Entscheidungsdatum: 04.08.2017
In der Beschwerdesache
…
betreffend die Markenanmeldung 30 2014 074 251.9
hat der 28. Senat (Marken-Beschwerdesenat) des Bundepatentgerichts am 4. August 2017 unter Mitwirkung des Vorsitzenden Richters Prof. Dr. Kortbein, des Richters Schmid und des Richters Dr. Söchtig
beschlossen:
Der Beschluss des Deutschen Patent- und Markenamtes vom 18. April 2016, berichtigt durch Beschluss vom 26. Oktober 2016, wird insoweit aufgehoben, als die Anmeldung der Marke 30 2014 074 251.9 für die Dienstleistungen der
Klasse 35: Organisationsberatung in Geschäftsangelegenheiten; Marktforschung; Beratung bei der Organisation und Führung von Unternehmen; Personalmanagementberatung;
Klasse 41: Organisation und Durchführung von kulturellen Veranstaltungen
zurückgewiesen worden ist.
I.
Die Wortfolge
Meine Mitte. Mein Zuhause.
ist am 15. Dezember 2014 zur Eintragung als Marke in das beim Deutschen Patent- und Markenamt geführte Register für die nachfolgenden Dienstleistungen angemeldet worden:
„Klasse 35: Werbung, insbesondere Organisation und Durchführung von Veranstaltungen zu Werbezwecken, im Bereich Immobilienwirtschaft, Wohnen, Bauen, Städtebau; betriebswirtschaftliche Beratung und organisatorische Projektentwicklung und -planung im Bereich Immobilienwirtschaft, Wohnen, Bauen, Städtebau; Organisationsberatung in Geschäftsangelegenheiten; Marktforschung; Beratung bei der Organisation und Führung von Unternehmen; Personalmanagementberatung; wirtschaftliche Planung von Bauvorhaben
Klasse 36: Immobilienwesen, insbesondere Vermietung, Verwaltung von Gewerbebauten, Wohngebäuden, Gemeinschaftsanlagenimmobilien wie sozialen Zentren (Immobilien), Geschäftszentrenimmobilien, Immobilien im Zusammenhang mit kulturellen Einrichtungen sowie Altenheimimmobilien; Entwicklung von Nutzungskonzepten für Immobilien; Vermittlung und Organisation von Investmentgeschäften; finanzielle Beratung über Grundstücksverkauf und -ankauf sowie Dienstleistungen eines Immobilienmaklers
Klasse 37: Bauwesen, insbesondere Projektentwicklung und Erstellung (soweit in Klasse 37 enthalten) von Gewerbebauten, Wohngebäuden, Gemeinschaftsanlagen im Rahmen von baulichen Anlagen wie sozialen Zentren, Geschäftszentren, kulturellen Einrichtungen sowie Altenheimen
Klasse 41: Organisation und Durchführung von kulturellen Veranstaltungen; Veranstaltung von Städtebauwettbewerben und Architekturwettbewerben, soweit in Klasse 41 enthalten; Veranstaltung von Konferenzen, Organisation von Workshops (Ausbildung) für Erforschung, Planung und Durchführung von Infrastrukturmaßnahmen, zur Entwicklung, Erstellung und Organisation von baulichen Anlagen einzeln und im Verbund wie Gewerbebauten, Wohngebäuden, Gemeinschaftsanlagen im Rahmen von baulichen Anlagen wie sozialen Zentren, Geschäftszentren, kulturellen Einrichtungen sowie Altenheimen
Klasse 42: technische Beratung, technische Planung von Bauvorhaben; Bauberatung (Architekturberatung) und Bauplanung sowie technische Projektplanung in den Bereichen Städtebau, Bauen und Wohnen; Stadtplanung, insbesondere zur Stadtentwicklung; Durchführung von Forschungsprojekten in den Bereichen Bauen, Stadtentwicklung, Wohnen und soziales Wohnen, Umweltschutzberatung beim Umgang mit Altlasten- und Gebäudeschadstoffen; Vermessung von Bauten; Landvermessung; technische Projektentwicklung und -planung für Gewerbebauten, Wohngebäuden, Gemeinschaftsanlagen im Rahmen von baulichen Anlagen wie sozialen Zentren, Geschäftszentren, kulturellen Einrichtungen sowie Altenheimen sowie damit verbundener Infrastrukturmaßnahmen“.
Das Deutsche Patent- und Markenamt, Markenstelle für Klasse 37, hat - nach vorangegangener Beanstandung vom 12. Februar 2015 - die Anmeldung mit Beschluss vom 18. April 2016 wegen fehlender Unterscheidungskraft und Bestehens eines Freihaltebedürfnisses gemäß § 8 Abs. 2 Nr. 1 und Nr. 2 MarkenG vollumfänglich zurückgewiesen.
Zur Begründung hat das Deutsche Patent- und Markenamt ausgeführt, der Slogan „Meine Mitte. Mein Zuhause.“ bestehe aus allgemein geläufigen Wörtern der deutschen Sprache und sei eine sprachregelgerecht gebildete Wortfolge, die dem Verkehr immer wieder in verschiedenen Bereichen entgegentrete, z.B. dann, wenn der Mensch sich frage „Wo stehe ich, wo ist meine Mitte, wo bin ich zuhause“. Durch das Possessivpronomen „mein“ werde in der Werbesprache vielfach ein besonderer Bezug zwischen dem Anbieter eines Produktes oder einer Leistung und dem Abnehmer hergestellt, der verdeutlichen solle, dass das Produkt bzw. die Leistung in besonderer Weise auf die Bedürfnisse des Abnehmers zugeschnitten sei. In Bezug auf die beanspruchten Dienstleistungen stelle die angemeldete Wortfolge einen rein anpreisenden Werbespruch dar, welcher die Bedeutung einer Qualitätsbezeichnung habe. Der Slogan werde von den angesprochenen Verkehrskreisen in Verbindung mit den beanspruchten Dienstleistungen ohne weitergehendere Überlegungen als bloßes Werbemittel verstanden, nämlich dass durch die angebotenen Dienstleistungen der Mensch zu seiner Mitte und zu seinem Zuhause im Sinne von innerer Ruhe, Geborgenheit und Sicherheit finde.
Hiergegen richtet sich die Beschwerde der Anmelderin vom 19. Mai 2016, mit der sie zunächst sinngemäß beantragt hat,
den Beschluss des Deutschen Patent- und Markenamtes, Markenstelle für Klasse 37, vom 18. April 2016 aufzuheben.
Zur Begründung führt sie aus, das Anmeldezeichen verfüge ohne Weiteres über die für eine Eintragung erforderliche Unterscheidungskraft gemäß § 8 Abs. 2 Nr. 1 MarkenG. Auch bestehe an diesem kein Freihaltebedürfnis gemäß § 8 Abs. 2 Nr. 2 MarkenG.
Das Deutsche Patent- und Markenamt habe in seinem angegriffenen Beschluss die zwingend erforderliche Prüfung der einzelnen jeweils beanspruchten Dienstleistungen außer Acht gelassen. Auch stelle die angemeldete Wortfolge „Meine Mitte. Mein Zuhause.“ aus Sicht eines Durchschnittverbrauchers weder eine geläufige Wortfolge noch eine übliche Werbeaussage und schließlich auch keine Inhaltsangabe für die beanspruchten Dienstleistungen dar. Darüber hinaus verfügten die Bestandteile „Mitte“ und „Zuhause“ für sich und in Kombination mit dem weiteren Zeichenbestandteil „Mein“ über eine gewisse Interpretationsbedürftigkeit. Schließlich weise die angemeldete Wortfolge in ihrer Gesamtheit auch eine gewisse Originalität und Prägnanz auf, was ihre Unterscheidungskraft begründe.
Der Beschluss vom 18. April 2016 ist durch Berichtigungsbeschluss der Markenstelle für Klasse 37 des Deutschen Patent- und Markenamts vom 26. Oktober 2016 um den Namen der Anmelderin ergänzt worden. Im Beschluss vom 18. April 2016 war im Rubrum anstelle des Anmeldernamens vermerkt:
„Anmelderangaben noch nicht klar, x, ZZ:“.
Mit Schriftsatz vom 19. Juni 2017 hat die Anmelderin nach Hinweis des Senats vom 29. Mai 2017 ihre Beschwerde teilweise zurückgenommen. Ihre Beschwerde richtet sich nunmehr lediglich noch gegen die Zurückweisung der Anmeldung der Marke für die im Tenor genannten Dienstleistungen.
Hinsichtlich der weiteren Einzelheiten wird ergänzend auf den Akteninhalt verwiesen.
II.
Die zulässige Beschwerde, die sich ausschließlich gegen den Beschluss vom 18. Oktober 2016 richtet, ist - soweit über sie noch zu entscheiden war - begründet. Der Senat konnte ohne mündliche Verhandlung entscheiden, da die Anmelderin ihren hierauf gerichteten Antrag mit Schriftsatz vom 19. Juni 2017 zurückgenommen hat und eine mündliche Verhandlung auch nicht für sachdienlich erachtet wurde (§ 69 Nr. 3 MarkenG).
1. Hinsichtlich der tenorierten Dienstleistungen weist das Anmeldezeichen die für eine Eintragung erforderliche Unterscheidungskraft gemäß § 8 Abs. 2 Nr. 1 MarkenG auf.
Unterscheidungskraft ist die dem Zeichen innewohnende (konkrete) Eignung, vom Verkehr als Unterscheidungsmittel aufgefasst zu werden, das die von der Anmeldung erfassten Waren und Dienstleistungen als von einem bestimmten Unternehmen stammend kennzeichnet und diese somit von denjenigen anderer Unternehmen unterscheidet (vgl. EuGH GRUR 2012, 610, Rdnr. 42 - Freixenet; GRUR 2008, 608, Rdnr. 66 f. - EUROHYPO; BGH GRUR 2014, 569, Rdnr. 10 - HOT; GRUR 2013, 731, Rdnr. 11 - Kaleido; GRUR 2012, 1143, Rdnr. 7 - Starsat; GRUR 2012, 1044, Rdnr. 9 - Neuschwanstein; GRUR 2010, 825, Rdnr. 13 - Marlene-Dietrich-Bildnis II; GRUR 2010, 935, Rdnr. 8 - Die Vision; GRUR 2006, 850, Rdnr. 18 - FUSSBALL WM 2006). Denn die Hauptfunktion einer Marke besteht darin, die Ursprungsidentität der gekennzeichneten Waren und Dienstleistungen zu gewährleisten (vgl. EuGH GRUR 2006, 233, Rdnr. 45 - Standbeutel; GRUR 2006, 229, Rdnr. 27 - BioID; GRUR 2008, 608, Rdnr. 66 - EUROHYPO; BGH GRUR 2008, 710, Rdnr. 12 - VISAGE; GRUR 2009, 949, Rdnr. 10 - My World). Da allein das Fehlen jeglicher Unterscheidungskraft ein Eintragungshindernis begründet, ist nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofes ein großzügiger Maßstab anzulegen, so dass jede auch noch so geringe Unterscheidungskraft genügt, um das Schutzhindernis zu überwinden (vgl. BGH GRUR 2012, 1143, Rdnr. 7 - Starsat; GRUR 2012, 1044, Rdnr. 9 - Neuschwanstein; GRUR 2012, 270, Rdnr. 8 - Link economy).
Maßgeblich für die Beurteilung der Unterscheidungskraft sind einerseits die beanspruchten Waren bzw. Dienstleistungen und andererseits die Auffassung der beteiligten inländischen Verkehrskreise, wobei auf die Wahrnehmung des Handels und/oder des normal informierten, angemessen aufmerksamen und verständigen Durchschnittsverbrauchers bzw. -abnehmers der fraglichen Produkte abzustellen ist (vgl. EuGH GRUR 2006, 411, Rdnr. 24 - Matratzen Concord/Hukla; GRUR 2004, 943, Rdnr. 24 - SAT.2; BGH GRUR 2010, 935, Rdnr. 8 - Die Vision; GRUR 2010, 825, Rdnr. 13 - Marlene-Dietrich-Bildnis II; GRUR 2006, 850, Rdnr. 18 - FUSSBALL WM 2006).
Hiervon ausgehend besitzen Zeichen dann keine Unterscheidungskraft, wenn ihnen die maßgeblichen Verkehrskreise im Zeitpunkt ihrer Anmeldung (vgl. BGH GRUR 2013, 1143, Rdnr. 15 - Aus Akten werden Fakten) lediglich einen im Vordergrund stehenden beschreibenden Begriffsinhalt zuordnen (vgl. EuGH GRUR 2004, 674, Rdnr. 86 - Postkantoor; BGH GRUR 2012, 270, Rdnr. 11 - Link economy; GRUR 2009, 952, Rdnr. 10 - DeutschlandCard; GRUR 2006, 850, Rdnr. 19 - FUSSBALL WM 2006; GRUR 2005, 417 - BerlinCard; GRUR 2001, 1151 - marktfrisch; GRUR 2001, 1153 - antiKALK) oder wenn diese aus gebräuchlichen Wörtern oder Wendungen der deutschen Sprache oder einer geläufigen Fremdsprache bestehen, die - etwa wegen einer entsprechenden Verwendung in der Werbung oder in den Medien - stets nur als solche und nicht als Unterscheidungsmittel verstanden werden (vgl. u. a. BGH GRUR 2006, 850, Rdnr. 19 - FUSSBALL WM 2006; GRUR 2003, 1050 - Cityservice; GRUR 2001, 1143 - Gute Zeiten - Schlechte Zeiten). Darüber hinaus besitzen keine Unterscheidungskraft auch solche Zeichen, die sich auf Umstände beziehen, welche die beanspruchten Waren oder Dienstleistungen zwar nicht unmittelbar betreffen, durch die aber ein enger beschreibender Bezug zu diesen hergestellt wird (vgl. BGH GRUR 2010, 1100, Rdnr. 23 - TOOOR!; GRUR 2006, 850, Rdnr. 28 - FUSSBALL WM 2006).
Unter Zugrundelegung dieser Grundsätze kommt dem Anmeldezeichen für die noch beschwerdegegenständlichen Dienstleistungen die für eine Eintragung erforderliche Unterscheidungskraft zu. Bei ihnen handelt es sich im Wesentlichen um Beratungsdienstleistungen, um Marktforschung sowie um die Organisation und Durchführung von kulturellen Veranstaltungen. Die angesprochenen Verkehrskreise bestehen vornehmlich aus leitenden Mitarbeitern (größerer) Unternehmen sowie aus Kulturschaffenden.
Das Anmeldezeichen ist werbesloganartig gebildet und setzt sich aus den beiden Zeichenbestandteilen „Meine Mitte“ sowie „Mein Zuhause“ zusammen, lediglich getrennt durch einen Punkt. Die erste Wortfolge „Meine Mitte“ ist zwar im Immobilienbereich geläufig, was Recherchen des Senats ergeben haben (vgl. Anlagen 1 bis 3 zum gerichtlichen Hinweis vom 29. Mai 2017). In Bezug auf die vorstehend nunmehr allein noch beschwerdegegenständlichen Dienstleistungen kommt der Wortfolge hingegen kein beschreibender Charakter zu.
Bei den Dienstleistungen „Organisationsberatung in Geschäftsangelegenheiten; Marktforschung; Beratung bei der Organisation und Führung von Unternehmen; Personalmanagementberatung“ handelt es sich regelmäßig nicht um solche, die einen unmittelbaren persönlichen Bezug zu dem jeweiligen Abnehmer aufweisen. Sie zeichnen sich regelmäßig dadurch aus, dass sie perspektivisch auf größere Geschäftseinheiten ausgerichtet sind, was dem Individualbezug der Wortfolge „Meine Mitte. Mein Zuhause“ (Hervorhebung durch den Senat) gerade entgegensteht. Insoweit vermittelt deshalb die vom Deutschen Patent- und Markenamt angenommene Bedeutung des Anmeldezeichens, „dass … der Mensch zu seiner Mitte und seinem Zuhause findet“, keine nachvollziehbare Sach- oder Werbeaussage.
Entsprechend verhält es sich hinsichtlich der weiter beschwerdegegenständlichen Dienstleistungen „Organisation und Durchführung von kulturellen Veranstaltungen“. Diese richten sich regelmäßig an einen größeren Personenkreis und betreffen nicht persönliche Lebensumstände der Adressaten, so dass der durch die beiden Zeichenbestandteile „Mein“ hervorgerufene individuelle Bezug zu den Empfängern ebenfalls nicht gegeben ist.
Mangels eines verständlichen beschreibenden oder werbenden Inhalts werden die angesprochenen Verkehrskreise in der angemeldeten Wortfolge „Meine Mitte. Mein Zuhause.“ weder einen Hinweis auf die Art oder Qualität der in Rede stehenden Dienstleistungen noch eine diese anpreisende Angabe erblicken, was insoweit die für eine Eintragung erforderliche Unterscheidungskraft begründet.
2. Aus vorstehend Gesagtem folgt im Ergebnis weiter, dass der Eintragung des Anmeldezeichens für die beschwerdegegenständlichen Dienstleistungen auch kein Freihaltebedürfnis gemäß § 8 Abs. 2 Nr. 2 MarkenG entgegensteht.
3. Weitere Eintragungshindernisse sind nicht ersichtlich und von der Markenstelle für Klasse 37 des Deutschen Patent- und Markenamts auch nicht geltend gemacht worden.
Der Beschwerde war daher stattzugeben.