungsmittel, soweit in Klasse 16 enthalten; Kunststofffolien für Verpackungszwecke; Papier, Schreib- und Papierwaren, soweit in Klasse 16 enthalten; Schreibmaterialien; Tüten; Werbeständer und Wimpel jeweils aus Pappe oder Papier, soweit in Klasse 16 enthalten“ handelt es sich jeweils um unbedruckte Waren, so dass die Wortfolge „Traditionsfleischerei Reinsdorfer“ insoweit nicht als Inhaltsangabe in Betracht kommt. Da diese Produkte üblicherweise nicht von einer Fleischerei hergestellt und vertrieben werden, eignet sich die Wortfolge auch nicht als Hinweis auf die geografische Herkunft bzw. die Angebotsstätte dieser Waren.

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Dem angemeldeten Zeichen kommt daher insoweit die Bedeutung eines betrieblichen Herkunftshinweises zu.

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Wegen der fehlenden Eignung zur Beschreibung der beschwerdegegenständlichen Waren kommt auch ein Ausschluss von der Eintragung nach § 8 Abs. 2 Nr. 2 MarkenG nicht in Betracht.