Bundespatentgericht

Entscheidungsdatum: 21.07.2011


BPatG 21.07.2011 - 28 W (pat) 521/11

Markenbeschwerdeverfahren – "LEANpallet" – Freihaltungsbedürfnis – keine Unterscheidungskraft


Gericht:
Bundespatentgericht
Spruchkörper:
28. Senat
Entscheidungsdatum:
21.07.2011
Aktenzeichen:
28 W (pat) 521/11
Dokumenttyp:
Beschluss
Zitierte Gesetze

Tenor

In der Beschwerdesache

betreffend die Markenanmeldung 30 2010 039 881.7

hat der 28. Senat (Marken-Beschwerdesenat) des Bundespatentgerichts in der Sitzung vom 21. Juli 2011 unter Mitwirkung der Vorsitzenden Richterin Klante, der Richterin Martens und des Richters Schell

beschlossen

Die Beschwerde des Anmelders wird zurückgewiesen.

Gründe

I.

1

Angemeldet zur Eintragung in das Markenregister ist das Wort

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LEANpallet

3

als Kennzeichnung für die nachfolgend aufgeführten Waren der Klassen 6 und 20

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„Transportable Bauten aus Metall; Behälter aus Metall; Förder-, Lade- und Transportpaletten aus Metall; Transportbehälter, nicht aus Metall; Behälter aus Metall; Förder-, Lade- und Transportpaletten nicht aus Metall“.

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Die Markenstelle für Klasse 6 des Deutschen Patent- und Markenamts hat die Anmeldung nach § 8 Abs. 2 Nr. 1 und 2 MarkenG zurückgewiesen. Zur Begründung wurde ausgeführt, der Begriff „LEANpallet“ stelle im Zusammenhang mit den beanspruchten Waren einen produktbeschreibenden Sachbegriff dar, der für das angesprochene Publikum als solcher unmittelbar verständlich sei. Aufgrund ihres sachbezogenen Bedeutungsgehalts fehle der angemeldeten Marke jegliche markenrechtliche Unterscheidungskraft, zudem müsse sie nach § 8 Abs. 2 Nr. 2 MarkenG für die Mitbewerber freigehalten werden.

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Gegen diese Entscheidung hat der Anmelder Beschwerde eingelegt. Zu den von der Markenstelle geltend gemachten Schutzhindernissen hat er – wie bereits im patentamtlichen Verfahren – keine Stellung genommen, sondern lediglich um eine schnelle Entscheidung über die Beschwerde gebeten.

7

Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf den Akteninhalt Bezug genommen.

II.

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Die nach den §§ 64 Abs. 6, 66 Abs. 1 MarkenG zulässige Beschwerde ist nicht begründet.

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Das zentrale Anliegen des Markenrechts ist es, einen freien Waren– und Dienstleistungsverkehr zu gewährleisten, wie dies bereits im 1. Erwägungsgrund der Europäischen Markenrichtlinie (MarkenRichtl) ausdrücklich hervorgehoben wird. Aus diesem Grund sind die absoluten Schutzhindernisse darauf ausgerichtet, die schutzwürdigen Interessen der Allgemeinheit, insbesondere die Interessen der Mitbewerber am Erhalt eines ausreichenden Gestaltungsfreiraums, und die berechtigten Individualinteressen der Anmelder an der Erlangung von Markenschutz miteinander in Einklang zu bringen. Um dieser Zielsetzung gerecht zu werden, müssen die absoluten Schutzhindernisse stets unter Berücksichtigung des ihnen jeweils konkret zugrunde liegenden Allgemeininteresses ausgelegt werden, um so die angestrebte Aufrechterhaltung der gewerblichen Grundfreiheiten, insbesondere die Chancengleichheit für die Mitbewerber zu gewährleisten (EuGH GRUR 2004, 943 Rdn. 26 – SAT.2).

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Nach § 8 Abs. 2 Nr. 2 MarkenG sind alle Marken von der Eintragung ausgeschlossen, die dazu dienen können, im Verkehr relevante Produktmerkmale zu beschreiben (vgl. EuGH GRUR 2004, 680, 681 Rdn. 35, 36 – BIOMILD; BGH GRUR 2000, 211, 212 – FÜNFER). Insoweit ist es nicht erforderlich, dass sich eine solche beschreibende Verwendung der fraglichen Angabe im Verkehr bereits nachweisen lässt, da dieser Ausschlusstatbestand dem Allgemeininteresse an der ungehinderten Verwendbarkeit aller beschreibenden Zeichen oder Angaben Rechnung tragen soll – unabhängig davon, ob ihre Verwendung bereits belegbar ist oder nicht (vgl. EuGH WRP 2011, 550, Rdn. 37 ff. – 1000). Durch das Schutzhindernis werden deshalb auch Wortneubildungen mit einem derart unzweideutigen Aussagegehalt erfasst, dass sie zur Produktbeschreibung dienen können (vgl. EuGH GRUR 2004, 680, 681 Rdn. 35, 36 – BIOMILD; sowie Ströbele in Ströbele/Hacker, MarkenG, 9. Aufl., § 8 Rdn. 335 m. w. N.).

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Bei der hier konkret angemeldeten Wortverbindung handelt es sich um einen lexikalisch nicht nachweisbaren Begriff, sie ist jedoch völlig sprachüblich gebildet, wie sich dies bspw. an dem englischen Ausdruck „Lean Production“ veranschaulichen lässt, der im Sinne von „Schlanke Produktion“ als Sachbezeichnung für einen sparsamen und effizienten Einsatz von Betriebsmitteln seit langem Eingang in den inländischen Sprachgebrauch gefunden hat. Die Kombination der beiden sachbezogenen Wortbestandteile „LEAN“ und „pallet“ weist keinerlei semantische oder syntaktische Besonderheiten auf, aufgrund derer sich ein Aussagegehalt ohne produktbezogene Bedeutung ergeben würde. Vielmehr lässt sich der sprach- und werbeüblichen Kombination der beiden englischen Wörter „LEAN“ und „pallet“ nach den allgemeinen Sprachbildungsregeln als naheliegendster Bedeutungsgehalt die Aussage „schmale/dünne Palette, schmale/dünne Stapelplatte“ zuordnen (vgl. Bartzsch/Pogarell/Schröder, Wörterbuch überflüssiger Anglizismen, 8. Aufl. 2009 – lean = Schlank, schmal; Duden-Oxford - Großwörterbuch Englisch. 3. Aufl. Mannheim 2005 [CD-ROM] – lean = schlank; Amm, Wörterbuch der Industriellen Technik, Band II, Englisch-Deutsch, 7. Aufl. 2007 – pallet = Palette). Dieser Bedeutungsgehalt ist für den inländischen Verkehr auch ohne weiteres verständlich, zumal die hier neben den beteiligten Endverbrauchern angesprochenen Fachkreise über besonders qualifizierte Sprachkenntnisse verfügen. Dies gilt insbesondere für den insoweit ebenfalls zu berücksichtigenden, mit den fraglichen Waren befassten Handel (vgl. EuGH GRUR 2006, 411 ff., Rdn. 24 – Matratzen Concord/Hukla; EuGH GRUR 1999, 723, 725, Rdn. 29 – Chiemsee).

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Mit dem genannten Bedeutungsgehalt ist die Anmeldemarke ersichtlich geeignet, im Hinblick auf die verfahrensgegenständlichen Waren zur Merkmalsbeschreibung i. S. v. § 8 Abs. 2 Nr. 2 MarkenG dienen zu können, indem sie auf schlanke/schmale, also platzsparende (Förder-, Lade-, Transport- oder Lager-)Paletten bzw. Palettensysteme sowie auf entsprechend konzipierte Transportbehälter hinweisen kann. Derartige Paletten bzw. Palettensysteme mit einer geringen Grundfläche bieten den Vorteil einer optimierten Flächennutzung und sind damit als kostenreduzierendes Hilfsmittel für Produktions- und Logistikabläufe von besonderer Relevanz. Bei dem dargestellten Hinweis auf die Beschaffenheit bzw. die Art der beanspruchten Waren handelt es sich somit ersichtlich um eine wesentliche Information für die angesprochenen Verbraucher.

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Als sprachübliche Aneinanderreihung zweier beschreibender Wortelemente, aus der sich eine ebenfalls beschreibende Gesamtbezeichnung ergibt, steht der Eintragung der Marke ein schutzwürdiges Interesse der Mitbewerber an ihrer freien Verwendbarkeit entgegen (§ 8 Abs. 2 Nr. 2 MarkenG). Ihr fehlt darüber hinaus Unterscheidungskraft gemäß § 8 Abs. 2 Nr. 1 MarkenG.

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Unterscheidungskraft i. S. v. von § 8 Abs. 2 Nr. 1 MarkenG bedeutet die Eignung einer Marke, die mit ihr beanspruchten Waren oder Dienstleistungen als von einem bestimmten Unternehmen stammend zu kennzeichnen und sie dadurch für den Verkehr von denen anderer Anbieter unterscheidbar zu machen (vgl. EuGH GRUR 2006, 233, 235, Rdn. 45 – Standbeutel; EuGH GRUR 2003, 604, 608, Rdn. 62 – Libertel). Die Eintragung in das Register kommt von vornherein nur dann in Betracht, wenn ein Zeichen diese Herkunftsfunktion erfüllen kann (vgl. EuGH GRUR 2003, 55, 57 f., Rdn. 51 – Arsenal Football Club; EuGH GRUR 2001, 1148, 1149 – BRAVO; BGH GRUR 2008, 710, Rdn. 12 – VISAGE; BGH MarkenR 2006, 395, 397, Rdn. 18 – FUSSBALL WM 2006, m. w. N.). Ist dies nicht der Fall, widerspricht es dem Allgemeininteresse, das fragliche Zeichen zugunsten eines Anmelders zu monopolisieren und der Nutzung durch die Allgemeinheit dauerhaft zu entziehen (vgl. EuGH GRUR 2008, 608, 610, Rdn. 59 – EUROHYPO; EuGH GRUR 2004, 943, 944, Rdn. 26 – SAT.2; EuGH GRUR 2003, 604, 608, Rdn. 60 – Libertel).

15

In der Rechtsprechung ist anerkannt, dass merkmalsbeschreibenden Angaben i. S. v. § 8 Abs. 2 Nr. 2 MarkenG in aller Regel auch die erforderliche Unterscheidungskraft abzusprechen ist (vgl. EuGH GRUR 2004, 680 ff., Rdn. 19 – BIOMILD; BGH GRUR 2001, 1151, 1152 – marktfrisch; sowie Hacker, Markenrecht, 2. Aufl., 2011, Rdn. 133 m. w. N.). Auch im vorliegenden Fall werden die beteiligten Verkehrskreise die Anmeldemarke wegen ihres dargestellten, unmittelbar beschreibenden Bedeutungsgehalts nur als werbeübliche, produktbezogene Sachangabe und nicht (zumindest auch) als betriebliches Herkunftszeichen auffassen. Dies gilt umso mehr, als auf dem hier einschlägigen Produktsektor bereits vergleichbar gebildete Sachbezeichnungen gebräuchlich sind, wie bspw. der Begriff „Flachpalette“. Im Hinblick auf den Aspekt einer Mehrdeutigkeit der Wortkombination „LEANpallet“ bleibt auf die höchstrichterliche Rechtsprechung hinzuweisen, nach der ein Wortzeichen bereits dann von der Eintragung ausgeschlossen ist, wenn es – wie hier – zumindest in einer seiner möglichen Bedeutungen ein Merkmal der infrage stehenden Waren bezeichnet (vgl. hierzu EuGH GRUR 2004, 146 – DOUBLEMINT). Zudem ist der Sinngehalt einer Marke stets in Bezug auf die konkret beanspruchten Waren oder Dienstleistungen zu beurteilen, so dass im vorliegenden Fall eine – möglicherweise abstrakt bestehende – Mehrdeutigkeit bei praxisnaher Betrachtung ohnehin ausscheidet.

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Die Beschwerde war somit zurückzuweisen.