Entscheidungsdatum: 12.05.2010
In der Beschwerdesache
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betreffend die Markenanmeldung 30 2009 042 821.2
hat der 28. Senat (Marken–Beschwerdesenat) des Bundespatentgerichts auf die mündliche Verhandlung vom 12. Mai 2010 unter Mitwirkung des Vorsitzenden Richters Stoppel, der Richterin Martens und des Richters Schell
beschlossen:
Die Beschwerde wird zurückgewiesen.
I.
Angemeldet zur Eintragung in das Markenregister ist die Bezeichnung
Varioload
als Kennzeichnung für die nachfolgend aufgeführten Waren der Klasse 7:
„Maschinen und Werkzeugmaschinen; Bandförderer; Geräte zur Beförderung von Lasten mittels Luftkissen; Förderbänder; Druckluftförderer; Fördermaschinen; Hebegeräte; Hubgeräte; Justiermaschinen; Ladeapparate: Sortiermaschinen für industrielle Zwecke: Transportbänder; industrielle Manipulatoren, Roboter, Separatoren, soweit in Klasse 7 enthalten“.
Die Markenstelle für Klasse 7 des Deutschen Patent– und Markenamts hat die Anmeldung in erster Linie wegen fehlender Unterscheidungskraft (§ 8 Abs. 2 Nr. 1 MarkenG) mit der Begründung zurückgewiesen, das Wort „ Varioload “ sei aus den leicht verständlichen Bestandteilen „Vario“ für „veränderlich, abwandelbar“ und „load“ für „Last, Ladung, Belastung“ gebildet und werde vom Verkehr dahingehend verstanden, dass die Waren veränderlichen Belastungen standhalten bzw. zum Befördern, Heben, Transportieren variabler Lasten bzw. Ladungen geeignet oder bestimmt seien. Dabei sei die Prüfung der Marke an Hand ihres Gesamteindrucks erfolgt, wobei die von der Anmelderin vorgebrachte Mehrdeutigkeit der Bezeichnung ebenso wenig schutzbegründend wirken könne wie die geltend gemachten Voreintragungen mit dem Bestandteil „Vario“.
Gegen diese Entscheidung einer Prüferin des gehobenen Dienstes richtet sich die Beschwerde der Anmelderin mit dem sinngemäßen Antrag,
den Zurückweisungsbeschluss aufzuheben und die Sache an die Markenstelle zurückzuverweisen.
Zur Begründung trägt sie vor, die Markenstelle habe die sich aus der EuGH-Entscheidung zu „Schwabenpost“ ergebende Pflicht zum Vergleich des angemeldeten mit den eingetragenen Zeichen missachtet, indem sie die Voreintragungen zwar für berücksichtigungsfähig, nicht aber für entscheidend angesehen habe. Die Aufhebung und Zurückverweisung an die Markenstelle sei gerechtfertigt, da diese die gebotene Begründungspflicht verletzt habe, in dem sie zu den von der Anmelderin genannten Voreintragungen mit dem Bestandteil „Vario-„ lediglich pauschal auf möglicherweise geänderte Wahrnehmungsgewohnheiten des Publikums in den vergangenen 10 Jahren hingewiesen habe. Die vom EuGH (Postkantoor) geforderte strenge und vollständige Prüfung sei mangels sorgfältiger Prüfung damit einseitig zu Lasten der Anmelderin erfolgt, schon weil im Jahr 2008 „Vario“-Marken weit überwiegend eingetragen worden seien. Weder fehle der angemeldeten Marke die Unterscheidungskraft noch bestehe ein Freihaltungsbedürfnis an der fremdsprachigen, sprachunüblich gebildeten Marke, da ein derart unpräziser Begriff von den Mitbewerbern nicht zur beschreibenden Verwendung im Zusammenhang mit den beanspruchten Waren benötigt werde.
Mit der Ladung hat der Senat auf zwei Entscheidungen des Bundespatentgerichts zur Relevanz von Voreintragungen hingewiesen. Daraufhin hat die Anmelderin mitgeteilt, es solle nach Aktenlage entschieden werden. Entsprechend ihrer Ankündigung ist sie im Termin nicht erschienen.
II.
Die nach § 64 Abs. 6 i. V. m. § 66 MarkenG statthafte sowie zulässige Beschwerde der Anmelderin ist nicht begründet. Nach den Feststellungen des Senats hat die Markenstelle im Ergebnis zurecht die angemeldete Marke von der Eintragung ins Markenregister ausgeschlossen, denn sie ist im Hinblick auf die beanspruchten Waren zur Merkmalsbeschreibung i. S. v. § 8 Abs. 2 Nr. 2 MarkenG geeignet.
Der Ausschlusstatbestand des § 8 Abs. 2 Nr. 2 MarkenG soll die Entstehung von markenrechtlichen Monopolen an beschreibenden Zeichen oder Angaben verhindern und damit dem Allgemeininteresse an der freien Verwendbarkeit solcher Bezeichnungen Rechnung tragen. Nach dieser Norm sind Marken dann nicht eintragungsfähig, wenn sie ausschließlich aus Zeichen oder Angaben bestehen, die im Verkehr u. a. zur Bezeichnung der Art, der Beschaffenheit oder zur Bezeichnung sonstiger Merkmale der beanspruchten Waren dienen können. Unter „sonstige Merkmale“ sind dabei alle für die angesprochenen Verkehrskreise im Hinblick auf die fraglichen Waren in irgendeiner Weise bedeutsamen Umstände zu verstehen (vgl. BGH GRUR 2000, 231, 233 – FÜNFER ). Ob einem Zeichen ein beschreibender Charakter zukommt, ist nach dem Verständnis der angesprochenen Verbraucher im Hinblick auf die konkret beanspruchten Waren oder Dienstleistungen zu beurteilen (vgl. EuGH GRUR 2006, 411, 413, Rdn. 24 – Matratzen Concord/Hukla).
Um zur Warenbeschreibung nach der genannten Norm geeignet zu sein, ist es nicht erforderlich, dass die angemeldete Bezeichnung lexikalisch bereits nachweisbar ist. Gegenstand der Schutzfähigkeitsprüfung von (fremdsprachigen) aus mehreren Bestandteilen zusammengesetzten Wortbildungen ist stets die angemeldete Marke in ihrer Gesamtheit. Bei Wortkombinationen kann es allerdings für die Feststellung des semantischen Gehalts erforderlich sein, zunächst den Bedeutungsgehalt der einzelnen Wortbestandteile zu ermitteln (vgl. hierzu EuGH, MarkenR 2007, 204, Rdn. 79 - Celltech; EuGH GRUR Int 2005, 1012, 1014, Rdn. 31 - BioID). Ergibt dieser Prüfungsschritt, dass den einzelnen Wortelementen ein beschreibender Bedeutungsgehalt zukommt, stellt dies einen Anhaltspunkt dafür dar, dass auch ihre Kombination für die fraglichen Waren oder Dienstleistungen beschreibend bleibt, selbst wenn es sich dabei um eine sprachliche Neuschöpfung handelt (vgl. EuGH GRUR 2004, 680, 681 Rdn. 37 ff. -BIOMILD). In einem weiteren Schritt bleibt dann aber stets zu prüfen, ob zwischen der Wortverbindung in ihrer Gesamtheit und der bloßen Summe ihrer beschreibenden Bestandteile ein merklicher Unterschied besteht, beispielsweise aufgrund vorhandener syntaktischer oder semantischer Besonderheiten (vgl. EuGH, MarkenR 2007, 204, Rdn. 78 - Celltech; EuGH GRUR 2004, 943, 944, Rdn. 28 - SAT.2). Dies ist vorliegend jedoch nicht der Fall.
Mit der Markenstelle ist davon auszugehen, dass es sich beim Wortelement „Vario“ um ein beliebtes Kurzwort handelt, mit dem auf spezielle Eigenschaften, wie die flexible Funktionalität und den modularen Einsatz, insbesondere von technischen Gegenständen hingewiesen wird. Der erkennende Senat hat in seiner Entscheidung vom 19. Mai 1999 (s. Pavis Proma 28 W(pat) 272/ 97) an Hand zahlreicher Beispiele belegt, dass das Kürzel „Vario“ für Waren der Klasse 12 verwendet wird, um die vielseitigen Einsatzmöglichkeiten oder die variable Mobilität im Bereich Kraftfahrzeuge in der Werbung hervorzuheben, und somit in Alleinstellung einem Freihaltungsbedürfnis unterliegt. Bereits früher hatte der Senat in seiner Entscheidung vom 31. Mai 1995 (s. Pavis Proma 28 W(pat) 274/94) auf geläufige Fachbegriffe, wie "Variometer", "Varioobjektiv", "Variokoppler", "Variolith" oder " Varioptik " hingewiesen, jedoch die Bezeichnung „Variobahn“ zum Markenschutz zugelassen, nachdem entsprechend der damaligen Rechtssprechungspraxis für die Wortneuschöpfung insbesondere ein gegenwärtiges Freihaltungsbedürfnis nicht nachgewiesen werden konnte. „Variobahn“ ist heute ein gebräuchlicher Gattungsbegriff für Schienenfahrzeuge in modularer Bauweise und mit unterschiedlichen Einsatzzwecken. Vor diesem Hintergrund üblicher Wortbildungen mit dem Kürzel „Vario“ und angesichts der Tatsache, dass sich die beanspruchten Waren in erster Linie an Fachkreise mit technischer Ausbildung richten, bei denen die Kenntnis des zum englischen Grundwortschatz gehörenden Begriffs „load“ im der (technischen) Bedeutung „Last, Beladung“ vorausgesetzt werden kann, liegt eine Eignung der angemeldeten Bezeichnung zur Beschreibung dieser konkreten Maschinen und Geräte im dargestellten Sinn auf der Hand. Die von der Anmelderin geltend gemachte Sprachunüblichkeit ebenso wie die angebliche Mehrdeutigkeit der angemeldeten Marke erweist sich bei verständiger Würdigung im Zusammenhang mit den konkret beanspruchten Waren demgegenüber als lebensfremd.
Für die Annahme eines Freihaltungsbedürfnisses i. S. v. § 8 Abs. 2 Nr. 2 MarkenG ist es im Übrigen nicht erforderlich, dass sich eine beschreibende Verwendung der fraglichen Angabe bereits nachweisen lässt. Gelingt dieser Nachweis allerdings, spricht dies eindeutig für ein schutzwürdiges Interesse der Wettbewerber an ihrer freien Verwendbarkeit. So verhält es sich hier, da auf verschiedenen technischen Gebieten auf den Begriff „Vario(-)Load“ zurückgegriffen wird, um die wünschenswerte Flexibilität bei Zuführung oder Herstellung von Waren zum Ausdruck zu bringen, (vgl. beispielsweise hierzu www.decker-anlagenbau.de „Vario-LoadTrommel“ „Füllgut unterschiedlicher Form und Größe in einer Trommel prozessieren“; „Füllvolumina anpassbar durch verschiebbare Zwischenwand“; www.tms-at.com „TMS VarioLoad sind bauteilspezifische und flexible Lösungen für die Zuführung von Karosserieteilen in Roboter Schweißanlagen des Karosseriebaus“). In gleicher Weise stellt die Anmelderin die Vorteile ihrer VarioLoad Beladestation auf ihrer Internetseite heraus, indem sie auf die modulare Bauweise verweist, die Erweiterungen oder Änderungen jederzeit, auch im Feld, möglich macht. Im Ergebnis steht der Eintragung der Marke daher ein schutzwürdiges Interesse der Mitbewerber an ihrer freien Verwendbarkeit entgegen (§ 8 Abs. 2 Nr. 2 MarkenG).
Der angemeldeten Marke fehlt zudem jegliche Unterscheidungskraft i. S. v. § 8 Abs. 2 Nr. 1 MarkenG. Angesichts des im Vordergrund stehenden, produktbezogenen Sinngehalts der angemeldeten Marke ist davon auszugehen, dass sie die maßgeblichen Verkehrskreise lediglich als Hinweis auf Art bzw. Bestimmungszweck der beanspruchten Waren auffassen werden, nicht aber als unternehmensbezogenen Herkunftshinweis. Die angemeldete Marke verfügt somit nicht über die Eignung, für die angesprochenen Verkehrskreise die Ursprungsidentität der fraglichen Waren zu garantieren. Bei dieser Sachlage widerspricht es dem im Rahmen des § 8 Abs. 2 Nr. 1 MarkenG zu berücksichtigenden Allgemeininteresse, die Marke der ungehinderten Verwendung durch die Allgemeinheit dauerhaft zu entziehen.
Soweit sich die Anmelderin zur Begründung ihrer Beschwerde auf Voreintragungen beruft, begründet dieser Vortrag weder ein anderes Prüfungsergebnis, noch die Aufhebung des angefochtenen Beschlusses und die Zurückverweisung der Sache an die Markenstelle zur weiteren Prüfung. Sowohl der EuGH als auch der BGH haben immer wieder bestätigt, dass Voreintragungen generell keine Bindungswirkung zukommen kann, sondern stattdessen ausschließlich auf Grundlage der gesetzlichen Eintragungshindernisse zu entscheiden ist (vgl. EuGH MarkenR 2009, 478, Rdn 57 ff - American Clothing; EuGH MarkenR 2009, 201, 202, Rdn. 13-19 – Schwabenpost; EuGH MarkenR 2004, 116, 122 f., Rdn. 63 – Henkel; BGH GRUR 2004, 506, 507 – Stabtaschenlampen II; BGH GRUR 2009, 778, 779, Rdn. 8 – Willkommen im Leben). Dies gilt sogar selbst für den Fall, dass ein identisches Zeichen für denselben Anmelder schon einmal eingetragen wurde, wie dies der BGH hervorgehoben hat (vgl. BGH GRUR 2009, 411, 412, Rdn. 14 – STREETBALL ). Der Umstand, dass Voreintragungen – zu Recht oder zu Unrecht – erfolgt sind, ist lediglich in die umfassende Schutzfähigkeitsprüfung des konkreten Einzelfalls miteinzubeziehen (vgl. EuGH MarkenR 2009, 201 – Schwabenpost; BGH GRUR 2009, 778, 779, Rdn. 8 – Willkommen im Leben). In diesem Sinne hat der Senat bei der Beurteilung des streitgegenständlichen Zeichens die von der Anmelderin angeführten Voreintragungen mit einbezogen, ohne dass sich hieraus schutzbegründende Gesichtspunkte ergeben hätten.
Die Beschwerde war somit zurückzuweisen.