Bundespatentgericht

Entscheidungsdatum: 14.10.2015


BPatG 14.10.2015 - 28 W (pat) 522/13

Markenbeschwerdeverfahren – "ALU PRESS" – keine Unterscheidungskraft


Gericht:
Bundespatentgericht
Spruchkörper:
28. Senat
Entscheidungsdatum:
14.10.2015
Aktenzeichen:
28 W (pat) 522/13
Dokumenttyp:
Beschluss
Zitierte Gesetze

Tenor

In der Beschwerdesache

betreffend die Markenanmeldung 30 2013 012 444.8

hat der 28. Senat (Marken-Beschwerdesenat) des Bundespatentgerichts auf die mündliche Verhandlung vom 14. Oktober 2015 unter Mitwirkung der Vorsitzenden Richterin Friehe, der Richterin Uhlmann sowie des Richters Dr. Söchtig

beschlossen:

Die Beschwerde wird zurückgewiesen.

Gründe

I.

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Das Wortzeichen

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ALU PRESS

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ist am 18. Januar 2013 zur Eintragung als Marke in das bei dem Deutschen Patent- und Markenamt (DPMA) geführte Register für folgende Waren und Dienstleistungen der

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Klasse 6: Rohrmuffen aus Metall, insbesondere Muffen für Verbindungsrohre und -röhren; Muffen aus Aluminium und mit Aluminium beschichtete Muffen für Verbindungsrohre und -röhren; Rohre aus Metall; Röhren aus Metall; beschichtete Rohre und Röhren aus Aluminium; Ventile oder Schieber aus Metall, ausgenommen als Maschinenteile; Schraubenmuttern aus Metall; Verschlusskappen aus Metall; Armaturen. Teile, Bestandteile und Zubehör für alle vorgenannten Waren;

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Klasse 11: Wasserleitungsgeräte, Klimaanlagen, Heizung-, Lüftungs-, Gasgeräte, Geräte zur Wasserinstallation, sowie Verbindungsstücke und Zubehör für die vorgenannten Waren; Ventile, nämlich Niveauregelventile für Tanks, Thermostatventile (Teile von Heizungsanlagen); Teile, Bestandteile, Zubehör und Armaturen für alle vorgenannten Waren

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Klasse 17: Rohrmuffen und Verbindungsstücke, nicht aus Metall, insbesondere für Rohre und Röhren; Verbinder für Rohre; Rohrverbindungsstücke, nicht aus Metall; mit Plastik ummantelte Aluminiumbestandteile für Verbindungsrohre und –röhren

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Klasse 19: Rohre, nicht aus Metall, für Bauzwecke; Röhren, nicht aus Metall, für Bauzwecke; mit Plastik ummantelte Aluminiumrohre und -röhren für Bauzwecke; Teile, Bestandteile. Armaturen und Zubehör für alle vorgenannten Waren

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angemeldet worden.

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Mit Beschluss vom 17. April 2013 hat die Markenstelle für Klasse 6 die Anmeldung wegen fehlender Unterscheidungskraft zurückgewiesen. Zur Begründung hat sie ausgeführt, ALU PRESS sei eine sprachüblich gebildete, beschreibende Wortkombination in der Bedeutung von „Aluminium pressen oder gepresst, Aluminiumpresse oder Aluminiumpressmaschine“. Die weitere Bedeutung von Press im Sinne von „eng, nah“ führe nicht zu einer die Unterscheidungskraft begründenden Mehrdeutigkeit. Die von der Anmeldung umfassten Waren könnten ganz oder teilweise aus gepresstem Aluminium sein oder in Verbindung mit gepresstem Aluminium verwendet werden oder solches aufweisen. Ebenso könnten die Waren mittels Aluminiumpressen hergestellt oder bearbeitet worden sein. Selbst bei den Waren der Klassen 17 und 19, die nicht aus Metall bestünden, könne der Verkehr zwischen der Materialangabe „Waren nicht aus Metall“ und Aluminium als Leichtmetall unterscheiden und davon ausgehen, es handele sich um „leichtmetallische“ Waren. Es sei nicht ungewöhnlich, auch Leichtmetalle wie Aluminium zu pressen. Auch wenn man dem Zeichen fremdsprachige Herkunft unterstelle und berücksichtige, dass es lexikalisch nicht nachweisbar sei, führe dies nicht zu einer abweichenden Beurteilung, da es gleichwohl von den angesprochenen Verkehrskreisen ohne jeden gedanklichen Zwischenschritt als Sachangabe verstanden werde.

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Hiergegen richtet sich die Beschwerde der Anmelderin, mit der sie sinngemäß beantragt,

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den Beschluss der Markenstelle für Klasse 06 des Deutschen Patent- und Markenamts vom 17. April 2013 aufzuheben.

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Sie meint, die Wertung der Markenstelle sei teilweise widersprüchlich, wenn sie einerseits der Wortfolge die Bedeutung „Aluminium pressen“ zuspreche, andererseits für das Verständnis des Begriffs PRESS im Sinne von „eng, nah“ mehrere Gedankenschritte für erforderlich halte. Zu der von der Markenstelle gemutmaßten Bedeutung gelange man erst über mehrere Gedankenschritte und damit über eine für die Prüfung der Unterscheidungskraft unzulässige analysierende Betrachtungsweise.

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Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf den Akteninhalt Bezug genommen.

II.

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Die zulässige Beschwerde ist unbegründet. Der Eintragung der angemeldeten Wortfolge ALU PRESS steht das Schutzhindernis der fehlenden Unterscheidungskraft gemäß § 8 Abs. 2 Nr. 1 MarkenG entgegen.

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1. Unterscheidungskraft im Sinne von § 8 Abs. 2 Nr. 1 MarkenG ist die dem Zeichen innewohnende (konkrete) Eignung, vom Verkehr als Unterscheidungsmittel aufgefasst zu werden, das die von der Anmeldung erfassten Waren und Dienstleistungen als von einem bestimmten Unternehmen stammend kennzeichnet und diese somit von denjenigen anderer Unternehmen unterscheidet (vgl. EuGH GRUR 2012, 610, Nr. 42 - Freixenet; GRUR 2008, 608, 611, Nr. 66 f. - EUROHYPO; BGH, GRUR 2014, 569, Rn. 10 – HOT; GRUR 2013, 731, Nr. 11 - Kaleido; GRUR 2012, 1143, Nr. 7 - Starsat; GRUR 2012, 1044, 1045, Nr. 9 - Neuschwanstein; GRUR 2010, 825, 826, Nr. 13 - Marlene-Dietrich-Bildnis II; GRUR 2010, 935, Nr. 8 - Die Vision; GRUR 2006, 850, 854, Nr. 18 - FUSSBALL WM 2006). Denn die Hauptfunktion einer Marke besteht darin, die Ursprungsidentität der gekennzeichneten Waren und Dienstleistungen zu gewährleisten (vgl. EuGH GRUR 2006, 233, 235, Nr. 45 - Standbeutel; GRUR 2006, 229, 230, Nr. 27 - BioID; GRUR 2008, 608, 611, Nr. 66 - EUROHYPO; BGH GRUR 2008, 710, Nr. 12 - VISAGE; GRUR 2009, 949, Nr. 10 – My World). Da allein das Fehlen jeglicher Unterscheidungskraft ein Eintragungshindernis begründet, ist nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofes ein großzügiger Maßstab anzulegen, so dass jede auch noch so geringe Unterscheidungskraft genügt, um das Schutzhindernis zu überwinden (vgl. BGH GRUR 2012, 1143, Nr. 7 - Starsat; GRUR 2012, 1044, 1045, Nr. 9 - Neuschwanstein; GRUR 2012, 270, Nr. 8 – Link economy).

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Maßgeblich für die Beurteilung der Unterscheidungskraft sind einerseits die beanspruchten Waren und Dienstleistungen und andererseits die Auffassung der beteiligten inländischen Verkehrskreise, wobei auf die Wahrnehmung des Handels und/oder des normal informierten, angemessen aufmerksamen und verständigen Durchschnittsverbrauchers bzw. -abnehmers der fraglichen Produkte abzustellen ist (vgl. EuGH GRUR 2006, 411, 412, Nr. 24 - Matratzen Concord/Hukla; GRUR 2004, 943, 944, Nr. 24 - SAT.2; BGH GRUR 2010, 935, Nr. 8 - Die Vision; GRUR 2010, 825, 826, Nr. 13 - Marlene-Dietrich-Bildnis II; GRUR 2006, 850, 854, Nr. 18 - FUSSBALL WM 2006).

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Hiervon ausgehend besitzen Wortmarken dann keine Unterscheidungskraft, wenn ihnen die maßgeblichen Verkehrskreise im Zeitpunkt der Anmeldung des Zeichens (vgl. BGH GRUR 2013, 1143, Nr. 15 - Aus Akten werden Fakten) lediglich einen im Vordergrund stehenden beschreibenden Begriffsinhalt zuordnen (vgl. EuGH GRUR 2004, 674, 678, Nr. 86 - Postkantoor; BGH GRUR 2012, 270, 271, Nr. 11 - Link economy; GRUR 2009, 952, 953, Nr. 10 - DeutschlandCard; GRUR 2006, 850, 854, Nr. 19 - FUSSBALL WM 2006; GRUR 2005, 417, 418 - BerlinCard; GRUR 2001, 1151, 1152 - marktfrisch; GRUR 2001, 1153 - antiKALK) oder wenn diese aus gebräuchlichen Wörtern oder Wendungen der deutschen Sprache oder einer geläufigen Fremdsprache bestehen, die - etwa wegen einer entsprechenden Verwendung in der Werbung oder in den Medien - stets nur als solche und nicht als Unterscheidungsmittel verstanden werden (vgl. u. a. BGH GRUR 2006, 850, 854, Nr. 19 - FUSSBALL WM 2006; GRUR 2003, 1050, 1051 - Cityservice; GRUR 2001, 1043, 1044 - Gute Zeiten - Schlechte Zeiten). Darüber hinaus besitzen keine Unterscheidungskraft auch solche Zeichen, die sich auf Umstände beziehen, welche die beanspruchten Waren oder Dienstleistungen zwar nicht unmittelbar betreffen, durch die aber ein enger beschreibender Bezug zu diesen hergestellt wird (vgl. BGH GRUR 2010, 1100, Nr. 23 - TOOOR!; GRUR 2006, 850, 855, Nr. 28 f. - FUSSBALL WM 2006).

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2. Nach diesen Grundsätzen fehlt der Wortfolge ALU PRESS für die beanspruchten Waren und Dienstleistungen jegliche Unterscheidungskraft, wie die Markenstelle mit zutreffender Begründung festgestellt hat. Das Wortelement ALU wird als gebräuchliche Abkürzung von Aluminium (Alufolie, Alu-Felgen, Alu-Fahrrad) unmittelbar verstanden. PRESS ist ein im Deutschen verbreiteter Wortbestandteil, der abgeleitet aus dem Verb „pressen“ in Verbindung mit Material- oder Warenbegriffen auf eine bestimmte Herstellungweise hinweist, des Inhalts, dass diese Materialien durch Pressen entstanden bzw. bearbeitet worden sind (Pressglas, Pressholz, Pressluft, Presskohle, Pressspan). Entsprechend spricht man von Pressverfahren, Presstechnik, Pressverbindungen oder Pressklemme. Zutreffend hat die Markenstelle die weitere aus der englischen Sprache und dort aus dem Sportbereich stammende Bedeutung „eng, nah“ nicht berücksichtigt. Denn im Zusammenhang mit den beanspruchten Waren ist diese weitere Bedeutung in der Wahrnehmung der angesprochenen Verbraucher eher fernliegend.

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3. Die Wortfolge wird von den angesprochenen Verkehrskreisen, die sich aus den allgemeinen Endverbrauchern sowie dem Fachverkehr im Bereich Haus-, Heizungs- und Sanitärtechnik zusammensetzen, auch ohne Übersetzungsleistung in der Bedeutung „gepresstes Aluminium“ oder „Aluminium pressen“ verstanden werden. Denn der Verkehr ist an die beschreibende Verwendung der Wortkombination bereits gewöhnt, wie die Recherche des Senats ergeben hat, deren Ergebnis der Beschwerdeführerin vorab übersandt worden sind.

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Presstechniken kommen bei der Verarbeitung von Aluminium in vielfältiger Weise zur Anwendung, wie schon im Amtsbescheid ausführlich erläutert ist. Durch Strangpressung werden Formteile aus Aluminium hergestellt (https//:de.wikipedia.org: Strangpressen), sogenannte Aluminiumpressprodukte oder Aluminiumpressteile (www.industrystock.de). Sie werden unter anderem im Fahrzeugbau, aber auch im Bereich der Kälte- und Haustechnik eingesetzt.

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a) Für die in Klasse 6 beanspruchten Waren Rohre aus Metall, Röhren aus Metall, beschichtete Rohre und Röhren aus Aluminium, Schraubenmuttern aus Metall, Verschlusskappen aus Metall, Armaturen, Teile, Bestandteile und Zubehöre der vorgenannten Waren und die in Klasse 19 angemeldeten Waren mit Plastik ummantelte Aluminiumrohre und -röhren für Bauzwecke stellt die Wortfolge einen Sachhinweis dergestalt dar, dass es sich um Aluminiumpressprodukte handelt, also im Pressverfahren hergestellte Aluminiumrohre.

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b) Die in Klasse 11 beanspruchten Wasserleitungsgeräte, Klimaanlagen, Heizung-, Lüftungs-, Gasgeräte, Geräte zur Wasserinstallation, sowie Verbindungsstücke und Zubehör für die vorgenannten Waren, Teile, Bestandteile, Zubehör und Armaturen für alle vorgenannten Waren können aus gepressten Aluminiumteilen bestehen. Gerade in der Klimatechnik für Fahrzeuge wird Aluminium verstärkt eingesetzt, um Gewichtsreduzierungen und damit Energieeinsparungen zu erreichen (www.manager-magazin.de: Ein Gefühl für die Kühle; www.aluinfo.de: Gewichtsreduzierte Klimaanlage dank Aluminium).

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c) Eine weitere Presstechnik kommt bei Rohr-, Kabel- und Seilverbindungen zur Anwendung, um eine sichere mechanische Verbindung ohne Erhitzung und Löttechnik zu schaffen. Dabei werden Rohr- Kabel- oder Seilelemente durch mechanischen Druck und Verbiegung von Verbindungsstücken dauerhaft und dicht verbunden. Man nennt derartige Verbindungen Pressverbindungen (https//:de.wikipedia.org: Pressverbindung). Die zur Herstellung der Verbindung erforderlichen Teile werden durch Hinzufügung des Wortelements „Press-“ näher beschrieben, wie Pressmuffe, Pressklemme, Pressfitting. Auch hier kommt Aluminium als Material zum Einsatz (www.grube.de: Aluminium Press-Klemmen)

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Jedenfalls die angesprochenen Fachverkehrskreise werden die Wortfolge ALU PRESS deshalb im Zusammenhang mit den in Klasse 6 angemeldeten Rohrmuffen aus Metall, insbesondere Muffen für Verbindungsrohre und -röhren; Muffen aus Aluminium und mit Aluminium beschichtete Muffen für Verbindungsrohre und –röhren als Hinweis darauf verstehen, dass es sich bei den Waren um Pressfittings aus Aluminium oder für Aluminiumrohre handelt (www.zup24.de: Alu Pressfitting Übergangsmuffe vom Verbundrohr auf Kupferrohr).

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d) Für die in Klasse 6 angemeldeten Ventile oder Schieber aus Metall, ausgenommen als Maschinenteile und die in Klasse 11 beanspruchten Ventile, nämlich Niveauregelventile für Tanks, Thermostatventile (Teile von Heizungsanlagen) kann die Wortfolge als Hinweis darauf verstanden werden, dass sie aus Aluminium bestehen und sogenannte Pressventile sind, also Ventile, wie sie z. B. im Heizungsbau zur Anwendung kommen (www.wrobel-shk.de: Seppelfricke UP-Pressventil…) und/oder dass es sich um durch Pressverbindung einfach einzubauende Ventile mit Aluminiumbestandteilen handelt (Das neue Pressfit-Armaturenprogramm von Danfoss).

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e) Hinsichtlich der in Klasse 17 beanspruchten Rohrmuffen und Verbindungsstücke nicht aus Metall, insbesondere für Rohre und Röhren; Verbinder für Rohre; Rohrverbindungsstücke, nicht aus Metall und der in Klasse 19 angemeldeten Rohre, nicht aus Metall, für Bauzwecke; Röhren, nicht aus Metall, für Bauzwecke; Teile, Bestandteile. Armaturen und Zubehör für alle vorgenannten Waren wird der angesprochene Verkehr die Wortfolge als Sachhinweis darauf verstehen, dass diese Waren als Pressfittings für Aluminiumrohrsysteme benutzt werden können bzw. mit diesen verbunden werden können. Muffen und andere Fittings aus Kunststoff werden wegen ihres geringen Gewichts, ihrer Robustheit und Korrosionsbeständigkeit unter anderem im Automobilbau und der Flugzeugtechnik vielfach verwendet. Dort kommt auch Aluminium wegen seines geringen Gewichts verstärkt zum Einsatz (www.comfort-press.de: Kunststoff-Pressfitting: Die Vorteile).

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Die aus zwei beschreibenden Begriffen bestehende Wortfolge wurde bereits bei Anmeldung im angemeldeten Warenbereich als Sachhinweis verwendet. Der angesprochene Verkehr ist an entsprechende Wortkombinationen deshalb gewöhnt und wird das Anmeldezeichen nur als Sachhinweis, nicht aber als Hinweis auf einen bestimmten Hersteller verstehen. Der Umstand, dass dem Zeichen mehrere Bedeutungen zukommen können, im Sinne von „Aluminium-Press-Produkt“ oder „Pressverbindung aus/für Aluminiumteile“ verleiht dem Zeichen keine Unterscheidungskraft. Denn jede der denkbaren Bedeutungen ist für die beanspruchten Waren beschreibend oder weist einen engen beschreibenden Bezug zu ihnen auf.

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Deshalb fehlt dem Zeichen gemäß § 8 Abs. 2 Nr. 1 MarkenG die Eignung, als betrieblicher Herkunftshinweis eines einzelnen Herstellers bzw. Anbieters der beanspruchten Waren und Dienstleistungen zu dienen.

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4. Ob der Eintragung daneben ein Freihaltebedürfnis gemäß § 8 Abs. 2 Nr. 2 MarkenG entgegensteht, kann im Ergebnis dahinstehen.