Bundespatentgericht

Entscheidungsdatum: 13.06.2012


BPatG 13.06.2012 - 28 W (pat) 5/11

Markenbeschwerdeverfahren - "PEL MINI" – kein Freihaltungsbedürfnis - Unterscheidungskraft


Gericht:
Bundespatentgericht
Spruchkörper:
28. Senat
Entscheidungsdatum:
13.06.2012
Aktenzeichen:
28 W (pat) 5/11
Dokumenttyp:
Beschluss
Zitierte Gesetze

Tenor

In der Beschwerdesache

betreffend die Markenanmeldung 30 2009 063 599.4

hat der 28. Senat (Marken-Beschwerdesenat) des Bundespatentgerichts auf die mündliche Verhandlung vom 13. Juni 2012 durch die Vorsitzende Richterin Klante, die Richterin Dorn und den Richter am Amtsgericht Jacobi

beschlossen:

Die Beschlüsse des Deutschen Patent- und Markenamts, Markenstelle für Klasse 29, vom 7. Juli 2010 und 24. November 2010 werden aufgehoben.

Gründe

I.

1

Das Wortzeichen 30 2009 063 599.4

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PEL MINI

3

ist am 28. Oktober 2009 zur Eintragung als Marke in das beim Deutschen Patent- und Markenamt (DPMA) geführte Register für nachfolgende Waren angemeldet worden:

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Klasse 29: Fleisch; Fleischwaren, eingesalzen; Fleischkonserven;  Wurst; Wurstwaren; Schinken; Fisch; Geflügel; Wild;  Fleischextrakte; Feinkostsalate, soweit in Klasse 29 ent- halten; alle vorgenannten Erzeugnisse auch tiefgefroren  und/oder gekühlt; alle vorgenannten Erzeugnisse auch als  Fertiggerichte oder Halbfertiggerichte ungekühlt, gekühlt  oder tiefgefroren;

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Klasse 30: Pfannkuchen; Pasteten (Backwaren) und Pasteten im  Teigmantel und Teigtaschen ungefüllt, unbelegt und/oder mit  Füllung aus Erzeugnissen der Klassen 29 und 30, ins- besondere mit Hackfleisch gefüllte Teigtaschen; Feinkostsalate, soweit in Klasse 30 enthalten; alle vorgenannten  Erzeugnisse auch tiefgefroren und/oder gekühlt; alle vorge- nannten Erzeugnisse auch als Fertiggerichte oder Halbfertiggerichte ungekühlt, gekühlt oder tiefgefroren.

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Mit Beschlüssen vom 7. Juli 2010 und 24. November 2010, von denen letzterer im Erinnerungsverfahren ergangen ist, hat die Markenstelle für Klasse 29 die Anmeldung wegen fehlender Unterscheidungskraft und wegen eines Freihaltebedürfnisses zurückgewiesen. Zur Begründung hat sie ausgeführt, dass das inländische Publikum ausweislich der übersandten Recherchebelege des DPMA den Begriff "Pelmini" als produktbeschreibenden Sachhinweis auf ursprünglich aus der russischen Küche stammende Teigtaschen verstehe und verwende, und zwar in gleicher Weise wie den korrekt aus dem Kyrillischen transkribierten Ausdruck "Pelmeni". Das inländische Publikum werde den Begriff auch in der getrennten Schreibweise "PEL MINI" in diesem Sinne wahrnehmen. Es werde zudem die Abwandlung von "Pelmeni" zu "PEL MINI" entweder nicht bewusst als solche wahrnehmen oder für einen Schreib- bzw. Hörfehler halten. Das Anmeldezeichen eigne sich daher nicht als betrieblicher Herkunftshinweis, zudem handle es sich um eine freihaltebedürftige Sachangabe.

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Hiergegen richtet sich die Beschwerde der Anmelderin, mit der sie beantragt,

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die Beschlüsse des Deutschen Patent- und Markenamts, Markenstelle für Klasse 29, vom 7. Juli 2010 und 24. November 2010 aufzuheben.

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Zur Begründung hat sie unter Berufung auf die Entscheidung des Bundespatentgerichts - BPatG 28 W (pat) 136/08 - Kasatzkaja - ausgeführt, dass eine lexikalisch nicht nachweisbare Schreibweise - wie hier von "PEL MINI" - dem Markenschutz nicht entgegenstehe. Abgesehen davon bezögen sich die bislang übersandten Recherchenachweise auf Schreibweisen, bei denen "Pelmini" zusammengeschrieben werde. Es gebe jedoch keine Belege dafür, dass eine getrennte Schreibweise - wie hier zur Eintragung beantragt - von den inländischen Verkehrskreisen entsprechend beschreibend verwendet würde. Das Leerzeichen zwischen den beiden Elementen "PEL" und "MINI" führe hier vielmehr zu einer Zergliederung des Wortzeichens, aus dem eine Sachangabe nicht mehr erkennbar hervorgehe, zumal das Wort "mini" eine eigene Bedeutung im Sinne von "klein" habe. Abgesehen davon würde ausweislich einer Google-Recherche in der ganz überwiegenden Mehrzahl von sachbeschreibenden Verwendungen der Ausdruck richtig als "Pelmeni" geschrieben. Vor diesem Hintergrund könne nicht davon ausgegangen werden, dass die hier in Rede stehende abgewandelte Schreibweise auch bei Zusammenschreibung ("Pelmini") vom inländischen Publikum als Sachangabe für russische Teigtaschen verstanden werde. Eine vereinzelte Falschschreibung sei auf mangelnde Sorgfalt oder Hörfehler zurückzuführen.

10

Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf den Akteninhalt Bezug genommen.

II.

11

Die zulässige Beschwerde der Anmelderin hat Erfolg.

12

Der Eintragung des angemeldeten Wortzeichens "PEL MINI" als Marke stehen in Bezug auf die beanspruchten Waren keine Schutzhindernisse nach § 8 Abs. 2 Nr. 1 und Nr. 2 MarkenG entgegen.

13

Bei dem Anmeldezeichen handelt es sich zunächst nicht um eine freihaltebedürftige beschreibende Angabe.

14

Dem Schutzhindernis des § 8 Abs. 2 Nr. 2 MarkenG unterfallen solche Marken, die ausschließlich aus Zeichen oder Angaben bestehen, die im Verkehr zur Bezeichnung der Art, der Beschaffenheit, der Bestimmung oder sonstiger Merkmale der angemeldeten Waren oder Dienstleistungen dienen können. Mit diesem Schutzhindernis wird das im Allgemeininteresse liegende Ziel verfolgt, dass alle Zeichen oder Angaben, die Merkmale der angemeldeten Waren oder Dienstleistungen beschreiben, von allen Unternehmen frei verwendet werden können und nicht aufgrund ihrer Eintragung als Marke einem Unternehmen vorbehalten werden (vgl. EuGH GRUR 2004, 680, 681 Rdnr. 35, 36 - BIOMILD; GRUR 1999, 723, 725 Rdnr. 25 - Chiemsee).

15

Für die markenrechtliche Schutzfähigkeit fremdsprachiger Angaben kommt es nach höchstrichterlicher Rechtsprechung darauf an, ob die beteiligten inländischen Verkehrskreise im Stande sind, die Bedeutung des fremdsprachigen Markenwortes zu erkennen, wobei gleichermaßen auf die Durchschnittsverbraucher als auch auf die am Handel beteiligten inländischen Fachkreise abzustellen ist (EuGH GRUR 2010, 534 - PRANAHAUS; GRUR 2006, 411 Rdnr. 24 - Matratzen Concord/Hukla; Ströbele/Hacker, MarkenG, 10. Aufl., § 8 Rdnr. 393 f. m. w. N.).

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Die Markenstelle hat zutreffend ausgeführt, dass der Ausdruck "Pelmeni" die korrekt transkribierte Wiedergabe des russischen Wortes "пельмени" darstellt (vgl. auch die Mitteilung des staatlich anerkannten Übersetzers für russische Sprache, Herrn S…, vom 30. März 2010, Bl. 18/19 VA) und ursprünglich aus Russland stammende Teigtaschen bezeichnet, die auch weiten Teilen des inländischen Publikums bekannt sind (vgl. http://de.wikipedia.org/wiki/Pelmeni). Im Zusammenhang mit den beanspruchten Waren wäre die Bezeichnung "Pelmeni” einem Markenschutz wegen § 8 Abs. 2 Nr. 2 MarkenG nicht zugänglich, da sie die fraglichen Waren hinsichtlich ihres Bestimmungszwecks bzw. ihrer Art beschreibt. Dies mag auch für die leicht abgewandelte Schreibweise "Pelmini” gelten, die sich in einschlägigen deutschen Internetseiten von Anbietern russischer bzw. nach russischem Rezept hergestellter Gerichte häufig - anstelle der korrekt transkribierten Bezeichnung "Pelmeni” - als produktbeschreibender Sachhinweis auf russische Teigtaschen findet.

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Die Anmelderin begehrt hier jedoch die Eintragung des Wortzeichens "PEL MINI”, welches sich von der beschreibenden Sachangabe "Pelmeni” nicht nur durch das "I” in der vorletzten Silbe, sondern vor allem auch noch durch die getrennte Schreibweise unterscheidet. Dieser Ausdruck lässt sich lexikalisch nicht nachweisen, es konnte auch nicht belegt werden, dass "PEL MINI” in dieser Schreibweise bereits im deutschen Sprachraum als Abwandlung von "Pelmeni” zur Bezeichnung von russischen Teigtaschen verwendet wird. Das Leerzeichen zwischen "PEL" und "MINI" führt hier vielmehr zu einer zergliedernden Betrachtungsweise. Das angesprochene Publikum wird also in dem Anmeldezeichen zwei getrennte, selbständige Wortelemente sehen, nämlich den Begriff "Pel”, der im deutschen Sprachgebrauch keinen erkennbaren Sinngehalt hat, und den weiteren Begriff "mini” mit der Bedeutung "sehr kurz, [weit] oberhalb des Knies endend (auf Kleider, Röcke od. Mäntel bezogen)” (Duden - Das Fremdwörterbuch, 9. Aufl. 2007 [CD-ROM]) bzw. als umgangsprachliche Kurzform für "Miniatur” (vgl. http://de.wikipedia.org/wiki/Mini). In seiner Gesamtbedeutung kann das Anmeldezeichen daher allenfalls als "sehr kleines Pel” verstanden werden, was mangels eines sinnvollen Aussagegehalts auf die angesprochenen Verkehrskreise wie eine Fantasiebezeichnung wirkt. Es kann jedenfalls nicht festgestellt werden, dass das inländische Publikum in "PEL MINI” noch das aus dem Kyrillischen transkribierte Wort "Pelmeni” erkennt und als solches versteht.

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Wegen der fehlenden Eignung zur Beschreibung der beanspruchten Waren kommt daher ein Ausschluss von der Eintragung nach § 8 Abs. 2 Nr. 2 MarkenG nicht in Betracht.

19

Dem Anmeldezeichen kann auch nicht jegliche Unterscheidungskraft abgesprochen werden.

20

Unterscheidungskraft im Sinne des § 8 Abs. 2 Nr. 1 MarkenG ist die einem Zeichen innewohnende (konkrete) Eignung, vom Verkehr als Unterscheidungsmittel aufgefasst zu werden, welches die in Rede stehenden Waren oder Dienstleistungen als von einem bestimmten Unternehmen stammend kennzeichnet und diese Waren oder Dienstleistungen somit von denjenigen anderer Unternehmen unterscheidet. Da allein das Fehlen jeglicher Unterscheidungskraft ein Eintragungshindernis begründet, ist ein großzügiger Maßstab anzulegen, so dass jede auch noch so geringe Unterscheidungskraft genügt, um das Schutzhindernis zu überwinden (BGH MarkenR 2012, 19, Rdnr. 8 - Link economy; GRUR 2010, 1100, Rdnr. 10 - TOOOR!; GRUR 2010, 825, 826, Rdnr. 13 - Marlene-Dietrich-Bildnis II; GRUR 2006, 850, 854, Rdnr. 18 - FUSSBALL WM 2006).

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Mangels eines dem inländischen Publikum ohne weiteres verständlichen Aussagegehalts der Bezeichnung "PEL MINI" weist diese für die beanspruchten Waren weder einen im Vordergrund stehenden beschreibenden Begriffsgehalt auf, noch handelt sich um eine Angabe, durch die ein enger beschreibender Bezug zu ihnen hergestellt werden kann. Damit eignet sich das angemeldete Wortzeichen als betrieblicher Herkunftshinweis.

22

Allerdings wird der Schutzumfang des beanspruchten Zeichens durch die konkret gewählte Schreibweise bestimmt; weder umfasst er eine Wiedergabe in kyrillischen Schriftzeichen noch erstreckt er sich auf Schreibweisen in lateinischer Schrift, die von der angemeldeten Form abweichen.