Bundespatentgericht

Entscheidungsdatum: 14.11.2012


BPatG 14.11.2012 - 28 W (pat) 518/11

Markenbeschwerdeverfahren – "M" – Unterscheidungskraft – kein Freihaltungsbedürfnis


Gericht:
Bundespatentgericht
Spruchkörper:
28. Senat
Entscheidungsdatum:
14.11.2012
Aktenzeichen:
28 W (pat) 518/11
Dokumenttyp:
Beschluss
Zitierte Gesetze

Leitsätze

Der Buchstabe „M“ ist für die Ware der Klasse 12 „Sportwagen“ unterscheidungskräftig und auch nicht freihaltebedürftig.

Tenor

In der Beschwerdesache

betreffend die Markenanmeldung 30 2010 035 678.2

hat der 28. Senat (Marken-Beschwerdesenat) des Bundespatentgerichts auf die mündliche Verhandlung vom 14. November 2012 durch die Vorsitzende Richterin Klante, die Richterin Dorn und den Richter am Amtsgericht Jacobi

beschlossen:

Der Beschluss des Deutschen Patent- und Markenamts, Markenstelle für Klasse 12, vom 15. Dezember 2010 wird aufgehoben.

Gründe

I.

1

Das Wortzeichen 30 2010 035 678.2

M

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ist am 15. Juni 2010 zur Eintragung als Marke in das beim Deutschen Patent- und Markenamt (DPMA) geführte Register angemeldet worden, und zwar – nach Einschränkung des Warenverzeichnisses mit Schriftsatz vom 26. November 2010 - für die Waren der

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Klasse 12: Sportwagen.

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Die Markenstelle für Klasse 12 hat mit Beschluss vom 15. Dezember 2010 die Anmeldung wegen fehlender Unterscheidungskraft zurückgewiesen. Zur Begründung hat sie ausgeführt, das aus dem Einzelbuchstaben „M“ bestehende Anmeldezeichen symbolisiere lediglich die sachbezogene Abkürzung für die Zugehörigkeit zur „EG-Fahrzeugklasse M“ (= Kraftfahrzeuge zur Personenbeförderung) gemäß der EG-Richtlinie 70/156/EWG und sei zudem die lexikalische Abkürzung für „Modell“. Darüber hinaus bestehe in der Kfz-Branche die betriebliche Übung, mittels Buchstaben oder Buchstabenkombinationen auf Produkteigenschaften, wie Ausstattungsvarianten, Modelle etc. hinzuweisen, so dass das Publikum sie - auch ohne die konkrete Bedeutung im Einzelfall zu kennen – nur in diesem Sinne auffassen werde. Bezogen auf die beanspruchten „Sportwagen“ würden die angesprochenen inländischen Verkehrskreise das Anmeldezeichen daher nur als sachbezogene Abkürzung für eine Klassen-, Typen-, Serien-, Ausstattungsvarianten- oder Modellbezeichnung auffassen und ihm keine betriebliche Herkunftsfunktion beimessen. Das Schutzhindernis der fehlenden Unterscheidungskraft sei hier auch nicht durch Verkehrsdurchsetzung im Sinne des § 8 Abs. 3 MarkenG überwunden. Denn das von der Anmelderin zur Glaubhaftmachung vorgelegte Umfragegutachten des Instituts für Demoskopie Allensbach vom 11. Juni 2010 zur Verkehrsgeltung bzw. Verkehrsdurchsetzung des Großbuchstabens „M“ im Zusammenhang mit Sportwagen belege keine Verkehrsdurchsetzung in den beteiligten Verkehrskreisen, da es hinsichtlich des befragten Personenkreises der „Sportwagen-Besitzer und Sportwagen-Kaufinteressenten“ und der Anzahl von nur 231 Befragten nicht repräsentativ sei.

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Hiergegen richtet sich die Beschwerde der Anmelderin, die sie damit begründet, dass das Anmeldezeichen bereits von Haus aus über die erforderliche Unterscheidungskraft verfüge. Die von der Markenstelle in diesem Zusammenhang herangezogenen Kriterien seien mit der höchstrichterlichen Rechtsprechung nicht in Einklang zu bringen. Auch fehlten nachvollziehbare Feststellungen dazu, weshalb im konkreten Fall ein mit dem Anmeldezeichen „M“ gekennzeichneter Sportwagen vom angesprochenen Publikum nicht als Herkunftshinweis aufgefasst werde. Die von der Markenstelle angeführte EG-Richtlinie gelte für die behördliche Typgenehmigung von Kraftfahrzeugen, für die Buchstaben- und Zahlencodes verwendet würden, und befasse sich mit den technischen Anforderungen, die an die Verkehrsfähigkeit von (Serien-)Fahrzeugen zu stellen seien. Mit der Zuordnung zu einer verwaltungsrechtlichen EG-Fahrzeugklasse ließen sich aber keinerlei Produktmerkmale von Sportwagen beschreiben. Die hier relevanten Abnehmerkreise – die Endverbraucher – würden den Buchstaben „M“ nicht als Angabe einer Ordnungsklasse für Fahrzeug-Typgenehmigungsverfahren verstehen, die ihnen in aller Regel auch nicht einmal bekannt sei. Hinzu komme, dass es eine EG-Fahrzeugklasse M in der Praxis gar nicht gebe, da sich die Klasse M in die drei eigenständigen Klassen M1, M2 und M3 gliedere, die demzufolge die vollständigen Klassenbezeichnungen darstellten, so wie sie auch in den Fahrzeugpapieren eingetragen würden. Sportwagen seien der Klasse M1 zuzuordnen. Die EG-Fahrzeugklasse M sei im Übrigen nicht Pkw- und erst recht nicht sportwagenspezifisch, sondern würde auch alle Arten von Bussen umfassen. Von einer ohne weiteres und ohne Unklarheiten erfassbaren beschreibenden Bedeutung des Anmeldezeichens für die beanspruchte Ware könne daher keine Rede sein. Hierfür reiche auch die von der Markenstelle angeführte abstrakte Möglichkeit, dass Buchstaben im Fahrzeugbereich als Typen-, Serien-, Größen- oder Modellbezeichnungen verstanden werden könnten, nicht aus. Für das angemeldete Zeichen „M“ lasse sich das nämlich, insbesondere im Hinblick auf die konkret beanspruchte Ware, gerade nicht feststellen. Im Übrigen gebe es praktisch bedeutsame und naheliegende Verwendungsmöglichkeiten, bei denen das Publikum das Zeichen als Herkunftshinweis auffasse, beispielsweise bei einer Anbringung am Fahrzeugheck, wo die Automobilhersteller typischerweise ihre (Modell-)Marken anbrächten. Die Beschwerdeführerin beruft sich hilfsweise auf eine Verkehrsdurchsetzung des Anmeldezeichens und ist der Ansicht, dass das im patentamtlichen Verfahren vorgelegte Umfragegutachten des Instituts für Demoskopie Allensbach vom 11. Juni 2010 mit dem dort ermittelten Durchsetzungsgrad von mindestens 66% hinreichend repräsentativ sei und zur Glaubhaftmachung ausreiche.

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Die Beschwerdeführerin beantragt,

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den Beschluss des Deutschen Patent- und Markenamts, Markenstelle für Klasse 12, vom 15. Dezember 2010 aufzuheben.

8

Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf den Akteninhalt Bezug genommen.

II.

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Die zulässige Beschwerde ist begründet.

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Der Eintragung des als Wortzeichen angemeldeten Einzelbuchstabens „M“ als Marke stehen in Bezug auf die noch beanspruchte Ware „Sportwagen“ keine Schutzhindernisse nach § 8 Abs. 2 Nr. 1 und Nr. 2 MarkenG entgegen.

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1. Dem Anmeldezeichen kann zunächst nicht jegliche Unterscheidungskraft abgesprochen werden.

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Unterscheidungskraft im Sinne des § 8 Abs. 2 Nr. 1 MarkenG ist die einem Zeichen innewohnende (konkrete) Eignung, vom Verkehr als Unterscheidungsmittel aufgefasst zu werden, welches die in Rede stehenden Waren oder Dienstleistungen als von einem bestimmten Unternehmen stammend kennzeichnet und diese Waren oder Dienstleistungen somit von denjenigen anderer Unternehmen unterscheidet. Da allein das Fehlen jeglicher Unterscheidungskraft ein Eintragungshindernis begründet, ist ein großzügiger Maßstab anzulegen, so dass jede auch noch so geringe Unterscheidungskraft genügt, um das Schutzhindernis zu überwinden (BGH GRUR 2012, 1143 – Starsat; MarkenR 2012, 19, Rdnr. 8 - Link economy; GRUR 2010, 1100, Rdnr. 10 - TOOOR!; GRUR 2010, 825, 826, Rdnr. 13 - Marlene-Dietrich-Bildnis II; GRUR 2006, 850, 854, Rdnr. 18 - FUSSBALL WM 2006). Maßgeblich für die Beurteilung der Unterscheidungskraft ist die Auffassung der beteiligten inländischen Verkehrskreise, wobei auf die Wahrnehmung des Handels und/oder des normal informierten, angemessen aufmerksamen und verständigen Durchschnittsverbrauchers der fraglichen Waren oder Dienstleistungen abzustellen ist (vgl. EuGH GRUR 2006, 411, 412, Rdnr. 24 - Matratzen Concord/Hukla; GRUR 2004, 943, 944, Rdnr. 24 - SAT 2; BGH a. a. O. - FUSSBALL WM 2006). Ebenso ist zu berücksichtigen, dass der Verkehr ein als Marke verwendetes Zeichen in seiner Gesamtheit mit allen seinen Bestandteilen so aufnimmt, wie es ihm entgegentritt, ohne es einer analysierenden Betrachtungsweise zu unterziehen (vgl. EuGH GRUR 2004, 428, 431 Rdnr. 53 - Henkel; BGH GRUR 2001, 1151, 1152 - marktfrisch; MarkenR 2000, 420, 421 - RATIONAL SOFTWARE CORPORATION). Ausgehend hiervon besitzen Wortmarken dann keine Unterscheidungskraft, wenn ihnen die maßgeblichen Verkehrskreise lediglich einen im Vordergrund stehenden beschreibenden Begriffsinhalt zuordnen (vgl. u. a. EuGH GRUR 2004, 674, 678 Rdnr. 86 – Postkantoor; BGH GRUR 2009, 952, 953 Rdnr. 10 - DeutschlandCard; a. a. O. Rdnr. 19 - FUSSBALL WM 2006; GRUR 2005, 417, 418 – BerlinCard; a. a. O. - marktfrisch; GRUR 2001, 1153 - anti KALK) oder wenn diese aus gebräuchlichen Wörtern oder Wendungen der deutschen Sprache oder einer geläufigen Fremdsprache bestehen, die – etwa wegen einer entsprechenden Verwendung in der Werbung oder in den Medien – stets nur als solche und nicht als Unterscheidungsmittel verstanden werden (vgl. u. a. BGH a. a. O. - FUSSBALL WM 2006; GRUR 2003, 1050, 1051 - Cityservice; GRUR 2001, 1043, 1044 - Gute Zeiten – Schlechte Zeiten). Darüber hinaus besitzen keine Unterscheidungskraft vor allem auch Zeichen, die sich auf Umstände beziehen, welche die beanspruchten Waren und Dienstleistungen zwar nicht unmittelbar betreffen, durch die aber ein enger beschreibender Bezug zu diesen hergestellt wird und die sich damit in einer beschreibenden Angabe erschöpfen (BGH a. a. O. 855, Rdnr. 19, 28 f. - FUSSBALL WM 2006).

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Diese Grundsätze gelten auch für die Beurteilung der Unterscheidungskraft von Einzelbuchstaben (EuGH GRUR 2010, 1096 Rdnr. 39, 46, 47 – griechischer Buchstabe „a“; BGH GRUR 2003, 343, 344 – Buchstabe „Z“; 2001, 161, 162 – Buchstabe „K“). Letztlich ist eine auf das jeweilige Anmeldezeichen bezogene Einzelfallbeurteilung geboten, wobei stets auf die Besonderheiten des Bereichs der angemeldeten Waren und/oder Dienstleistungen abzustellen ist (Ströbele/Hacker, MarkenG, 10. Aufl., § 8 Rdnr. 161 m. w. N.). Eine Verneinung der Unterscheidungskraft setzt auch bei Wortmarken in der Form von Einzelbuchstaben tatsächliche Feststellungen voraus, aus denen entnommen werden kann, dass der Verkehr den Buchstaben für bestimmte Waren nicht als Herkunftskennzeichnung versteht. Dies kann daran liegen, dass der konkrete Einzelbuchstabe eine sachbezogene Abkürzung darstellt und als solche zur Beschreibung der beanspruchten Waren oder Dienstleistungen dienen kann (BGH GRUR 2001, 161 Rdnr. 17 – Buchstabe „K“; nachfolgend BPatG GRUR 2003, 345, 346 – Buchstabe „K“; BPatG PAVIS PROMA 30 W (pat) 97/02 – Buchstabe „I“; 30 W (pat) 96/02 – Buchstabe „J“; 32 W (pat) 304/01 – Buchstabe „M“). Auf dem hier relevanten Warengebiet der Kraftfahrzeuge hat die Verwendung von Buchstaben und deren Kombinationen (oft auch solcher zusätzlich mit Zahlen) als Abkürzung bestimmter beschreibender Angaben gerichtsbekannt eine lange Tradition. So werden Buchstaben und/oder ihre Kombinationen regelmäßig neben einer Marke verwendet, um Charakteristika der jeweiligen Motorenart, Fahrzeugausführung o. ä. zu beschreiben. Abkürzungen wie z. B. „D“ für „Diesel“ und „T“ für „Turbo“, manchmal auch für „Touring“, sind inzwischen breitesten Verkehrskreisen geläufig (vgl. auch Teplitzky WRP 1999, 461).

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Vor diesem Hintergrund kann vorliegend – entgegen der vom DPMA vertretenen Auffassung – nicht festgestellt werden, dass das Anmeldezeichen dem Schutzhindernis nach § 8 Abs. 2 Nr. 1 MarkenG unterliegt.

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a) Der Buchstabe „M“ ist lexikalisch (http://www.duden.de/suchen/dudenonline/M) u. a. die Abkürzung für „medium“ (mittel; internationale Kleidergröße)“, „Modell“, „Mega“ sowie für das „römische Zahlzeichen 1.000“. Im Kfz-Bereich steht der Buchstabe „M“ auf deutschen Kfz-Kennzeichen als erster Buchstabe vor dem Spiegelstrich als Abkürzung für die Stadt „München“.

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b) Außerdem findet der Buchstabe „M“ im Zusammenhang mit der Zuordnung zur „EG-Fahrzeugklasse M“, kurz als „Klasse M“ bezeichnet, Verwendung. Dieser Klassifizierung von Fahrzeugklassen nach Anlage XXIX zu § 20 Abs. 3a Satz 4 StVZO lag ursprünglich die EG-Richtlinie 70/156/EWG vom 6. Februar 1970 zugrunde, die mit Wirkung vom 29. April 2009 aufgehoben und durch die Richtlinie 2007/46/EG „zur Schaffung eines Rahmens für die Genehmigung von Kraftfahrzeugen und Kraftfahrzeuganhängern sowie von Systemen, Bauteilen und selbständigen technischen Einheiten für diese Fahrzeuge“ vom 5. September 2007 ersetzt wurde (vgl. Art. 49 der RL 2007/46/EG). Gemäß Art. 2 gilt diese Richtlinie „für die Typgenehmigung von Fahrzeugen, die in einer oder mehreren Stufen zur Teilnahme am Straßenverkehr konstruiert und gebaut werden...“. Kraftfahrzeuge und Anhänger werden danach in verschiedene, jeweils mit Einzelbuchstaben bezeichnete Klassen eingeteilt, durch die Gruppen von Fahrzeugen EG-weit einheitlich eingeordnet werden können. Die „Klasse M“ bezieht sich dabei auf „für die Personenbeförderung ausgelegte und gebaute Kraftfahrzeuge mit mindestens vier Rädern“ (vgl. Anhang II Buchstabe A Ziff. 1 zur RL 2007/46/EG), also umgangssprachlich auf Pkw, Wohnmobile und Busse (http://de.wikipedia.org/wiki/EG-Fahrzeugklasse#Klasse_M). Die „Klasse M“ unterteilt sich wiederum in drei eigenständige Klassen, nämlich die

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„Klasse M1: Für die Personenbeförderung ausgelegte und gebaute Kraftfahrzeuge mit höchstens acht Sitzplätzen außer dem Fahrersitz;

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Klasse M2: Für die Personenbeförderung ausgelegte und gebaute Kraftfahrzeuge mit mehr als acht Sitzplätzen außer dem Fahrersitz und einer zulässigen Gesamtmasse bis zu 5 Tonnen;

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Klasse M3: Für die Personenbeförderung ausgelegte und gebaute Kraftfahrzeuge mit mehr als acht Sitzplätzen außer dem Fahrersitz und einer zulässigen Gesamtmasse von mehr als 5 Tonnen“ (vgl. Anhang II Buchstabe A Ziff. 1 zur RL 2007/46/EG).“

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c) Ausgehend von den obigen Feststellungen weist der Einzelbuchstabe „M“ für die beanspruchte Ware „Sportwagen“ aus der Sicht der angesprochenen Verkehrskreise keinen im Vordergrund stehenden Begriffsinhalt auf.

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aa) Die lexikalisch belegte Abkürzung von „M“ für „medium“ vermag Eigenschaften der beanspruchten Ware „Sportwagen“ nicht zu beschreiben, da in der Fahrzeugbranche – anders als beispielsweise im Bekleidungsbereich – nicht nach den Größen „S“ (small), „M“ (medium) und „L“ (large) differenziert wird. Soweit die Markenstelle auf die Abkürzung von „M“ für „Modell“ verwiesen hat, kann daraus eine beschreibende Bedeutung für „Sportwagen“ ebenfalls nicht hergeleitet werden. Zwar werden von Fahrzeugherstellern regelmäßig verschiedene Fahrzeugmodelle angeboten, aber allein das Wort „Modell“ hat in diesem Zusammenhang ohne weiteren Zusatz keinen sinnvollen Aussagegehalt. Entsprechendes gilt für den Buchstaben „M“ als Abkürzung für das römische Zahlzeichen für 1.000 und für „Mega“, zumal ein Großteil der angesprochenen Verkehrskreise diese Bedeutungen kaum erkennen wird. „M“ als Abkürzung für die Stadt München findet sich lediglich auf Kfz-Kennzeichen.

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bb) Der Senat kann auch einen sonstigen beschreibenden Aussagehalt des Buchstabens „M“ in Alleinstellung für die Waren “Sportwagen” nach umfangreicher Recherche nicht feststellen.

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„M“ lässt sich nicht als übliche Abkürzung für „Motorsport“ nachweisen, womit möglicherweise die Bestimmung von „Sportwagen“ beschrieben werden könnte. Eine solche Abkürzung ergibt sich nicht bereits aus der Tatsache, dass „M“ der erste Buchstabe des Wortes „Motorsport“ ist und Begriffe häufig mit ihrem Anfangsbuchstaben abgekürzt werden. Auch die Tatsache, dass die Anmelderin bzw. die 1972 als Tochterunternehmen gegründete BMW M GmbH (damals noch BMW Motorsport GmbH) den Buchstaben “M” zwar seit nunmehr 40 Jahren als Abkürzung für “Motorsport” verwendet, rechtfertigt nicht die Annahme einer allgemein üblichen Bedeutung von „M“ für „Motorsport“. Umfangreiche Recherchen des Senats in den einschlägigen Autozeitschriften haben keinerlei Hinweise ergeben, dass der Buchstabe “M” allgemein als Abkürzung für “Motorsport” Verwendung findet. Lediglich im Zusammenhang mit Fahrzeugen von BMW lässt sich ein entsprechender Bedeutungsgehalt von „M“ erschließen. Dies liegt indes allein an der Marketing- und Kommunikationsstrategie der Anmelderin bzw. der BMW M GmbH, im Rahmen derer die Bedeutung dieser selbst kreierten Abkürzung erläutert wurde. So heißt es beispielsweise in einem Online-Artikel vom 3. Juli 2012: “Wer sich mit der Marke BMW auskennt, dem ist das “M” in der Modellbezeichnung ein bekannter Begriff. „M“ wurde vom bayrischen Automobilhersteller vor über 40 Jahren als Abkürzung für „Motorsport“ in seine Modellreihen eingebaut und auch heute steht das M als Zeichen für eine außergewöhnliche Leistungsstärke im Namen bestimmter Modelle...” (http://www.automativ.de/der-neue-bmw-m6-halt-was-er-verspricht-id-11340.html).

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Entgegen der Ansicht der Markenstelle wird „M” im Zusammenhang mit der beanspruchten Ware aus Sicht der angesprochenen Verkehrskreise, zu denen in erster Linie die Endverbraucher gehören, auch nicht als bloße beschreibende Abkürzung für die Zugehörigkeit zur „EG-Fahrzeugklasse M“ verstanden. Zwar ist für die hier umworbenen Abnehmerkreise die Zugehörigkeit zu einer bestimmten EG-Fahrzeugklasse seit dem 1. Juli 2012 nicht mehr gänzlich irrelevant. Denn Wechselkennzeichen für zwei Kraftfahrzeuge gibt es seit diesem Tag nach § 8 Abs. 1a FZV nur dann, wenn beide Fahrzeuge derselben EG-Fahrzeugklasse angehören. Jedoch kann nicht davon ausgegangen werden, dass der überwiegende Teil der angesprochenen Verkehrskreise bei „Sportwagen“ allein in dem Buchstaben „M“ ohne das vorausgehende Wort „Klasse“ einen Bezug zu einer Fahrzeugklassifizierung nach den EG-Fahrzeugklassen herstellen wird. Im Übrigen ist bei den zur Kennzeichnung der beanspruchten Sportwagen praktisch bedeutsamen und naheliegenden Verwendungsmöglichkeiten des Anmeldezeichens – insbesondere am Fahrzeugheck – anzunehmen, dass der angesprochene Endverbraucher das Zeichen nicht als Hinweis auf die Zugehörigkeit zur „Klasse M“ nach der o. g. EG-Richtlinie, sondern als Marke verstehen wird (BGH GRUR 2010, 825 Rdnr. 21 f. - Marlene-Dietrich-Bildnis II).

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2. Das angemeldete Zeichen unterliegt auch keinem Freihaltebedürfnis nach § 8 Abs. 2 Nr. 2 MarkenG.

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Dem Schutzhindernis des § 8 Abs. 2 Nr. 2 MarkenG unterfallen solche Marken, die ausschließlich aus Zeichen oder Angaben bestehen, die im Verkehr zur Bezeichnung der Art, der Beschaffenheit, der Bestimmung oder sonstiger Merkmale der angemeldeten Waren oder Dienstleistungen dienen können. Mit diesem Schutzhindernis wird das im Allgemeininteresse liegende Ziel verfolgt, dass alle Zeichen oder Angaben, die Merkmale der angemeldeten Waren oder Dienstleistungen beschreiben, von allen Unternehmen frei verwendet werden können und nicht aufgrund ihrer Eintragung als Marke einem Unternehmen vorbehalten werden (vgl. EuGH GRUR 2004, 680, 681 Rdnr. 35, 36 - BIOMILD; GRUR 1999, 723, 725 Rdnr. 25 - Chiemsee). Das Schutzhindernis des § 8 Abs. 2 Nr. 2 MarkenG erfordert nicht, dass die fraglichen Zeichen oder Angaben bereits tatsächlich zu beschreibenden Zwecken für Waren oder Dienstleistungen der angemeldeten Art verwendet werden, vielmehr genügt, dass sie zu diesen Zwecken verwendet werden können (EuGH GRUR 2004, 146, 147 Rdnr. 32 - DOUBLEMINT; a. a. O. Rdnr. 38 - BIOMILD). Dies ist bei einem Wortzeichen dann der Fall, wenn es - in üblicher Sprachform und für die beteiligten Verkehrskreise verständlich - ein Merkmal der in Rede stehenden Waren oder Dienstleistungen bezeichnet (EuGH a. a. O. Rdnr. 32 - DOUBLEMINT; a. a. O. Rdnr. 38, 39 - BIOMILD). Des Weiteren erfordert das Schutzhindernis des § 8 Abs. 2 Nr. 2 MarkenG keine einhellige oder überwiegende Verkehrsauffassung. Vielmehr kann auch das Verständnis der am Handel beteiligten Fachkreise allein von ausschlaggebender Bedeutung sein und einer Markeneintragung entgegenstehen, zumal jeder Mitbewerber beschreibende Angaben frei verwenden können muss (EuGH GRUR 2010, 534 Rdnr. 25 - 31 – PRANAHAUS; GRUR 2006, 411 ff. - Matratzen Concord/Hukla; BPatG MarkenR 2007, 527, 529 f. – Rapido; Ströbele/Hacker, MarkenG, 10. Aufl., § 8 Rdnr. 296 m. w. N.).

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a) Ein gegenwärtiges Freihaltebedürfnis ist nicht gegeben. Die Mitbewerber benötigen gegenwärtig nicht den Buchstaben „M“ zur Bezeichnung der Art, Beschaffenheit, der Bestimmung oder eines sonstigen Merkmals der Ware „Sportwagen“. Für den beteiligten Fachverkehr, zu dem in erster Linie andere Automobilhersteller, also die Konkurrenten der Anmelderin gehören, ist zwar die Einteilung in EG-Fahrzeugklassen nach der oben genannten Richtlinie 2007/46/EG u. a. für die „Allgemeine Betriebserlaubnis für Typen“ bedeutsam (vgl. § 20 Abs. 3a Satz 4 StVZO i. V. m. Anlage XXIX). Im Zusammenhang mit den hier beanspruchten „Sportwagen“ ist dabei die „Klasse M“, unter die „für die Personenbeförderung ausgelegte und gebaute Kraftfahrzeuge mit mindestens vier Rädern“ fallen (vgl. Anhang II Buchstabe A Ziff. 1 zur RL 2007/46/EG), von Relevanz. Insoweit benötigt der Fachverkehr die konkrete Wort-Buchstabenkombination „Klasse M“ (und auch nur in dieser konkreten Reihenfolge) zur Beschreibung der Klassenzugehörigkeit von Personenkraftwagen bzw. Sportwagen, nicht jedoch den Einzelbuchstaben „M“. So ist auch in den oben jeweils zitierten Rechtsvorschriften zu den EG-Fahrzeugklassen immer nur von „Klasse M“ die Rede, d. h. nur in genau dieser Kombination hat die Bezeichnung einen sinnvollen Aussagegehalt. Insbesondere scheidet, wie bereits dargelegt, „M“ auch als allgemein bekannte Abkürzung für „Motorsport“, die von Mitbewerbern im Allgemeininteresse benötigt würde, aus.

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b) Es ergaben sich für den Senat nach intensiver Recherche u. a. in einschlägigen Kfz-Magazinen auch keine Anhaltspunkte dafür, dass künftige, nicht außerhalb der Wahrscheinlichkeit liegende wirtschaftliche Entwicklungen eine beschreibende Verwendung des Buchstabens „M“ durch die Mitbewerber vernünftigerweise erwarten lassen (vgl. EuGH a. a. O. – Chiemsee; zur Problematik dieses Begriffs s. Hacker, Markenrecht, 2. Aufl. Rdnr. 125; Ströbele in: Ströbele/Hacker, a. a. O., § 8 Rdnr. 284 f.). Insbesondere konnte auch für die Zukunft nicht prognostiziert werden, dass sich der Buchstabe „M“ als allgemein gebräuchliche Abkürzung für „Klasse M“ oder für „Motorsport“ etablieren könnte. Der Umstand, dass ausschließlich die Anmelderin über 40 Jahre den Buchstaben „M“ als Abkürzung für „Motorsport“ verwendet hat, spricht gegen die Annahme, dass künftig Mitbewerber den Buchstaben ebenfalls mit dieser Bedeutung benötigen werden.

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Mangels entgegenstehender Schutzhindernisse nach § 8 Abs. 2 Nr. 1 und Nr. 2 MarkenG kommt es auf die Frage einer Verkehrsdurchsetzung des Anmeldezeichens nach § 8 Abs. 3 MarkenG nicht mehr an.